L 1 KR 126/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 1373/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 126/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. August 2004 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist eine Kostenerstattung an die Klägerin als Alleinerbin des C. F. (Versicher¬ter) in Höhe von 32.730,67 EUR.

Der 1937 geborene und am XX.XXXXXX 2003 verstorbene Versicherte war Ehe¬mann der Kläge¬rin und bei der Beklagten krankenversichert. Vom 4. bis 15. Mai 2001 befand er sich wegen des Verdachts auf ein Akustikusneurom rechts in stationärer Behandlung der Neurochirurgi¬schen Klinik des Zentralkranken¬hauses R ... Dort wurde bei ihm ein Hirnarteriena¬neurysma im Klein¬hirnbrückenwinkel rechts mit Ursprungsort im Confluensbe¬reich der beiden vertebralen Arte¬rien zur Arteria basilaris diagnostiziert und erfolgte eine kon¬servative Therapie (Entlassungs¬bericht vom 22. Juni 2001). Da wegen der Lage des Aneurys¬mas in erster Linie an ein interventionelles neuroradiologisches Verfahren (Coiling) zu den¬ken war, wurden die Patientenbilder zur Überprüfung ei¬ner solchen Möglichkeit der Medizi¬nischen Hochschule H. (MHH) - Abteilung für Neurora¬diologie - unter dem 11. Mai 2001 übersandt. Der Versicherte sollte, sobald von dort eine Antwort eingetroffen war, vom Kran¬kenhaus R. tele¬fonisch informiert werden.

Diese Information durch die MHH erfolgte zwar mit Schreiben vom 5. Juni 2001 an Dr. M. vom Zentralkranken¬haus R. im Sinne des Vorschlags einer superselek¬tiven intraluminären Angiografie des Aneurysmas zur genauen Beurteilung der Gefäßverhält¬nisse. Jedoch hatte sich der Versicherte bereits zuvor, als bei ihm am 23. Mai 2001 eine Ge¬sichtslähmung aufgetreten war, am 28. Mai 2001 in die stati¬onäre Behandlung des I. N. Institute (I.-Klinik) in H., eines nicht zugelassenen Krankenhauses, begeben, wo bei ihm bis zum 8. Juni 2001 eine stationäre neuroradio¬logisch interventi¬onelle Behandlung des Aneurysmas (Angiografie und Embo¬lisation ( Coiling und Stent-Einlage ) am 29. Mai 2001, cranielle Computertomographie am 30. Mai 2001, Bericht vom 8. Juni 2001) stattfand, zu der die MHH H. u. a. zu Blutuntersuchungen herangezogen wurde. Vom 14. Juni bis 19. Juli 2001 hielt sich der Versi¬cherte im Reha¬zentrum W. (Entlas¬sungsbe¬richt vom 24. Juli 2001), vom 26. November bis 11. Dezember 2001 erneut in der I.-Klinik auf. Dort wurde am 27. November 2001 eine superselektive Angiografie vorge¬nommen (Bericht vom 17. Dezember 2001).

Die I.-Klinik stellte dem Versicherten für die stationäre Behandlung vom 28. Mai bis 8. Juni 2001 64.015,62 DM in Rechnung, die er bezahlte. Sie hatte die Beklagte fernmündlich um Kosten¬übernahme für die neurora¬diologisch interventionelle Maßnahme beim Versicherten gebeten und dies unter dem 6. Juni 2001 (Eingang 11. Juni 2001) schriftlich wiederholt. Hier¬auf zog die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) zu Rate, der durch die Fachärztin für Radiologische Diagnostik, Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. G. befand, dass die durchgeführte und beantragte Behandlung im Rah¬men der vertraglichen Krankenhausbehandlung hätte erbracht werden können. Fünfzehn Kli¬niken in Deutschland mit Zulas¬sung böten die Embolisationsbehandlung an.

Daraufhin lehnte die Beklagte die Kostenübernahme durch Bescheid vom 20. Juni 2001 ab. Der Versicherte erhob Widerspruch. Seine Behandlung in der I.-Klinik sei aus dringenden medizinischen Gründen erforderlich gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Wi¬derspruchsbescheid vom 14. August 2001 zurück. Die I.-Klinik sei kein zugelassenes Kran¬kenhaus. Ein Notfall habe nicht vorgelegen. Die Behand¬lung hätte auch in zugelassenen Krankenhäusern erfolgen können. Dort bestünden ausrei¬chende Kapazitäten für sämtliche Behandlungsspektren der I.-Klinik.

Hiergegen richtet sich die am 17. September 2001 erhobene Klage. Es habe eine Notfallsitua¬tion bestanden, als beim Versicherten am 23. Mai 2001, dem Mittwoch vor Himmelfahrt, auf der Insel N., wo er gewohnt und gearbeitet hatte, eine Lähmung der rechten Gesichts¬seite aufgetreten sei. Das Ergebnis einer Angiografie am 29. Mai 2001 habe einen unverzügli¬chen operativen Eingriff notwendig ge¬macht. Ohne einen entsprechenden Eingriff hätte Le¬bensgefahr bestanden. Die Klägerin habe sich bei der MHH informiert und dieser die Auf¬nahmen der Angiografie übersandt, habe aber die Nachricht erhalten, dass eine unver¬zügliche Behandlung des Versicherten wegen einzuhaltender Wartezeiten nicht mög¬lich sei, sodass der Versicherte sich an die I.-Klinik gewandt habe. Eine unverzügliche Behandlung in einer zugelassenen neurochirurgi¬schen Klinik sei nicht möglich gewesen.

Nach dem Tode des Versicherten hat die Klägerin den Rechtsstreit fortgeführt.

Die Beklagte hat das Gutachten des MDKN vom 4. August 2003 vor¬gelegt, worin Dr. G. zum Ergebnis gekommen ist, dass die Behandlung des Versicherten als Sachleistung in zuge¬lassenen Krankenhäusern hätte erfolgen können. Die I.-Klinik könne interventionelle Ra¬diologie nicht durch das eigene Personal anbieten, sondern lasse derartige Eingriffe durch Ärzte aus Z. beziehungsweise P. – vorliegend durch Professor M1 - durchführen. Dies belege, dass der Zeitpunkt des Eingriffes beim Versicherten habe geplant werden müssen und eine notfallmäßige Be¬handlung nicht stattge¬funden habe.

Das Sozialgericht hat Anfragen bei verschiedenen zuge¬lassenen Krankenhäusern gehalten. Das Universitäts-Klinikum E. (UKE, Schreiben vom 15. Oktober 2003), das Klini¬kum D. (W1 Kliniken, Schreiben vom 23. Oktober 2003)) und das A. K1 Krankenhaus in E1 (Schreiben vom 27. November 2003) haben mitgeteilt, dass sie den Versicherten in angemessener Zeit – je nach Dringlichkeit auch kurzfristig - hätten be¬handeln können.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. August 2004 abgewiesen. Die Voraus¬setzungen des § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Insbe¬sondere habe eine Notfallsituation nicht bestanden. Die Nachfrage des Versicherten bzw. der Klägerin beim UKE z. B. wäre nahe liegend und zumutbar gewesen, sodass auch aus subjekti¬ver Sicht keine Notwendigkeit zur Inan¬spruchnahme einer Privatklinik bestanden habe.

Gegen das ihr am 1. Oktober 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 1. November 2004 eingelegte die Berufung der Klägerin. Sie bringt vor, die objektive Möglichkeit der anderwei¬tigen Be¬hand¬lung in einem zugelassenen Krankenhaus, insbesondere im UKE, sei ihr im Mai 2001 nicht bewusst gewesen. Sie habe aber am 23. Mai 2001 unmittelbar nach dem Auftreten der Sym¬ptome beim Versicherten telefonisch Kontakt mit dem behandelnden Arzt in R. aufgenommen und sich beraten lassen. Sie habe die Nachricht erhalten, dass dort eine Behandlung aus fachlichen Gesichtspunkten nicht möglich sei. Allerdings habe sie den Hin¬weis auf die MHH und auf das I. erhalten sowie auf ei¬nige Kliniken in Süddeutschland, an deren Namen sie sich nicht mehr erinnern könne. Eine Be¬handlung in Süddeutschland sei von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil sie, die Klägerin, auf N. ein Hotel und ein Ausflugsrestaurant Bezug betreibe, im Mai 2001 bereits Saison gewesen sei und der Ver¬sicherte und sie unabkömmlich gewesen seien. Einen Hinweis auf das UKE habe sie nicht erhalten, sonst hätte sie die Behandlung dort durchführen lassen. Subjektiv sei sie vom Vor¬liegen einer Not¬fallbe¬handlung ausgegangen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. August 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2001 in der Ges¬talt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2001 aufzuhe¬ben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 32.730,67 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Sozialgericht habe auch die subjektive Situation der Klägerin ausreichend gewürdigt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Verwaltungsakten der Beklagten, der Krankengeschichte des Zentralkrankenhauses R. und der Akten der I.-Klinik Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewe¬sen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§143, 151 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )).

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewie¬sen. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei¬des vom 14. August 2001 ist rechtmäßig. Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstat¬tungsanspruch nicht zu.

Zwar ist die Klägerin als Alleinerbin des Versicherten legitimiert, den Kostenerstattungsan¬spruch zu verfolgen (§ 58 Erstes Buch Sozialgesetzbuch), jedoch liegen die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht vor.

Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten. soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 SGB V in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden, hier anzuwendenden Fassung). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Da der Versicherte bzw. die Klägerin sich vor dem Aufenthalt des Versicherten in der I.-Klinik nicht an die Beklagte gewandt haben und eine Ablehnung der Behandlung des Versi¬cherten in dieser Klinik durch die Beklagte nicht erfolgt ist, könnte der Erstattungsanspruch nur dann begründet sein, wenn es sich bei der Behandlung vom 28. Mai bis 8. Juni 2001 um eine unaufschiebbare Leistung, d. h. um einen Notfall gehandelt hätte, in welchem die Be¬handlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus, auf das sich die Behand¬lung iSd § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V grundsätzlich beschränkt, nicht möglich gewesen wäre. Dies ist aber nicht der Fall.

Dass beim Versicherten ein Aneurysma bestand, war seit seinem Aufenthalt im Zent¬ralkran¬kenhaus R. bekannt. Es stand auch fest, dass in näherer Zukunft höchst¬wahr¬scheinlich eine Embolisation des Aneurysmas zu erfolgen haben würde, wenn die MHH auf Grund der ihr übersandten Patientenbilder zu dieser Maßnahme riete. Dies war dem Haus¬arzt des Versicherten, Dr. B. in C1, vom Zentralkrankenhauses R. unter dem 15. Mai 2001 mitgeteilt worden. Die am 23. Mai 2001 beim Versicherten eingetre¬tene Gesichtslähmung (Facialisparese rechts) erforderte seine sofortige Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus nicht. Eine sofortige stationäre Behandlung ist auch nicht erfolgt, denn der Versicherte hat erst am 28. Mai 2001, einem Montag, in der I.-Klinik Auf¬nahme gefunden. Eine Notfallsituation, die den sofortigen Eingriff, wie er am 29. Mai 2001 in der I.-Klinik erfolgte, notwendig machte, wird in den Berichten dieser Klinik vom 6. und 8. Juni 2001 auch nicht beschrieben. Dass sich das Aneurysma in einem fortgeschrittenen und ge¬sundheitsgefährdenden Stadium befand, begründete eine Notfallsituation nicht. Vielmehr hatte sich der Versicherte nach ausführlichem Gespräch für eine neuroradiologische Interven¬tion entschieden, die im Anschluss an die am 29. Mai 2001 stattgefundene Angiografie und Embolisation in einem weiteren Schritt die definitive Ausschaltung des Aneurysmas vorsah, nachdem nach Angaben der Klägerin gegenüber der I.-Klinik in der MHH für einen solchen Eingriff Wartezeiten zu erwarten gewesen seien. Zutreffend weist Dr. G. darauf hin, dass aber auch der erfolgte Eingriff habe geplant werden müssen, weil die I.-Klinik interventio¬nelle radiologische Eingriffe nicht durch das eigene Personal, sondern durch Professor V. (Z.) und Prof. M1 (P.) durchführen lässt.

Der am 29. Mai 2001 erfolgte Eingriff hätte unabhängig davon, dass ein Notfall nicht vorlag, auch in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgen können. Dies ergibt sich aus den Stellung¬nahmen des UKE, des Klinikums D. und des A. K1 Krankenhauses in E1 und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Soweit die Klägerin vorbringt, sie sei subjektiv von einer Notfallsituation ausgegangen, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Hier¬gegen spricht bereits ihr eigenes Vorbringen. Nach diesem ist sie nicht nur auf die I.-Klinik, sondern ebenfalls auf Behandlungsmöglich¬keiten in zugelassenen Krankenhäusern hingewie¬sen worden. Sie hat sich indes gegen entsprechende Krankenhäuser in Süddeutschland und auch gegen eine Behandlung in der MHH entschieden. Eine kürzere Wartezeit war im Übri¬gen zumutbar. Durch ihre fernmündlichen Gespräche mit dem Zentralkrankenhaus R. und der MHH sowie ihre Vorabgespräche mit der I.-Klinik kann bei ihr keineswegs der Eindruck vermittelt worden sein, als könne und müsse der stattgehabte Eingriff nur in der I.-Klinik erfolgen. Vielmehr wäre es ihr z. B., worauf das Sozialgericht zu Recht hinweist, zumutbar gewesen, beim UKE in Hamburg nachzufragen oder sich auch an die Beklagte zwecks näherer Information zu wenden.

Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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