S 1 AS 157/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 157/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 10. Februar 2005 und 9. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2005 und des Bescheids vom 4. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2005 verurteilt weitere 241,83 EUR zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die doppelte Anrechnung von Lohn aus einer geringfügigen Tätigkeit im Dezember 2004.

Die Klägerin, geboren 1982, hatte im Dezember 2004 als geringfügig Beschäftigte bei der H. SB-Warenhaus GmbH gearbeitet. Der Nettolohn wurde im Februar 2005 zusammen mit dem Januar-Lohn (Gesamtbrutto 599,01 EUR) auf das Konto der Klägerin überwiesen.

Bis 31.12.2004 hatte die Klägerin Arbeitslosenhilfe bezogen.

Mit Bescheid vom 08.03.2005 rechnete die Agentur für Arbeit nach dem "Erarbeitungsprinzip", das für die Arbeitslosenhilfe gilt (§ 198 Satz 2 Nr. 6 SGB III a.F. in Verbindung mit § 141 Abs. 1 SGB III) den Verdienst für Dezember 2004 als Nebeneinkommen an und hob die Arbeitslosenhilfebewilligung entsprechend anteilig auf. In dieser Sache ist beim Sozialgericht Augsburg ein Klageverfahren anhängig (S 4 AL 330/05).

Am 01.01.2005 hatte die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II beantragt. Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 27.10.2004 für den Zeitraum 01.01.2005 bis 30.04.2005 entsprochen.

Nach dem im Bereich des SGB II geltenden "Zuflussprinzip" wurde mit Bescheid vom 10.02.2005 der erst in 2005 zugeflossene Lohn für Dezember 2004 nochmals im Zuflussmonat Februar 2005 angerechnet.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

Nachdem die Klägerin die geringfügige Beschäftigung fortsetzte wurden mit Bescheid vom 09.03.2005 weitere Entgelte einbezogen, verbunden mit der Aufrechnung des Einkommens für Dezember 2004.

Der Widerspruch wurde im Weiteren mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2005 zurückgewiesen unter Bezug auf das dem Sozialhilferecht immanente Zuflussprinzip.

Dagegen legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten am 23.05.2005 Klage zum Sozialgericht Augsburg ein.

Mit Bescheid vom 04.04.2005 wurden weitere Einkommenszuflüsse aus der geringfügigen Tätigkeit berücksichtigt und die Aufrechnung des Dezember-Gehalts 2004 fortgesetzt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2005 zurückgewiesen.

Dagegen legte die Klägerin wiederum durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Augsburg ein. Die Verfahren wurden mit Beschluss vom 18.10.2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Agentur für Arbeit, vertreten durch das Vorsitzende Mitglied der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Donauwörth, Zirgesheimer Str. 9, 86609 Donauwörth, wurde informativ zum Verfahren beigeladen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragte im Termin,

in Abänderung der Bescheide vom 10.02.2005 und 09.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2005 und des Bescheids vom 04.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2005 die Beklagte zu verurteilen Alg II ohne Anrechnung des Einkommens vom Dezember 2004 zu gewähren.

Der Vertreter der Beklagten beantragte im Termin die Klageabweisung.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Klageakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage war auch begründet.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld II setzt nach § 19 SGB II Hilfebedürftigkeit voraus. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II). Zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Es gilt also das schon bisher im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geltende sog. Zuflussprinzip. Wenn Geld zufliesst kann daraus der aktuelle Bedarf befriedigt werden. Die Hilfebedürftigkeit entfällt.

Im vorliegenden Fall ist aber festzustellen, dass eine lückenhafte Regelung des Übergangs von der Arbeitslosenhilfe auf das Arbeitslosengeld II vorliegt, die im Wege der ergänzenden Lückenfüllung zu schließen ist. § 65 ff. SGB II enthalten verschiedene Übergangsvorschriften, keine Regelung zum Übergang von "Erarbeitungsprinzip" bei der Anrechnung von Nebeneinkommen nach § 141 SGB III und dem Zuflussprinzip des SGB II. Mit dem SGB II sollten Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Arbeitssuchende zusammengebracht werden. Ziel war es, die beiden Gesetze mit einer Zielvorgabe zusammenzufassen, damit insgesamt einen effektiveren Vollzug zu erreichen. Es sollte aber - wie sich insbesondere aus § 65 SGB II ergibt - allein wegen der gesetzlichen Neuregelung keine Verschlechterung für die Leistungsempfänger eintreten. In der Sache geht es auch nur um wenige von dem Bruch der verschiedenen Gesetzeskonzepte Betroffene. Bei der einheitlichen Zielvorgabe der Gesetze, die nahtlos ineinander übergreifen sollen, kann ein einmal erarbeitetes Arbeitseinkommen nicht zweimal angerechnet werden. Die Kollission kann nur nach dem Prioritätsprinzip gelöst werden. Es greift die erste maßgebliche gesetzliche Regelung, nämlich die Anrechnung von Nebenverdienst nach § 198 Satz 2 Nr. 6 in Verbindung mit § 141 Abs. 1 SGB III. Mit dieser Anrechnung ist der Verdienst für weitere Anrechnungen "verbraucht".

Damit war für Februar 2005 nur ein anzurechnendes Einkommen von Januar 2005 anzusetzen und ein offener Zahlungsanspruch in Höhe von 241,83 EUR zuzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Es war der Erfolg der Klage zu berücksichtigen.

Die Berufung war nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, da es sich um eine obergerichtlich noch nicht geklärte Rechtsfrage handelt.
Rechtskraft
Aus
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