S 21 AS 21/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 21 AS 21/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Genuss von warmen Wasser ist vom Regelbetrag des § 20 SGB II umfasst und fällt nicht unter die nach § 22 SGB II zu erbringenden Leistungen für die Heizung.
2. Aufgrund der nicht ohne Weiteres zweifelsfrei feststellbaren Trennung der genannten Aufwendungen ist die pauschale und typisierende Vorgehensweise bei der Errechnung der Heizkosten (abzüglich einer Warmwasseraufbereitungspauschale) rechtlich zulässig. Der Normgeber ist zur Vermeidung von unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand und zur Beschleunigung des Leistungsverfahrens berechtigt, bei der Berechnung der Leistungshöhe zu pauschalieren und zu typisieren.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Bestand eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der am ... geborene arbeitslose Kläger beantragte bei der Beklagten am 13.12.2004 für sich und für die mit ihm zusammenlebende Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhaltes nach dem SGB II unter Beireichung der erforderlichen Unterlagen. Dabei gab der Kläger an, dass seine Ehefrau, die beim F ... e.V. beschäftigt ist, ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 2.530,44 EUR erhalte, was einem Nettoeinkommen von 1.554,42 EUR entspräche. Zu den Kosten der Unterkunft gab der Kläger an, dass er ab dem 01.12.2004 eine Kaltmiete von 508,22 EUR, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 100,01 EUR und eine Wärmeversorgungsvorauszahlung von 68,61 EUR bezahle.

Mit Bescheid vom 14.12.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts ab. Der Kläger sei nach den von ihm nachgewiesenen Einkom-mensverhältnissen nicht bedürftig im Sinne des SGB II. Er habe daher keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, wobei aus dem beigefügten Berech-nungsbogen die rechnerischen Einzelheiten zu erkennen seien, die der Beurteilung seines Antrages zugrunde gelegt worden waren. In diesem Berechnungsbogen wurde der Bewilli-gungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.05.2005, der Gesamtbedarf der Bedarfsgemein-schaft (bestehend aus Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung), das zu be-rücksichtigende monatliche Gesamteinkommen und das Berechnungsergebnis ausgewie-sen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 04.01.2005 Widerspruch, den er nicht näher begründete.

Des Weiteren erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 14.12.2004 am 16.02.2005 Klage zum Sozialgericht Dresden. Der Kläger macht geltend, dass der genannte Bescheid auf willkürlichen Festlegungen einer Bedarfsgemeinschaft zur Anrechnung des Einkommens seiner Ehefrau beruhe, welche zu einer für ihn unverhältnismäßigen Kürzung der Geldleis-tungen für Nichtarbeit führe. Der Kläger moniert im Übrigen, dass der Bescheid Festle-gungen über Kosten für Unterkunft und Heizung beinhalte, die unangemessen und bisher auch unklar seien. Insgesamt wäre die Hartz IV – Gesetzgebung ungerecht und unsozial.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 14.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt hinsichtlich ihrer rechtlichen Ansicht im Wesentlichen Bezug auf ihren Wider-spruchsbescheid. Das Einkommen der Ehefrau sei auf die Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 11 SGB II anzurechnen, was hieße, dass die Anrechnung nicht willkürlich erfolgt sei.

Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte über den vom Kläger am 04.01.2005 erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2005 entschieden. Sie hat den Wider-spruch als unbegründet zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2005 Bezug genommen. Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten unter der Nummer der Bedarfsgemein-schaft ... beigezogen und zum Bestandteil des Verfahrens gemacht.

Entscheidungsgründe:

Die im Laufe des Verfahrens zulässig gewordene Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 14.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2005 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensun-terhalts nach dem SGB II.

I.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage war zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch unzulässig, weil das Vorverfahren mangels Erlass eines Widerspruchsbescheides noch nicht durchgeführt war, § 78 Abs. 1 S. 1 SGG. Der Widerspruchsbescheid erging erst am 01.04.2005, womit allerdings zugleich die entsprechende Sachurteilsvoraussetzung geheilt wurde. Die Klage ist im Nachhinein also zulässig geworden.

II.

Die Klage ist allerdings unbegründet, da der Kläger für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2005 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat.

1. Zunächst kann zur Begründung auf die sachlich und rechtlich richtigen Ausführun-gen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 01.04.2005 Bezug genommen werden, § 136 Abs. 3 SGG.

2. Des Weiteren ist zur Begründung wie folgt vorzutragen:

Wer Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II hat, ergibt sich aus § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach die-sem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfsbedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbs-fähige Hilfsbedürftige).

Die Kammer hatte an der Erwerbsfähigkeit des Klägers gemäß § 8 SGB II keine Zweifel, sah allerdings bei dessen Hilfsbedürftigkeit unüberwindliche Hindernisse zu Tage treten. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfsbedürftig, wer seinen Lebensunter-halt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Vorliegend ist der Kläger deswegen nicht hilfsbedürftig, weil sich die Bedarfsge-meinschaft von dem bezogenen Einkommen selbst und daher im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II unterhalten kann. Der Kläger kann die erforderliche Hilfe von seiner Ehe-frau bzw. deren Einkommen erhalten, was sich nicht zuletzt aus dem Gedanken des ehegattenrechtlichen Unterhaltsrechts ergibt. Dass die mit ihm zusammenlebende Ehefrau Mitglied der Bedarfsgemeinschaft des Klägers ist, kann nicht ernsthaft be-zweifelt werden, zumal nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. a) SGB II der nicht dauernd ge-trennt lebende Ehegatte des erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen ausdrücklich zur Be-darfsgemeinschaft gehört.

Alles in allem ist das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft höher als deren gesetz-licher Bedarf. Dies stellt sich wie folgt dar:

a) Vorliegend erzielt die Ehefrau des Klägers ein Nettoarbeitsentgelt von 1.554,42 EUR. Dieses ist nach § 11 SGB II zu berücksichtigen. Nach § 11 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 3 Alg II-VO sind von dem Einkommen ein Pauschbetrag von 30,00 EUR monatlich für Beiträge zu privaten Versicherungen, eine Werbungskostenpauschale von 15,33 EUR (dieser Betrag ergibt sich durch Division des in § 9 a Abs. 1 Nr. 1 lit. a] EStG genannten Arbeitnehmerpauschbetrags von 920,00 EUR durch 60, vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 3 Nr. 3 lit. a] Alg II-VO), Fahrkosten in Höhe von 5,70 EUR (5 km x 0,06 EUR x 19 Arbeitstage), Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 14,50 EUR (174,07 EUR: 12 Monate) sowie ein Er-werbstätigkeitsfreibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von 176,52 EUR abzuziehen. Hin-sichtlich der Berechnung der Höhe des Freibetrags nach § 30 SGB II wird auf die zutreffende Berechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 16.08.2005 (Bl. 32 der SG-Akte) verwiesen. Damit ergibt sich ein vom Nettoarbeitsentgelt insgesamt ab-zusetzender Betrag von summa summarum 242,02 EUR, was einem Betrag von 1.312,37 EUR bereinigtes Nettoeinkommen aus nicht selbständiger Arbeit entspricht. Zum Einkommen sind dann weitere 154,00 EUR Kindergeld hinzuzurechnen. Dies er-gibt sich aus der Zusammenschau von § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II und § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wonach das Kindergeld bei volljährigen Kindern Einkommen der Eltern ist. Die entsprechende Änderung der Arbeitslosengeld-II-Verordnung (ALG-II-VO) zum 01.10.2005 ist für den vorliegenden Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 nicht relevant. Damit ergibt sich für die Bedarfsgemeinschaft des Klägers ein nach § 11 SGB II insgesamt zu berücksichtigendes Einkommen von 1.466,37 EUR.

b) Zur Ermittlung der Differenz von Einkommen und Bedarf ist des Weiteren letzterer zu berechnen.

Gemäß § 20 Abs. 2, 3 S. 1 SGB II steht hilfsbedürftigen Ehegatten ein Eckregelbe-darf von 2 x 298,00 EUR, mithin ein Gesamtbetrag von 596,00 EUR zu.

Des Weiteren werden zum Bedarf die Kosten der Unterkunft gezählt, die vorlie-gend allerdings nur zu 2/3 anzusetzen sind, da der volljährige Sohn des Klägers zwar nicht zur Bedarfsgemeinschaft, wohl aber zur Haushaltsgemeinschaft im Sin-ne von § 9 Abs. 5 SGB II zählt. Demzufolge errechnen sich die Kosten der Unter-kunft und Heizung aus dem Betrag der Kaltmiete in Höhe von 338,81 EUR (2/3 von 508,22 EUR), den Betriebskosten in Höhe von 66,67 EUR (2/3 von 100,01 EUR) und den Heizkosten in Höhe von 35,51 EUR (2/3 von 68,61 EUR abzüglich der Warmwasserzube-reitungspauschale für einen 3-Personen-Haushalt in Höhe von 15,34 EUR). Damit errechnet sich ein berücksichtigungsfähiger Betrag der Kosten der Unter-kunft und Heizung von insgesamt 440,99 EUR. Dabei stößt die Berechnung der Heizkosten abzüglich der Warmwasseraufberei-tungspauschale auf keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach der Vorstel-lung des Gesetzgebers ist der Genuss von warmem Wasser vom Regelbetrag des § 20 SGB II umfasst und fällt nicht unter die nach § 22 SGB II zu erbringenden Auf-wendungen. Aufgrund der nicht ohne Weiteres zweifelsfrei feststellbaren Trennung der genannten Aufwendungen ist die pauschale und typisierende Vorgehensweise der Beklagten bei der Errechnung der Heizkosten rechtlich zulässig. Denn grund-sätzlich ist der Gesetzgeber berechtigt, zur Vermeidung von unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand und zur Beschleunigung des Leistungsverfahrens bei der Be-rechnung der Leistungshöhe zu pauschalieren und zu typisieren (vgl. dazu etwa den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.1994, BVerfGE 90, S. 226 ff. zur Problematik der Kirchensteuer bei § 136 SGB III a.F.). Ohnehin begünstigt im vorliegenden Fall die Pauschale von 15,34 EUR den Kläger, weil sich aus den mit den Antragsunterlagen beigereichten Nebenkostenabrechnungen ein tatsächlicher Be-trag ab dem 01.12.2004 in Höhe von 16,92 EUR Warmwasserzubereitungskosten er-rechnen lässt. Diesen Betrag von 16,92 EUR aber zugrunde gelegt würde bedeuten, dass der Bedarf des Klägers noch weiter gemindert werden würde, so dass er durch den Ansatz der Pauschale durch die Beklagte besser gestellt ist.

c) Alles in allem errechnet sich daraus ein Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.036,99 EUR, welcher deutlich geringer ist, als das anrechenbare Einkommen in Höhe von 1.466,37 EUR. Dies bedeutet, dass für den Kläger ab dem 01.01.2005 keine Hilfs-bedürftigkeit im Sinne der Vorschriften des SGB II gegeben ist. Er hat daher keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

3. Soweit der Kläger mit seinem Einwand, die Vorschriften des SGB II seien un-gerecht und unsozial, die Verfassungsmäßigkeit der vorliegend in Rede stehenden Vorschriften des SGB II moniert, war für die Kammer ein Verstoß der hier ent-scheidungsrelevanten Vorschriften des SGB II gegen die Artikel des Grundgesetzes nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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