L 10 B 332/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 117/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 332/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
I. Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 06.06.2005 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Antragsgegnerin (Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie für Unterkunft und Heizung gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erbringen hat.

Der 1982 geborene Antragssteller (Ast) ist arbeitslos. Er bewohnt ein Zimmer (14 qm) in der Wohnung seiner Eltern. Bad, Toilette und Küche steht der gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung.

Auf seinen Antrag vom 09.11.2004 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hin legte er u.a. einen Mietvertrag, beginnend ab 01.01.2005, vor (Vermieter: Eltern, Miete in Höhe von 70,- EUR bar zu bezahlen). Unter Hinweis auf die gesetzliche Vermutung, dass Hilfebedürftige, die in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten leben, von diesen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann, forderte die Ag den Ast auf, Nachweise über Einkünfte und Vermögen der Eltern (und des Bruders) vorzulegen (Schreiben vom 10.03.2005, 29.03.2005, 21.04.2005 und 13.06.2005 unter Hinweis auf die Folgen mangelnder Mitwirkung). Der Ast erklärte daraufhin am 31.03.2005 lediglich, er bereite sein Essen selbst zu und versorge sich auch selbst, eine Haushaltsgemeinschaft liege nicht vor. Zudem verfüge er über keine Einkünfte. Eine Augenscheinseinnahme konnte die Ag nicht im erforderlichen Umfang durchführen. Mit Bescheid vom 23.06.2005 lehnte die Ag Leistungen ab 01.01.2005 mangels entsprechender Mitwirkung des Ast ab. Hiergegen erhob der Ast Widerspruch.

Bereits am 18.05.2005 hat der Ast beim Sozialgericht Würzburg (SG) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Begehren gestellt, die Ag zu verpflichten, ihm ab April 2005 6 Monate Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten in Höhe von 70,- EUR mtl. zu gewähren. Die Vermutungsregelung greife nicht ein. Er versorge sich, soweit dies ohne Leistungen der Ag möglich sei, selbst. Die Zeit ohne Leistungen überbrücke er mit Unterstützung der Eltern. Eine Kündigung des Untermietverhältnisses sei bereits angedroht worden. Derzeit werde der Mietzins gestundet. Seine Eltern verlangten von ihm Selbstständigkeit. Gleichzeitig hat der Ast Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt.

Das SG hat mit Beschluss vom 06.06.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von PKH abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsgrund und -anspruch. Es sei von einer Haushaltsgemeinschaft gemäß der Vermutungsregelung auszugegehen. Das Mietverhältnis sei insbesondere nicht nachvollziehbar und trotz Volljährigkeit habe der Ast grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern. Im Übrigen habe der Ast die Sachaufklärung durch mangelnde Mitwirkung verzögert und Dringlichkeit bestehe wegen der Stundung des Mietzinses nicht. PKH sei daher auch nicht zu bewilligen.

Hiergegen hat der Ast Beschwerden zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung über das bisherige Vorbringen hinaus vorgetragen: Die Eltern (Facharbeiter und Teilzeitbeschäftigte) hätten kein entsprechendes Einkommen, um den Ast zu unterstützen. Er solle zur Selbstständigkeit erzogen werden. Ein Unterhaltsanspruch als ausgebildeter Volljähriger bestehe nicht. Dem Ast drohe die Kündigung des Mietverhältnisses.

Die Ag hat ausgeführt, zivilrechtliche Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern seien nicht streitgegenständlich, es gehe allein um die gesetzliche Vermutung, es bestehe eine Einstandsgemeinschaft.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Vornahmesachen ist § 86b Abs 2 Satz 1 SGG. Hiernach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Vorliegend handelt es sich um eine Regelungsanordnung, denn der Ast begehrt die vorläufige Gewährung von Leistungen durch die Ag.

Eine Regelungsanordnung iS des § 86b Abs 2 Satz 2 SGG setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist), als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt im Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter Berücksichtigung der Interessen des Ast einerseits sowie der öffentlichen Interessen anderer Personen andererseits zu prüfen, ob es dem Ast zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl hierzu: BayLSG Beschluss vom 30.01.2003 - L 10 B 157/02 AL PKH mwN). Dabei sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG, §§ 920 Abs 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Im vorliegenden Rechtsstreit ist bei summarischer Prüfung festzustellen, dass weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch vorliegt.

Diesbezüglich wird auf die zur Begründung auf die Ausführung des SG Bezug genommen (§ 142 Abs 2 Satz 2 SGB).

Ergänzend und zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, dass die Dringlichkeit einer Regelungsanordnung nach Stundung des Mietzinses - ein Mietvertrag unterstellt - nicht vorliegt. Auch ist der Lebensunterhalt nach den eigenen Angaben des Ast im erstinstanzlichen Verfahren zumindest vorübergehend durch die Unterstützung der Eltern gewährleistet. Bezüglich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern erscheint eine weitere Unterstützung aus objektiver Sicht nicht als ausgeschlossen. Beide sind berufstätig. Ob daneben noch ggfs. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung etc. bestehen, ist noch ungeklärt. Die Klärung dieser Frage ist jedoch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durchzuführen, bleibt vielmehr dem noch laufenden Verwaltungsverfahren und einem evtl. Hauptsacheverfahren vorbehalten, zumal insbesondere zwischenzeitlich ein Versagungsbescheid, gestützt auf § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) erlassen worden ist. Danach ist die mangelnde Mitwirkung des Ast ursächlich für die Verzögerung im Rahmen des Verwaltungsablaufes und letztendlich für die Versagung der Leistung ab 01.01.2005.

Mangels Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes sowie wegen zwischenzeitlichen Erlasses eines auf mangelnde Mitwirkung des Ast gestützten Bescheides ist die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH ist ebenfalls zurückzuweisen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO erhält ein Berechtigter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach obigen Ausführungen keine Aussicht auf Erfolg, so dass PKH abzulehnen ist. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage es möglich erscheint, dass der Ast mit seinem Begehren durchdringen wird. Hierbei wird die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweggenommen, sondern überprüft, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache besteht. Dies ist hier nicht der Fall. Im Verfahren vor dem SG bzgl. des einstweiligen Rechtsschutzes bestand und besteht keine Erfolgsaussicht.

Nach alledem sind die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechende Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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