L 1 RJ 124/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 15 RJ 1236/99
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 124/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. April 2003 wird zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 17. November 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2004 wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des am XXXXXX 2002 verstorbenen Z. G. (früher S. G., im Folgenden: Versicherter) aus dessen Versicherung unter Anrechnung von in Polen von Januar 1937 bis August 1940 zurückgelegten Beitragszeiten und einer anschließenden verfolgungsbedingten Ersatzzeit nach erfolgter Nachentrichtung von Beiträgen Altersruhegeld zu gewähren hat.

Der am XX.XXXXXXXX 1912 in K., das während des 2. Weltkriegs in das Deutsche Reich eingegliedert war, geborene Versicherte war Jude. Er lebte bei Beginn des Zweiten Weltkriegs wohl in seinem Geburtsort. Nach dem Kriege hielt er sich nach eigenem Vortrag ab 1. Januar 1947 in E./Bayern auf. Dort war er wohnhaft und wurde ihm und seiner damaligen Ehefrau A. G. geb. K1 am X.XXXXXXXX 1948 ein Kind geboren (Bescheinigung der Gemeinde E. vom X.XXXXXXX 1961). Seit 1962 lebte der Versicherte in den USA, deren Staatsangehörigkeit er seit 1970 besaß. Unterlagen darüber, dass er als Verfolgter nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt war und entschädigt wurde, haben sich nicht ermitteln lassen.

Am 23. August 1990 beantragte der Versicherte, der eine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) nicht behauptete, bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Nachentrichtung von Beiträgen gemäß den §§ 21, 22 des Gesetzes über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG), die Wiederherstellung von Versicherungsunterlagen und die Zahlung von Altersruhegeld. Weitere Angaben machte er, obwohl von der BfA hierzu aufgefordert, nicht. Die BfA lehnte durch Bescheide vom 22. und 25. März 1991 sowohl den Nachentrichtungs- als auch den Rentenantrag ab. Nachdem der Versicherte im anschließenden Vorverfahren ebenfalls keine weiteren Angaben gemacht hatte, wies die BfA seine Widersprüche durch Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1991 zurück. Der Versicherte habe die Wartezeit nicht erfüllt, weil für ihn Beitragszeiten zur deutschen Rentenversicherung nicht anzurechnen seien. Schon deshalb könnten Zeiten "verfolgungsbedingten Auslandsaufenthaltes" nicht angerechnet werden. Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) seien nach § 17 Abs. 1 Buchstabe b letzter Halbsatz FRG in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung nicht erstmals zu berücksichtigen.

Hiergegen erhob der Versicherte vor dem Sozialgericht Berlin am 9. November 1991 Klage (S 39/3 An 4078/91). Unter dem 17. Januar 1992 gab er durch seinen damaligen Bevollmächtigten an, den Beruf eines Bäckers erlernt und 1929 mit Prüfung abgeschlossen zu haben. Er machte Pflichtbeitragszeiten von Januar 1934 bis August 1940 zur polnischen Sozialversicherung als Bäckergeselle bei Bäckermeister H. M. in K. geltend, bei dem er auch schon vor Einführung der Sozialversicherung in Polen gearbeitet habe. Das hierfür erhaltene Entgelt sei ihm nicht erinnerlich. Er sei Verfolgter iSd BEG, aber kein Vertriebener iSd § 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG), habe Beiträge zum amerikanischen Sozialversicherungssystem entrichtet und beziehe eine US-Rente. Ab November 1939 habe er den Judenstern tragen müssen. Aus Furcht vor dem Zugriff der NS-Machthaber sei er im August 1940 aus seinem Geburtsort Richtung Osten geflohen und in der UdSSR fest gehalten worden, bevor er nach Kriegsende (Juni 1946) nach Polen repatriiert worden sei. Diese Angaben wiederholte sein jetziger Bevollmächtigter unter dem 3. September 1993, wobei er sich auf das Zeugnis der J. W. (1920) und der T. O. (1923) berief. Diese wurden am 11. Januar und 10. Juli 1996 vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in New York als Zeugen vernommen. Auf den Inhalt der Vernehmungsniederschriften wird Bezug genommen.

Das Sozialgericht Berlin, das die Beklagte beigeladen hatte, wies die Klage durch Urteil vom 15. Januar 1997 ab. Die Bekundungen der Zeuginnen W. und O. reichten für eine Glaubhaftmachung von in Polen zurückgelegten Beitragszeiten, die in die deutsche Versicherungslast übergegangen seien, nicht aus. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin (L 1 An 17/97) legte der Versicherte die eidesstattliche Versicherung des B. B1 (1914) vom 30. März 1997 vor, nach deren Inhalt er, der Versicherte, schon 1931 in der Bäckerei und Konditorei H. M. als Bäcker in die Lehre gegangen sei. Nach drei Jahren sei er als ordentlicher Geselle angestellt worden, habe den damals üblichen Lohn erhalten und sei bis zum Einmarsch der deutschen Armee im Jahre 1939 dort Geselle gewesen. G1 G2 (1918) bekundete unter dem 2. April 1997, dass sie als Schulmädchen den Versicherten ca. 1934 in der Bäckerei H. M. habe arbeiten sehen. Er sei Konditor gewesen und habe seine Ausbildung auf Feingebäck und Torten spezialisiert. Aus Gesprächen mit dem Versicherten kurz vor der Verfolgung wisse sie, dass er für seine Arbeit Lohn erhalten habe. Bis zum Einmarsch der deutschen Armee habe er als angestellter Bäcker/Konditor gearbeitet.

Nachdem G1 G2 sich nach seinen Angaben aus Krankheitsgründen nach Israel begeben hatte und es deshalb zu ihrer Vernehmung nicht gekommen war, berief sich der Versicherte zudem auf das Zeugnis des S1 E1 (1919). B. B1 und S1 E1 wurden am 25. November 1997 vor dem Deutschen Generalkonsulat in New York vernommen. Auch insoweit wird auf den Inhalt der Vernehmungsniederschriften verwiesen.

Im Termin des Landessozialgerichts Berlin vom 31. Juli 1998 hob die BfA, weil sie zu deren Erlass nicht zuständig gewesen sei, ihre Bescheide vom 22. und 25. März 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 1991 auf.

Die zuständige Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Versicherten vom 23. August 1990 hinsichtlich des Altersruhegeldes durch Bescheid vom 16. November 1998 mit der Begründung ab, dass die im vorangegangenen Gerichtsverfahren eingeholten Zeugenerklärungen für die Glaubhaftmachung einer Beitragsentrichtung zur polnischen Rentenversicherung in der Zeit von Januar 1934 bis August 1940 nicht ausreichten. Es stehe nicht fest, während welcher Zeiten ein Ausbildungsverhältnis und während welcher Zeiten ein Arbeitsverhältnis des Versicherten bestanden habe. Auch sei unklar, ob und in welcher Höhe ihm ein Entgelt gezahlt worden sei. Die Zeugenerklärungen seien in diesen Punkten zu unbestimmt. Außerdem habe der Versicherte selbst nur unzureichende Angaben gemacht und weder einen Lebenslauf für die Zeit seit seinem 16. Lebensjahr vorgelegt noch Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal gemacht. Beitragszeiten – und mithin auch Ersatzzeiten - könnten daher nicht angerechnet werden. Verfolgungsbedingte Ersatzzeiten seien im Übrigen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Durch Bescheid vom 17. November 1998 lehnte die Beklagte auch den Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen ab.

Im anschließenden Vorverfahren wurde für den Versicherten vortragen, er habe bis 1926 die Volkschule besucht. Von 1926 bis 1930 habe er eine Bäckerlehre absolviert. Von 1931 bis 1933 sei er Zuckerbäckerlehrling, von 1934 bis September 1939 Zuckerbäckergeselle für Kleingebäck und Torten, ebenfalls bei M., gewesen. Von September 1939 bis August 1940 habe er im Ghetto K. weiterhin bei diesem Bäcker, von August 1940 bis zu seiner Befreiung am 1. Januar 1945 im Ghetto Lodz als Bäcker auf der B2 R. gearbeitet. Er könne allerdings weder beweisen noch durch Zeugenaussagen belegen, dass er sich im Ghetto Lodz aufgehalten habe. In Russland habe er sich niemals aufgehalten. Diesbezügliche frühere Angaben seien auf eine Falschinformation der örtlichen Korrespondenten in den USA und die unterbliebene Weiterleitung einer richtigen Information zurück zu führen.

Die Beklagte beschied den Widerspruch des Versicherten hinsichtlich der Rentenablehnung durch Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 1999 abschlägig. Beitragszeiten zur polnischen Rentenversicherung von 1934 bis 1940, die in die Beitragslast der deutschen Rentenversicherung übergegangen seien, seien nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere stünden die Zeiträume der geltend gemachten Beschäftigungszeiten nicht fest, die Angaben hierzu seien widersprüchlich. Auch eine Entgeltlichkeit der Beschäftigung bzw. die Beitragsentrichtung seien nicht überwiegend wahrscheinlich.

Das Vorverfahren hinsichtlich der Nachentrichtung von Beiträgen (Bescheid vom 17. November 1998) setzte die Beklagte aus.

Mit der am 26. November 1999 erhobenen Klage (S 15 RJ 1236/99) gegen den Bescheid vom 16. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1999 hat der Versicherte die Gewährung von Altersruhegeld nur noch unter Anrechnung von Beitragszeiten von Januar 1937 bis August 1940 und einer anschließenden verfolgungsbedingten Ersatzzeit begehrt.

Das Sozialgericht, nach dessen Ermittlungen im Deutschen Reichsadressbuch von 1941 ein Bäcker M. für K. nicht aufgeführt ist, hat die Klage durch Urteil vom 1. April 2003 abgewiesen und ausgeführt, dass zwar eine (versicherungspflichtige) Beschäftigung des Versicherten in K., nicht aber eine Beitragsentrichtung zur polnischen Sozialversicherung glaubhaft sei ... Im Übrigen setze die Rentenzahlung mangels vorhandener Bundesgebietsbeitragszeiten die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen (und deren Entrichtung) voraus. Dies sei nicht Streitgegenstand.

Die Klägerin hat den Rechtsstreit fortgeführt. Mit der gegen das am 10. September 2003 zugestellte Urteil am 16. September 2003 eingelegten Berufung hat sie vorgetragen, das Sozialgericht habe zu Unrecht entschieden, dass die streitige Beitragszeit Januar 1937 bis 15. August 1940 und eine anschließende Ersatzzeit wegen Verfolgung nicht überwiegend wahrscheinlich seien. Der Versicherte habe eine entlohnte Beschäftigung glaubhaft gemacht. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen nachgekommen sei. Es könne nicht verlangt werden, dass Zeugen nach mehr als 50 bzw. 60 Jahren noch bestätigen könnten, dass Beiträge entrichtet worden seien. Das Berufungsgericht möge aus prozessökonomischen Gründen auch über den zum Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 1998 ergangenen Widerspruchsbescheid vom 6. April 2004 entscheiden. Es sei ihr nicht zuzumuten, erst ein erstinstanzliches Klageverfahren gegen die Ablehnung der Nachentrichtung von Beiträgen durchzuführen und gegen eine etwaige abschlägige Entscheidung ein gesondertes Berufungsverfahren anzustrengen, bevor über den geltend gemachten Anspruch auf Altersruhegeld entschieden werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. April 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 16. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1999 sowie den Bescheid vom 17. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeit von Januar 1937 bis 15. August 1940 als glaubhaft gemachte Beitragszeit sowie eine anschließende Ersatzzeit wegen NS-Verfolgung anzurechnen, sie zur Nachentrichtung von Beiträgen zuzulassen und ihr nach erfolgter Nachentrichtung Regelaltersrente aus der Versicherung des Z. G. vom 1. November 1977 bis 31. Dezember 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. April 2003 zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 17. November 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. April 2004 abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und vertritt die Auffassung, dass ihr Widerspruchsbescheid vom 6. April 2004 gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der Akten des Landessozialgerichts Berlin Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte trotz des Ausbleibens der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten mit der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass im Falle ihres Ausbleibens entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 SGG). Sie ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin, Rechtsnachfolgerin des Versicherten iSd § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, steht Altersruhegeld aus einer Versicherung des Z. G. nicht zu.

Auf den geltend gemachten Rentenanspruch sind noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden (§ 300 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch). Der Anspruch auf Altersruhegeld setzt nach § 1248 Abs. 5 RVO die Vollendung des 65. Lebensjahres und die Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten voraus. Auf die Wartezeit für das Altersruhegeld werden Versicherungszeiten angerechnet (§ 1249 Abs. 1 Satz 1 RVO). Anrechnungsfähige Versicherungszeiten sind gemäß § 1250 RVO u. a. Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Beitragszeiten), und Zeiten ohne Beitragsleistung nach § 1251 RVO (Ersatzzeiten). Ob der Versicherte Beiträge zur amerikanischen Sozialversicherung entrichtet hat, die nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über Soziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 (SVA-USA, BGBl. II S. 1358) auf die Wartezeit angerechnet werden können, kann dahin gestellt bleiben. Denn dafür ist Voraussetzung, dass eine Mindestversicherungszeit von achtzehn Monaten zur deutschen Rentenversicherung zurückgelegt ist (Art. 7 Abs. 2 Satz 2 SVA-USA). Das ist aber nicht der Fall. Für den Versicherten ist keine Beitragszeit zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung anrechenbar.

Nach Bundesrecht und nach früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Invalidenversicherung hat der Versicherte Beitragszeiten nicht zurückgelegt. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen indes für den Personenkreis des FRG Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. § 15 FRG findet nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b FRG auch auf Personen Anwendung, die nicht zu dem Personenkreis des § 1 Buchstaben a bis d FRG gehören, wenn die Beiträge entrichtet sind an einen nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und ein deutscher Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen sie bei Eintritt des Versicherungsfalles wie nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze entrichtete Beiträge zu behandeln hatte; dies gilt auch für Beiträge von Personen, deren Ansprüche nach der Verordnung über die Eingliederung der Reichsversicherung in die eingegliederten Ostgebiete vom 22. Dezember 1941 (RGBl. I S. 777) ausgeschlossen waren.

Eine Beitragsentrichtung zur polnischen Rentenversicherung von Januar 1937 bis August 1940 ist nicht nachgewiesen. Hierfür sprechende Unterlagen und Belege haben weder der Versicherte noch die Klägerin vorgelegt, sie haben sich auch nicht ermitteln lassen. Eine Beitragsentrichtung ist auch nicht glaubhaft gemacht: Denn sie ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht überwiegend wahrscheinlich (§ 4 Abs. 1 FRG).

Anhand der Aussagen der Zeugen W., O., B1 und E1 vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Versicherte in K. von 1937 bis 1940 eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und Beiträge zur polnischen Sozialversicherung entrichtet hat. Die Zeuginnen W. und O. haben zwar eine Tätigkeit des Versicherten in der Bäckerei M. von Januar 1934 bis November 1939 bzw. von ca. 1934 – oder auch 1933 bzw. 1935 - bis 1940 bestätigt. Insgesamt sind die Aussagen dieser Zeuginnen, die zwischen Januar 1937 und August 1940 16-20 Jahre bzw. 13-16 Jahre alt waren, jedoch zu vage und unbestimmt. Die Zeugin W. glaubt nur, dass der Versicherte Bäcker gelernt habe. Sie hat zwar bekundet, er habe später stets als angestellter Zuckerbäcker und nie selbstständig gearbeitet. Über ein Entgelt und eine Beitragsleistung des Versicherten hat sie aus eigener Anschauung aber nichts Konkretes zu sagen vermocht, sondern insoweit lediglich Vermutungen angestellt. Sie hat zudem nur gemutmaßt, dass er bis November 1939 gearbeitet habe, weil die Geschäfte relativ schnell nach der Besetzung durch die Deutschen geschlossen worden seien. Vom tatsächlichen Zeitpunkt eines etwaigen Beschäftigungsendes des Versicherten bei der Bäckerei M. in K. hat sie in Wirklichkeit keine eigene Kenntnis. Die Zeugin O. hat den Versicherten zwar nach eigenen Angaben 1934 oder 1935, als sie zwischen 10 und 12 Jahre alt war, kennen gelernt. Letztlich ist sie sich aber nicht sicher, ob der Versicherte ab 1933, 1934 oder erst ab 1935 bei M. tätig gewesen ist. Sie hat lediglich vermutet, dass der Versicherte als Lehrling vielleicht ein Jahr gelernt habe (weiß also aus eigener Kenntnis davon nichts), und hat angegeben, er sei später angestellter Bäcker bis 1940 gewesen. Über ein Entgelt des Versicherten hat sie nichts anzugeben vermocht. Ihre Aussage, dass er sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, beruht ebenfalls nur auf einer Vermutung. Insgesamt vermag der Senat, ebenso wie schon das Sozialgericht Berlin, den Aussagen der beiden Zeuginnen keinen erheblichen Beweiswert abzugewinnen. Nicht anders verhält es sich im Ergebnis mit den Aussagen der Zeugen B1 und E1. Der Zeuge B1 hat eine Konditorlehre des Versicherten zwar bestätigt, sich aber nicht genau zu erinnern vermocht, wann diese begonnen und geendet hat, obwohl er in seiner schriftlichen Erklärung vom 30. März 1997 den Beginn der Lehre noch mit dem Jahre 1931 angegeben hatte. Außerdem hat der Zeuge angegeben, dass der Versicherte sogar die Meisterprüfung abgelegt habe. Von einer solchen Prüfung, die ein Indiz für eine anschließende selbständige Tätigkeit des Versicherten sein könnte, hat der Versicherte selbst nicht gesprochen. Obwohl der Zeuge genaue Angaben über den Beginn der Arbeit des Versicherten als Geselle nicht hat machen können, ist er sich dennoch sicher, dass der Versicherte "die Tätigkeit als voll Angestellter und Lehrling" schon 1934 aufgenommen und ununterbrochen bis zum Kriegsausbruch ausgeübt habe. Soweit der Zeuge ausgeführt hat, der Versicherte, den er viele Male in dem Geschäft bei der Arbeit gesehen habe, sei ein großer Künstler bei der Herstellung von Torten und Süßigkeiten gewesen, könnte hierin ein weiteres Indiz für eine selbständige Tätigkeit des Versicherten liegen. Im Allgemeinen werden nämlich solche Fertigkeiten dem Geschäftsinhaber und nicht dem in der Backstube beschäftigten Gesellen zugerechnet. Obwohl der Zeuge B1 über eine Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung keine Angaben hat machen können, ist er sich, ohne dass dies von ihm untermauert wird, dennoch sicher, dass Beiträge gezahlt worden seien. Diese Schlussfolgerung ist nicht zwingend. Nach den Angaben des Zeugen E1 hat dieser selbst in der Konditorei M. von 1931 bis 1934 gearbeitet und hat der Versicherte dann seinen Arbeitsplatz übernommen, eine ca. 3-jährige Lehre gemacht und anschließend dort als vollwertige Arbeitskraft (Konditor) gearbeitet. Über das Ende der Beschäftigung des Versicherten hat der Zeuge keine genauen Angaben machen können, gleichwohl aber gemeint, dass dies bis zum Ausbruch des Krieges der Fall gewesen sei. Der Zeuge hat sich hingegen nicht daran erinnert, was er selbst bei M. verdient hat. Das spricht nicht für ein gutes Erinnerungsvermögen. Er hat auch nicht angeben können, wie viel der Versicherte verdient hat. Zu dessen gesetzlicher Rentenversicherung hat er keine Angaben machen können, sondern sich lediglich daran erinnert, dass die Konditorei ihm, dem Zeugen, irgendwelche Beiträge für die Krankenversicherung abgezogen hat. Die schriftliche Bekundung der G1 G2 reicht zur Glaubhaftmachung ebenfalls nicht aus. Diese Zeugin will den Versicherten als Schulmädchen in der Bäckerei/Konditorei M. arbeiten gesehen haben und meint, dass das 1934, also in ihrem 17. Lebensjahr, gewesen sein müsse. Über die spätere Zeit berichtet sie nur, dass sie sich mit dem Versicherten kurz vor der Verfolgung manchmal unterhalten haben, wodurch sie wisse, dass der Versicherte für seine Arbeit Lohn erhalten habe. Ihre Bekundung, dass der Versicherte bis zum Einmarsch der deutschen Armee in der Bäckerei/Konditorei angestellt gewesen sei, wird nicht durch eigene Beobachtungen gestützt. Ihre Angabe "Herr G. war ein Konditor, er spezialisierte seine Ausbildung für Feingebäck und Torten" lässt offen, wann und in welchem Rahmen diese Ausbildung erfolgt ist und könnte darauf hindeuten, dass ab irgendeinem Zeitpunkt eine selbständige Tätigkeit des Versicherten vorgelegen haben kann.

Vor allem widersprechen die Aussagen der Zeugen über eine Ausbildung des Versicherten zum Bäcker bzw. Konditor ab 1934, als er bereits zweiundzwanzig Jahre alt war, den früheren eigenen Angaben des Versicherten. Er müsste aber selbst am besten über seinen beruflichen Werdegang unterrichtet sein. Falls es zuträfe, dass der Versicherte 1934 den Arbeitsplatz des Zeugen E1 bei H. M. eingenommen hat, fiele der Vortrag des Versicherten, schon 1929 eine Bäckerlehre abgeschlossen und seitdem bei M. gearbeitet zu haben, in sich zusammen. Der Senat hat deshalb erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der spärlichen Angaben, die für den Versicherten gemacht und die im Laufe des Verfahrens den jeweiligen Aussagen der Zeugen angepasst worden sind. Zunächst hat der Versicherte den Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit Beitragsentrichtung ab 1934 behauptet. Später hat er diesen Beginn auf das Jahr 1937 gelegt, weil sich dies im Hinblick auf die inzwischen eingeholten Zeugenaussagen anbot und der Stichtagsregelung des § 22 Abs. 1 OGVO nicht widersprach. Im Ergebnis vermag der Senat zu seiner Überzeugung keinen konkreten Zeitraum festzustellen, in welchem der Versicherte versicherungspflichtig in K. beschäftigt gewesen ist. Der Versicherte mag dort zwar versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Dies kann aber auch außerhalb des Zeitraums 1. Januar 1937 bis 1. Januar 1942, der nach § 22 OGVO für die Erhaltung der Anwartschaft "aus den in der ehemals polnischen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten" maßgeblich ist, der Fall gewesen sein, zumal die Aussagen der Zeugen, dass der Versicherte noch im Zeitpunkt des Einmarschs der deutschen Truppen in K. als unselbständiger Bäcker/Konditor beschäftigt gewesen ist, nicht überzeugend sind. Es mangelt den Zeugenaussagen insoweit an greifbaren Anhaltspunkten, an denen diese Erinnerung festgemacht wird. Auch eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Versicherten mit Beitragsentrichtung im Ghetto K. (vom Herbst 1939 bis August 1940) bzw. eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Ghetto Lodz (bis 31. Dezember 1941) ist weder nachgewiesen noch überwiegend wahrscheinlich. Hierfür fehlt es an jeden verwertbaren Angaben.

Da der Versicherte bzw. die Klägerin Versicherungszeiten im Ghetto Lodz nach den Reichsversicherungsgesetzen (ab 1. Januar 1942) oder nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2074) nicht geltend gemacht haben und auch die Anrechnung etwaiger polnischer Versicherungszeiten nach § 15 FRG iVm § 20 WGSVG, die vor dem 1. Januar 1937 liegen, nicht im Streit ist, sind für den Versicherten im Ergebnis keinerlei Versicherungszeiten zur deutschen Rentenversicherung anrechenbar.

Ist aber nicht feststellbar, dass die Voraussetzungen für die Anrechnung von Versicherungszeiten nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) FRG oder nach sonstigen Rechtsvorschriften vorliegen, so kann schon deshalb eine Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO nicht angerechnet werden. Denn dafür bedarf es einer anrechenbaren Versicherungszeit (§ 1251 Abs. 2 RVO). Im Übrigen vermag sich der Senat vom Vorliegen der Voraussetzungen einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit des Versicherten auch nicht zu überzeugen. Diesbezüglich gibt es zwar die vom früheren Bevollmächtigten gemachte Angabe über das Tragen des Judensterns von 1939 bis August 1940 und den im jetzigen Vorverfahren gemachten Vortrag über einen Aufenthalt des Versicherten im Ghetto Lodz von August 1940 bis Januar 1945 (mit einer Tätigkeit als Bäcker). Eine Zeugenbestätigung gibt es hierfür aber nicht. Das hat der Versicherte selbst eingeräumt. Auch die Zeugin W. glaubt lediglich, dass der Versicherte eine Zeit im Ghetto Lodz gewesen sei, weil er ihr das erzählt habe. Ob er dort tatsächlich gewesen ist, weiß sie nicht. Die Zeugin O. gibt zwar an, dass er 1940 ins Ghetto nach Lodz gemusst habe. Woher sie diese Kenntnis hat, hat sie nicht anzugeben vermocht. Dies verstärkt beim Senat den Eindruck, dass diese Zeugenaussagen eventuell auf Angaben des Versicherten beruhen, die er ihnen gegenüber gemacht hat. Unabhängig davon, dass der frühere Vortrag, wonach der Versicherte sich von August 1940 bis 1946 in der Sowjetunion aufgehalten habe, später zurückgenommen und auf einen Informationsfehler zurückgeführt worden ist, ist eine konkrete Verfolgungsmaßnahme gegenüber dem Versicherten, welche die Voraussetzungen des § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO erfüllt, jedenfalls nicht feststellbar.

Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2004 zweitinstanzlich erhobene Klage ist zulässig. Diese Bescheide haben den bisher angefochtenen Bescheid vom 16. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1999 iSd § 96 SGG ergänzt. Zwar betreffen letztere Bescheide die Gewährung von Altersruhegeld, während der Widerspruchsbescheid vom 6. April 2004 das Nachentrichtungsrecht betrifft. Im Kern geht es aber jeweils um die Frage, ob polnische Versicherungszeiten (erstmals) anzurechnen sind. Der Widerspruchsbescheid vom 6. April 2004 beeinflusst den bisherigen Prozessstoff insoweit, kann sich auf ihn auswirken (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 96 Rdnr. 4). Denn eine Verurteilung zur Zahlung von Altersruhegeld (unter der Bedingung der Nachentrichtung, vgl. Bundessozialgericht vom 12. Juli 1990 – 4 RA 47/89, SozR 3-1500 § 54 Nr 3) käme, da die Voraussetzungen des § 18 WGSVG nicht vorliegen, nur dann in Betracht, wenn die Klägerin etwaige FRG-Beitragszeiten des Versicherten durch Bundesgebietsbeiträge zahlbar machen könnte. Nach § 1319 Abs. 1 RVO erhält nämlich ein berechtigter Deutscher, dem der Versicherte als amerikanischer Staatsangehöriger gleichgestellt ist, Rente für die außerhalb des Geltungsbereichs der RVO nach den Reichsversicherungsgesetzen zurückgelegten Beitragszeiten und für die nach dem FRG gleichgestellten Beitragszeiten (nur) in demselben Umfang wie für die im Geltungsbereich der RVO zurückgelegten Beitragszeiten, wenn mindestens sechzig Beitragsmonate im Geltungsbereich der RVO zurückgelegt sind oder diese Beitragsmonate überwiegen. Nach § 1320 erhält ein Berechtigter Deutscher, dem der Versicherte auch insoweit gleichgestellt ist, die Rente für anrechenbare Zeiten, für die Beiträge nicht entrichtet sind (Ersatzzeiten), in dem Verhältnis, in dem die nach den §§ 1318 und 1319 RVO zu berücksichtigenden Beitragszeiten zu allen Beitragszeiten einschließlich der Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG stehen. Gesichtspunkte der Prozessökonomie rechtfertigen folglich die Einbeziehung der die Nachentrichtung von Beiträgen ablehnenden Bescheide in das Rentenverfahren.

Die Klage ist aber unbegründet, Zwar hat der Versicherte den Nachentrichtungsantrag fristgerecht bis zum 31. Dezember 1990 gestellt (§§ 21 Abs. 4 Satz 1, 22 Abs. 4 Satz 1 WGSVG). Jedoch erfüllt er nicht die Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 1 Satz 3, 22 Abs. 1 Satz 2 WGSVG. Denn für ihn sind, wie ausgeführt, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) FRG in der vom 1. Januar 1990 an geltenden Fassung Beitragszeiten nach dem FRG nicht erstmals zu berücksichtigen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Versicherte die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt.

Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg und ist zurückzuweisen. Die Klage gegen den Bescheid vom 17. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2004 ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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