S 3 AL 242/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 242/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer.

Die am 00.00.1950 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau und hat eine Fortbildung als Personalfachkauffrau absolviert. Vom 23.08.2000 bis zum 31.10.2001 war sie als Personalsachbearbeiterin bei der U GmbH in E beschäftigt. Nach der Arbeitsbescheinigung erzielte sie im letzten Jahr ihrer Beschäftigung ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 58.004,00 EUR. Die Beklagte bewilligte der Klägerin anschließend mit einer kurzen Unterbrechung Arbeitslosengeld. Zuletzt wurde der Klägerin mit Bewilligungsbescheid vom 09.07.2004 Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.06.2004 bis zum 30.06.2004 gewährt. Aus dem Bescheid ergibt sich eine Restanspruchsdauer von 366 Tagen.

Am 18.03.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen zur Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer aufgrund der Aufnahme einer Tätigkeit ab dem 01.07.2004. Grundlage der Beschäftigung der Klägerin im I in C ist ein Arbeitsvertrag vom 01.05.2004. Ab dem 01.05.2004 nahm die Klägerin zunächst eine Trainingsmaßnahme für zwei Monate beim I in C auf. Ab dem 01.07.2004 wurde sie in ein befristetes Arbeitsverhältnis übernommen, das seit Juni 2005 unbefristet fortgeführt wird. Nach den Bestimmungen des Arbeitsvertrages (Bl. 10-11 der Gerichtsakte) beträgt das Bruttogehalt 777,71 EUR im Monat bei einer Mindestarbeitszeit von 39 Stunden pro Woche und einer Regelarbeitszeit von 42 Stunden pro Woche.

Mit Bescheid der Beklagten vom 07.06.2004 wurde der Antrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, das gezahlte Arbeitsentgelt entspreche nicht den tariflichen bzw. ortsüblichen Bedingungen.

Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie trägt vor, dass sie seit längerer Zeit keine Chance auf einen Arbeitsplatz gehabt habe. Ohne die Arbeitsaufnahme in C wären für die Arbeitsagentur weit höhere Kosten entstanden. Alle anderen Mitarbeiter des I würden dieselbe Entlohnung wie sie erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin würde einen Stundenlohn von 4,27 EUR erhalten. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer erhalte nach dem Tarifvertrag Zeitarbeit/Arbeit-nehmerüberlassung mindestens 8,85 EUR pro Stunde. Dies stelle ein Missverhältnis dar, bei dem nicht mehr von einem tarifvertraglichen bzw. ortsüblichen Gehalt gesprochen werden könne.

Am 16.08.2004 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie trägt ergänzend vor, dass ca. 70 % ihrer Arbeitszeit den Bereich Personal/Zah-lungsverkehr beträfen. Während der übrigen Arbeitsstunden gebe sie Yoga-Kurse und sei für andere Tätigkeiten verantwortlich.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2004 zu verurteilen, ihr ab dem 01.07.2004 Leistungen zur Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Stamm-Nr. 000) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 07.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin ist nicht gem. § 54 Abs. 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG) in ihren Rechten verletzt. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Entgeltsicherung ab dem 01.07.2004.

§ 421 j Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) normiert die Voraussetzungen der Entgeltsicherung. Danach besteht ein Anspruch auf Entgeltsicherung, wenn Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspfichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, wenn sie 1. einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und bei Aufnahme der Beschäftigung noch über einen Restanspruch von mindestens 180 Tagen verfügen oder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld über mindestens die gleiche Dauer hätten, 2. ein Arbeitsentgelt beanspruchen können, das den tariflichen oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, ortsüblichen Bedingungen entspricht. Schließlich setzt der Anspruch auf die Entgeltsicherung, ohne dass dieses Merkmal bei den Tatbestandsvoraussetzungen in § 421 j Abs. 1 SGB III erwähnt ist, voraus, dass die neu aufgenommene Beschäftigung gegenüber der früheren Tätigkeit eine Nettoentgeltdifferenz zu Lasten des Arbeitnehmers aufweist.

Die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer dient in erster Linie dem Zweck, Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmern, die das 50 Lebensjahr vollendet haben, Anreize zur Aufnahme einer im Vergleich zur früheren Tätigkeit geringer entlohnten neuen Beschäftigung zu bieten. Die Leistungen -Aufstockung des Arbeitsentgelts durch teilweisen Ausgleich der Nettoentgeltdifferenz und Aufstockung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung- werden daher aus arbeitsmarkt-politischen Gründen gewährt, insbesondere um die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer zu erhöhen und die Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe abzubauen (vgl. Bundestags-Drucksache 15/25, Seite 34).

Die Klägerin hat zum Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung beim H in C ihr 53. Lebensjahr vollendet. Durch die Aufnahme dieser versicherungspflichtigen Beschäftigung hat sie die zuvor bestehende Arbeitslosigkeit beendet. Der Klägerin stand zu diesem Zeitpunkt noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von mehr als 180 Tagen zu.

Weitere Voraussetzung des Anspruchs auf Leistungen der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer ist, dass der Arbeitnehmer ein Arbeitsentgelt beanspruchen kann, welches den tariflichen oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, ortsüblichen Bedingungen entspricht. Mit dieser in § 421 j Abs. 1 Nr. 2 SGB III normierten Voraussetzung soll vermieden werden, dass die Arbeitsvertragsparteien Vereinbarungen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung treffen, indem sie das vereinbarte Arbeitsentgelt mindern, um für den älteren Arbeitnehmer die Leistungen zur Entgeltsicherung zu steigern (vgl. Bundestags-Drucksache 15/25, Seite 35). Maßgebend ist das tarifliche Arbeitsentgelt zunächst bei Tarifbindung, also wenn ein Tarifvertrag kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme, durch Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 Tarifvertragsgesetz) oder aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit (§ 3 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz) Anwendung findet. Liegt keine Tarifgebundenheit vor, ist im Hinblick auf ein tarifliches Arbeitsentgeld auf den Tarifvertrag zurückzugreifen, der für das Arbeitsverhältnis gelten würde, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden wären. Auf das ortsübliche Arbeitsentgelt darf nur abgestellt werden, wenn eine tarifliche Regelung nicht einschlägig ist. Insoweit ist von dem Arbeitsentgelt auszugehen, das in der Region, in der sich die Betriebsstätte befindet, üblicherweise für eine bestimmte Tätigkeit geleistet wird.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem I findet ein Tarifvertrag weder durch einzelvertragliche Inbezugnahme, noch durch Allgemeinverbindlicherklärung oder aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung. Andere tarifliche Regelungen sind nach Auffassung der Kammer nicht heranzuziehen, da der Aufgabenbereich der Klägerin aus unterschiedlichen Tätigkeiten besteht. Soweit die Klägerin u.a. auch als Yoga-Lehrerin tätig ist, sind tarifliche Regelungen nicht einschlägig.

Damit ist auf das ortsübliche Arbeitsentgelt abzustellen, welches in der hiesigen Region für die gesamte Tätigkeit der Klägerin üblicherweise geleistet wird. Nach den Bestimmungen des Arbeitsvertrages beträgt das Bruttogehalt der Klägerin 777,71 EUR bei einer Regelarbeitszeit von 42 Stunden pro Woche. Dies entspricht einem Stundenlohn von 4,27 EUR brutto. Selbst unter Berücksichtigung der an die Klägerin gemäß der Lohnabrechnungen (Bl. 62-69 der Gerichtsakte) tatsächlich gezahlten Bezüge, die zwischen 781,76 EUR und 788,20 EUR pro Monat liegen, ergibt sich kein wesentlich höherer Stundenlohn.

Diese Vergütung der Klägerin entspricht nach Auffassung der Kammer nicht orts-üblichen Bedingungen. Nach der Einlassung der Klägerin ist sie zu 70 % ihrer Arbeitszeit im Bereich Personal/Zahlungsverkehr tätig. Sie hat eine Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 26-29 der Gerichtsakte) eingereicht, nach der sie für die ca. 80 Mitarbeiter des I in C die Personalangelegenheiten bearbeitet, Teamsitzungen und Mitarbeitergespräche durchführt. Diese anspruchsvolle Tätigkeit setzt eine entsprechende Berufsausbildung und langjährige Berufserfahrung voraus. Beides kann die Klägerin aufweisen.

Mit der Beklagten geht die Kammer davon aus, dass für eine derart gut qualifizierte Arbeitnehmerin mit einem derartigen umfangreichen und verantwortungsvollen Aufgabengebiet eine Bruttovergütung von 4,27 EUR pro Stunde nicht ortsüblich ist. Weder Unternehmen aus der Privatwirtschaft, der öffentliche Dienst oder vergleichbare Einrichtungen, noch beispielsweise Träger der Wohlfahrtspflege zahlen derartig geringe Stundensätze für vergleichbare Tätigkeiten. Zwar durfte die Beklagte nicht unmittelbar den Tarifvertrag für Zeitarbeit/Arbeitnehmerüberlassung zum Vergleich heranziehen, da hier auf die ortsüblichen Bedingungen abgestellt werden muss. Fakt ist jedoch, dass die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche bereits für einfachste, gleichbleibende und sich wiederholende Helfertägigkeiten einen Stundensatz von 6,85 EUR brutto zahlen. Auch wenn in der Bundesrepublik Deutschland kein gesetzlicher Mindestlohn existiert, muss darauf hingewiesen werden, dass der Tarifvertag für die Zeitarbeitsbranche wohl zum niedrigsten Lohnniveau zählt. Die Kammer geht davon aus, dass die geringen Stundensätze dieses Tarifvertrags, die untere Grenze einer ortsüblichen Bezahlung auch in der hiesigen Region darstellen.

Nicht entscheidungserheblich ist, dass die übrigen Mitarbeiter des I in C dieselbe Bruttovergütung erhalten wie die Klägerin. Die anderen Mitarbeiter führen andere Tätigkeiten aus und weisen nicht dieselbe Qualifikation wie die Klägerin auf. Auf die Qualifikation der Antragstellerin kommt es jedoch gerade an, um die Ortsüblichkeit ihrer Vergütung zu ermitteln. Die Tatsache, dass alle Mitarbeiter gleich vergütet werden, spricht aus Sicht der Kammer vielmehr dafür, dass es sich bei der Vergütung um einen symbolischen Betrag handelt. Von einer angemessenen Entlohnung der konkreten, umfangreichen und verantwortungsvollen Tätigkeit der Klägerin -und damit von einer ortsüblichen Vergütung- ist nicht auszugehen.

Die Entscheindung der Beklagten, den Antrag der Klägerin auf Entgeltsicherung zurückzuweisen, ist rechtmäßig. Die Klage war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved