L 19 R 636/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 642/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 636/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.07.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beanspruchen kann.

Der 1940 geborene Kläger ist gelernter Werkzeugmacher und war in diesem Beruf bis zum 31.03.1981 beschäftigt. Bis zum 11.04.1985 war der Kläger mit Unterbrechungen arbeitslos und bezog Leistungen der Arbeitsverwaltung.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 24.03.1994 auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Bescheid vom 28.10.1994 ab. Zwar bestehe seit Antragstellung Erwerbsunfähigkeit. Allerdings seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, da im maßgeblichen Zeitraum vom 24.03.1989 bis 23.03.1994 keine Pflichtbeitragszeiten enthalten seien. Den Widerspruch des Klägers - er führte aus, dass er mindestens seit Januar 1981 durchgehend erwerbsunfähig sei - wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.1995 zurück. Rentenrechtliche Zeiten seien nur bis zum 11.04.1985 vorhanden, so dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Anhaltspunkte für eine Leistungsminderung schon zu einem früheren Zeitpunkt (etwa vor dem 01.01.1985) bestünden nicht. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Bayreuth (SG) mit Urteil vom 17.10.1995 wegen Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgewiesen (Az: S 4 RJ 339/95).

Den Antrag des Klägers vom 20.03.1996, im Wege des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erneut über die Gewährung einer Rente wegen einer ab 1981 bestehenden Erwerbsunfähigkeit zu entscheiden, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.07.1998 und Widerspruchsbescheid vom 08.10.1998 ab. Von einem Eintritt der Erwerbsminderung bereits vor dem 01.01.1985 sei nicht auszugehen. Dagegen spreche auch, dass der Kläger noch im Jahr 1985 der Arbeitsverwaltung als arbeitssuchend zur Verfügung gestanden und erfolgreich an einer Berufsbildungsmaßnahme teilgenommen habe. Das dagegen unter dem Az: S 9 RJ 1017/98 beim SG geführte Klageverfahren fand sein Ende durch Zurücknahme der Klage am 11.07.2000. Im nachfolgenden Verfahren S 9 RJ 716/00 stellte das SG mit Urteil vom 11.09.2001 die Erledigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahme fest (bestätigt durch Urteil des Bayer. Landessozialgerichts - BayLSG - vom 30.01.2002, L 20 RJ 549/01).

Am 05.02.2002 stellte der Kläger erneut einen Überprüfungsantrag hinsichtlich der Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er bezogt sich auf einen Befundbericht seines behandelnden Urologen Dr.K. vom 03.09.2001 sowie auf ein Attest von Dr.E. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 31.10.2001. Die Beklagte war der Auffassung, dass diese Unterlagen nicht geeignet seien, einen Leistungsfall vor dem 24.03.1994 zu begründen, und wies den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 28.10.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.1995 und auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab (Bescheid vom 22.07.2002 und Widerspruchsbescheid vom 27.09.2002).

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage führte der Kläger aus, dass die von Dr.E. im Befundbericht vom 31.10.2001 beschriebenen Gesundheitsstörungen und Beeinträchtigungen bereits seit 1980 bestünden. Dass er seit 1980 erwerbsunfähig sei, könne er eidesstattlich versichern.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.07.2004). Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte einen Rentenanspruch erneut abgelehnt habe. Der Kläger habe keine neuen Unterlagen vorgelegt oder Gesichtspunkte aufgezeigt, die auf einen Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor dem 23.03.1994 oder gar im Jahr 1981 hinweisen könnten. Der Befundbericht des Urologen Dr.K. vom 03.09.2001 beschreibe nur den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers und bringe keine Aussage über den Gesundheitszustand im Zeitraum ab 1981. Im ärztlichen Attest von Dr.E. vom 31.10.2001 werde zwar ausgeführt, dass die krankheitsbedingte Behinderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit der Jugend des Klägers bestehen dürfte, jedoch mindestens seit zwei Jahrzehnten, da der Kläger in dieser Zeit keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Dr.E. habe allerdings gleichzeitig mitgeteilt, dass sich der Kläger erst seit dem 17.08.2001 in seiner Behandlung befinde. Die Aussage von Dr.E. sei somit lediglich als Mutmaßung zu werten, die durch keine konkreten medizinischen Unterlagen aus dem Zeitraum ab 1981 belegt sei. Dem Rentenanspruch des Klägers stehe entgegen, dass Unterlagen über ärztliche Behandlungen erst für den Zeitraum ab 1991 vorhanden seien. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger bei der Internistin Dr.B. in Behandlung gewesen. Diese habe 1987 ihre Praxis abgegeben, wobei die Unterlagen über den Kläger vom Praxisnachfolger vernichtet worden seien. Dr.B. habe auch bereits 1995 angegeben, dass sie keine Angaben über den Gesundheitszustand des Klägers im Zeitraum 1980 bis 1987 machen könne. Dies zugrunde gelegt, ließen sich allenfalls Vermutungen über den Gesundheitszustand des Klägers in der Zeit 1981 bis 1991 anstellen. Ein Nachweis für den Eintritt von Erwerbsunfähigkeit ergebe sich hieraus nicht. Nicht geeignet für einen entsprechenden Nachweis sei die vom Kläger angebotene eidesstattliche Versicherung über seinen Gesundheitszustand in dem genannten Zeitraum.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zum BayLSG. Er hält daran fest, dass er seit 1981 erwerbsunfähig sei.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.07.2004 und des Bescheides der Beklagten vom 22.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2002 die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 28.10.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.1995 zurückzunehmen und ihm auf seinen Antrag vom 24.03.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte, die dem Kläger mit Bescheid vom 01.07.2005 Regelaltersrente nach Vollendung des 65.Lebensjahres ab diesem Datum bewilligte, bezieht sich auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat die Versichertenakte der Beklagten, die Akten des SG sowie des BayLSG aus den vorhergehenden Verfahren beigezogen. Auf den Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Vesrhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2002 ist rechtmäßig.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Einer gerichtlichen Nachprüfung des negativen Zugunstenbescheides vom 22.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2002 steht nicht entgegen, dass der Bescheid vom 28.10.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.1995 durch das rechtskräftige Urteil des SG vom 17.10.1995 bestätigt worden ist. Nach der Regelung des § 44 SGB X kommt der Verwaltung die Befugnis zu, unter Verzicht auf die materielle Rechtskraft eines zu ihren Gunsten ergangenen Sachurteils durch Erteilung eines neuen Bescheides eine abweichende Sachentscheidung zu treffen. In diesem Fall steht die Rechtskraft des früheren Urteils nicht entgegen, denn auch ein durch rechtskräftige Abweisung einer Klage bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt ist ein unanfechtbarer Verwaltungsakt im Sinne des § 44 Abs 1 SGB X.

Ebenfalls steht einer gerichtlichen Nachprüfung der erneuten negativen Zugunstenentscheidung der Beklagten nicht entgegen, dass der Kläger in dem SG-Verfahren S 9 RJ 1017/98 die Klage gegen den vorhergehenden negativen Zugunstenbescheid vom 20.07.1998 und Widerspruchsbescheid vom 08.10.1998 zurückgenommen hat. Insofern gilt zwar durch die Klagerücknahme der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt, so dass eine auf dasselbe Ziel gerichtete Klage - der Aufhebung des Bescheides 28.10.1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.1995 und die Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung - unzulässig ist (vgl § 102 Satz 2 SGG). Jedoch ist eine erneute Klage möglich, wenn eine Änderung der Sachlage seit der Klagerücknahme eingetreten sein kann. Der Kläger beruft sich nach Zurücknahme der Klage am 11.07.2000 auf ärztliche Befundberichte vom 03.09.2001 und 31.10.2001, so dass es zumindest als möglich erscheint, dass nunmehr von einem geänderten Sachverhalt auszugehen ist.

Allerdings hat das SG zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet werden kann, den Bescheid vom 28.10.1994 und den Widerspruchsbescheid vom 15.05.1995 auf den Antrag vom 05.02.2002 hin zurückzunehmen. Die hierfür nach § 44 Abs 1 SGB X notwendigen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die vom Kläger vorgelegten Berichte seiner behandelnden Ärzte aus dem Jahr 2001 können einen Leistungsfall vor dem 23.03.1994 nicht begründen. Es verbleibt dabei, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung) nicht erfüllt. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass das SG richtigerweise die vom Kläger angebotene eidesstattliche Versicherung über seinen Gesundheitszustand nicht als Beweismittel in Betracht gezogen hat. Eine eidliche Parteivernehmung ist im sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig (vgl Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 03.06.2004, Az: B 11 AL 71/03 R, SGb 2004, 479). Im Ergebnis geht es zu Lasten des Klägers dass der Eintritt des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt vor dem 24.03.1994 nicht festgestellt werden kann. Der Kläger trägt insofern die objektive Beweislast für das tatsächliche Vorliegen der von ihm behaupteten Gesundheitsstörungen (vgl Urteil des BSG vom 28.08.1991, Az: 13/5 RJ 47/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 8).

Nach alledem ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden und die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichltich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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