L 5 KR 40/04

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 128/01
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 40/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung wegen einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 1995 bis 30. April 2000 nachfordern darf.

Die 1940 geborene Klägerin war seit dem 19. Juni 1968 bei der Beklagten als Bezieherin einer Hinterbliebenenrente in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich krankenversichert. Anlässlich einer Förderung durch das Arbeitsamt überprüfte die Beklagte, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin beschäftigt war. Nach zunächst ergebnislosen Anfragen der Beklagten teilte die Klägerin am 27. August 1999 mit, sie habe niemals eine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Im April 2000 erhielt die Beklagte von der Beigeladenen die Auskunft, mit der Klägerin bestehe seit 17. August 1993 ein Honorarvertrag mit einem monatlichen Honorar von durchschnittlich 2.440,00 DM. Die Klägerin betreibe im eigenen Haus in L zwei zugelassene Betreuungsplätze für Jugendliche, die dort gemäß § 32 KJHG untergebracht seien. Zurzeit seien beide Plätze von Betreuten der Diakonischen Jugendhilfe W in H , einer Einrichtung der Beigeladenen, besetzt. Die Klägerin arbeite in ihrer Einrichtung in keiner Weise weisungsgebunden. Die Gestaltung des Tagesablaufs, des Dienstplanes, des Urlaubs sowie sämtlicher technischer Details lägen in ihrer Hand. Nachdem die Klägerin weiterhin keine Angaben gegenüber der Beklagten gemacht hatte, teilte die Beklagte ihr im Mai 2000 mit, bei weiterhin fehlender Meldung werde sie die Klägerin in die höchste Beitragsklasse mit einem monatlichen Beitrag in Höhe von 896,56 DM einstufen. Da auch weiterhin keine Reaktion erfolgte, forderte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juni 2000 für die Monate August 1993 bis Mai 2000 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 64.322,30 DM ein. Mit Schreiben vom 31. Mai 2000 wandte sich die Klägerin mit der Begründung gegen einen Beitragseinzug, sie sei nicht selbständig tätig gewesen. Die Bundesanstalt für Arbeit habe festgestellt, dass sie keine Arbeitnehmerin im Sinne des SGB III sei. Ihr sei lediglich anzulasten, dass sie die enthaltenen Entschädigungen nicht als Einkünfte angegeben habe. Anschließend übersandte die Klägerin den ausgefüllten Fragebogen der Beklagten, den Honorarvertrag mit dem Ev. Jugendgemeinschaftswerk B vom 17. August 1993, den Dienstvertrag mit der Beigeladenen vom 9. Mai 2000 und Einkommensteuerbescheide von 1993 bis 1996. In dem Fragebogen gab sie u. a. an, seit 17. August 1993 als Erzieherin tätig und an Weisungen ihres Auftraggebers gebunden zu sein. Sie werde nicht als Selbstständige zur Einkommenssteuer veranlagt und habe sich verpflichtet, nur für einen Arbeitgeber tätig zu sein. Ihre Arbeitsweise könne sie nicht frei bestimmen, die Arbeitszeit nicht frei einteilen und einzelne Aufträge könne sie nicht ablehnen. Sie sei persönlich zur Arbeitsleistung verpflichtet. Der Auftraggeber lege die Art und den Ort der Tätigkeit fest und kontrolliere sie mindestens vierteljährlich. Sie habe eine feste Arbeitszeit von 6.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Der vorgelegte Honorarvertrag enthielt den Vermerk, dass die Klägerin selbständig tätig sei und ein Arbeits- oder Dienstverhältnis weder im arbeitsrechtlichen noch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne begründet werde. Regelungen über Arbeitszeit, Arbeitsort, Urlaub und Weisungsbefugnis enthielt der Honorarvertrag nicht. Ergänzend machte die Klägerin geltend, sie verfüge als Rentnerin über ein monatliches Einkommen von ca. 2.400,00 DM netto und sei damit auf die Mittel der Diakonie nicht angewiesen. Bei der ausgeübten Beschäftigung gegen Entgelt handele es sich um eine pädagogische Maßnahme. Sie habe mindestens vierteljährlich einen Überprüfungsbericht an die Beigeladene abgeben und mindestens vierzehntägig an Dienstbesprechungen teilnehmen müssen. Es handele sich um keine Haupterwerbstätigkeit, sondern vielmehr um eine Tätigkeit, die mit einer Aufwandsentschädigung entlohnt werde.

Mit Bescheid vom 8. November 2000 forderte die Beklagte 88.855,74 DM Beiträge einschließlich Säumniszuschläge und Mahnkosten für die Zeit vom 17. März 1993 bis 30. April 2000 ein. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt dieser Bescheid nicht. Im März 2001 legte die Klägerin ihre Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 vor. Daraufhin erfolgte eine Neuberechnung der Beiträge durch die Beklagte auf zunächst 47.135,18 DM und anschließend 47.497,18 DM. Mit Bescheid vom 12. Februar 2002 reduzierte die Beklagte die Beitragsforderung weiterhin auf nunmehr 12.715,16 EUR. Zur Begründung gab sie an, wegen teilweiser Verjährung Beiträge nur ab Dezember 1995 zu fordern. Unter Anrechnung der bereits vollstreckten Zahlungen ergebe sich der genannte Betrag. Die Beitragseinstufung in die Beitragsklasse 655, 656 sei keine Höchsteinstufung, sondern einnahmeorientierte Beitragsberechnung. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2002 half die Beklagte dem Widerspruch für die Zeit vom 17. August 1993 bis 30. November 1995 ab und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach dem vorliegenden Honorarvertrag sei die Klägerin selbständig tätig gewesen. Das folge aus dem Inhalt des Vertrages, aber auch aus der ausdrücklichen steuerrechtlichen Veranlagung als Selbstständige. Auf Grund von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) müsse die getroffene Feststellung der Versicherungspflicht als Rentnerin für die Vergangenheit teilweise aufgehoben werden.

Bereits am 18. Oktober 2001 hatte die Klägerin beim Sozialgericht Itzehoe Untätigkeitsklage erhoben und sie nach Vorlage des Widerspruchsbescheides wie folgt begründet: Die ihr von der Beigeladenen übertragenen Aufgaben hätten überwiegend in der Betreuung von Kindern bestanden und seien von ihr nach Weisung des zuständigen Pädagogen erfüllt worden. Eigene Mitarbeiter habe sie nicht beschäftigt. Soweit im Honorarvertrag von Selbständigkeit gesprochen werde, sei ggf. von einer Scheinselbständigkeit auszugehen. Ab Mai 2000 sei sie als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin der Beigeladenen zur Sozialversicherung angemeldet. Ihre Aufgabenstellung habe sich jedoch nicht geändert. Zu Beginn ihrer Tätigkeit als Betreuerin von Jugendlichen habe sie über ein abgebrochenes Pharmaziestudium, Erfahrungen als Mutter und Hausfrau und eine bürgerliche Erziehung verfügt. Eine pädagogische Ausbildung habe sie nicht absolviert. Hinzu sei noch eine Ausbildung zur Wirtschafterin der Landwirtschaftsschule (ein halbes Jahr) gekommen. Am 30. April 2000 habe sie ihre staatliche Anerkennung nach der Ausbildung zur Erzieherin erhalten.

Die Beklagte hat sich zur Begründung auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides bezogen.

