L 2 RI 349/03

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 3 RI 140/02 Tr
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 RI 349/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei einer Versicherten, die Rechtshänderin ist, liegt eine besonders schwerwiegende Leistungsbehinderung vor, wenn sie ihre rechte Hand nur noch als Beihand gebrauchen kann.
2. Auf die Tätigkeit einer Pförtnerin kann sie, unabhängig von weiteren Einschränkungen, vor allem bezüglich der Hörfähigkeit und der psychischen Belastbarkeit, nicht verwiesen werden, wenn sie die bei dieser Tätigkeit anfallenden schriftlichen Arbeiten nicht mehr in einem in der Arbeitswirklichkeit gewöhnlich zu fordernden Schreibtempo bewältigen kann.
1. Das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 20.11.2003 und der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2002 werden abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Grund eines Versicherungsfalles vom 03.03.2004 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens der Klägerin.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die geborene Klägerin, die einen Beruf nicht erlernt hat, ging im Zeitraum von 1971 bis 1998 verschiedenen Beschäftigungen nach; vom 06.05.1996 bis zum 31.10.1998 arbeitete sie als Qualitätskontrolleurin in einer Firma für Hygieneartikel. Einer geringfügigen Beschäftigung bei einer Reinigungsfirma ging die Klägerin vom 06.02.1999 bis zum 27.03.2003 und vom 10.06.2003 bis zum 02.03.2004 nach. Vom 20.03. bis zum 06.04.2003 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt.

Im Mai 2001 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte veranlasste eine gutachterliche Untersuchung der Klägerin durch die Ärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr F. Diese stellte im Gutachten vom 16.08.2001 folgende Erkrankungen fest: Fingergelenksarthrose rechts mehr als links mit Kraftminderung rechts; degeneratives Wirbelsäulensyndrom; Aufbraucherscheinungen der Kniegelenke ohne wesentliche Funktionseinschränkungen; psychovegetative Labilität bei privater Problematik mit Angst in engen Räumen, mäßige Dranginkontinenz; labiler Bluthochdruck. Zur Leistungsfähigkeit der Klägerin führte die Gutachterin aus, körperlich leichte Arbeiten, die keine Fingergeschicklichkeit und Kraftanwendungen mit der rechten Hand erforderten, seien noch vollschichtig zumutbar. Nicht mehr möglich seien Tätigkeiten mit Zeitdruck, Schichtarbeit oder Verrichtungen mit Absturz- oder erhöhter Verletzungsgefahr. Die Klägerin solle überwiegend in temperierten Räumen im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen arbeiten.

Die Gewährung einer Rente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.08.2001 ab.

Im Widerspruchsverfahren empfahl die Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Dr M nach Auswertung ärztlicher Unterlagen die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens.

In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 14.01.2002 diagnostizierte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr B ein depressives Syndrom mittelgradiger Episode und einen Tranquilizer-Missbrauch. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass die Gesundheitsstörungen zwar behandlungsbedürftig seien, aber keine schwerwiegenden Auswirkungen hätten. Auf Grund der psychischen Problematik seien Tätigkeiten im Akkord, Arbeiten mit hoher Konzentration und mit erhöhten geistigen Anforderungen sowie besonderen Anforderungen an das Reaktionsvermögen nicht mehr möglich. Die Klägerin könne auch unter Einbeziehung der orthopädischen Leistungseinschränkungen noch mehr als sechs Stunden täglich arbeiten.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 zurück.

Die Klägerin hat am 14.06.2002 beim Sozialgericht (SG) Trier Klage erhoben.

Das SG hat von Amts wegen ein chirurgisches Gutachten eingeholt, das der Sachverständige Dr F am 17.12.2002 erstattet hat. Der Sachverständige hat ein gering ausgeprägtes, rezidivierendes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom festgestellt, ferner einen Zustand nach Fraktur des rechten Oberarmknochens, eine Bursitis subacromialis, ein Impingement-Syndrom mit Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, eine Insertionstendopathie der Quadrizepssehne und der Patellarsehne beider Kniegelenke, eine beginnende Coxarthrose beidseits, eine ausgeprägte Senk-Spreiz-Fußdeformität beidseits, darüber hinaus eine fortgeschrittene Heberdenarthrose der Fingerendgelenke der rechten und linken Hand mit beginnenden arthrotischen Veränderungen der Mittelgelenke beider Hände im Sinne einer Polyarthrose und eine deutliche Bewegungseinschränkung der Langfinger der rechten Hand mit inkomplettem Faustschluss. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin hat der Sachverständige dahingehend beurteilt, dass nur noch leichte körperliche Arbeiten verrichtet werden könnten. Die Greiffähigkeit und auch die Fixierungsmöglichkeit der rechten Hand sei deutlich eingeschränkt, so dass diese nur als Beihand benutzt werden könne. Werkstücke von einem höheren Gewicht als 1 kg könnten mit der rechten Hand nicht bearbeitet werden. Auf Leitern und Gerüsten könne die Klägerin nicht mehr arbeiten. Die unfallträchtigen Arbeit seien nicht mehr zumutbar. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin noch vollschichtig tätig sein.

Das SG hat einen Befundbericht bei dem Orthopäden Dr T und bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr C eingeholt. Es hat sich veranlasst gesehen, eine erneute Begutachtung bei Dr F zu veranlassen.

In seinem Gutachten vom 05.06.2003 hat der Sachverständige ausgeführt, gegen den Vorgutachten habe sich insoweit eine Änderung ergeben, als im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule ein Wirbelsäulensyndrom hinzugetreten sei und das Lendenwirbelsäulensyndrom deutlich stärker ausgeprägt sei. Zu einer wesentlichen Änderung der Leistungsbeurteilung sehe er keinen Anlass. Wegen der psychischen Störungen empfehle er eine Fachbegutachtung.

Im von Amts wegen eingeholten Gutachten vom 16.07.2003 diagnostizierte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr B eine mittelgradige depressive Episode, eine Tranquilizerabhängigkeit, eine Agoraphobie mit Panikstörung sowie ein Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfallerscheinungen. Zur Leistungsfähigkeit der Klägerin hat der Sachverständige ausgeführt, auf Grund der depressiven Störung seien Tätigkeiten, die ein hohes Konzentrationsvermögen, ein hohes Verständnis und Gedächtnis für Arbeitsanweisungen, mit hohem Verantwortungsgefühl und geistiger Beweglichkeit verbunden seien, nicht zumutbar. Wegen der Hörstörungen bei Zustand nach Hörsturz solle die Klägerin nicht dauerhaft lauten Geräuschen ausgesetzt werden. Unter Beachtung der orthopädischerseits festgestellten Einschränkungen sei noch eine vollschichtige Einsatzmöglichkeit gegeben.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 20.11.2003 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach den §§ 43, 240 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung (neue Fassung – nF -). Die Klägerin könne noch körperlich leichte Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen, in temperierten Räumen, ohne erhöhte Anforderungen an die Feingeschicklichkeit der rechten Hand sowie die Konzentration und die Merkfähigkeit mehr als sechs Stunden täglich verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen sei die Klägerin weder teilweise noch voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI nF. Eine rentenberechtigende Erwerbsminderung sei selbst dann nicht festzustellen, wenn im Hinblick auf die eingeschränkte Greiffähigkeit von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen sei. Sei eine solche Leistungsbeeinträchtigung gegeben, führe dies nicht zwangsläufig zur Feststellung des Vorliegens einer vollen Erwerbsminderung. Sie begründe lediglich die Pflicht, eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen. Sei dies möglich, liege weder teilweise noch volle Erwerbsminderung vor. Auch unter Berücksichtigung der nur eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten der Hände, insbesondere der rechten Hand, komme eine Verweisung auf die Tätigkeit eines Pförtners in Betracht. Es handele sich um eine Tätigkeit, die für Körperbehinderte, etwa Einarmige, geeignet sei. Ein Anspruch nach § 240 SGB VI nF scheitere daran, dass die Klägerin, die der Berufsgruppe der angelernten Arbeiterinnen – unteren Ranges – zuzuordnen sei, eine eher zumutbare Tätigkeit, die einer Pförtnerin, mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne.

Gegen das ihr am 01.12.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.12.2003 Berufung eingelegt. Sie hat ärztliche Berichte vorgelegt von dem Facharzt für Orthopädie Dr P , den Chirurgen Dres S und C , dem Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde G , dem Facharzt für Orthopädie Dr T , der Fachärztin für Neurologie und Psychotherapie Dr C und dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr S.

Der Senat hat von Amts wegen ein Gutachten eingeholt, das der Internist, Rheumatologe, Arbeits- und Sozialmediziner Dr G am 08.11.2004 erstattet hat. Der Sachverständige hat folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Internistisch-rheumatologisches Fachgebiet: Fingergelenkspolyarthrose mit Gebrauchsminderung der rechten Hand; leichte Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule bei Verschleißerscheinungen, leichte Funktionseinschränkungen des Rumpfskeletts bei Verschleißerscheinungen, leichte Funktionseinschränkungen des rechten Schultergelenkes bei Verschleißerscheinungen und Impingementsymptomatik sowie Zustand nach knöchern in gute Stellung fest ausgeheiltem Bruch des Tuberkulum majors; beginnende Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke ohne wesentliche Funktionseinschränkung; geringe Verschleißerscheinungen der Kniegelenke ohne wesentliche Funktionseinschränkung; Spreizfußdeformität beider Füße; milde arterielle Hypertonie ohne Organschäden; unkompliziertes Krampfaderleiden beider Unterschenkel. Auf Hals-Nasen-Ohren-Fachgebiet: Beidseitige Hörminderung, rechts hochgradig, links geringgradig (HNO-ärztliche Einschätzung) mit Ohrgeräuschen rechts. Auf nervenärztlichem Fachgebiet: Depressive Störung und Angststörung; Tranquilizerabhängigkeit. Zur Leistungsfähigkeit der Klägerin hat sich der Sachverständige dahingehend geäußert, dass nur noch körperlich leichte Tätigkeiten unter überwiegendem Einsatz der rechten Hand als Beihand vollschichtig zumutbar seien. Die Möglichkeit zum Wechseln zwischen den Körperhaltungen Sitzen, Gehen und Stehen müsse bestehen. Arbeiten in Zwangshaltungen könne die Klägerin nicht mehr verrichten. Nicht mehr geeignet sei die Klägerin für Tätigkeiten im Akkord, unter Zeitdruck oder mit besonderer nervlicher Anspannung. Hierzu zähle auch hektischer, drängender Publikumsverkehr. Kälte und Nässe solle die Klägerin nicht mehr ausgesetzt werden. Wegen der hochgradigen Schwerhörigkeit rechts und der geringgradigen Schwerhörigkeit links sei die Klägerin nicht mehr für Lärmarbeiten geeignet. Unfallgefahren sei die Klägerin nicht mehr gewachsen. Hohen und überdurchschnittlichen Anforderungen an die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit könne die Klägerin nicht mehr entsprechen. Den Einwirkungen von Staub, Rauch, Dämpfen, Gasen und ungewöhnlichen Beleuchtungsverhältnissen solle die Klägerin nicht mehr ausgesetzt werden. Komplizierte Schutzkleidung solle sie meiden. Für Schichtarbeit sei die Klägerin ungeeignet. Nicht mehr zumutbar seien Tätigkeiten die ein intaktes Hörvermögen erforderten oder besondere Anforderungen an das Hörvermögen stellten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin noch mehr als sechs Stunden am Tag fünf Tage in der Woche arbeiten. Den Anforderungen an die Tätigkeit einer Pförtnerin auf der Grundlage der Berufsinformationskarte BO 793 sei die Klägerin nur eingeschränkt gewachsen. Insoweit sei zu beachten, dass aus den beiden nervenärztlichen Gutachten eine nervlich-seelische Minderbelastbarkeit zu entnehmen sei und Einschränkungen hinsichtlich erhöhter Anforderung an Konzentration- und Reaktionsvermögen beschrieben seien. Nicht mehr zumutbar seien Zeitdruck, besondere nervliche Anspannung sowie Schichtdienst. Die Klägerin habe zudem Ängste in engen Räumen und insbesondere in Fahrstühlen. Es bestünden zudem Zweifel, ob die Klägerin bei der festgestellten hochgradigen Schwerhörigkeit rechts und zusätzlicher geringgradiger Schwerhörigkeit links über ein ausreichendes Hörvermögen für eine Tätigkeit im Publikumsverkehr verfüge. Ungeeignet sei die Klägerin für die Pförtnertätigkeit auch dann, wenn sie mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt werde, die über das Ausfüllen von Besucherzetteln hinausgingen. Vielen die in der Berufsinformationskarte geschilderten Verrichtungen "gleichzeitig" an, wäre die Klägerin wegen des hiermit verbundenen Zeitdrucks überfordert. Die Gebrauchseinschränkung der rechten Hand sei zumindest seit der chirurgischen Begutachtung durch Dr F im Juni 2003 anzunehmen. Eine Verschlechterung des Hörvermögens sei ab Juli 2004 anzunehmen. Die nervlich-seelische Minderbelastbarkeit sei seit Oktober 2001 dokumentiert.

Die Firma H und G , Gebäude-Service hat im Schreiben vom 01.03.2005 mitgeteilt, die Klägerin habe in der Zeit vom 06.02.1999 bis zum 27.03.2003 und vom 10.06.2003 bis zum 02.03.2004 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses Reinigungsarbeiten ausgeführt, zu Beginn auch Kontrollarbeiten. Die Klägerin habe zunächst an zwei Tagen in der Woche gearbeitet, zuletzt an drei Tagen. Im März und April 2003 sei die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Ab dem 03.03.2004 habe die Klägerin ihre Tätigkeit auf eigenen Wunsch wegen gesundheitlicher Probleme nicht mehr ausgeübt.

Die Klägerin trägt vor, die Beurteilung von Dr G , wonach sie noch vollschichtig einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, halte sie nicht für zutreffend. Mit ihren zahlreichen Gesundheitsstörungen und Leistungseinschränkungen könne sie als Pförtnerin keinesfalls mehr arbeiten. Ihr stehe eine Rente wegen Erwerbsminderung zu.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 20.11.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.08.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, auf der Grundlage des Gutachtens von Dr G könne von einem Leistungsvermögen, welches die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung rechtfertige, nicht ausgegangen werden. Die Klägerin sei noch in der Lage, die Verweisungstätigkeit der einfachen Pförtnerin vollwertig auszuüben. Selbst wenn sie wegen der Einsatzbeschränkung der rechten Hand wie ein einarmiger Versicherter zu behandeln wäre, setzte die Tätigkeit eine volle Funktionsfähigkeit beider Arme nicht voraus. Dies habe der 6. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz bereits mehrfach entschieden. Die Klägerin könne auch auf einfache Tätigkeiten nach Vergütungsgruppe BAT IX verwiesen werden. Insoweit seien kaufmännische Kenntnisse nicht erforderlich. Auch dies habe der 6. Senat des LSG Rheinland-Pfalz bereits mehrfach entschieden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten; deren wesentlicher Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Sie hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines am 03.03.2004 eingetretenen Versicherungsfalles.

Nach § 43 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – (SGB VI) in der seit dem 01.01.2001 geltenden und hier anzuwendenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und wenn sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, besteht ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Abs 2 der Vorschrift, wenn der Versicherte voll erwerbsgemindert ist. Dies ist nach Abs 2 S 2 der Vorschrift der Fall, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Fähigkeit eines Versicherten, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben, ist dann aufgehoben, wenn es keine Tätigkeiten mehr gibt, die ihm nach den ihm verbliebenen Kräften und Fähigkeiten zumutbar sind (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 28.08.1991, Az: 13/5 RJ 47/90). Zumutbare Tätigkeiten sind grundsätzlich zu benennen. Diese Konkretisierungspflicht besteht jedoch dann nicht, wenn der Versicherte auf mittelschwere oder leichtere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden kann, denn es gibt eine so große Anzahl derartiger Tätigkeiten, dass das Vorhandensein einer Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, aaO). Ist die Arbeitsfähigkeit des Versicherten jedoch durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert, ist eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen, weil dann wieder fraglich wird, ob es Tätigkeiten gibt, deren Anforderungen der Versicherte gewachsen ist (BSG, aaO). Der Senat stimmt der Auffassung des SG zu, dass die im Rahmen des § 44 SGB VI aF und § 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO) entwickelte Rechtsprechung zur Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auch bei Anwendung des § 43 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung zu beachten ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass allein die Feststellung des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder einer besonders einschneidenden Leistungsbeeinträchtigung die volle Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 2 S 2 SGB VI begründet. Erst dann, wenn eine Verweisungstätigkeit nicht konkret benannt werden kann, ist von voller Erwerbsminderung auszugehen.

Der Senat hält die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bereits auf Grund des vom SG festgestellten Leistungsvermögens der Klägerin für erforderlich. Die Klägerin, die Rechtshänderin ist, kann ihre rechte Hand, die Haupthand, nur noch als Beihand benutzen. Insoweit ist bereits von einer besonders schwerwiegenden Leistungsbeeinträchtigung auszugehen. Im Zusammenhang mit den weiteren Leistungseinschränkungen, die auf orthopädischen und neurologisch-psychiatrischen Gesundheitsstörungen beruhen, ist auch von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen. Die Einschränkung der Hörfähigkeit der Klägerin und der Bluthochdruck führen zu weiteren Leistungseinschränkungen dahingehend, dass Schicht- und Nachtschichtarbeiten nicht mehr zumutbar sind, sowie Tätigkeiten mit uneingeschränktem Hörvermögen oder Arbeiten, die besondere Anforderungen insoweit stellen, sowie Lärmarbeiten. Dies steht zur Überzeugung des Senats, die sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr G gründet, fest. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des SG und der Beklagten, die Klägerin könne noch auf die Tätigkeit einer Pförtnerin verwiesen werden. Das SG verweist auf einen Beschluss des erkennenden Senats vom 30.07.2001, Az: , in dem die Tätigkeit eines Pförtners als geeignet für Körperbehinderte angesehen worden sei. Dies ist zutreffend. Unzutreffend ist allerdings, wie das SG dem Beschluss entnommen haben will, die Tätigkeit sei für "Einarmige" geeignet. Dies hat der Senat nicht entschieden. Die Beklagte geht unter Berufung auf Entscheidungen des 6. Senats des LSG Rheinland-Pfalz (Beschluss – nicht Urteil, wie die Beklagte meint – vom 30.09.1997, Az: L 6 I 133/97 und Urteil vom 25.10.1996, Az: L 6 I 32/96) davon aus, dass ein Einarmiger oder mit ihm vergleichbarer Versicherter die Tätigkeit eines Pförtners verrichten kann. Dieser undifferenzierten Betrachtung folgt der erkennende Senat indessen nicht.

Das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz-Saarland hat in seiner den Beteiligten bekannt gegebenen Auskunft vom 18.02.2003 ausgeführt, dass Pförtner je nach Eigenart ihres Arbeits- und Auftragsumfeldes durchaus unterschiedliche Aufgaben- und Tätigkeitsschwerpunkte zu verrichten haben. Schreibarbeiten und mit der Bedienung von Tastaturen verbundene Arbeitsverrichtungen gehören, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, immer zu einem Pförtnerarbeitsplatz. Beispiele hierfür sind: Besucher über Telefon anmelden; Passierscheine ausstellen; Aufzeichnungen führen; Bildschirme zwecks Überwachung bedienen. Dies steht im Einklang mit der Berufsinformationskarte BO 793 zum Beruf des Pförtners. Damit wird deutlich, dass vorbehaltlich weiterer Bedenken, nicht die Einarmigkeit eines Versicherten das entscheidende Kriterium dafür ist, ob er nicht die Tätigkeit eines Pförtners verrichten kann. Entscheidend ist vielmehr, ob der Versicherte noch Schreibarbeiten verrichten kann, was bei Einarmigkeit durchaus dann möglich ist, wenn bei Verlust eines Armes die Hilfshand betroffen ist, die Funktionsfähigkeit der Haupthand hingegen noch voll erhalten ist. Kann die Haupthand nur noch als Beihand eingesetzt werden, sind Schreibarbeiten, egal in welchem Umfang, nicht mehr, zumindest nicht mehr in einem in der Arbeitswirklichkeit gewöhnlich zu fordernden Schreibtempo möglich. Folgerichtig hat der Sachverständige Dr G die Tätigkeit eines Pförtners nicht mehr für zumutbar erachtet, weil die Klägerin, die ihre Haupthand nur noch als Beihand einsetzen kann, nicht mehr in der Lage ist, schriftliche Tätigkeiten zu bewältigen. Zur Überzeugung des Senats steht damit fest, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Pförtnerin nicht mehr verrichten kann. Auf die weiteren von Dr G aufgezeigten Bedenken im Zusammenhang mit den nervenärztlicherseits und Hals-Nasen-Ohren-ärztlicherseits festgestellten Einschränkungen, bedarf eines keiner Erörterung. Eine Verweisung auf Bürotätigkeiten nach BAT IX kommt aus den dargestellten Gründen ebenfalls nicht in Betracht, weil auch insoweit davon auszugehen ist, dass diese Tätigkeiten mit Schreibarbeiten verbunden sind. Hinzuweisen ist im Übrigen noch darauf, dass die von der Beklagten zitierten Urteile des 6. Senats des LSG Rheinland-Pfalz (Urteile vom 06.10.2004, Az: L 6 RI 24/02 und 10.11.2004, Az: L 6 RI 285/03) keine Versicherten betrafen, die nur noch einen funktionsfähigen Arm hatten oder deren Haupthand eine gravierende Funktionseinschränkung aufwies oder nur noch als Beihand eingesetzt werden konnte.

Zur Überzeugung des Senats steht nach alledem fest, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert ist im Sinne des § 43 Abs 2 SGB VI. Gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr G und auf die Auskunft der Firma H und G vom 01.03.2005, wonach die Klägerin noch bis zum 02.03.2004 Reinigungsarbeiten verrichtet hat, sieht sich der Senat zu einer zweifelsfreien Feststellung des Versicherungsfalles erst zum Zeitpunkt 03.03.2004 in der Lage. Im davor liegenden Zeitraum geht der Senat unter Berücksichtigung der Darlegungen des Sachverständigen Dr G , wonach die Klägerin ihre Leistungsbeeinträchtigung stärker dargestellt hat, als sie objektivierbar war, davon aus, dass noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gegeben war. Die Feststellung einer teilweise oder vollen Erwerbsminderung oder auch einer teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt damit nicht für die Zeit vor dem 03.03.2004 in Betracht. Die Berufung der Klägerin ist insoweit zurückzuweisen. Da die Klägerin unstreitig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt, ist die Beklagte zu einer Rentengewährung auf der Grundlage eines am 03.03.2004 eingetretenen Versicherungsfalles verpflichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved