L 6 RJ 80/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 RJ 495/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 6 RJ 80/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 31. März 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am XX.XXXXXX 1954 geborene Klägerin verfügt über keine Berufsausbildung. Von 1971 bis zum Herbst 1997 war sie - unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit - bei verschiedenen Arbeitgebern als ungelernte Arbeiterin, Packerin, zuletzt als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld und später Arbeitslosenhilfe beantragte sie bei der Beklagten am 21. Juni 2001 wegen der Folgen eines im Oktober 1999 erlittenen Verkehrsunfalls die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie war seinerzeit mit ihrem Fahrrad gegen einen entgegenkommenden Bus geprallt und hatte sich knöcherne Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule und des rechten Handgelenks zugezogen, die teils operativ, teils konservativ versorgt worden waren. Der Chirurg Dr. N. kam in seinem von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 7. August 2001 nach Untersuchung der Klägerin am 1. August 2001 zum Ergebnis, diese könne mit den bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen geistig anspruchslose und körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Gehen, zeitweise im Stehen und überwiegend im Sitzen vollschichtig errichten. Ausgeschlossen seien Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten beziehungsweise mit Absturzgefahr sowie Arbeiten mit einseitigen Körperhaltungen bezogen auf die gesamte Wirbelsäule.

Die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen hatte er wie folgt beschrieben: Schmerzhafte mittelgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit Schmerzausstrahlung in die linke Schulter ohne neurologische Ausfälle bei Zustand nach HWK 1 Dens-Fraktur (verschraubt) sowie HWK 4 Bogen-Fraktur, belastungsabhängige Rückenbeschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule ohne Bewegungseinschränkung und neurologische Ausfälle, unklare Schmerzen im Bereich beider Sprunggelenke, rechts betont, ohne Funktionsausfälle und ohne Einschränkung der Beweglichkeit, Verdacht auf alkoholtoxisch bedingte Polyneuropathie, Verdacht auf fortgesetzten Alkoholmissbrauch mit Leberzellschaden. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 14. August 2001 mit der Begründung ab, bei der Klägerin liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung noch Berufsunfähigkeit vor, da sie mit dem vorhandenen Leistungsvermögen mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten ausüben könne. Der Widerspruch der Klägerin vom 14. September 2001 gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. April 2002).

Im anschließenden Klageverfahren haben auf entsprechende Anforderung durch das Sozialgericht (SG) die behandelnden Ärzte der Klägerin – der Orthopäde Dr. H. und die praktische Ärztin P. - am 16. September 2002 bzw. am 7. Oktober 2002 Befundberichte erstattet. Auf Veranlassung des SG hat die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie B. die Klägerin am 17. Februar 2003 untersucht und am 7. März 2003 ein Gutachten zu ihrer Erwerbsfähigkeit erstattet. Sie hat die folgenden Diagnosen gestellt: Halswirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle nach Dens-Fraktur und Bogenfraktur des 4. Halswirbelkörpers im Jahre 1999, Lumboischialgie nach links, Alkoholmissbrauch, anamnestisch Asthma bronchiale. Die Klägerin ist für fähig erachtet worden, leichte, zeitweilig mittelschwere körperliche, einfache geistige Tätigkeiten mit geringer Verantwortung vorwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit, zwischenzeitlich zu gehen oder zu stehen, ohne schweres Heben und Tragen und ohne häufiges Bücken sowie ohne länger dauernde Zwangshaltungen vollschichtig zu verrichten. Unter Bezugnahme auf diese Ausführungen hat das SG die Klage durch das Urteil vom 31. März 2003 abgewiesen und dabei die Auffassung vertreten, eine rentenmedizinisch relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit liege bei der Klägerin nicht vor.

Gegen dieses ihr am 30. April 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Mai 2003 Berufung eingelegt. Sie sieht sich wegen der in allen Körperregionen auftretenden Schmerzen nicht mehr in der Lage, auch nur wenige Stunden täglich zu arbeiten, und zwar weder im Sitzen, noch im Stehen oder Gehen. Das Rheuma habe sich erheblich verschlechtert. Auf Grund ihrer Arthritis könne sie keine Wegstrecke bis zu 500 Metern zurücklegen, da sie sich stets nach wenigen Minuten wieder setzen müsse. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie Atteste der praktischen Ärztin P. vom 24. August 2004 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 8. September 2004 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 31. März 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. August 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2002 zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der behandelnde Orthopäde Dr. J. und die Ärztin für Orthopädie und Rheumatologie Dr. H1 haben auf entsprechende Anforderung dem Gericht am 3. Juli 2003 bzw. am 27. August 2003 über die bei der Klägerin erhobenen Befunde berichtet.

Der Senat hat zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin Beweis erhoben. Diesbezüglich hat auf Veranlassung des Senats der Orthopäde Dr. S. nach Untersuchung der Klägerin am 27. April 2004 das Gutachten vom 11. Mai 2004 und der Orthopäde Dr. B1 nach Untersuchung der Klägerin am 3. Dezember 2004 das Gutachten vom 8. Dezember 2004 erstattet.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht abgelehnt, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine solche Rente.

Der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung. Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise (bzw. voll) erwerbgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VI). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin nicht erfüllt, denn sie ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts für überzeugend und nimmt vollen Umfangs auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Das Ergebnis der im Berufungsverfahren vom Senat angestellten Ermittlungen gebietet keine andere Beurteilung des Sachverhalts. Es haben sich keine Einschränkungen des Leistungsvermögens der Klägerin für Erwerbstätigkeiten durch die auf orthopädisch-chirurgischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen ergeben, die über die Feststellungen des Sozialgerichts hinausgehen. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. und Dr. B1. Beide haben ihre Einschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin aus den von ihnen selbst erhobenen Befunden schlüssig und nachvollziehbar und deshalb überzeugend abgeleitet. Demnach ist die Klägerin auch unter Berücksichtigung der auf orthopädisch-chirurgischem Gebiet liegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen – eine Belastungsinsuffizienz der Wirbelsäule mit regionaler Bewegungseinschränkung und Muskelungleichgewichten, ein operativ versorgter Bruch des 2. HWK mit ungelockertem Stabilisierungsmetall, umformende Veränderungen der unteren Halswirbelsäule und der unteren Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfälle, ein Reizzustand der Schultergelenke mit aktiver Bewegungseinschränkung ohne kapsuläre Einschränkung - sowie der bekannten im Blut nachgewiesenen Erkrankung des rheumatischen Formenkreises, die sich bisher klinisch und röntgenologisch nicht ausgewirkt hat, und der asthmatischen Erkrankung, die nach Angaben der Klägerin medikamentös behandelt wird, sowie einer chronischen Leberfunktionsstörung in der Lage, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Betonung des Sitzens vollschichtig zu verrichten. Überkopfarbeiten und anhaltende PC-Arbeiten sollten gemieden werden, ebenso häufiges Treppen-/Leitersteigen sowie Arbeiten in Zwangshaltungen, speziell in der Rumpfbeuge unter gleichzeitiger Rumpfdrehung. Die Klägerin ist in der Lage, viermal täglich 500 Meter in 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel auch in der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Aus den von ihr vorgelegten Attesten der behandelnden Ärzte ergeben sich keine Einschränkungen ihrer Erwerbsfähigkeit in zeitlicher, sondern nur solche in qualitativer Hinsicht, allerdings keine, die über die von den Sachverständigen angenommenen hinausgehen. So hat die Hausärztin P. am 24. August 2004 eine chronische rheumatoide Arthritis und eine fortgeschrittene Osteochondrose L4/5 und L5/S1 attestiert, aber lediglich langes Stehen und Sitzen für ausgeschlossen erachtet. Frau Dr. L. hielt die Klägerin in ihrem Attest vom 8. September 2004 wegen der ausgeprägten Schmerzen in den Füßen und Beinen sowie eines belastungsabhängigen Schmerzsyndroms für außerstande, längere Gehstrecken zu bewältigen. Die von ihr durchgeführten Untersuchungen - klinisch-neurologisch, elektrophysiologisch sowie laborchemisch – hatten allerdings keine Erklärung für die Beschwerden ergeben.

Unter diesen Umständen konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da hierfür eine Veranlassung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht bestanden hat.
Rechtskraft
Aus
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