L 5 KR 47/04

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 65/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 47/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. Februar 2004 und der Bescheid vom 12. Juni 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2002 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt ist.

Der Kläger ist Buchhalter, der Beigeladene zu 1) Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Die Beklagte führte am 30. Januar 2002 eine Betriebsprüfung bei dem Beigeladenen zu 1) durch. Im Fragebogen zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung teilte der Kläger der Beklagten mit, er erstelle für den Beigeladenen zu 1) Buchhaltungen und Bilanzen und nehme an Revisionen teil. Er sei für mehrere Auftraggeber tätig, insgesamt nannte er 25 Kunden. Die Beklagte gab dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 13. Mai 2002 Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Bescheiden vom 12. Juni 2002 stellte sie gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) fest, dass der Kläger bei dem Beigeladenen zu 1) sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Hierzu führte sie aus, es sei unmaßgeblich, dass der Kläger mehrere Auftraggeber habe, allein das Auftragsverhältnis zum Beigeladenen zu 1) sei zu beurteilen. In dessen Betrieb sei er eingebunden. Er erledige für Mandanten des Beigeladenen zu 1) als Buchhalter die kaufmännische Buchführung mit dem Programm DATEV. Dieses sei ein ausschließlich von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten zu nutzendes komplexes Buchhaltungsprogramm einschließlich Lohnbuchhaltung. Die Abrechnung der DATEV erfolge über den Steuerberater. Demgemäss nutze der Kläger das Programm über die Kennung des Beigeladenen zu 1). Die Mandanten seien mit dem Beigeladenen zu 1) vertraglich verbunden. Der Kläger erfasse die Daten aus der Finanzbuchhaltung, die der Beigeladene zu 1) für seine Beratungstätigkeit benötige. Dabei sei der Kläger an die Terminsvorgaben der Finanzbehörden und der Sozialversicherungsträger gebunden. Bei urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit des Klägers würden seine Aufgaben von anderen Mitarbeitern des Beigeladenen zu 1) übernommen. Der Beigeladene zu 1) habe auch die technische Möglichkeit, die Arbeit des Klägers zu überwachen. Dabei sei es unmaßgeblich, ob der Kläger in dem Betrieb des Beigeladenen zu 1) oder an anderem Ort arbeite, ob er an feste Arbeitszeiten gebunden sei und wie selbständig er arbeite. Die Büroausstattung des Klägers werde von dem Beigeladenen zu 1) gestellt. Die Bezahlung erfolge auf Stundenlohnbasis nach dem benötigten Aufwand. Der Kläger trage kein Unternehmerrisiko. Insgesamt sei er wie ein angestellter Buchhalter beschäftigt.

Gegen die Entscheidung legte der Kläger am 16. Juli 2002 Widerspruch ein, mit dem er ausführte, er sei für ungefähr 25 verschiedene Auftraggeber tätig und erledige die Buchführungsarbeiten eigenverantwortlich. In der Gestaltung der Arbeitszeit, deren Dauer und des Arbeitsortes sei er frei. Es sei ihm auch selbst überlassen, ob er das DATEV-System nutze oder die Arbeiten handschriftlich erledige. Sein Einkommen richte sich nach der Auftragslage und sei marktabhängig. Sofern Zahlungen eines Auftraggebers ausfielen, trage er selbst das finanzielle Risiko. In der Vergangenheit seien solche Forderungsausfälle vorgekommen. Auch im Krankheits- oder Urlaubsfall habe er keinen Lohnanspruch. Er habe eine sozialversicherungspflichtige Angestellte - seine Ehefrau - und sei damit selbst Arbeitgeber. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2002 zurück.

Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 15. November 2002 beim Sozialgericht Hamburg Klage erhoben; das Sozialgericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Februar 2002 an das Sozialgericht Itzehoe verwiesen.

Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, er sei kein weisungsgebundener Mitarbeiter in der Kanzlei des Beigeladenen zu 1). Unter seinen weiteren Auftraggebern seien auch andere Steuerberater. Der Beigeladene zu 1) sei ihm gegenüber nicht weisungsberechtigt gewesen. Er sei in seiner zeitlichen und örtlichen Arbeitseinteilung frei. Er könne den eigenen Arbeitseinsatz selbst steuern und bestimmen, welche Aufträge er übernehme und welche nicht. Damit könne er direkten Einfluss auf seinen wirtschaftlichen Erfolg nehmen. Das DATEV-System nutze er in der Kanzlei des Beigeladenen zu 1), da es nur den rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen zur Verfügung stehe. Nahezu 75 % der deutschen Unternehmen ließen ihre Buchführung im DATEV-System erstellen. Sie nutzten - wie er - das System über einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer und erstatteten diesem dafür die Kosten. Die Tatsache, dass steuer- und sozialversicherungsrechtliche Termine vorgegeben seien, zu denen die Buchhaltung fertig sein müsse, führe nicht zur Weisungsgebundenheit gegenüber dem Beigeladenen zu 1).

Die Beklagte hat ausgeführt, es komme alleine auf die Tätigkeit des Klägers für den Beigeladenen zu 1) an. Ob der Kläger daneben noch weitere Auftraggeber habe, sei unmaßgeblich.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 18. Februar 2004 die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es im Wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Kläger verrichte bei dem Beigeladenen zu 1) dieselben Tätigkeiten wie dessen angestellte Mitarbeiter. Er führe eigenverantwortlich die Buchhaltungen für die Mandanten und bereite die Bilanzen vor. Er sei in die Betriebsorganisation des Beigeladenen zu 1) eingebunden. Es sei unmaßgeblich, dass er teilweise in seinem häuslichen Arbeitszimmer arbeite. Die Daten der Buchungslisten gebe er nicht selbst in das DATEV-System ein, sondern dies machten die fest angestellten Mitarbeiter des Beigeladenen zu 1). Die Tatsache, dass der Kläger direkt mit den Mandanten des Beigeladenen zu 1) abrechne, stelle lediglich ein Umgehungsgeschäft einer standesrechtlichen Regelung dar. Der Beigeladene zu 1) habe hierzu ausgeführt, dass diese Praxis in den Fällen gewählt worden sei, in denen sein Büro die Revision durchgeführt habe und deshalb die Buchhaltung nicht habe führen dürfen. Die Nutzung des DATEV-Systems sei nicht entscheidungsrelevant, denn der Kläger habe lediglich Vorbereitungshandlungen verrichtet und die Daten selbst nicht erfasst. Die Nutzung des Büros und der Ausrüstung im Betrieb des Beigeladenen zu 1) seien ein wichtiges Indiz für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Gegen die am 31. März 2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, die am 13. April 2004 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Er führt ergänzend aus, er betreibe ein in W angemeldetes Gewerbe. Der Beigeladene zu 1) sei nur einer von mehreren Auftraggebern. Die direkte Abrechnung mit den Mandanten stelle kein Umgehungsgeschäft dar. Regelmäßig gebe er die Daten der Buchungslisten selber ein; gelegentlich werde eine Mitarbeiterin für ihn tätig. Im Fall einer Erkrankung wäre er in der Lage und berechtigt, seine Aufgaben einer anderen selbständigen qualifizierten Kraft zu übertragen. Bislang sei es dazu jedoch noch nicht gekommen. Er habe ein finanzielles Risiko, da er den Honorarausfall selber tragen müsse.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. Februar 2004, den Bescheid vom 12. Juni 2002 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2002 aufzuheben und festzustellen, dass er bei dem Beigeladenen zu 1) nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In Ergänzung des bisherigen Vortrags führt sie aus, die Terminsvorgaben seien lediglich gegenüber dem Beigeladenen zu 1) steuerrechtlich begründet; der Kläger hafte dem Beigeladenen zu 1) wiederum dafür, dass jener die Termine einhalten könne.

Der Beigeladene zu 1) bestätigt, dass er nur einer von mehreren Auftraggebern des Klägers und dieser von ihm daher nicht wirtschaftlich abhängig sei. Für ihn habe der Kläger lediglich drei bis fünf Mandanten betreut. Die weiteren ungefähr 25 Mandanten seien eigene Auftraggeber des Klägers, die dieser selbst akquiriert habe. Er - der Beigeladene zu 1) - habe diese Mandate nicht vermittelt. Er habe zu den weiteren Mandanten kein Vertragsverhältnis, er kenne sie gar nicht. Der Kläger habe in W ein personell besetztes eigenes Büro und sei als freier Mitarbeiter auch für andere Steuerberater tätig. In der Arbeitsgestaltung für ihn sei der Kläger hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes frei, er könne neue Aufträge nach eigenem Ermessen annehmen oder ablehnen. Er könne auch seine - des Beigeladenen zu 1) - Büroorganisation nutzen, wenn er dies wolle. Die Buchungslisten würden nicht ausschließlich über das DATEV-System eingegeben. Seine eigenen Mitarbeiter machten die Eingaben nur dann, wenn sie freie Kapazitäten hätten. Als Bilanzbuchhalter habe der Kläger besondere Qualifikationen, die sich in der Güte seiner Arbeit widerspiegelten. Darin zeichne er sich gegenüber seinen - des Beigeladenen zu 1) - eigenen Mitarbeitern aus. Der Kläger trete außerdem am Markt werbend auf. Inzwischen habe er den letzten Auftrag für ihn abgewickelt.

Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verfahrensakte verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, in der der Kläger gehört worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. Februar 2004 ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da die Beteiligten nicht um eine Geld- oder Sachleistung streiten.

Die Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind aufzuheben, denn der Kläger war bei dem Beigeladenen zu 1) nicht versicherungspflichtig beschäftigt.

Der Kläger stellt zu Recht im Berufungsverfahren einen Anfechtungs- und Feststellungsantrag. Das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ist ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Frage, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, betrifft zwar ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1), nicht aber zu der Beklagten. Das Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG muss jedoch nicht notwendig zwischen den Hauptbeteiligten des Rechtsstreits bestehen, sondern es kann sich auch um eine Rechtsbeziehung eines Beteiligten zu einem Dritten, damit auch zu einem Beigeladenen des Rechtsstreits, handeln (Meyer-Ladewig, SGG, § 55 Rz. 7).

Der Kläger war bei dem Beigeladenen zu 1) nicht versicherungspflichtig beschäftigt. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch (SGB VI), § 24 Sozialgesetzbuch, 3. Buch (SGB III) und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 11. Buch (SGB XI) setzen für die Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung eine gegen Arbeitsentgelt ausgeübte Beschäftigung voraus. Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 12. Juni 2002 das von ihr angenommene Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) zeitlich nicht befristet, sondern ausgeführt, dass über den Beginn der Versicherungspflicht und über bestehende Beitragsnachforderungen gegebenenfalls ein weiterer Bescheid erteilt werde. Es ist für die Frage, ob eine Beschäftigung vorlag, folglich die zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bestehende Rechtslage heranzuziehen. § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 4. Buch (SGB IV) in der 2002 geltenden Fassung definiert den Begriff der Beschäftigung; danach handelt es sich um nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Arbeitnehmer ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und damit die Unterordnung unter das vor allem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassende Weisungsrecht des Arbeitgebers. Zwar kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, vollständig entfallen darf es jedoch nicht. Es muss eine fremdbestimmte Leistung verbleiben, die Dienstleistung also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung eines Betriebes aufgehen. Ist ein Weisungsrecht nicht vorhanden, kann der Betreffende seine Tätigkeit also im Wesentlichen frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen und fügt er sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die regelmäßig durch ein Unternehmerrisiko gekennzeichnet ist (Urteil des Senats vom 29. Juni 2005, L 5 KR 114/04). Die Kriterien für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit sind gegeneinander abzuwägen. Jedes Kriterium hat lediglich indizielle Wirkung. Dabei kommt es für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, vorrangig auf die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an, die vertraglich vereinbarte Rechtslage ist demgegenüber nachrangig (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; Urteil des erkennenden Senats vom 13. März 2001, L 1 KR 33/00). § 7 Abs. 4 SGB IV regelte darüber hinaus in der Fassung vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002, dass bei einer erwerbsmäßig tätigen Person, die ihre Mitwirkungspflicht nach § 206 SGB V oder nach § 196 Abs. 1 SGB VI nicht erfüllt hat, vermutet wird, dass sie beschäftigt ist, wenn mindestens drei der folgenden fünf Merkmale vorliegen:

1.Die Person beschäftigt im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat 325,00 EUR übersteigt; 2.Sie ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig; 3.Ihr Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten; 4.Ihre Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen und 5.ihre Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die sie für denselben Auftraggeber zuvor auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.

Satz 3 bestimmt, dass die Vermutung widerlegt werden kann. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung keine neue Rechtslage geschaffen, sondern die bisher bestehende und auch weiterhin geltende Rechtsprechung über Vermutungsmerkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aufgegriffen, so dass diese Regelung als Grundlage auch dann für die Entscheidung herangezogen werden kann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen, nämlich die Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten nach §§ 206 SGB V oder 196 Abs. 1 SGB VI, nicht erfüllt waren (Urteile des erkennenden Senats a.a.O.).

Diese Voraussetzungen für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers bei dem Beigeladenen zu 1) waren nicht erfüllt. Vielmehr war der Kläger selbständig tätig. Dies ergibt sich aus seinen Ausführungen, die er im Rahmen der Anhörung durch den Senat in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und aus der schriftlichen Stellungnahme des Beigeladenen zu 1) vom 10. August 2005.

Der Kläger hat ausgeführt, dass er früher abhängig beschäftigter Buchhalter gewesen sei und dass er nach der Beendigung des letzten Beschäftigungsverhältnisses auf die Idee gekommen sei, die gleiche Arbeit auf eigene Rechnung und damit selbständig zu verrichten. Mit zunehmender Ausweitung des Geschäfts und mit Zunahme des Mandantenstammes sei es erforderlich geworden, dass er sich ein eigenes Büro von ca. 40 qm Größe in seinem Wohnhaus einrichtete. Außerdem habe er seine Ehefrau im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses einstellen müssen, denn es sei mit steigendem Mandantenstamm nicht mehr möglich gewesen, bei Abwesenheit wegen externer Arbeiten die Kundenkontakte zu pflegen, d.h. die nötigen Telefonate zu tätigen und die Post zu erledigen. Der Senat geht davon aus, dass ein Büro von ungefähr 40 qm Größe über das hinausgeht, was ein abhängig Beschäftigter für den privaten und in geringfügigem Umfang den geschäftlichen Bedarf normalerweise benötigt. Die Tatsache der Einrichtung des Büros und der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung seiner Ehefrau sind typische Merkmale einer selbständigen Tätigkeit. Typisch ist es auch, dass der Kläger erst nach einer gewissen Anlaufphase und dem steigenden Bedarf folgend diese Investition vorgenommen hat. Sowohl der Kläger als auch der Beigeladene zu 1) haben geschildert, dass der Kläger auf dem Markt werbend tätig ist und einen eigenen Mandantenstamm unterhält und akquiriert. Bezeichnenderweise ist der Kläger weiterhin als Buchhalter tätig, obwohl das Mandat für den Beigeladenen zu 1) zwischenzeitlich erloschen ist. Die Aussagen des Beigeladenen zu 1) und des Klägers haben auch unzweifelhaft deutlich gemacht, dass die 25 Mandate des Klägers nicht über den Beigeladenen zu 1) vermittelt oder abgerechnet wurden. Es handelt sich um völlig eigenständige Vertragsverhältnisse, die mit der Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) nichts zu tun haben. Der Kläger trägt wegen der getätigten Investitionen darüber hinaus ein unternehmerisches Risiko. Hierbei handelt es sich nicht allein um die Möglichkeit, dass Kunden nicht bezahlen, sondern durch die Einrichtung des Büros hat der Kläger auch Kapital investiert und durch seine Arbeitgeberverpflichtungen droht ihm nicht alleine der Ausfall der Einnahmen, sondern auch die Notwendigkeit, seinen finanziellen Belastungen ohne entsprechende Einnahmen nachzukommen. Der Kläger hat schließlich die Arbeiten, die er für den Beigeladenen zu 1) verrichtet hat, nicht zuvor als dessen abhängig beschäftigter Mitarbeiter getätigt. Von den in § 7 Abs. 4 SGB IV genannten fünf Merkmalen ist allenfalls ein Merkmal erfüllt, das eine Vermutung für eine abhängige Beschäftigung stützen könnte; nach Nr. 3 spricht es für eine Arbeitnehmertätigkeit, wenn der Arbeitgeber bzw. ein vergleichbarer Arbeitgeber gleiche oder ähnliche Arbeiten regelmäßig von abhängig Beschäftigten ausführen lässt. Der Senat geht davon aus, dass Buchhaltungsarbeiten in der Mehrzahl von angestellten Buchhaltern verrichtet werden. Alle übrigen Merkmale des § 7 Abs. 4 SGB IV sind nicht erfüllt und daher besteht keine Vermutung für eine abhängige Beschäftigung.