Das Sozialgericht hat die Zeugen J R , Ha Ra und Wa Ba sowie die Zeugin E Ea vernommen. Die Geschäftsführerin der Beigeladenen, A Bb , hat das Sozialgericht schriftlich befragt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. Januar 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Ab 17. August 1993 sei zunächst nur ein Jugendlicher gegen ein monatliches Honorar von 1.159,40 DM betreut worden, später auf Grund des gleichlautenden Honorarvertrages vom 3. August 1994 ein zweiter, ebenfalls gegen ein monatliches Honorar von 1.159,40 DM. Bei dieser Betreuung habe es sich um eine selbständige Tätigkeit gehandelt. Die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen habe die Klägerin auch nach den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit versteuert. Die Vernehmung des Zeugen R habe ergeben, dass weder Dienstpläne noch konkrete Weisungen erteilt worden seien. Hinsichtlich des täglichen Ablaufs der Betreuung im Haus habe es keine Vorgaben der Beigeladenen gegeben. Teilweise seien allerdings Berichte geschrieben worden. So sei im Fall des C Bc eine psychologische Betreuung empfohlen worden. Der Zeuge Ra habe bestätigt, dass im August 1992 die Möglichkeit der Festanstellung der Klägerin erörtert worden sei. Zum Einen sei jedoch keine Stelle frei gewesen, zum Anderen sei die Festanstellung auch von der pädagogischen Eignung abhängig gewesen. Die Zeugin Ea habe bestätigt, dass zunächst regelmäßige wöchentliche Besuche stattgefunden hätten. Es sei auch eine gemeinsame Arbeit mit den Eltern der untergebrachten Jugendlichen geführt worden. Diese Gespräche habe die Zeugin als pädagogische Beratung bezeichnet und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu den festangestellten Kräften keine Weisungen erteilt worden seien. Es seien lediglich die Erziehungsplanung und die Erziehungsberichte gemeinsam besprochen worden. Die Zeugin Bb habe sich schriftlich dahingehend eingelassen, die Festanstellung sei erfolgt, nachdem die Klägerin zwischenzeitlich eine Ausbildung zur anerkannten Erzieherin absolviert habe und man mit der bisherigen Zusammenarbeit zufrieden gewesen sei. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und in Übereinstimmung mit den Aussagen der Zeugen sei das Sozialgericht der Auffassung, dass die Klägerin den bzw. die Jugendlichen in ihrem Haus, und zwar in den an die Diakonie vermieteten Räumen, selbständig betreut habe. Hinsichtlich der Gestaltung des Tagesablaufs, der Strukturierung der täglichen Aktivitäten sowie des Urlaubs sei sie keinen Weisungen unterlegen gewesen. Bezüglich des Urlaubs habe sie lediglich für eine Vertretung zu sorgen gehabt. Zwar habe es auch Kontrollen und Beratungen seitens des Auftraggebers gegeben, die Intensität dieser Maßnahmen seien jedoch nicht geeignet gewesen, die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren. Entscheidendes Merkmal der Betreuung sei der Alltag in der Erziehungsfamilie gewesen, der autonom und eigenverantwortlich von der Klägerin gestaltet worden sei. Bei der pädagogischen Betreuung habe es sich um Empfehlungen, nicht um Dienstanweisungen im Sinne des Weisungsrechts gehandelt. So wie das Jugendamt gegenüber der Pflegefamilie, sei auch die Beigeladene verpflichtet, die Betreuungsstellen zu überwachen und dafür zu sorgen, dass es zu keinen Fehlentwicklungen komme. Das Jugendamt allerdings dürfte gegenüber einer Pflegefamilie nicht als Arbeitgeber zu verstehen sein. Ebenso könne auch die Beigeladene nur als Auftraggeber für die Betreuung der Jugendlichen durch die Klägerin und nicht als Arbeitgeber angesehen werden. Dabei habe die Kammer keine Veranlassung gesehen, die Höhe der Rückforderung näher zu prüfen, da Einwände insoweit nicht vorgebracht worden und auch nicht ersichtlich seien.

Gegen das ihr am 4. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 31. März 2004. Zur Begründung trägt sie vor: Das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beigeladene die Tätigkeit der Klägerin auch in abhängiger Beschäftigung ausführen lasse. Sie, die Klägerin selbst, übe die Tätigkeit ab 1. Mai 2000 in abhängiger Beschäftigung aus. Bei Lehrtätigkeiten habe das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt, dass aus einer gewissen Autonomie nicht auf Weisungsfreiheit geschlossen werden könne. Auch Selbständige könnten in ihrer Handlungsmöglichkeit begrenzt sein.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil das Sozialgerichts Itzehoe vom 16. Januar 2004 und die Bescheide der Beklagtem vom 6. Juni, 8. November 2000, 5. April, 9. Mai 2001 und vom 12. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 28. März 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25. Mai 2005 hingewiesen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, die dem Senat in der mündlichen Verhandlung, in der er die Klägerin angehört hat, vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Beitragsnachberechnung der Beklagten nicht zu beanstanden ist.

Rechtsgrundlage für die Neuberechnung und Nachforderung der Beiträge ist von der Beklagten zutreffend festgestellt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Aufzuheben war, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, ihre Feststellung der Mitgliedschaft der Klägerin in der KVdR und damit die Grundlage, auf der sie anschließend die ermäßigten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung eingefordert hatte. Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der zum damaligen Zeitpunkt (1968) auch (noch) rechtmäßig war.

Die weitere Voraussetzung der Aufhebung, die wesentliche Änderung, liegt in dem Abschluss des Honorarvertrages zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen und der Übernahme der Betreuung von Jugendlichen im eigenen Haus. Damit war die Klägerin von diesem Zeitpunkt an selbständig tätig und infolgedessen gemäß § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) nicht mehr versicherungspflichtig in der KVdR nach Abs. 1 Nr. 11 der Vorschrift.

Voraussetzung der Beendigung der Versicherungspflicht u.a. nach Abs. 1 Nr. 11 ist die hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung hat das Sozialgericht unter Einbeziehung der durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) zutreffend die Betreuungstätigkeit der Klägerin als selbständige Tätigkeit gewertet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die Gründe der angefochtenen Entscheidungen (§ 153 Abs. 2 SGG). Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass ab Mai 2000 mit der Beigeladenen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vereinbart worden sei, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum Einen war dieser Umstand auch dem Sozialgericht bekannt. Zum Anderen kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa SozR 3-2400 § 7 Nr. 4) und des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 10. Februar 2004 - L 1 KR 15/03 -) für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, vorrangig auf die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an, die vertraglich vereinbarte Rechtslage ist demgegenüber nachrangig. Und die tatsächliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses in der hier streitigen Zeit hat das Sozialgericht zutreffend als selbständige Tätigkeit gewürdigt.

Diese Einschätzung findet Bestätigung in der bisher erst als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung des BAG vom 25. Mai 2005 (5 AZR 347/04). In dem vergleichbaren Fall betreute die Klägerin in einer Außenwohngruppe Minderjährige, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnten und in denen im Rahmen der Betreuung den Kindern ein normaler Alltag jenseits des traditionellen Heimlebens ermöglicht werden sollte. Das BAG verneinte das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Freien und Hansestadt Hamburg, mit der diese einen Dienstleistungsvertrag als Leiterin einer solchen Außenwohngruppe geschlossen hatte mit der Begründung, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit im Wesentlichen frei von Weisungen der Beklagten war. Ebenso wie die Klägerin in dem vorliegenden Fall war die dortige Klägerin an kein von der Beklagten vorgegebenes Betreuungskonzept gebunden, allerdings war dort die Klägerin nach dem Dienstleistungsvertrag verpflichtet, Weisungen der Aufsichtsbehörde zu erfüllen. Gleichwohl sah darin das BAG keine ein Arbeitsverhältnis begründende Weisungsabhängigkeit, da, wie auch die Klägerin im vorliegenden Fall, diese ihre Arbeitszeit sowie die Betreuungsarbeit inhaltlich frei gestalten konnte.

Die Klägerin war nach Auffassung des Senats auch hauptberuflich selbständig tätig. Von einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit ist dann zu sprechen, wenn die selbständige Tätigkeit hinsichtlich der Lebensführung des Betroffenen von einer wirtschaftlichen und zeitlichen Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen lagen bei der Klägerin vor. Hinsichtlich des zeitlichen Aufwandes weist die Klägerin selbst auf den hohen Umfang hin mit einer "festen Arbeitszeit" von 6.00 Uhr bis 24.00 Uhr. Und die Honorierung von knapp 1.200,00 DM zunächst für eine Betreuung und die Verdoppelung des Betrages für zwei Betreuungen geht über eine reine Aufwandsentschädigung hinaus (vgl. hierzu Gerlach, in Hauck/Noftz, K§ 5 Rz. 491f, der eine selbständige Tätigkeit im Grundsatz dann als hauptberuflich bewertet, wenn sie an mindestens 18 Stunden in der Woche ausgeübt wird).

Die Klägerin galt in der streitigen Zeit auch nicht als Beschäftigte gemäß § 12 Abs. 2 SGB IV, da sie nicht als Heimarbeiterin für die Beigeladene tätig war. Heimarbeiter sind nach dieser Vorschrift und dem im Wesentlichen gleichlautenden § 2 Abs. 1 Heimarbeitsgesetz (HAG) sonstige Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiten, auch wenn sie Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschaffen. Maßgebend für die Definition des Heimarbeiters ist dabei, ob es sich um eine auf gewisse Dauer angelegte und auf die Sicherstellung des Lebensunterhalts gerichtete Tätigkeit handelt, die nach der im Laufe der Jahre möglicherweise wechselnden Verkehrsanschauung als typische Heimarbeit anzusehen ist (BSG SozR 2200 § 162 RVO Nr. 2 S. 9). Um eine solche "typische Heimarbeit" handelte es sich bei der Betreuungstätigkeit der Klägerin hingegen nicht. Zwar fand die Betreuung im Wesentlichen in dem Haus (Heim) der Klägerin statt. Typische Heimarbeit ist jedoch nach der Verkehrsanschauung die Herstellung von Waren von Hand oder unter Mitwirkung von Maschinen sowie manuelle bzw. mechanische Tätigkeit für einen Gewerbebetrieb (vgl. Schaub, Arbeitsrechthandbuch, 11. Aufl. 2005 § 10 Rz. 1 zum im Wesentlichen identischen Begriff des Heimarbeiters im Arbeitsrecht, § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG). Daraus folgt, dass der typische Heimarbeiter im Wesentlichen Waren in eigener Wohnung herstellt, bearbeitet oder verpackt, was insbesondere auch an § 12 Abs. 2 SGB IV deutlich wird, der von eigener "Arbeitsstätte" spricht und die Selbstbeschaffung von Roh- oder Hilfsstoffen als unschädlich für den Begriff des Heimarbeiters bestimmt. Daneben fallen auch die so genannten Büroheimarbeiterinnen wie Stenotypistinnen, Phonotypistinnen, Buchhalterinnen u. ä. unter diesen Personenkreis des Heimarbeiters (BSG a. a. O.). Eine solche Tätigkeit verrichtete die Klägerin hingegen nicht. Sie war vielmehr als berufsmäßige Betreuerin in keinster Weise in produzierender Tätigkeit der beschriebenen Art oder als Büroheimarbeiterin und damit auch nicht als Heimarbeiterin im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB IV tätig.

Rechtsfolge der damit ab August 1993 vorliegenden hauptberuflichen Selbstständigkeit war die Fortsetzung der Mitgliedschaft als freiwilliges Mitglied. Dies folgt aus § 190 SGB V in der bis 1995 geltenden Fassung. Nach Abs. 12 i. V. m. Abs. 3 der Vorschrift in der damals geltenden Fassung endete die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger nur dann, wenn das Mitglied innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit seinen Austritt erklärte. Tat er dies nicht, setzte sich die Mitgliedschaft als freiwillige Mitgliedschaft fort. Das war bei der Klägerin der Fall. Dabei ist nach Auffassung des Senats unerheblich, dass ein Hinweis der Krankenkasse, wie in § 190 Abs. 12 Satz 1 SGB V a. F. vorgesehen, nicht erfolgte. Dies konnte schon deswegen nicht geschehen, weil die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis von dem Beendigungstatbestand der KVdR hatte. Darüber hinaus galt die Fortsetzung der freiwilligen Mitgliedschaft nach der damaligen Gesetzesfassung unabhängig davon, ob ein solcher Hinweis erfolgte. Insbesondere enthielt Abs. 12 keine Regelung, dass die Mitgliedschaft gleichwohl endete, wenn die Ersatzkasse innerhalb der 14 Tage ihrer Hinweispflicht nicht nachkam (so im Ergebnis auch Köster, in GK-SGB V, § 190 Rz. 44).

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X liegen vor, so dass die Beklagte berechtigt war, die Beiträge der Klägerin für die Vergangenheit neu festzusetzen. Zu Recht sieht die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid die Voraussetzungen der Nr. 2 der Vorschrift als gegeben an, da es die Klägerin zumindest grob fahrlässig unterlassen hat, auf ihre Tätigkeit als Betreuerin hinzuweisen. Zutreffend weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es der Klägerin bewusst sein musste, dass die Aufnahme einer entgeltlichen Tätigkeit Einfluss auf ihre sozialversicherungsrechtliche Situation, insbesondere auf die beitragsgünstige KVdR, hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Im Hinblick darauf, dass die Definition des Heimarbeiters höchstrichterlich kaum abgeklärt, auf der anderen Seite seine Bedeutung im Hinblick auf die Gleichstellung mit abhängiger Beschäftigung groß ist, hat der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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