S 19 RA 526/03

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 19 RA 526/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Zentralstelle für Materialökonomie war ein Forschungsinstitut und damit eine gleichgestellte Einrichtung im Sinne des § 1 Absatz 2 der 2. DB vom 24.5.1951.
2. Zu den Voraussetzungen für die Erfüllung der sachlichen Voraussetzungen im Bereich der gleichgestellten Einrichtungen des § 1 Absatz 2 der 2. DB.
I. Die Beklagte wird verpflichtet, die Zeit vom 01.01.1973 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz anzuerkennen und entsprechende Entgelte festzustellen.
II. Der Bescheid vom 01.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2003 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zu-sätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz im Sinne der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Der am 1942 geborene Kläger erhielt von der Technischen Universität D ... am 13.02.1968 den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Aus seinem Sozialversicherungsausweis der DDR ist zu entnehmen, dass er vom 15.01.1968 bis 31.10.1968 und vom 19.05.1970 bis 31.12.1972 als Themenbearbeiter, Ingenieur für Rationalisierung bzw. Auftragsleiter im VEB Ingenieurbüro Bauwesen D ..., vom 01.01.1973 bis 31.12.1981 als Auftragsleiter im VEB (B) Rationalisierung Bauwesen D ..., vom 01.01.1982 bis 31.12.1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Leichtbau und ökonomische Verwendung von Werkstoffen D ..., ab 01.01.1987 Zentralstelle für Materi-alökonomie des Ministeriums für Materialwirtschaft Dresden (ZfM) und vom 01.01.1990 bis 30.06.1990 als Abteilungsleiter in der ZfM beschäftigt war. 1980 trat er der FZR bei. Am 27.07.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Zeiten seiner Beschäftigung von 15.01.1968 bis 31.08.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festzustellen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.07.2002 ab. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 10.07.2002, bei der Beklagten eingegangen am 15.07.2002 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2003 zu-rückwies. Zur Begründung führte sie aus, die Beschäftigung sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden. Dagegen hat der Kläger am 17.03.2003 vor dem Sozialgericht Dresden Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, Kollegen aus der ZfM seien in die Zusatzversorgung einbezogen worden. Die Ablehnung verstoße gegen das Gleichheitsprinzip. Die ZfM habe Forschungs-aufgaben zur Materialökonomie in allen Bereichen der Industrie bearbeitet. Sie habe mit wis-senschaftlichen Methoden au dem Gebiet des wirtschaftlichen Materialeinsatzes unter Einbe-ziehung aller darauf wirkenden Einflussfaktoren geforscht. Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 01.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Be-schäftigungszeit vom 01.01.1973 bis 30.06.1990 als Zeit der Zugehörig-keit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG anzu-erkennen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verweist im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, dass die ZfM kein Institut der Industrie oder des Bauwesens, sondern der sonstigen produzierenden Be-reiche gewesen sei, das keine industrie- oder baubezogene Anwendungsforschung betrieben habe und daher nicht der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz unterfalle. Das Gericht hat u.a. Registerauszüge des Institutes für Leichtbau und ökonomische Verwendung von Werkstoffen D ... (AS 130), des Ingenieurbüros Bauwesen des Bezirkes D ... (AS 182), des Ingenieurbüros für Rationalisierung des Bauwesens Bezirk D ... (AS 204) und des VEB (B) Rationalisierung Bauwesen D ...(AS 247), die Gründungsanweisung der ZfM vom 03.12.1996 (AS 33), den Vorschlag zur Erhöhung der Wirksamkeit der ZfM vom 18.09.1987 (AS 38), den Vermerk zur Gründung und den Hauptaufgaben der ZfM vom 10.12.1990 (AS 88), einen Auszug aus dem Verzeichnis der Bestände der Abteilung DDR von 1998 (AS 111), den Forschungsplan 1988 der ZfM (AS 119), das Statut des VEB Kombinat Baumechanisierung D ... vom 20.09.1981 (AS 167), die Gründungsanweisung des VEB Baumechanisierung vom 14.10.1988 (AS 174), die Anweisung zur Überleitung des Ingenieurbüros Bauwesen des Bezir-kes D ... auf die wirtschaftliche Rechnungsführung vom 05.02.1968 (AS 182), den Beschluss vom 13.12.1972 Bildung des VEB (B) Rationalisierung Bauwesen D ... (AS 190R), den Be-schluss über die Bildung des Ingenieurbüros für Rationalisierung des Bauwesens im Bezirk D ... (AS 204) und das Statut des Ingenieurbüros für Rationalisierung des Bauwesens im Bezirk D ... vom 24.07.1967 (AS 207R) beigezogen. Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung am 11.07.2005 zu seinen Tätigkeiten im streitge-genständlichen Zeitraum informatorisch angehört worden. Auf den Inhalt der Niederschrift wird Bezug genommen. Hinsichtlich des Zeitraumes vor dem 01.01.1973 hat er die Klage zurückge-nommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge-richtsakte und der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genom-men, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist, soweit der Kläger sie nicht zurückgenommen hat, begründet. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind in dem nunmehr noch strittigen Um-fang rechtswidrig; die verfolgten Ansprüche bestehen. Der Kläger hat gemäß § 8 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 1 und 2 AAÜG einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die begehrte Feststellung trifft. In dem Feststellungsver-fahren des Versorgungsträgers nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Absatz 5 SGB VI ähnlich und außerhalb des Rentenfeststellungsverfahrens des Rentenversi-cherungsträgers durchzuführen ist, hat der Kläger Erfolg. Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.08.1991 bestanden. Der Kläger hatte am 01.08.1991 zwar nicht auf Grund eines Verwaltungsaktes, aber auf Grund eines Gesetzes eine Versorgungsanwartschaft aus einer Zugehörigkeit zu einem Versorgungs-system. Am 01.08.1991 bestand eine Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem grundsätzlich nur, wenn jemand durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwal-tungsakt oder durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Das bundesrechtliche Neueinbeziehungsverbot untersagt es, allein auf Grundlage der von der DDR erlassenen Regelungen ab 01.07.1990 neue Versorgungsberechtigungen zu begründen. Dies ist in Artikel 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a Satz 1 Halbsatz 2 EV und § 22 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR (RAnglG) geregelt. Deshalb ist bei der Prüfung, ob bei Inkrafttreten des AAÜG eine Versorgungsanwartschaft auf Grund der in der DDR geltenden Versorgungsregelungen be-stand, grundsätzlich auf die am 30.06.1990 herrschende Sachlage abzustellen, während es rechtlich auf das zum 01.08.1991 geltende Bundesrecht ankommt (BSG, Urteil vom 09.04.2002 – B 4 RA 3/02 R -). Eine im Sinne von Art. 19 EV bundesrechtlich bindende Einzelfallregelung, durch die ihm eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden sein könnte (Versorgungszusage, Einzelfall-entscheidung, Einzelvertrag) liegt zu Gunsten des Klägers nicht vor. Der Kläger könnte also nur dann bei Inkrafttreten des AAÜG am 01. August 1991 eine Ver-sorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 AAÜG gehabt haben, wenn auf Grund der zu diesem Zeitpunkt als partielles und sekundäres Bundesrecht weiter anzuwen-denden Regelungen der Versorgungssysteme nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nur noch der Versorgungsfall (zum Beispiel Invalidität) hätte eintreten müssen, so dass ihm aus bundesrechtlicher Sicht Versorgung obligatorisch hätte geleistet werden müssen. Dies ist nur dann der Fall, wenn er am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausübte, auf Grund derer ihm zwingend eine Versorgungszusage zu erteilen gewesen wäre, die dann - aus bundesrechtlicher Sicht rückschauend - keine rechtsbegründende, sondern nur noch rechtsfeststellende Bedeu-tung gehabt hätte (BSG, Urteile vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R -). Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Versorgung ergeben sich diese Regeln aus der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I 844) (VO-AVItech) und der hierzu erlassenen 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. 