L 8 AL 330/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 36 AL 334/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 330/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 10. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) streitig.

Der 1949 geborene Kläger meldete sich am 03.03.1997 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma S. Industrie war der Kläger dort vom 26.08.1994 bis 28.02.1997 als Schweißfachmann mit einem Bruttoarbeitsentgelt von DM 4.450,00 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt gewesen. Mit Bescheid vom 02.05.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 01.03.1997 nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.030,00. Der dagegen erhobene Widerspruch, mit dem der Kläger die Nichtberücksichtigung von Urlaubs-/Weihnachtsgeld und Überstunden rügte, wurde mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 26.05.1997 als unbegründet zurückgewiesen.

Nach einer Beschäftigung als Terminüberwacher vom 01.06.1997 bis 30.09.1997 bei der Firma M. GmbH meldete sich der Kläger am 09.10.1997 erneut arbeitslos, woraufhin ihm mit Bescheid vom 22.12.1997 Alg in unveränderter Höhe (Bemessungsentgelt DM 1.030,00) bewilligte wurde. Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, wiederum sei lediglich vom Grundgehalt ausgegangen worden ohne Berücksichtigung unter anderem der Überstunden. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nachdem der Kläger durch seine Beschäftigung vom 01.06. bis 30.09.1997 (= 122 Kalendertage) keinen neuen Anspruch auf Alg erworben habe, sei das Alg ab dem 09.10.1997 auf der Grundlage des am 01.03.1997 entstandenen Alg-Anspruchs weiter zu bewilligen gewesen. Bemessungsgrundlage sei deshalb weiterhin das Bemessungsentgelt von DM 1.030,00 wöchentlich gemäß dem Bewilligungsbescheid vom 02.05.1997 in der Gestalt des bestandskräftigen Widerspruchsbescheides vom 26.05.1997.

Mit der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger erneut geltend gemacht, zu Unrecht seien die geleisteten Überstunden zwar versteuert, aber bei der Bemessung des Alg nicht berücksichtigt worden.

Aufgrund der Einfügung des Art.1 § 434c in das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) durch das Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.2000 hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 21.02.2001 für die Zeit vom 09.10.1997 bis 27.09.1998 das Bemessungsentgelt pauschal um 10 % erhöht. Mit dem Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz sei nur die Berücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Bemessung des Alg berichtigt worden. Mangels tariflicher Arbeitszeit habe der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden bei einem gleichbleibenden Bruttoarbeitsentgelt von DM 4.450,00 vereinbart. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger durch häufige Überstunden versucht habe, sein Gehalt aufzubessern, könne dadurch nicht erreicht werden, dass die der Anzahl nach unterschiedlich geleisteten Überstunden zur vertraglichen Normalarbeitszeit zu rechnen seien.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.07.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien nicht zu beanstanden, weshalb gemäß § 136 Abs.3 Sozialgerichtsgesetz - SGG- von einer weiteren Begründung abgesehen werde.

Zur Begründung der Berufung verweist der Kläger auf sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, er verweise auf das ihm bei der ersten Antragstellung ausgehändigte Merkblatt, das den Hinweis enthalte, dass, wenn Überstunden regelmäßig erfolgt seien, diese auch zu berücksichtigen seien.

Auf eine entsprechende Anfrage des Gerichts teilte die Firma S. mit, dass sie bezüglich der Tätigkeitsbeschreibung auf das beigefügte Zeugnis verweise. Es bestehe keine tarifliche Bindung, die Anlehnung sei aber an den Manteltarifvertrag der metallverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalen (NRW) erfolgt. Danach betrage die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 10.07.2001 und unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.1998 und des Bescheides vom 21.02.2001 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 09.10.1997 höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass sich die vom Kläger tatsächlich geleisteten Überstunden nicht auf die vorgenommene Bemessung des Alg auswirken. Denn die für die geleistete(n) Mehrarbeit/Überstunden gezahlte Überstundenvergütung würde zwar auf der einen Seite das Arbeitsentgelt im Sinne des § 112 Abs.1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erhöhen; andererseits müsste dann auch die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden gemäß § 112 Abs.3 AFG berücksichtigt werden. Wenn aber die Überstunden mit demselben Stundenlohn vergütet werden wie der monatliche Lohn, ergäbe sich kein höheres Bemessungsentgelt, da die Überstundenzuschläge/Mehrarbeitszuschläge außer Betracht blieben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG München mit Gerichtsbescheid vom 10.07.2001 die Klage abgewiesen, da die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind. Denn dem Kläger steht höheres Alg nicht zu.

Nach § 112 Abs.1 Satz 2 des 1997 noch geltenden Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ist Arbeitsentgelt im Sinne des § 111 Abs.1 AFG das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Mehrarbeitszuschläge, Arbeitsentgelte, die der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält, sowie einmalige und wiederkehrende Zuwendungen bleiben außer Betracht (§ 112 Abs.1 Satz 2 AFG).

Da der Kläger durch seine Beschäftigung bei der Firma M. in der Zeit vom 01.06. bis 26.09.1997 (= 122 Kalendertage) keine neue Anwartschaftzeit auf Alg erfüllt hatte, war die Leistung nach erneuter Antragstellung ab 09.10.1997 wieder auf der Grundlage des am 01.03.1997 entstandenen Anspruchs (weiter-) zu bewilligen. Bemessungsgrundlage ist das in der Beschäftigung bei der Firma S. Industrie erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge (und seinerzeit auch noch ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld). Mit In-Kraft-Treten des SGB III regelte der Gesetzgeber, dass Mehrarbeitszuschläge bei der Berechnung des Alg berücksichtigt werden. Für die Vergangenheit sah aber der Gesetzgeber keine Notwendigkeit, die Bemessungsvorschrift des § 112 Abs.1 AFG bezüglich der Berücksichtigung von Mehrarbeitszuschlägen zu korrigieren. Mit dem Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz vom 21.12.2000, auf das sich der Kläger teilweise bezieht, musste "lediglich" die Bemessung des Alg ab 09.10.1997 insoweit berichtigt werden, als nunmehr Einmalzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) zu berücksichtigen waren (Art.1 § 434c SGB III). Dementsprechend wurde von der Beklagten mit Änderungsbescheiden vom 21.02.2001 eine pauschale Erhöhung von 10 % vorgenommen. Mehrarbeitszuschläge waren durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht betroffen.

Zum einen wirken sich die vom Kläger tatsächlich geleisteten Überstunden nicht auf die von der Beklagten vogenommene Bemessung des Alg aus. Denn die für die geleistete(n) Mehrarbeit/Überstunden gezahlte Überstundenvergütung würde zwar auf der einen Seite das Arbeitsentgelt im Sinne des § 112 Abs.1 Satz 1 AFG erhöhen; andererseits müsste dann auch die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden berücksichtigt werden (§ 112 Abs.3 AFG). Wenn aber die Überstunden mit demselben Stundenlohn vergütet werden wie der monatliche Lohn, ergibt sich kein höheres Bemessungsentgelt, da die Überstundenzuschläge/Mehrarbeitszuschläge außer Betracht bleiben. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 112 Abs.1 Satz 2 AFG. Dieser sieht eindeutig vor, dass Mehrarbeitszuschläge nicht als Arbeitsentgelt im Sinne von § 111 Abs.1 AFG zu berücksichtigen sind. Während die bei Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Grundvergütung stets als Arbeitsentgelt auch im Rahmen des § 112 Abs.1 AFG zu berücksichtigen ist, schließt seit dem 01.01.1982 § 112 Abs.1 Satz 2 AFG die Berücksichtigung von Mehrarbeitszuschlägen aus, also von Aufschlägen auf die Vergütung. Es scheint insoweit eine Ungleichbehandlung gegeben zu sein, als bei dem in der Höhe gleichen Bruttoarbeitsentgelt und damit gleicher Beitragsleistung derjenige, dessen Bruttoverdienst Mehrarbeitszuschläge enthält, ein geringeres Alg erhält, dessen Arbeitsentgelt nicht nach § 112 Abs.1 Satz 2 AFG zu bereinigen ist. Die Differenzierung hat aber einen sachlichen Grund. Mehrarbeitszuschläge werden nur unter bestimmten Voraussetzungen gezahlt und gehören nicht zum gewöhnlichen laufenden Arbeitsentgelt, mit dem der Arbeitnehmer bei jeder Lohnabrechnung rechnen kann. Diese Erwägungen stehen im Einklang mit dem verfassungsrechtlich vertretbaren Regelungsweg, der Bemessung des Alg nur dasjenige durchschnittlich verdiente Arbeitsentgelt zugrundezulegen, das der Arbeitslose auch in Zukunft aller Voraussicht nach verdienen kann (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 18.04.1991 - 7 RAr 52/90 = SozR 4100 § 112 Nr.10). Den Arbeitszuschlägen haftet - typisierend betrachtet - mehr der Charakter des Zufälligen an. Arbeitslose, die gerade im Bemessungszeitraum eine besonders hohe Arbeitsleistung erbracht haben, können nicht damit rechnen, auch in einem künftigen Beschäftigungsverhältnis Gelegenheit zu haben, diese über die Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung zu erbringen. Mit In-Kraft-Treten des SGB III hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich geregelt, dass Mehrarbeitszuschläge bei der Berechnung des Alg einbezogen werden. Für die Vergangenheit sah der Gesetzgeber jedoch keine Notwendigkeit, die Bemessungsvorschrift des § 112 AFG bezüglich der Berücksichtigung von Mehrarbeitszuschlägen zu korrigieren. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass im Arbeitsförderungsrecht keine Äquivalanz zwischen Beiträgen und Leistungen besteht.

Zwischen dem Kläger und der Firma S. bestand zwar keine tarifliche Bindung, hier erfolgte jedoch eine Anlehnung an den Manteltarifvertrag der metallverarbeitenden Industrie NRW, der eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vorsah. Nur aufgrund der Tatsache, dass der Kläger durch häufige Überstunden sein Gehalt aufbesserte, kann nicht erreicht werden, dass die der Anzahl nach unterschiedlich geleisteten Überstunden zur vertraglichen Normalarbeitszeit zuzurechnen sind. Anhand der von der Beklagten vorgenommenen "Probeberechnungen" steht fest, dass die Beklagte jeweils die für den Kläger günstigere Berechnung vorgenommen hat. Der Hinweis des Klägers auf das ihm bei der ersten Antragstellung ausgehändigte Merkblatt ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Denn in dem einschlägigen Merkblatt heißt es auf Seite 26 unter der Überschrift "3. Das Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage" ... "das Bemessungsentgelt wird berechnet, indem das arbeitslosenversicherungspflichte Entgelt um Zuwendungen (z.B. Weihnachtsgeld), Mehrarbeitszuschläge und Mehrarbeitsentgelte wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verringert wird ...".

Somit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 10.07.2001 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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