S 13 AS 13/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AS 13/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Eilwege zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erbringen, wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 00.00.1984 in I geborene Antragsteller ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er war vom 24.01.2002 bis zum 16.07.2004 in der Justizvollzugsanstalt I in Haft und entrichtete gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 des Sozialgesetzbuches, 3. Buch (SGB III) Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Sodann bezog er vom 17.07.2004 an für 240 Tage Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit. Nach den vorgelegten Unterlagen und einer Auskunft der Landrätin des Kreises Herford ist der Antragsteller vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik verpflichtet. Er gehört jedoch zur Minderheitengruppe der Ashkali, weshalb eine Abschiebung derzeit nicht möglich ist. Der Antragsteller ist deshalb in Besitz einer Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Die Duldung ist mit der Auflage "Erwerbstätigkeit nicht erlaubt" versehen. Mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit kann jedoch die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden. Eine entsprechende Erlaubnis ist allerdings bisher weder erteilt noch beantragt worden.

Am 04.03.2005 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 15.03.2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 SGB II ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil dem Kläger laut der Duldung des Kreises Herford die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt sei.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei in Deutschland geboren worden und halte sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 SGB II seien erfüllt, denn grundsätzlich könne ihm eine Beschäftigung erlaubt werden. Er habe in der JVA auch eine Ausbildung abgeschlossen und sei in der Lage einer Arbeit und Beschäftigung nachzugehen. Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, 12. Buch (SGB XII) seien ihm verweigert worden, weil er erwerbsfähig sei.

Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2005 zurück, da eine Arbeitsgenehmigung nicht erteilt werden könne.

Am 19.04.2005 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er trägt vor, die Tatsache, dass er zuvor Arbeitslosengeld bezogen habe, spreche bereits für seine Erwerbsfähigkeit. Arbeitslosengeld hätte ebenfalls abgelehnt werden müssen, wenn er dem deutschen Arbeitsmarkt mangels Arbeitserlaubnis nicht zur Verfügung gestanden hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er dürfe einer Tätigkeit nachgehen. Es sei lediglich zuvor die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einzuholen. Voraussetzung für die Zustimmung zu einer Erwerbstätigkeit sei, dass das Vorrangprinzip eingehalten werde und sich der Betroffene seit mindestens einem Jahr geduldet oder erlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Diese Voraussetzungen sein erfüllt. Er habe zwar bisher keinen Arbeitgeber gefunden, eine Arbeitserlaubnis könne aber grundsätzlich erteilt werden. Dies werde auch von der Ausländerbehörde bestätigt. Ein mündlicher Antrag auf Sozialhilfe sei mit dem Hinweis auf seine Erwerbsfähigkeit abgelehnt worden. Da eine Abschiebung nicht möglich sei und er Antragsteller einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, stünden ihm Leistungen nach dem SGB II zu. Ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache sei ihn nicht zuzumuten, da ihm erhebliche Nachteile entstünden, wenn nicht umgehend über den bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag entschieden würde.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Eilwege zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu erbringen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil dem Antragsteller laut Duldung des Kreises Herford die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erlaubt sei. Der Antragsteller dürfe mit dem keine Arbeit aufnehmen. Im Übrigen sei er leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und könne auch deshalb keinen Anspruch nach dem SGB II geltend machen.

Das Gericht hat die über den Antragsteller bei der Bundesagentur für Arbeit geführte Leistungsakte beigezogen und eine Auskunft des Ausländeramtes des Kreises Herford vom 09.05.2005 eingeholt. Wegen des Inhalts dieser Auskunft und der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakte sowie der vorgelegten Akte der Antragsgegnerin und der Bundesagentur für Arbeit.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines bestehenden Rechts des Antragstellers vereitelt wird oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Erforderlich ist in beiden Fällen, dass dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zusteht (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86b Rd.Nr. 27 ff.).

Nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller hier ein Anordnungsanspruch nicht zu. Vorbehaltlich einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, 2. Buch (SGB II). Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II ist, denn er gehört nach § 7 SGB II schon nicht zu den Leistungsberechtigten. Danach ist unter anderem Voraussetzung für die Leistungsberechtigung ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Ausländer haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und erhalten Leistungen nach diesem Buch, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 SGB II vorliegen. Dies gilt nicht für Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylberwerberleistungsgesetztes (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Diese Vorschrift ist nach allgemeiner Meinung dahingehend auszulegen, dass bei Leistungsberechtigten nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes generell ein gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorliegt und deshalb Asylbewerber und ausreisepflichtige geduldete Personen generell keinen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende haben, weil es sich bei dem Asylbewerberleistungsgesetz um ein besonderes Sicherungsgesetz handelt, dass eigenständige und abschließende Regelungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie zur Annahme und Durchführung von Arbeitsgelegenheiten für einen eng begrenzten Personenkreis von Ausländern enthält (vgl. Brühl in LPK - SGB II § 7 Rd.Nr. 21 ff.; Eicher/Spellbrink, SGB II, Spellbrink, § 7 Rd.Nr. 13 ff.; Löns/Herold - Tews, SGB II, Kommentar, § 7 Rd.Nr. 3).

Die Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestandes liegen vor, denn der Antragsteller ist Leistungsberechtigter nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Nach dieser Norm sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Asylbewerberleistungsgesetz). Der Kläger ist Ausländer, hält sich im Bundesgebiet auf und ist nach der Auskunft des Kreises Herford vom 09.05.2005 zwar vollziehbar zur Ausreise aus der Bundesrepublik verpflichtet, besitzt aber eine zeitlich befristete Duldung gemäß § 60a des Aufenthaltsgesetzes, weil er der Minderheitengruppe der Ashkali angehört und eine Abschiebung derzeit nicht möglich ist. Der Antragsteller ist von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, obwohl er bisher Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht erhalten hat. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II stellt insoweit nicht auf die tatsächliche Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab. Voraussetzung für den Ausschluss ist vielmehr nur, dass der Betroffene leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist. Dies ist entsprechend dem oben dargelegten der Fall. Der Antragsteller ist auch nicht leistungsberechtigt nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetz, denn er hat nicht über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten. Im Übrigen verliert ein Asylberwerber auch bei Erfüllung der Voraussetzung des § 2 Asylberwerberleistungsgesetz und der damit verbundenen Eröffnung des Zugangs zum Sozialgesetzbuch, 12. Buch (SGB XII) nicht die formale Stellung eines Leistungsempfängers im Sinne des § 1 Asylbewerberleistungsgesetz. Auch im Falle eines längern Bezuges von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verbleibt es damit bei dem Leistungsauschluß hinsichtlich des SGB II (vgl. Eicher/Spellbrink, Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 7 Rd.Nr. 13).

Der generelle Ausschluss von SGB II - Leistungen ist sicherlich besonders gravierend, wenn zuvor Arbeitslosengeld bezogen wurde, da die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterhalb des Niveaus des SGB II/SGB XII liegen und zusätzlich der befristet Zuschlag nach § 24 SGB II nicht gezahlt wird. Diese Folgen entsprechen jedoch der Intention des Gesetzgebers. Aus dem vorherigen Bezug von Arbeitslosengeld lassen sich entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Folgerungen für den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II herleiten, denn das SGB III enthält einen entsprechenden Leistungsauschluß für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht.

Die Kostentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved