S 20 AS 61/05 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AS 61/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).

Die Antragsgegnerin gewährte den Antragstellern für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005 vorläufig Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 22.12.2004). Mit dem Bescheid bat sie ferner um Vorlage eines Grundbuchauszuges im Hinblick auf die von den Antragstellern bewohnte Immobilie, von Kreditverträgen sowie um Vorlage des Mietvertrages für die vom Antragsteller zu 1) vermietete Wohnung (diese befindet sich in dem Zweifamilienhaus des Antragstellers zu 1)). Der Antragsteller zu 1) legte im Folgenden eine Kopie des Kaufvertrages, einen Einheitswertbescheid, Kontoauszüge, einen Grundbuchauszug, eine Kopie eines Mietvertrages sowie eine Kopie eines Bauspardarlehens vor.

Auf Anforderung der Antragsgegnerin legte er ferner türkische Urkunden über von ihm eingegangene Wechselverbindlichkeiten (insgesamt 105.500 EUR), eine Darlehensvereinbarung zwischen einer Tante des Antragstellers aus T und einer A-U mbH über 10.000 Euro - für die der Antragsteller eine Bürgschaft in entsprechender Höhe übernommen hat - sowie eine Bestätigung der Tante aus T, dass der Antragsteller ihr noch 5.000 Euro schulde, vor. Die von der Antragsgegnerin ferner erbetene genaue Aufstellung über in Anspruch genommene Verbindlichkeiten, Rückzahlungen und Ausgabeposten, reichte der Antragsteller zu 1) nicht ein.

Am 00.00.0000 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Antragsteller zu 1) trägt im Wesentlichen vor, dass seine Tante der Firma B U GmbH insgesamt 10.000 Euro darlehnsweise zur Verfügung gestellt und er eine entsprechende Bürgschaft übernommen habe. Dies sei vor dem Hintergrund geschehen, dass ihm eine feste Anstellung bei der Firma B U GmbH in Aussicht gestellt worden sei. Von der Rückzahlung des Darlehens habe der Antagsteller zu 1) insgesamt 5.000 Euro zurückbehalten, da er für seinen Lebensunterhalt habe sorgen müssen. Die Übernahme der Wechselverbindlichkeiten erkläre sich dadurch, dass er im Jahre 2003 ein Haus gebaut habe; die Darlehen der Banken hätten für die Finanzierung nicht ausgereicht. Durch Verwandte habe er weitere Kredite erhalten. Diese Darlehen seien durch entsprechende Wechsel gesichert worden. Die jetzigen Mieter seiner Wohnung zahlten den vereinbarten Mietzins weitestgehend regelmäßig, entweder durch Barzahlung oder per Banküberweisung.

Die Antragstellerin lehnte den Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld II über den 01.02.2005 hinaus ab. Sie führte aus, dass erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller bestünden und ungeklärte finanzielle Verhältnisse zu verzeichnen seien. Im Rahmen mehrerer persönlicher und telefonischer Vorsprachen – z.B. am 02.05.2005 und am 17.05.2005 – habe der Antragsteller zu 1) geltend gemacht, in erheblichem Maße hilfebedürftig zu sein. Nachweise über Tilgungen von bestehenden Schulden - insbesondere im Hinblick auf die geltend gemachten Renovierungs- bzw. Umbaukosten in Form von Rechnungen/Mahnungen/Quittungsbelegen -, über die behaupteten monatlichen Mieteinnahmen in Höhe von 1.100,00 Euro, etc. habe der Antragsteller zu 1) nicht beigebracht. Auch einer telefonischen Aufforderung vom 17.05.2005, eine handschriftliche Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben einzureichen, sei er nicht nachgekommen. Trotz der geltend gemachten Hilfebedürftigkeit seien weiterhin regelmäßig größere Lastschriften zu Gunsten von Banken und Versicherungen getätigt worden (Bescheid vom 15.06.2005).

Die Antragsteller beantragen ihrem schriftsätzlichen Vorbringen entsprechend,

die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern zu 1) bis 5) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 80% des für sie maßgeblichen Regelsatzes sowie den Antragstellern zu 6) und 7) Sozialgeld – jeweils einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung – für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

Sie ist nach wie vor der Auffassung, dass die finanziellen Verhältnisse der Antragsteller ungeklärt seien.

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und der die Antragsteller betreffenden Leistungsakte der Antragsgegnerin.

II.

Der zulässige Antrag ist in der Sache nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen (vgl. Grieger, ZfSH/SGB, 2004, 579 (583), Berlit, info also 2005, 3 (4 f.)).

Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft dargetan. Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarf des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ist Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer unter anderem seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II). Die Nichtaufklärbarkeit dieses anspruchsbegründenden Tatbestandmerkmals geht zu Lasten desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs behauptet. Dies ist der Hilfebedürftige (vgl. Verwaltungsgericht – VG – Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.03.2000 – Az.: 3 L 351/00 zu § 11 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – , Sozialgericht – SG – Gelsenkirchen, Beschluss vom 17.03.2005 – Az.: S 11 AS 12/05 ER zu § 9 Abs. 1 SGB II).

Gegenwärtig kann auf Grund der dem Gericht vorliegenden Erklärungen und Ermittlungen nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob die Antragsteller tatsächlich hilfebedürftig sind. Vielmehr sprechen zur Zeit gewichtige Indizien für die Annahme, dass ungeklärte finanzielle Verhältnisse vorliegen. Zur Begründung der ablehnenden Entscheidung nimmt die Kammer entsprechend § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf den Inhalt des Bescheides vom 15.06.2005.

Dass ungeklärte finanzielle Verhältnisse gegeben sind, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer zunächst aus den (noch) nicht geklärten Verhältnissen zwischen dem Antragsteller zu 1) und der B U GmbH. Der Antragsteller zu 1) hat sich lediglich darauf beschränkt, vorzutragen, dass seine Tante aus T ein Darlehen von 10.000 Euro zur Verfügung gestellt habe, das er durch die Übernahme einer Bürgschaft abgesichert habe. Darüber hinaus hat er behauptet, dass er die Bürgschaft deshalb übernommen habe, weil er eine Anstellung in Aussicht gehabt habe. Nahe gelegen hätte es jedoch, diejenige Tätigkeit zu benennen, die er entsprechend der avisierten arbeitsrechtlichen Vereinbarung dort hätte ausüben sollen. Auch der Unternehmensgegenstand der B U GmbH muss ihm bekannt sein, wobei es sich aufgedrängt hätte, diesen auch ohne Nachfrage zu benennen. Nicht nachvollziehbar erscheint der Kammer darüber hinaus – entsprechend den Bedenken der Antragsgegnerin – dass eine Tante des Antragstellers zu 1) einen Kredit für die B U GmbH zur Verfügung gestellt haben soll, den er dann durch eine Bürgschaft abgesichert hat. Ein derartiges Verhalten entspricht nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht dem Verhalten von Arbeitssuchenden, denen eine Beschäftigung bei einem bestimmten Unternehmen nur in Aussicht gestellt worden ist. Nicht nachvollziehbar erscheint der Kammer ferner, aus welchen Gründen die B U GmbH den Kredit nicht unmittelbar an die Tante des Antragstellers zu 1) zurückgeführt, sondern vielmehr den "Umweg" über den Antragsteller zu 1) gewählt hat. Angesichts dieses Geschehensablaufes drängt sich der Verdacht auf, dass der Antragsteller zu 1) als Gesellschafter an der B U GmbH beteiligt war bzw. ist (sollte die B U GmbH im Zeitpunkt der "Rückführung" des Darlehens bereits insolvent gewesen sein, dürften sich weitere Konsequenzen ergeben, die hier allerdings nicht vertieft werden müssen). Für eine Beteiligung des Antragstellers zu 1) an der B U GmbH spricht ferner, dass er sich am 30.09.2004 anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Arbeitsagentur C die Voraussetzungen für den Bezug von Übergangsgeld ausführlich hat erläutern lassen und dort ferner mitgeteilt hat, dass noch heute (sprich: am 30.09.2004) Termine beim Notar zwecks Gründung einer GmbH vorgesehen seien.

Im Hinblick auf die Eingehung der Wechselverbindlichkeiten (insgesamt über 105.500,00 Euro) teilt die Kammer ebenfalls die Bedenken der Antragsgegnerin. Sämtliche zu Grunde liegenden Verbindlichkeiten sind am 28.11.2009 – also einem in Anbetracht der zugrunde liegenden Kreditsumme sehr frühen Zeitpunkt – fällig. Sieht sich der Antragsteller zu 1) jedoch in der Lage, sämtliche Verbindlichkeiten zu diesem frühen Zeitpunkt zu tilgen, erscheint auch vor diesem Hintergrund seine Hilfebedürftigkeit aus Sicht der Kammer zumindest als zweifelhaft.

Der Antragsteller zu 1) hat im Übrigen die von der Antragsgegnerin am 17.05.2005 erbetene Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben bislang immer noch nicht vorgelegt. Aus diesem Versäumnis zieht die Kammer die Schlussfolgerung, dass der Antragsteller zu 1) immer nur so viel vorträgt, wie aus seiner Sicht zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs unumgänglich erscheint.

Nach Auffassung der Kammer ist ferner ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn eine Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht (vgl. hierzu Verwaltungsgericht – VG – Gelsenkirchen Beschluss vom 06.11.2000 – Az.: 3 L 78/00 und Beschluss vom 23.01.2003 – Az.: 2 L 2994/02 m.w.N.) kann die Kammer zur Zeit nicht erkennen. Das ergibt sich daraus, dass der Antragsteller zu 1) mehrfach von der Antragsgegnerin aufgefordert worden ist, umfassende Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen zu machen und die bisherigen Anfragen der Antragsgegnerin nur schleppend und unvollständig beantwortet hat. Insbesondere hätte es sich dem Antragsteller zu 1) bereits nach der mit dem Bescheid vom 22.12.2004 verbundenen Aufforderung der Antragsgegnerin aufdrängen müssen, von sich aus umfassend, vollständig und widerspruchsfrei über die finanziellen Verhältnisse der Bedarfsgemeinschaft vorzutragen. Wenn die Antragsteller jedoch nicht unerhebliche Zeiträume zur Glaubhaftmachung des Anspruchs verstreichen lassen, haben Sie damit letztlich schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass Ihnen an einer schnellen Entscheidung nicht gelegen ist (vgl. hierzu auch Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rdnr. 38).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved