Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 32 V 98/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 V 87/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.10.1996 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 16.05.1994 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 28.11.1994 verurteilt, beim Beschädigten als weitere Schädigungsfolge eine posttraumatische Belastungsstörung festzustellen und ab Antragstellung Versorgungsgrundrente nach einer MdE um 40% nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Es wird festgestellt, dass das Verfahren hinsichtlich der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "B" erledigt ist. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin die Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die Klägerin ist Witwe des am ...1922 geborenen und am ...2001 verstorbenen Beschädigten F ... S ... (F.S.), der als Soldat der Deutschen Wehrmacht einen Durchschuss im Kehlkopfbereich und eine Schussverletzung an der linken Hand erlitt. Er war von Mai bis Ende Oktober 1945 in russischer Kriegsgefangenschaft.
In der Zeit von Januar 1949 bis September 1968 war der Beschädigte ständig tätig. Nach Aufgabe seines Verlages war er in der Zeit vom 01.10.1968 bis 30.09.1975 als Verlagstexter abhängig beschäftigt. Im April 1973 erlitt er einen Herzvorderwandinfarkt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte dem Beschädigten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Juni 1977.
Der Entscheidung lagen ein internistisches und ein nervenfachärztliches Gutachten aus 1976 sowie ein Bericht über eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme aus 1977 zugrunde.
Mit Bescheid vom 10.08.1976 stellte der Beklagte beim Beschädigten einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 fest.
Mit Schreiben vom 21.10.1990, das der Beklagte als Antrag nach dem BVG auffaßte, begehrte der Beschädigte Versorgung nach dem BVG wegen eines Kehlkopfdurchschusses und als Folgen der Kriegsgefangenschaft für eine Herzkrankheit, Schwindelanfälle, Beinbeschwerden und psychische Leiden. Er machte geltend, er sei als melancholischer Einsiedlertyp zur Wehrmacht eingezogen worden. Die grausamen Erlebnisse während des Krieges, vor allem an der Ostfront sowie die Erlebnisse und Bedingungen in der Kriegsgefangenschaft, insbesondere im Lager "Wolgakahn", hätten zu bleibenden psychischen Schäden geführt. Der Beklagte hat Auskünfte von dem Zentralarchiv des Landesinvalidenamtes Wien, Niederösterreich und Burgenland, des Bundesarchivs - Zentralnachweisstelle Aachen und der Deutschen Dienststelle in Berlin eingeholt. Desweiteren reichte der Internist Dr. A ... Unterlagen über die Behandlung des Beschädigten in den Jahren 1992 bis 1993 zu den Akten. Danach veranlasste der Beklagte eine gutachterliche Untersuchung des Beschädigten durch den HNO-Arzt Dr. E ... Dieser stellte als Schädigungsfolgen eine Vernarbung im Kehlkopf, ermüdbare Stimme, nicht voll belastbarer Kehlkopf, Weichteilnarben im vorderen Halsbereich, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. bedingten, fest.
Anschließend beauftragte der Beklagte den Nervenarzt Dr. S ... mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass beim Beschädigten eine depressive Neurose mit Angstzuständen, z.B. Angstanfällen, Somatisierungsneigung, Arbeitsstörung im psychotherapeutischen Sinne bestehe. Diese Gesundheitsstörung sei mit großer Wahrscheinlichkeit als schädigungsbedingt anzusehen.
Die jetzigen psychischen Erkrankungen seien mitursächlich auf die nationalsozialistischen Einflüsse während der Jugend, die Wehrmachtsbedingungen und die Kriegsgefangenschaft zurückzuführen. Körperliche Erkrankungen, insbesondere der Herzinfarkt 1989, seien auslösende Konfliktsituationen gewesen, die die gesamte Persönlichkeitsproblematik wieder aktiviert habe. Die schädigungsbedingte MdE betrage 70 v.H ... Der Versorgungsärztliche Dienst folgte der Kausalitätsbeurteilung des Dr. S ... nicht und veranlasste die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme vom Nervenarzt Dr. F ... Dieser vertrat die Auffassung, aus dem Gutachten von Dr. S ... sei kein psychisch-traumatisierendes Ereignis ersichtlich, das Ursache für eine erlebnisbedingte Belastungsstörung sein könne. Vielmehr werde in dem Gutachten die Psychodynamik des neurotischen Prozesses von Jugend an dargestellt. Daraufhin veranlasste der Beklagte eine gutachterliche Untersuchung des Beschädigten durch die Regierungsmedizinaldirektorin Dr. B ...
Mit Bescheid vom 16.05.1994 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen
"Weichteilnarben mit Stimmstörung nach Kehlkopfdurchschuss, Weichteilnarben am zweiten, dritten und vierten Finger der linken Hand" ohne rentenberechtigende MdE an.
Die Anerkennung der coronaren Herzerkrankung Arteriosklerose mit Hirndurchblutungsstörung und der Depression als Schädigungsfolgen lehnte er ab.
Hiergegen legte der Beschädigte Widerspruch ein. Er wandte sich ins besondere gegen die Kausalitätsbeurteilungen der Dres. F ... und B ... Er reichte eine Bescheinigung von Dr. A ... zu den Akten, wonach seine schweren physischen und psychischen Belastungen im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft wesentliche Ursache für die schwere Coronarerkrankung sein dürften. Die schwere organische Erkrankung sei in einem starken Maße psychisch überlagert mit der Folge, dass sich sehr oft neurotische Panikattacken entwickelten. Am 28.11.1994 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 25.05.1994 hat der Beschädigte beim SG Dortmund Klage gegen den Bescheid vom 02.05.1994, S 32 V 98/94, und am 06.12.1994 gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.11.1994, S 32 V 264/94, erhoben. Mit Beschluss vom 06.01.1995 hat das SG Dortmund die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Beschädigte hat die Anerkennung eines psychisch überlagerten Herzleidens und einer Arteriosklerose als Schädigungsfolgen begehrt. Die organischen und psychischen Gesundheitsstörungen seien auf seine Erlebnisse während des Dienstes in der Wehrmacht und der Kriegsgefangenschaft insbesondere auf dem Wolgakahn (Hunger, Durst, Misshandlungen, Mord, Selbstmord, Kotschlürfen) zurückzuführen. Zur Stützung seines Begehrens hat er einen Bericht der Oberärztin W ... der H ...- ...-Klinik (Westfälisches Fachkrankenhaus für Psychiatrie, H ...) zu den Akten gereicht, wonach bei ihm eine angstneurotische Störung mit herzphobischen Anteilen und Panikattacken bestehe. Diese Beschwerden seien mit Kriegssituationen in Verbindung zu bringen, da es in der Kindheit keine nennhaften Störungen in der Entwicklung gegeben habe und die Beschwerden mit der Gefangenschaft begonnen hätten. Beim Beschädigten werde eine Veränderung der Persönlichkeit nach dem Krieg beschrieben. Solange er seine Kraft und seine Interessen in eine berufliche Weiterentwicklung stecken und sich auch von seinen Störungen habe ablenken können, sei es ihm gelungen, die Kriegserlebnisse zu verdrängen. Durch eine familiär belastende Situation sei es 1989/90 zu einem Wiederauftreten der Beschwerden, diesmal in verstärkter Form gekommen.
Das SG hat Gutachten von dem Chefarzt der Inneren Abteilung des E ... Krankenhauses C ..., Prof. Dr. J ..., und dem Chefarzt der Neurologischen-Psychiatrischen Fachabteilung des E ... Krankenhauses C ..., Dr. T ..., eingeholt. Beide Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gesundheitsstörungen in den Funktionssystemen "Herz/Kreislauf" und "Psyche" nicht wesentlich durch die physischen und psychischen Belastungen des Beschädigten als Soldat und der Kriegsgefangenschaft mitverursacht worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gutachten vom 30.01.1996 und 19.02.1996 und der ergänzenden Stellungnahme vom 09.09.1996 verwiesen.
Mit Urteil vom 29.10.1996 hat das SG Dortmund die Klage abgewiesen. Es ist den Feststellungen der beiden Sachverständigen gefolgt.
Gegen das am 29.11.1996 zugestellte Urteil hat der Beschädigte am 27.12.1996 Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt.
Er hat sein Begehren weiterverfolgt.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.10.1996 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.05.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.11.1994 zu verurteilen,
a. beim Beschädigten als weitere Schädigungsfolgen eine Depression mit Angstattacken mit einer MdE um 70 v.H. sowie Herzdurchblutungsstörungen und eine Arteriosklerose mit Hirndurchblutungsstörungen mit einer MdE um 70 v.H. festzustellen,
b. Versorgung nach dem BVG nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren,
c. beim Beschädigten die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "B" festzustellen.
Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzlichen Entscheidung für zutreffend.
Nach Verlegung des Wohnsitzes der Klägerin hat der Senat das Land Bayern beigeladen.
Der Senat hat eine Aukunft des St.-E ...-Hospitals I ... und der DAK, die Rentenakte der BfA, die Krankenakten der P ...Klinik in H ... über den Beschädigten sowie Auskünfte von den Dres. A ... und M ..., denen Unterlagen über Behandlungen, Berichte und eine Karteikarte über die Behandlung des Klägers in der Zeit von 1960 bis 1980 beilagen, beigezogen.
Der Senat hat den Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie der Fachklinik R ... in E ..., Dr. B ..., und den Oberarzt des Klinikbereiches für Psychiatrie IV der Stiftung T ... in R ..., Dr. L ..., mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Dr. B ... ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die coronare Herzerkrankung des Beschädigten mit ihren Infarktereignissen und der notwendigen Bypassoperation nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Wehrdienst-, Kriegs- und Gefangenschaftserlebnissen bringen ließen. Dr. L ... hat ausgeführt, dass beim Beschädigten Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung feststellbar seien, die auf die Erlebnisse während der Kriegsgefangenschaft zurückzuführen seien. Die MdE für die posttraumatische Belastungsstörung betrage 40 v.H ... Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gutachten vom 02.02.1999 und 26.06.2000 Bezug genommen.
Der Beschädigte hat sich gegen die Kausalitätsberuteilung durch den Sachverständigen Dr. B ... gewandt. Der Beklagte ist den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L ... unter Vorlage von Stellungnahmen von Dr. M ... nicht gefolgt. In ergänzenden Stellungnahmen haben die Sachverständigen ihre Kausalitätsbeurteilungen aufrechterhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der B-Akte und Schwerbehindertenakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akten des SG Dortmund S 32 Vs 215/91 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch einseitige mündliche Verhandlung trotz Nichterscheinens der Klägerin und ihres Bevollmächtigten entscheiden, da der Bevollmächtigte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge beim Beschädigten sowie auf Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach einer MdE um 40 v.H. ab Antragsstellung zu.
Im übrigen ist die Berufung unbegründet.
Nach § 1 Abs. 1 BVG erhält derjenige, der durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung während des militarischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Einer Schädigung i.S.v. Abs. 1 steht nach Abs. 2 Ziff. b eine Schädigung gleich, die durch eine Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden ist. Der versorgungsrechtlich geschützte Tatbestand, die schädigende Einwirkung, die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigungsfolgen müssen voll nachgewiesen werden, d.h. sie müssen mit vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit feststehe. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges. Dabei setzt ein Anspruch auf Versorgungsgrundrente gm. §§ 30 Abs. 1, 31 BVG das Vorliegen einer schädigungsbedingten MdE von mindestens 25 v.H. voraus.