Geht man von der grundsätzlichen Definition des § 7 Abs. 1 SGB IV für eine abhängige Beschäftigung aus, so spricht ebenfalls alles für eine selbständige Tätigkeit des Klägers. Denn er war in den Betrieb des Beigeladenen zu 1) nicht eingegliedert, von ihm nicht wirtschaftlich abhängig und nicht weisungsgebunden. Die Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) als Auftraggeber dem Kläger bestimmte Vorgaben für die Auftragsabwicklung machen konnte und dass er insbesondere auf Grund seiner fachlichen Befähigung in der Lage war, dem Kläger sachliche Weisungen zu erteilen, spricht nicht für eine abhängige Beschäftigung. Denn ein gleiches oder eventuell überwiegendes Wissen des Auftraggebers ist lediglich ein Indiz für eine abhängige Position des Auftragnehmers, kennzeichnet jedoch noch nicht das Beschäftigungsverhältnis.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) auch nicht aus dem gesamten Berufsbild des Klägers heraustrennen, denn eine solche Einzelbetrachtung käme zu schiefen Ergebnissen und würde dem Gesamtbild der abhängigen Beschäftigung nicht gerecht. Zwar ist es denkbar, dass ein Versicherter mehrere abhängige Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander hat. Das einzelne Rechtsverhältnis zu einem Auftraggeber verliert jedoch zunehmend an Bedeutung, je mehr gleichgeartete Auftragverhältnisse der Auftragnehmer hat. Für die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ist zwar auf die einzelne Rechtsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abzustellen. Jedoch ist dieses einzelne Rechtsverhältnis zu werten und im Gesamtzusammenhang mit den weiteren vorhandenen Rechtsbeziehungen zu sehen. Denn das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass ein Versicherter ein einzelnes oder zumindest ein Hauptbeschäftigungsverhältnis hat. Eine Vielzahl von einzelnen Beschäftigungsverhältnissen ist dem SGB IV dagegen jedoch fremd. Sämtliche einzelnen Umstände und die Gesamtwürdigung der Tätigkeit des Versicherten entscheiden darüber, ob diese durch die Merkmale eines Beschäftigten oder eines Selbständigen geprägt sind, ob eine Hauptbeschäftigung vorliegt oder mehrere einzelne Beschäftigungsverhältnisse. Hier spricht die ganz überwiegende Zahl der Gesichtspunkte dafür, dass die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) lediglich ein Auftragsverhältnis neben einer Vielzahl anderer ähnlicher Auftragsverhältnisse gewesen ist und dass der Kläger nicht abhängig beschäftigt war und ist.

Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 183 Satz 3 SGG aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Da es allein um die abstrakte Feststellung geht, ob der Kläger abhängig beschäftigt ist, ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG i. d. F. bis 30. Juni 2004 der Streitwert in Höhe von 4.000,00 EUR festzusetzen.
Rechtskraft
Aus
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