L 5 KR 72/04

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 17 KR 265/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 72/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. April 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einer Sport-Unterschenkelprothese vom Typ "C-Sprint" im Wert von ca. 7.000,00 EUR.

Der 1966 geborene Kläger, als Agraringenieur beim Landwirtschaftlichen B tätig, ist bei der Beklagten krankenversichert. Auf Grund eines im Dezember 1983 erlittenen Motorradunfalls ist er rechtsseitig unterschenkelamputiert. Im März 2002 gewährte ihm die Beklagte eine Neuversorgung mit einer Unterschenkelprothese in Leichtbauweise mit Silikon-Liner und einem Vari-Flex-Fuß. Zu dieser Versorgung schrieb die Firma Orthopädietechnik-K , dieser Fuß erlaube eine hochaktive Nutzung und sei deutlich komfortabler als das Modell Modular 3, mit dem der Kläger bisher versorgt gewesen sei. In dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) führte der Orthopädiemeister H. W unter dem 27. Februar 2002 aus, bei einem persönlichen Gespräch sei der Kläger auf die sehr teure Fußversorgung hingewiesen worden. Ihm sei klargemacht worden, dass es auch wirtschaftlichere Versorgungsmöglichkeiten gebe. Der Kläger habe ihn, Herrn W , jedoch von seiner hohen Aktivität überzeugen können. Auf Grund dessen sei die Neuversorgung mit dem neu beantragten Fußsystem befürwortet worden.

Mit Kostenvoranschlag vom 25. November 2002 und Verordnung der Orthopäden Dr. M , M -D beantragte die Orthopädietechnik-K die Versorgung mit einer Unterschenkel-Prothese in Leichtbauweise mit Silikon-Liner, C-Sprint-Fußmodul zu einem Preis von 7.081,32 EUR. Erläuternd führte die Firma aus, dass probeweise eine solche Prothese angefertigt worden sei. Der Kläger sei mit dieser Prothese Probe gelaufen. Der Test sei überaus vielversprechend gewesen. Der Kläger verfüge über hervorragende Voraussetzungen für eine intensive Nutzung einer entsprechend "nur" zum Laufen geeigneten Prothese. Er sei jung, sportlich, aktiv und hoch motiviert. Diese Prothesenversorgung stelle einen entscheidenden Anteil zur vollständigen Integration und Rehabilitation dar.

Unter Hinweis auf die erst kürzlich erfolgte Versorgung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2002 eine Neuversorgung ab. Die allgemeine Tragezeit einer Prothese, so die Beklagte, betrage ca. vier bis fünf Jahre. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies auf die positiven Einflüsse, die er in seinem Alltag mit der neuen zur Testung überlassenen Prothese habe, hin. Die Beklagte ließ vom MDK ein Gutachten erstellen. Darin kam die Gutachterin Dr. S zu dem Ergebnis, mit der vorhandenen Prothese sei das Gangbild als sehr gut zu bezeichnen sei. Sie sei passgerecht und der Kläger in der Lage, seinen Alltag bis auf intensive sportliche Tätigkeit ohne Probleme zu bewältigen. Damit seien die Grundbedürfnisse ausgeglichen. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. März 2003 die Versorgung erneut ab. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und eine Stellungnahme seiner Orthopäden Dr. M , M -D vor. Darin bestätigen diese die passgerechte Versorgung mit der derzeitigen Unterschenkelprothese. Ihrer Auffassung nach gehöre zur Grundversorgung eines Patienten jedoch aus ärztlicher Sicht darüber hinaus die Möglichkeit der intensiven sportlichen Betätigung. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ihrer Auffassung nach gehöre die Möglichkeit einer intensiven sportlichen Betätigung nicht zum Grundbedürfnis, das die Krankenkasse durch Finanzierung entsprechender Hilfsmittel sicherzustellen hätten. Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 28. Mai 2003 zugestellt worden.

Am 18. Juni 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er benötige die Prothese, um an seinen alten Sportaktivitäten weiterhin teilnehmen zu können. Zunächst habe er Sitzball und später Rollstuhlbasketball betrieben. Die Beklagte habe die Kosten für einen Rollstuhl nebst anderen Nebenkosten (Fahrkosten) übernommen. Die Kosten für die beantragte Unterschenkelprothese seien nicht so hoch wie die des Rollstuhls. Außerdem wirke sich der Trainingseffekt positiv auf seinen Stumpf bzw. die Muskulatur des Beines und das Herz-Kreislaufsystem aus.

Die Beklagte hat vorgetragen: Der Leistungsanspruch bestehe auch nicht im Rahmen einer ergänzenden Rehabilitation. Sie sei dem medizinischen Rehabilitationsziel insoweit nachgekommen, als sie den Kläger mit einer funktionstüchtigen Unterschenkelprothese versorgt habe. Der Umfang der Leistungsgewährung orientiere sich im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an den Grundsätzen der elementaren Grundbedürfnisse. Dazu gehöre nicht die intensive sportliche Betätigung. Leistungen nach dem 9. Sozialgesetzbuch (SGB IX) könnten nur insoweit gewährt werden, als sie sich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, auch des Sozialgesetzbuches 5. Buch (SGB V), bewegten.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der genannten Orthopäden und ein schriftliches Gutachten des Orthopäden Dr. H , das dieser in der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2004 erläutert hat, eingeholt. Mit Urteil vom selben Tag hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zum Ausgleich seiner Behinderung, die ihm ein Gehen, Laufen oder Stehen ohne Hilfsmittel nicht mehr ermögliche, sei der Kläger von Seiten der Beklagten mit einer Unterschenkelprothese versorgt worden. Die Versorgung mit dem Vari-Flex-Fuß sei nicht nur ausreichend und zweckmäßig, vielmehr sei der Kläger nach üblichem Standard mit deutlichem Komfort ausgestattet. Der vorhandene Prothesentyp, welchen der Kläger problemlos im Alltagsleben verwende, sei nicht nur zum Gehen geeignet, sondern könne nach den Ausführungen des Sachverständigen auch für sportliche Betätigungen, zum Beispiel Laufen im Rahmen verschiedener Sportarten (Ballspiele, Leichtathletik), genutzt werden. Deutliche Gebrauchsvorteile im Alltagsleben durch den C-Sprint-Fuß habe der Kläger nicht, da dieser Fuß lediglich für sportliche Betätigungen geeignet sei. Somit biete die beantragte Unterschenkelprothese lediglich in einem speziellen Lebensbereich, nämlich bei sportlicher Betätigung durch Langstreckenlauf, für den Kläger einen Gebrauchsvorteil gegenüber der vorhandenen, voll funktionsfähigen Unterschenkelprothese. Die Ausübung von Langstreckenlauf gehöre jedoch nicht zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Wie der Sachverständige ausgeführt habe, ermögliche auch die vorhandene Prothesenversorgung dem Kläger eine - wenn auch möglicherweise eingeschränktere - sportliche Betätigung. Er könne mit der vorhandenen Prothese seinen körperlichen Freiraum nutzen und auf diese Weise für die Erhaltung seiner Gesundheit und seiner Arbeitskraft sorgen.

Gegen das ihm am 18. Mai 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 18. Juni 2004. Zur Begründung trägt er ergänzend vor: Um die Muskulatur in seinem Bein zu erhalten, sei eine sportliche Betätigung wie Joggen oder Walken notwendig. Dies sei mit der vorhandenen Unterschenkelprothese nur mit erheblichen negativen Auswirkungen möglich. Dieser Aufbau der Muskulatur ermögliche ihm z.B. auch die Probleme im Alltag besser zu bewältigen, wie etwa das Treppensteigen oder das Begehen von Kopfsteinpflaster. Es gehe ihm also nicht nur um die Ausübung des Sports, wie das Sozialgericht meine. Die Auffassung des Sachverständigen, die Vari-Flex-Fußprothese könne auch für sportliche Betätigungen genutzt werden, sei falsch. So sei es ihm nicht möglich, mit dieser Prothese zu laufen. Dieser Vorteil liege in der C-Sprint-Prothese.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. April 2004 und die Bescheide der Beklagten vom 10. Dezember 2002 und 7. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn mit einer Unterschenkelprothese C-Sprint zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zutreffend die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestätigt. Denn es besteht kein Anspruch des Klägers auf Versorgung mit der Sport-Unterschenkelprothese vom Typ "C-Sprint".

Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 SGB V einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit es sich hierbei nicht um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Leben handelt oder § 34 SGB V einen Ausschluss vorsieht. Für den Hilfsmittelbegriff ist es nicht erforderlich, dass das körperliche Funktionsdefizit unmittelbar überwunden wird; ausreichend ist es, dass ein sächliches Mittel gewährt wird, das die ausgefallene Funktion ersetzt, erleichtert oder ergänzt, auch wenn dies in anderer Wirkungsweise geschieht. Zutreffend hat das Sozialgericht den Anspruch des Klägers auf Versorgung mit dem C-Sprint-Fuß mangels Erforderlichkeit abgelehnt. Der Senat macht sich die Ausführungen des Sozialgerichts zu eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung auf die positive Wirkung sportlicher Betätigung verweist, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa SozR 3-2500 § 33 Nr. 27), der sich der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung angeschlossen hat, kann nicht für den Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung maßgebend sein, dass das streitige Hilfsmittel auch zur Stärkung der Muskulatur beiträgt. Dieses Ziel lässt sich durch weniger aufwändige Geräte oder durch entsprechende krankengymnastische Übungen mit geringem Aufwand erreichen. Und dass das Grundbedürfnis Mobilität durch die jetzige Versorgung umfassend sichergestellt ist, bestreitet auch der Kläger nicht. Hingegen gehören bestimmte sportliche Betätigungen, wie das Walken oder Joggen, nicht zu diesen Grundbedürfnissen. Denn die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums, zu dem die Bewegungsfreiheit gehört, ist nur im Sinne eines Basisausgleichs zu verstehen; eine vollständige Gleichstellung mit einem gesunden Menschen ist angesichts der unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden nicht möglich (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32).

Vorschriften des SGB IX können den Anspruch des Klägers ebenfalls nicht stützen. Maßgebend sind allein die Vorschriften des SGB V. Das SGB IX führt insoweit nicht zu einer Leistungsausweitung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 3), weil sich nach § 7 Satz 2 SGB IX die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Kläger geltenden Leistungsgesetzen richten, hier also nach § 33 SGB V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved