L 9 AL 151/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 20/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 151/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 21. März 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des ab 24.06.1996 gewährten Arbeitslosengeldes (Alg) streitig.

I.

Der 1942 geborene verheiratete Kläger, auf dessen Lohnsteuerkarte bei der ersten Arbeitslosmeldung am 29.06.1995 die Steuerklasse III und ein berücksichtigungsfähiges Kind eingetragen waren, war vom 01.01.1962 mit 30.06.1995 als Lagerist bei einer Fahrzeug- und Maschinenbaufirma versicherungsflichtig tätig. Ab 01.07.1995 war er freigestellt. Das Arbeitsverhältnis hatte der Arbeitgeber am 28.05.1995 zum 31.01.1996 gekündigt. Am 04.12.1996 schloss der Kläger vor dem Landesarbeitsgericht einen Vergleich, demzufolge das Arbeitsverhältnis am 31.01.1996 beendet und eine Abfindung in Höhe von 16.800,00 DM gezahlt wurde. Mit einen weiteren Vergleich vor dem Arbeitsgericht wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung vom 28.06.1996 zum 31.01.1997 beendet wurde.

Das Arbeitsamt M. machte daraufhin einen Anspruchsübergang hinsichtlich der bis 31.01.1997 gewährten Leistungen geltend, wobei allerdings die im Zeitraum 01.07. mit 28.10.1995 gewährten Lohnersatzleistungen nicht berücksichtigt wurden. Durch Bescheid vom 02.08.1995 wurde zunächst Alg ab 01.07.1995 in Höhe von 460,80 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt (BE) 1.030,00 DM; Leistungssatz 67 v.H.; Leistungsgruppe C/1) gewährt, während der Teilnahme des Klägers an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme (11.09.1995 mit 28.10.1995) erhielt der Kläger Unterhaltsgeld (Uhg) in derselben Höhe (Bescheid vom 20.10.1995), ab 24.06.1996 wurde Alg (Bescheid vom 24.07.1996) in Höhe von 491,40 DM weitergewährt, wegen des Wegfalls des Kindermerkmals schließlich nur noch nach dem allgemeinen Leistungssatz (Bescheid vom 22.08.1996). Durch weiteren Bescheid vom 12.09.1996 wurde die Lohnersatzleistung ab 02.09.1996 in Höhe von 439,80 DM wöchentlich weitergewährt.

Ab 02.01.1997 erhielt der Kläger Leistungen in Höhe von 433,20 DM (Bescheid vom 02.01.1997). Der hinsichtlich der Berücksichtigung von Einmalleistungen eingelegte Widerspruch blieb ebenso erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.04.1997) wie das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg. Auch ein Antrag auf Erhöhung der Leistungen vom 03.04.1997, der neben der Erstattung zuviel entrichteter Beiträge verfolgt wurde, hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 12.05.1997). Durch Bescheid vom 08.01.1998 wurde Alg nach der Leistungsverordnung 1998 ab 01.01.1998 bis 03.05.1998 in Höhe von 436,45 DM gezahlt. Auf den geltend gemachten Forderungsübergang wird Bezug genommen. In der Folgezeit gewährte die DAK dem Kläger Kranken (Krg)-/Übergangsgeld (Übg) vom 04.05.1998 mit 09.06.1999.

Ein im Anschluss daran gestellter Antrag auf Gewährung von Alg vom 10.06.1999 führte aufgrund eines neu erworbenen Anspruchs zur Leistungsgewährung in Höhe von 451,36 DM. Durch Bescheid vom 07.01.2000 wurde die bis 28.02.2000 bezogene Leistung entsprechend der Leistungsverordnung 2000 auf 461,79 DM wöchentlich angepasst. In der Folgezeit erhielt der Kläger erneut Krg (29.02.2000 mit 02.06.2000).

Auf den Fortzahlungsantrag vom 02.06.2000 gewährte die Beklagte Alg in Höhe von 461,79 DM nach einem BE von 1.080,00 DM weiter (Bescheid vom 21.06.2000), auf den Widerspruch des Klägers vom 04.08.2000 wurde das BE infolge der eingetretenen Dynamisierung auf 1.100,00 DM erhöht (Leistungssatz 467,11 DM). Durch weiteren Bescheid vom 26.07.2000 erfolgte entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ab 22.06.2000 eine weitere Anhebung um 10 % auf 1.210,00 DM, so dass sich ein Leistungssatz in Höhe von 498,89 DM ergab. Der hiergegen eingelegte Rechtsbehelf blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.08.2000). Der Anspruch auf Alg war schließlich ab 16.08.2000 erschöpft.

In der Folgezeit wurde Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen der Anrechnung verwertbaren Vermögens versagt (Bescheid vom 19.09. 2000, Widerspruchsbescheid vom 15.01.2001).

II.

Mit Schreiben vom 25.10.2002 begehrte der Kläger die Neuberechnung seiner Lohnersatzleistungen wegen nichtberücksichtigter Einmalzahlungen für die Zeiträume 24.06.1996 mit 03.05.1998, 10.06.1999 mit 17.01.2000 sowie 03.06. mit 15.08.2000. Die Beklagte entsprach dem teilweise für den Zeitraum 03.06. mit 21.06.2000 (Bescheid vom 30.10.2002). Insoweit wurde das BE pauschal um 10 % erhöht, also ab 03.06.2000 von 1.080,00 DM auf 1.190,00 DM und ab 10.06.2000 auf 1.210,00 DM. Für die Zeit vor dem 03.06.2000 komme eine Erhöhung nicht in Betracht, §§ 134, 434c SGB III, der Anspruch sei im Übrigen ab 16.08.2000 erschöpft. Der hiergegen eingelegte Widerspruch, mit dem der Kläger eine Berücksichtigung der Einmalzahlungen bereits für den Zeitraum 01.07. mit 29.10.1995 geltend machte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.12.2002). Über Zeiträume vor dem 03.06.2000 sei bereits rechtskräftig entschieden worden. Ein früherer Antrag auf Erhöhung wegen der Berücksichtigung von Einmalzahlungen sei bereits durch Bescheid vom 12.05.1997 bestandskräftig abgelehnt worden.

III.

Mit der am 14.01.2003 zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hielt der Kläger sein Begehren auf Gewährung höheren Alg ab 01.07.1995 aufrecht. Die Beklagte verwies darauf, dass sämtliche Entscheidungen über Alg vor dem 03.06.2000 bestandskräftig seien, eine pauschale Erhöhung sei frühestens ab diesem Tag möglich.

Die 4. Kammer des SG wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 21.03.2003 unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Bescheide ab. Die Entscheidung wurde dem Kläger am 28.03.2003 zugestellt.

IV.

Am 22.04.2003 legte der Kläger über das Ausgangsgericht Berufung ein und rügte insbesondere, letzteres habe sich mit seiner Argumentation nicht auseinander gesetzt. Trotz einer eventuellen Verjährung lege er nochmals Widerspruch gegen bereits früher ergangene Entscheidungen ein. Der vor dem Arbeitsgericht geschlossene Vergleich habe ihn benachteiligt, ansonsten hätte ihm seit 1995 höheres Alg zugestanden. Die Beklagte verweist darauf, dass aufgrund des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs ein Anspruch auf Alg nach § 117 Abs.1 AFG bis 31.01. 1997 geruht habe, so dass schon von daher die Berufung zumindest bis zu diesem Zeitpunkt aussichtslos sei. Das BVerfG habe im Übrigen entschieden, dass auch einmal gezahltes Arbeitsentgelt bei der Bemessung von Alg zu berücksichtigen sei, soweit über Zeiten nach dem 01.01.1997 noch nicht unanfechtbar entschieden worden sei. Nach § 134 Abs.1 i.V.m. § 434c Abs.1 SGB III sei bei Ansprüchen, die vor dem 01.01.2001 entstanden seien, das BE ab 01.01.1997 um 10 % zu erhöhen. Für Ansprüche, über die am 21.06.2000 bereits unanfechtbar entschieden sei, gelte dieses erst ab 22.06.2000. Insoweit sei darauf abzustellen, worüber am 21.06.2000 bereits bestands- oder rechtskräftig entschieden worden sei. Insoweit sei der Bescheid vom 30.10. 2002 nicht zu beanstanden. Im Übrigen habe § 330 Abs.1 SGB III die Anwendung des § 44 SGB X beschränkt.

Der Senat hat neben den Leistungsakten der Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszugs beigezogen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 21.03.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung der jeweiligen Bewilligungsbescheide für Leistungszeiträume ab 01.07.1995 höheres Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 21.03.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 28.04.2005.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung des Klägers, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 30.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12. 2002, mit dem für die Zeit vor dem 03.06.2000 höheres Alg abgelehnt worden ist.

Zurecht hat das SG die hiergegen gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage abgewiesen.

Wie die Beklagte im Berufungsverfahren im Einzelnen ausführlich und zutreffend dargelegt hat, hat der Gesetzgeber mit dem Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz dem Beschluss des BVerfG vom 24.05.2000 Rechnung getragen und einerseits beitragsrechtlich die bisherige Erhebung von Beiträgen auf Einmalzahlungen nach § 23a SGB IV beibehalten, andererseits auf der Leistungsseite seit 01.01.2001 einmaliges Arbeitsentgelt in die Bemessung des Alg, des Uhg und Übg sowie des Krg einbezogen. Insoweit wurden Vorschriften des SGB III, V und VI gestrichen, nach denen einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bei der Bemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen war.

In die Bemessungsgrundlage des Alg gehen nunmehr auch beitragspflichtige Einmalzahlungen ein, soweit auf sie Beiträge erhoben wurden und die Einmalzahlungen im Bemessungszeitraum erzielt wurden, § 134 Abs.1, § 130 Abs.1 SGB III.

§ 434c Abs.1 Satz 1 SGB III modifiziert § 112 AFG bzw. § 134 Abs.1 SGB III. Die Vorschrift ordnet für die Berechnung der Höhe des Alg die pauschale Erhöhung des BE im Sinne des § 134 Abs.1 SGB III in seiner bis 31.12.2000 geltenden Fassung vor dessen Rundung an (§ 132 Abs.3 SGB III). Das BE wird im Regelfall um 10 v.H. erhöht, soweit die Leistungsbemessungsgrenze nicht erreicht wird.

Die Vorschrift ordnet die Pauschalerhöhung des BE für diejenigen Fälle an, in denen das Recht auf Alg (der Alg-Anspruch) zwischen dem 01.01.1997 und dem 31.12.2000 entstanden ist, und zwar auch dann, wenn er sich auf Bezugszeiten über den 31.12. 2000 hinaus erstreckt. Ist der Alg-Anspruch vor dem 01.01.1997 entstanden, bleibt es bei den bisherigen Feststellungen über die Leistungshöhe. Entsteht oder entstand der Anspruch in der Zeit ab dem 01.01.2001, ist bereits § 134 Abs.1 SGB III neuer Fassung anzuwenden, welcher die Berücksichtigung von Einmalzahlungen zulässt. Einer pauschalen Erhöhung des BE bedarf es insoweit nicht.

In den Bestandsfällen bleibt es bei dem durch § 434c Abs.1 SGB III modifizierten BE des § 134 Abs.1 SGB III in seiner bis 31.12.2000 geltenden Fassung, dies gilt auch für Fälle, in denen die Leistungsbewilligungen bereits unanfechtbar geworden sind, vgl. Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, § 434c Rdnr.33.

§ 434c Abs.3 SGB III i.V.m. § 48 SGB X räumt einem Leistungsempfänger das Recht auf eine Neufeststellung des BE und gegebenenfalls eine Erhöhung seines Alg ein. Für die Frage der Rückwirkung ist insoweit zu differenzieren, ob über das Recht auf Alg bei der Verkündung der Entscheidung des BVerfG am Stichtag (21.06.2000) bereits unanfechtbar entschieden war oder nicht. Im ersteren Fall wird das BE zwar neu festgestellt, eine sich hieraus ergebende Erhöhung des Alg wirkt sich jedoch erst vom 22.06.2002 an aus, Abs.1 Satz 2 der Vorschrift. Für die Zeit bis zum 21.06.2000 bleibt es demgegenüber bei der zuvor festgestellten Leistungshöhe (vgl. Schlegel a.a.O. Rdnr.35).

War über das Recht auf Alg am Stichtag noch nicht unanfechtbar entschieden, erfolgt eine Erhöhung des BE und eine Neufestellung der Leistungshöhe rückwirkend zu dem Zeitpunkt, zu dem der Alg-Anspruch entstanden ist, jedoch nicht vor dem 01.01.1997 zurück. Nicht unanfechtbar entschieden sind alle Verfahren, bei denen gerade wegen der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen Widerspruch oder Klage erhoben wurde und das Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren am 21.06.2000 noch nicht bestandskräftig abgeschlossen war. Über die Gewährung kurzfristiger Lohnersatzleistungen ist zum Stichtag aber auch dann noch nicht unanfechtbar entschieden, wenn die Sache am 21.06.2000 aus anderen Gründen in Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren anhängig war, wenn nur über die Höhe der Leistung gestritten wurde. Denn in Bezug auf höheres Alg ist auch unter dem Gesichtspunkt zu entscheiden, ob sich bei der Einbeziehung von Einmalleistungen ein höheres BE ergeben würde, vgl. Schlegel a.a.O. Rdnr.38.

Insoweit ist die vom SG bestätigte Argumentation der Beklagten zur Überzeugung des Senats nicht zu beanstanden. Wie in den streitbefangenen Bescheiden ausführlich dargelegt, kommt eine Neufeststellung des Alg erst ab 03.06.2000 bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs in Frage. Unabhängig davon, ob dem Kläger für die Folgezeit im Übrigen Alhi zugestanden hat, handelt es sich insoweit um keine auf Beiträgen beruhende Leistung, so dass mit dem BVerfG a.a.O. eine Erhöhung hinsichtlich der Einmalleistungen nicht in Betracht kommen könnte.

Zutreffend hat die Beklagte auch darauf verwiesen, dass der Anspruch auf Lohnersatzleistungen wegen des aufgrund des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs gezahlten Arbeitsentgelts bis 31.01.1997 geruht hat, so dass eine höhere Leistung bis dahin jedenfalls nicht gefordert werden kann, § 117 Abs.1 AFG.

Der Senat verweist im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich auf die Entscheidungen des BSG vom 20.02.2002, B 11 AL 61/01 R, und 25.03.2003, B 7 AL 114/01 R, sowie auf sein Urteil vom 26.05.2003, L 9 AL 291/01, insbesondere auf S.8 mit 12.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte die Beklagte, welche für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die dem Kläger zu dessen Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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