487) (2. DB). Dabei kommt es auf den Sprachgebrauch am 30.06.1990 an, an den der Bundesgesetzgeber sich angeschlossen hat. Bundesrecht sind jedoch nur die Regelungen geworden, die als zwingende Bestimmungen gebundenen Verwaltungshandelns verstanden werden können. Am 30.06.1990 hätte der Kläger einen bundesrechtlich fingierten Anspruch auf Erteilung ei-ner Versorgungszusage gehabt, der gemäß § 1 VO-AVItech in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Satz 1 der 2. DB vom Vorliegen persönlicher, sachlicher und betrieblicher Voraussetzungen abhängt. Generell war das System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für Personen eingerichtet, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und die entsprechende Tätigkeit tatsächlich in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb ausübten. Der Kläger war berechtigt, eine der in § 1 Absatz 1 der 2. DB aufgeführten Berufsbezeich-nungen zu führen. Er hat den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" am 13.02.1968 erwor-ben. Die Berufsbezeichnung "Ingenieur" war in der Verordnung über die Führung der Berufs-bezeichnung "Ingenieur" vom 12. April 1962 (GBl. II 278) geregelt. Er war am 30.06.1990 als Abteilungsleiter in der ZfM beschäftigt und hat dabei eine seiner Ausbildung zum Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Ein Nichteinbezogener wird bundesrechtlich auf Grund seiner wirklich ausgeübten Beschäfti-gung nur dann von dem Zusatzversorgungssystem der VO-AVItech erfasst, wenn seine Be-schäftigung sich nach Inhalt, Qualität und Umfang im Wesentlichen als Betätigung einer der in § 1 Absatz 1 Satz 1 der 2. DB genannten herausgehobenen beruflichen Qualifikationen er-weist. Es reicht also nicht, dass jemand eine in § 1 Absatz 1 Satz 1 der 2. DB genannte Be-rufsbezeichnung führen durfte, vielmehr musste auch die Beschäftigung in der Ausübung des besonders qualifizierten Berufes bestehen. Z.B. hat ein als Pförtner eingesetzter Diplominge-nieur durch die Arbeit als Pförtner keine Zugehörigkeitszeit zurückgelegt (BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 36/01 R -). Nach Auffassung des BSG sollen in das Versorgungssystem grundsätzlich nur solche Perso-nen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion förderten (BSG, Ur-teil vom 31.03.2004 – B 4 RA 31/03 R –). Diese Rechtsprechung ist im Bereich der gemäß § 1 Absatz 2 der 2. DB gleichgestellten Ein-richtungen nicht ohne Weiteres anwendbar, da es sich bei diesen überwiegend um keine mit der Produktion befassten Einrichtungen handelt. Die sachlichen Voraussetzungen im Bereich der gleichgestellten Einrichtungen sind daher nach Auffassung der Kammer dann erfüllt, wenn die Beschäftigung entsprechend der Qualifikation den jeweiligen Zweck der Einrichtung förderte (vgl. BSG, Urteil vom 26.10.2004 – B 4 RA 40/04 R –). Der Kläger war am 30.06.1990 Abteilungsleiter einer Forschungsabteilung des ZfM. Hierbei hatte er, wie er in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig geschildert hat, die Materialöko-nomie im Bereich des Bauwesens zu bearbeiten. Die Forschungsarbeit bezog sich auf die technische Ausarbeitung des Materialeinsatzes im Bereich des Bauwesens. Es handelte sich um Tätigkeiten, die der Kläger nur auf Grund seiner ingenieurtechnischen Ausbildung ausfüh-ren konnte. Folglich entsprach die Tätigkeit seiner Qualifikation und förderte den Forschungs-zweck, den die ZfM verfolgte. Damit hat er am Stichtag des 30.06.1990 die sachliche Voraus-setzung für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllt. Die ZfM, in der der Kläger am 30.06.1990 tätig war, war ein einem volkseigener Produkti-onsbetrieb gleichgestellter Betrieb im Sinne des § 1 VO-AVItech in Verbindung mit § 1 Ab-satz 2 der 2. DB, so dass auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist. Die ZfM war nach der Überzeugung der Kammer, die sie sich auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen gebildet hat, ein Forschungsinstitut im Sinne des § 1 Absatz 2 der 2. DB. Ein Forschungsinstitut im Sinne des § 1 Absatz 2 der 2. DB ist eine Forschung betreibende selbständige Einrichtung der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist. Zu den als Forschungsinstitute gleichge-stellten Betrieben gehören vor allem volkseigene (Kombinats-)Betriebe, die nicht Produkti-onsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war (BSG, Urteil vom 26.10.2004 – B 4 RA 40/04 R –). Demnach muss ein Forschungsinstitut nicht zwingend einem volkseigenen (Kombinats-)Betrieb angehören. Vielmehr reicht es aus, dass es der Wirtschaft – und nicht der von dem Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG umfassten unabhängigen Wissen-schaft – zuzuordnen ist und seinem Hauptzweck nach zweck- und betriebsbezogene For-schung und Entwicklung betrieb. Dies ist hinsichtlich der ZfM der Fall. Die ZfM war dem Ministerium für Materialwirtschaft unterstellt, § 1 Absatz 2 der Gründungsanweisung vom 03.12.1986 (AS 33). Bereits daraus ergibt sich ein starker Wirtschaftbezug. Aber auch aus den einzelnen Aufgaben, die in § 2 der Gründungsanweisung aufgeführt sind und in den weiteren vorliegenden Unterlagen bestätigt werden, lässt sich zur Überzeugung der Kammer ein unmittelbarer Bezug auf die wirtschaftli-che Anwendung der Forschung in der ZfM ablesen. Die ZfM verfolgte demnach keinesfalls freie Wissenschaft wie die der Anwendung des Zusatzversorgungssystems Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG unterworfenen unabhängigen wissenschaftlichen Institute, sondern anwendungs-bezogene Forschung im Dienste der Materialwirtschaft. Es kann offen bleiben, ob und in welchem Umfang der Forschungszweck eines Forschungsin-stituts im Sinne des § 1 Absatz 2 der 2. DB tatsächlich produktionsbezogen sein muss. Eine Beschränkung der gleichgestellten Forschungsinstitute auf solche mit Produktionsbezug ergibt sich weder aus dem Wortlaut der 2. DB noch aus der Rechtsprechung des BSG (so aber wohl SG Dresden, Urteil vom 17.08.2005 - S 8 RA 974/03 -). Die ZfM war nämlich ein Forschungsinstitut mit einem ausreichenden Produktionsbezug. Wie sich aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere § 2 der Gründungsanweisung vom 03.12.1986 entnehmen lässt, oblagen der ZfM verschiedene wissenschaftliche, anwendungs-bezogene Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Materialökonomie. Durch die Materialökonomie wurden in der DDR alle Effekte der Funktionserfüllung und Re-produktion der Rohstoffe und Materialien erfasst, die direkt oder indirekt zur Senkung des Materialaufwandes der gesellschaftlichen Produktion bei gleichzeitiger Sicherung einer plan-mäßigen Erhöhung der Gebrauchswerte und zur rohstoff- und materialseitigen Gewährleistung eines stabilen, dynamischen Wirtschaftswachstums führten. Sie wurde durch vielfältige Ein-zelprozesse, vor allem durch Wissenschaft und Technik, realisiert (Wörterbuch der Ökonomie Sozialismus, 7. Auflage Berlin 1988, Stichwort: "Materialökonomie", S. 617). Zur Überzeugung der Kammer steht damit fest, dass es sich bei der Material"ökonomie" in der DDR entgegen ihrem möglicherweise auf den ersten Blick als irreführend erscheinenden Namen nicht um eine Disziplin handelte, die vorrangig der Ökonomie zuzuordnen ist. Sie hatte vielmehr, wie auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hatte, im Wesentlichen die technische Komponente des Materialeinsatzes zu bearbeiten. Technische Fachleute für Materialeigenschaften hatten in Rahmen der Materialökonomie über den Einsatz bewährter oder neuer Materialien in der Produktion zu befinden. Der ökonomi-sche Bezug wurde dadurch hergestellt, dass durch die Bewertung der Effektivität des Materi-aleinsatzes eine "Intensivierung der gesellschaftlichen Produktion" (Wörterbuch der Ökono-mie Sozialismus, aaO) erreicht werden sollte. Damit hatte die Materialökonomie einen Bezug zur Volkswirtschaft, ohne dass sie selbst als wirtschaftliche Disziplin einzuordnen wäre. Die ZfM war damit im Ergebnis der Ermittlungen des Gerichts hauptsächlich wissenschaftlich forschend auf dem Gebiet der Materialökonomie, einer materialtechnischen Disziplin mit di-rektem Produktionsbezug tätig. Diese Forschung war zweck- und betriebsbezogen, so dass alle Voraussetzungen dafür, sie als Forschungsinstitut im Sinne des § 1 Absatz 2 der 2. DB einstufen zu können, erfüllt sind. Da der Kläger somit am 30.06.1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätz-liche Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllt, ist der Anwendungsbereich des § 1 AAÜG eröffnet. Der Kläger erfüllt ferner im gesamten nunmehr noch streitgegenständlichen Zeitraum sämtli-che Voraussetzungen für die Feststellung von Zugehörigkeitszeiten gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 AAÜG. Im Zeitraum vom 01.01.1973 bis 31.12.1979 war der Kläger als Fachbereichsleiter Be-ton/Vorfertigung im VEB (B) Rationalisierung Bauwesen D ... beschäftigt. Dies ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag vom 02.01.1973 (AS 259) und dem Funktionsplan vom 14.02.1973 (AS 261). Vom 01.01.1980 bis 31.12.1981 übte er in diesem Betrieb laut Änderung zum Ar-beitsvertrag vom 10.01.1980 eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Betriebs-direktor aus. Der Kläger erfüllt im Zeitraum 01.01.1973 bis 31.12.1981 die sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Der VEB (B) Rationalisierung Bauwesen D ... war ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können nur VEBs, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren und deren Hauptzweck auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern ausgerichtet war, als volkseigene Produktionsbetriebe im Sinne des § 1 Absatz 1 der 2. DB bezeichnet werden (BSG, Urteil vom 09.04.2002 - B 4 RA 41/01 -). Der VEB (B) Rationalisierung Bauwesen D ... verfolgte den Hauptzweck industriellen Pro-duktion von Sachgütern. Dies ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Begründung des Beschlusses zur Bildung des Betriebes (AS 192) und den Angaben des Klä-gers in der mündlichen Verhandlung, die der Kammer glaubwürdig erschienen, da sie inhalt-lich von den vorliegenden Unterlagen bestätigt werden. Demnach widmete sich der VEB (B) Rationalisierung Bauwesen D ... zwar einerseits der Instandsetzung von Baumaschinen, was nicht als Produktion im Sinne der BSG-Rechtsprechung anzusehen ist. Andererseits und zum überwiegenden Teil, so dass dies dem Betrieb das Gepräge gab, verfolgte er jedoch den Zweck der Entwicklung und Herstellung von Rationalisierungsmitteln für das Bauwesen in Einzelanfertigung, Klein- und Großserien. Zur Überzeugung der Kammer erfolgte diese Produktion in industrieller und nicht handwerklicher Form. Der Kläger selbst leitete in diesem Produktionsbetrieb die Entwicklung neuer Rationalisie-rungsmittel und Erforschung neuer Techniken für die Produktion und förderte folglich mit seiner "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsprozess in der Forschung und bei der Produktion. Er erfüllt im genannten Zeitraum also die sachliche und die betriebliche Voraus-setzung für die Einbeziehung. Vom 01.01.1982 bis 31.12.1986 war der Kläger als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Leichtbau und ökonomische Verwendung von Werkstoffen D ... (IfL), vom 01.01.1987 bis 31.12.1987 im ZfM beschäftigt. Ab 01.01.1988 bis zum Stichtag war er als Abteilungslei-ter im ZfM tätig (vgl. Änderungsvertrag vom 21.12.1987, AS 266). Auch in diesen Zeiträu-men erfüllt er die sachliche und die betriebliche Voraussetzung für die Einbeziehung. Das IfL war ebenso wie die ZfM ein Forschungsinstitut im oben genannten Sinne. Es unter-stand bis zur Ausgliederung der ZfM dem Ministerium für Materialwirtschaft (Registeraus-zug, AS 130) und betrieb auf dem Gebiet des Leichtbaus in allen Industriebereichen Grundla-gen- und Anwendungsforschung. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, die durch die vorliegenden Unterlagen bestätigt werden. Es handelte sich damit bei dem IfL ebenso wie bei der ZfM um eine Einrichtung der Wirt-schaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung war. Der Kläger erfüllt schließlich im genannten Zeitraum ebenso wie am Stichtag selbst die sach-liche Voraussetzung, da er auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der langfristigen techni-schen Planung gemäß seiner technischen Qualifikation im vom BSG geforderten Sinne tätig war. Damit liegen im gesamten zuletzt noch streitgegenständlichen Zeitraum sämtliche Vorausset-zungen für eine Feststellung von Zugehörigkeitszeiten gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 AAÜG vor. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Da die Klagerücknahme insgesamt nur einen relativ untergeordneten Teil der ursprünglich erhobenen Klage betraf, erschien es der Kammer angemessen, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers insgesamt aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
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