Die anerkannten Schädigungsfolgen bedingen nach den Erfahrungssätzen der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) 1983 und 1996, die rechtsnormähnliche Wirkung haben und von den Sozialgerichten wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind, eine MdE um 10 v.H ... Als Folge des Kehlkopfdurchschusses besteht beim Beschädigten nach den übereinstimmenden Feststellungen der Dres. E ... und B ..., deren Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, Weichteilnarben im Kehlkopf und vorderem Halsbereich mit einer Stimmstörung in Form einer ermüdbaren Stimme. Die Stimmstörung bedingt nach den Erfahrungssätzen der AP 1983 und 1996 eine MdE um 10 v.H. (Nr. 26.7 S. 61; S. 81). Eine Höherbewertung ist nicht gerechtfertigt, da sich eine dauernde Heiserkeit des Beschädigten weder aus den Akten ergibt noch vom Beschädigten geltend gemacht worden ist. Den "Weichteilnarben am Kehlkopf" und " Weichteilnarben am zweiten, dritten und vierten Finger der linken Hand" ist keine messbare MdE beizumessen, da sämtliche im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Ärzte keine funktionellen Auswirkungen beschrieben haben (Nr. 26.17 S. 68 AP 1983; S. 120 AP 1996).
Zur Überzeugung des Senates steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens fest, dass beim Beschädigten als weitere Schädigungsfolgen eine postraumatische Belastungsstörung anzuerkennen ist.
Nach Angaben der behandelnden Ärzte hat beim Beschädigten eine psychische Störung mit Somatisierung in Form von Angstzuständen, Schwäche- und Schwindelanfällen, Versagungszuständen und einer psychischen Überlagerung der coronaren Herzkrankheit bestanden. Diese psychische Störung ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. L ... als Symptom einer posttraumatischen Belastungsstörung zu werten. Beim Beschädigten besteht Wiedererleben des Traumas in Form von Alpträumen und intensiven psychischen Belastungen bei Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern, der Vermeidung des Traumas in Form des bewussten Vermeidens der Gedanken, Gefühle oder Gespräche, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, das bewusste Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die die Erinnerung an das Trauma wachhalten, ein deutlich vermindertes Interesse oder verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten und der Übererregung in Form von Schlafstörung und Reizbarkeit. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen Dr. L ... zu zweifeln. Sie beruhen auf einer eingehenden klinischen Untersuchung des Beschädigten und kritischen Auswertung der Akten; sie sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar begründet. Die von Dr. M ... erhobenen Einwände gegen die diagnostische Einordnung als posttraumatische Belastungsstörung sind nicht überzeugend. Zwar stellt Dr. M ... in Abrede, dass die psychische Störung des Beschädigten als posttraumatische Belastungsstörung oder neurotische Störung zu qualifizierten ist, unterlässt es aber, die psychische Störung näher diagnostisch einzuordnen. Insoweit setzt sich Dr. M ... nicht nur in Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L ..., sondern auch denen der Dres. T ... und S ..., die beim Beschädigten ein neurotisches Krankheitsbild beschreiben. Dabei räumt Dr. M ... ein, dass sowohl die posttraumatische Belastungsstörung wie eine neurotische Störung durch Traumen verursacht werden können.
Die posttraumatische Belastungsstörung ist wahrscheinlich durch die seelischen Belastungen des Beschädigten in der Kriegsgefangenschaft verursacht worden.
Der Ursachenzusammenhang zwischen einem schädigendem Ereignis und einer Gesundheitsstörung ist wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht. Das schädigende Ereignis muß eine zumindest annähernd gleichwertige Bedingung gewesen sein. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 27.08.1998, B 9 V 2/97 R; Urteil vom 18.10.1995, 9/9a RVg 4/92) ist im Falle einer seelischen Krankheit bei der Prüfung des Kausalzusammenhanges zu berücksichtigen, dass sich der Einfluß eines seelisch belastenden Vorganges, wie z.B. die Auswirkung von Sexualdelikten, auf die Entstehung eines seelischen Dauerleidens nicht sachgerecht gewichten läßt, da sich immer Veranlagungen, Umwelteinflüsse, Lebensführung und andere Vorgänge im Lebensbereich des Betroffenen als mehr oder weniger wirkende Mitursachen feststellen lassen. Da die bestehende Ungewissheit in der herrschenden Lehrmeinung in der Medizin bzgl. der mitwirkenden Faktoren bei der Entstehung von seelischen Krankheiten nicht zu Lasten eines Beschädigten gehen darf, ist im Wege der Beweislasterleichterung die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges bei einer seelischen Krankheit anzunehmen, wenn nach der herrschenden Lehrmeinung in der medizinischen Wissenschaft ein bestimmter seelisch belastender Vorgang allgemein geeignet ist, die beim Beschädigten bestehende seelische Krankheit hervorzurufen. Insoweit sind die Kriterien der AP 1996 zur Kausalitätsbeurteilung von Folgen psychischer Traumen zu beachten. Eine nach den AP festzustellende Kausalität zwischen einem psychischen Trauma und einem seelischen Dauerleiden kann nicht durch eine andere wahrscheinliche Kausalität, sondern nur durch eine sicher nachgewiesene andere Kausalität widerlegt werden.
Nach Nr. 71 AP 1996 kommt eine durch ein psychisches Trauma bedingte Störung sowohl nach lang andauerenden psychischen Belastungen (z.B. in der Kriegsgefangenschaft, in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) wie auch nach relativ kurz andauernden Belastung (z.B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfanges der Belastungen ist nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit, Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben. Die Störungen sind nach ihrer Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer verschieden. Sie können kurzfristigen reaktiven Störungen mit krankheitswertigen (häufig depressiven) Beschwerden entsprechen; bei einer Dauer von mehreren Monaten bis zu ein bis zwei Jahren sind sie in der Regel durch typische Symptome der posttraumatichen Belastungsstörungen charaktrisiert, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein. Bei tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifenden und in der Regel andauernden Belastungen können anhaltende, d.h. länger als zwei Jahre dauernde, Störungen auftreten, die in der Regel durch typische Symptone einer posttraumatischen Belastungsstörung charakterisiert sind.
Die ca. sechs Monate andauernde russische Kriegsgefangenschaft stellt ein nach Nr. 71 AP 1996 geeignetes Trauma dar, um eine psychische Störung hervorzurufen. Nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. L ... bestehen wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Erleben einer Kriegsgefangenschaft ein deutlich höheres Risiko als die alleinige Teilnahme an einer Kriegshandlung beinhaltet, dass bei einem Betroffenen psychische Störungen im Form von Angstkrankheit, zu denen auch die posttraumatische Belastungsstörung gerechnet wird, entstehen. Der beratende Arzt des Beklagten Dr. M ... stellt nicht in Abrede, dass die russische Kriegsgefangenschaft des Beschädigten ein geeignetes Trauma darstellt. Dies gilt auch für den Sachverständigen Dr. T ..., der den Krieg und die Kriegsgefangenschaft als belastende Lebenssituation für den Beschädigten wertet und ein Erlebnis in der Kriegsgefangenschaft mit verschärften Haftbedingungen als Ereignis mit Lebensbedrohung ansieht. Ausgehend von den Angaben des Beschädigten ist das Kriegsgefangenlager in der Nähe von Stalingrad von Sadismus, Grausamkeit und Mangelernährung geprägt gewesen und für den Beschädigten ein Ort mit Erfahrungen von Todesdrohungen gewesen. Soweit Dr. T ... und Dr. M ... in Frage stellen, ob die Angaben des Beschädigten über die Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft glaubhaft sind, greift zu Gunsten des Beschädigten die Vorschrift des § 15 KOV-VfG ein. Danach sind die Angaben eines Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrundezulegen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen sind. Die Angaben des Beschädigten über die Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft sind im Kerngeschehen im Schwerbehinderten- und OEG-Verfahren gegenüber dem Beklagten, den Gerichten und den Sachverständigen konstant gewesen. Der Beschädigte ist in der Anamnese bei Dr. L ... in der Lage gewesen ist, bei der Exploration zwischen den Einwirkungen während des Wehrdienstes und der Kriegsgefangenschaft zu differenzieren. Während der Beschädigte bei der ca. siebenstündigen Exploration bei Dr. L ... bzgl. bestimmter Zeitabläufe unpräzise geblieben ist, und insoweit Dr. M ... zutreffend auf wechselnde Angaben des Beschädigten bei den Untersuchungen hingewiesen hat, sind die Erinnerungen des Beschädigten bei der Anamnese Dr. L ... an die Zeit der Kriegsgefangenschaft präzise, wie "in das Gedächtnis eingebrannt" gewesen. Hinweise auf Aggravation und Simulation hat Dr. L ... nicht festgestellt. Dabei hat Dr. L ... mitberücksichtigt, dass der Beschädigte bei der Exploration seine Lebensgeschichte in einem Zusammenhang gestellt hat, der alles unter dem Blickwinkel der Kriegsgefangenschaft wertet. Die Angaben des Beschädigten über seine Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft bei den Anamnesen durch Dr. T ... und Dr. L ... stimmen überein.
Die Kriegsgefangenschaft hat nach Darlegung des Sachverständigen Dr. L ... zu einer posttraumatischen Belastungsstörung zur Folge gehabt, dass deren Bewältigungsstrategien durch den Beschädigten belastende Ereignisses (1969 Aufgabe des Betriebes, 1973 Herzinfarkt, 1989 Gefährdung des familären Rufes) sich als unvollkommen erwiesen haben und zur Aktivierung des Traumas geführt haben. Die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist nach Darlegung von Dr. L ... nach wissenschaftlichen Erkenntnisses nicht auf eine Persönlichkeitsstörung zurückzuführen. Dabei räumt Dr. L ... im Falle des Beschädigten ein, dass bei diesem Belastungsfaktoren in der Kindheit und der Jugendheit vorgelegen haben, die zur Entstehung von psychischen Störungen führen können.
Die Kausalitätsbeurteilung von Dr. L ... stimmt überein mit der des vom Beklagten gehörten Dr. S ..., dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird. Dr. S ... ist der Auffassung, dass die seelischen Belastungen in der Kriegsgefangenschaft zumindest mitursächlich für die Entstehung der beim Beschädigten bestehenden depressiven Neurose mit Angszuständen sind. Eine Ursächlichkeit i.S. einer zumindest annähernd gleichwertigen Bedingung genügt für die Annahme des versorgungsrechtlichen Ursachenzusammenhanges. Dr. M ... hat eingeräumt, dass ein neurotisches Krankheitsbild, wie von Dr. S ... angenommen, Folge eines Traumas sein kann. Der Sachverständige Dr. T ... hat eine Kausalität zwischen den seelischen Belastungen der Kriegsgefangenschaft und der von ihm angenommenen neurotischen Persönlichkeitsentwicklung verneint. Dies ist insoweit nicht überzeugend, als dieser darauf abgestellt, dass die seelischen Belastungen während des Wehrdienstes und in der Kriegsgefangenschaft nicht allein für die Ausbildung einer neurotischen Persönlichkeitsstörung ursächlich gemacht werden können. Die Annahme einer alleinigen Ursache bzw. überragenden Ursache eines Lebensereignisses ist jedoch für die Annahme eines versorgungsrechtlichen Kausalzusammenhanges nicht entscheidend. Vielmehr genügt, dass ein psychisches Trauma i.S. einer zumindest annähernd gleichwertigen Bedingung für die Entstehung einer psychischen Störung ursächlich ist. Soweit Dr. T ... darauf abstellt, dass beim Beschädigten eine von Jugend an bestehende neurotische Fehlentwicklung vorliegt, hat er nicht erörtert, inwieweit die individuelle Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit des Beschädigten durch diese Persönlichkeitsentwickung gemindert gewesen ist und insoweit die Belastungen in der Kriegsgefangenschaft auf die Weiterentwicklung der neurotischen Störung Einfluß genommen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten des Dr. T ... auf einer unzureichenden Grundlage beruht, da die medizinischen Unterlagen über den Gesundheitszustand des Beschädigten, insbesondere seines psychischen Gesundheitszustandes aus den 60er bis 80er Jahren erst im Berufungsverfahren beigezogen worden sind. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass beim Beschädigten zumindest seit 1962 wiederholt depressivenn Störungen mit Versagenszuständen unter Belastungen von den behandelnden Ärzten diagnostiziert worden sind. Dr. A ... hat mitgeteilt, dass er seit Beginn der Behandlung im Januar 1982 beim Beschädigten psychische Störungen, wie z.B. Konzentrationsstörungen, Melancholie, Schwermut oder Introversion feststellte und er eine schwere lavierte Depression mit Organmanifestation diagnostiziert habe. Auch hat der Beschädigte in der Anamnese bei der Begutachtung durch Dr. D ... 1976 bekundet, dass seine Stimmungslage seit 1950 zumeist bei beruflichen Belastungen labil gewesen sei; es seien öfters Angst und Kreislaufschwächen, suizidale Gedanken aufgetreten. Bei der Untersuchung durch Dr. B ... 1976 hat der Beschädigte angegeben, dass er seit seiner Jugend zeitweilig psycholabil und etwas depressiv eingestellt gewesen sei. Die von Dr. T ... angenommene neurotische Persönlichkeitsstörung primärer Natur bzw. die von Dr. M ... angenommene Entwicklung psychischer Auffälligkeiten, ohne nähere diagnostische Einordnung, aufgrund schädigungsunabhängiger Faktoren (Abgabe des Betriebes, verstärkt nach dem Herzinfarkt und weiter verstärkt 1989 nach privater Belastungssitutation) bei narzistischer Persönlichkeitsstruktur seit der frühen Jugend stellt nach Aktenlage eine mögliche Kausalität für die Entwicklung der psychischen Störung des Beschädigten dar. Weder Dr. T ... noch Dr. M ... haben überzeugend dargelegt, aus welchen Grund eine Mitursächlichkeit der seelischen Belastungen in der Kriegsgefangenschaft, die ein geeignetes Trauma nach Nr. 71 AP 1996 darstellen, auszuscheiden ist. Durch die Stellungnahmen von Dr. M ... sowie die Feststellungen von Dr. T ... ist nicht der sichere Nachweis für das Vorliegen einer anderen Kausalität hin sichtlich des psychsichen Krankheitsbildes geführt worden, also der Nachweis, dass die schädigende Belastung in der Kriegsgefangenschaft nicht zumindest i.S. einer gleichwertigen Ursache für die Entwicklung des psychischen Krankheitsbildes gewesen ist.
Der Sachverständige Dr. L ... hat die posttraumatische Belastungsstörung mit einer MdE um 40 % bewertet. Unter Berücksichtigung der Erfahrungssätze der AP 1983 und 1996 (Nr. 26.3 S. 48, S. 60) ist im Hinblick auf die organische Manifestation des psychischen Leidens - häufiges Auftreten der Angina-Pectoris-Anfälle - und des Vorliegens eines Versagenszustandes dieser Wertung zu folgen.
Weitere Schädigungsfolgen im Funktionssystem "Herz-Kreislauf" sind nicht anzuerkennen.
Im Funktionsssystem "Herz-Kreislauf" haben beim Beschädigten nach den Feststellungen der auf internistischem Fachgebiet gehörten Sachverständigen Prof. Dr. J ... und Dr. B ... eine leichtgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion bei einem Infarktereignis 1973 und Reinfarkt 1990 mit mittelgroßer Vorderwandnarbe des Herzens sowie eine coronare Dreigefäßerkrankung nach operativer Revaskularisation im Oktober 1997 bestanden. Die Erkrankung des Herzens ist nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen nicht i.S. einer Entstehung auf physische oder psychische Einflüsse während des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft zurückzuführen. Diese Kausalitätsbeurteilung stimmt überein mit den Vorgaben der AP 1996 zur Kausalitätsbeur teilung von Erkrankung im Kreislaufsystem (Nr. 92, 101). Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts geben die AP den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen wieder, wobei die als medizinischen Sachverständigen tätigen Gutachter und die Versorgungsverwaltung an die in den AP enthaltenen Erkenntnisse über die Begutachtung bzw. Entscheidungen über Anträge auf Versorung gebunden sind (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R). Nach Nr. 101 S. 271 AP 1996 ist die coronare Herzkrankheit durch arteriosklerotische Veränderungen an den Herzkranzgefäßen bedingt, wobei die wichtigte und häufigste Komplikation der Herzinfarkt ist. Die Beurteilung von arteriosklerotischen Veränderungen richtet sich nach Nr. 92 Abs. 2 bis 4 AP 1996. Danach werden arteriosklerotisch bedingte Organerkrankungen durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren geprägt, von denen Erbanlagen, Hypertonie, Nikotin, Störungen des Kohlenhydrath-,Fett- oder Urinstoffwechsels und entzündliche Gefäßreaktionen am bedeutsamsten sind. Diese Faktoren sind für die Entwicklung eines arteriosklerotischen Krankheitsbildes nicht von gleicher Bedeutung, vielmehr steht von Fall zu Fall der eine oder andere Faktor im Vordergrund. Arteriosklerotische Gefäßkomplikationen, die während extremer Lebensverhältnisse oder im Anschluß daran in einer Reparationsphase (bis zu zwei Jahre) auftreten, sind in der Regel Schädigungsfolgen. Ebenfalls können langanhaltene seelische Belastungen in Einzelfällen Teilursache für akute cardiale oder cerebrale arteriosklerotische Komplikationen sein. Arteriosklerotische Gefäßkomplikationen, die mitursächlich für die Entwicklung der coronaren Herzkrankheit gewesen sind, sind in der Kriegsgefangenschaft oder im Anschluß daran bis 1947 nach Aktenlage nicht objektiviert. Das vom Beschädigten in der Anamnese geschilderte Auftreten von Brustschmerzen während des Wehrdienstes und in der Kriegsgefangenschaft läßt nach Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. J ... nicht den sicheren Schluß zu, dass diese Schmerzen Ausdruck einer organischen Herzerkrankung waren. Vielmehr ist das Auftreten funktioneller Herzbeschwerden ohne organisches Korrelat wahrscheinlich. Eine ärztliche Behandlung wegen Störungen im Funktionssystem "Herz/Kreislauf" ist erst seit 1960, also ca. 15 Jahre nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, belegt. Die psychische Erkrankung des Beschädigten ist als langanhaltende seelische Belastung nicht zumindest eine annähernd gleichwertigen Bedingung für die Entstehung der coronaren Herz krankheit, da es sich bei der coronaren Herzkrankheit nicht um eine akute, sondern um eine progredient fortschreitende cardiale arteriosklerotische Komplikation handelt und nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ... beim Beschädigten andere Risikofaktoren wie genetische und somatische feststellbar sind.
Die Voraussetzung für die Anerkennung einer coronaren Herzkrankheit und des Zustandes nach Herzinfarkt als Schädigungsfolge im Wege der Kannversorgung sind nicht gegeben. Nach Nr. 92 Abs. 4 AP 1996 liegen die Voraussetzungen für eine Kannversorung vor, wenn die arteriosklerotische Komplikation (Apolexie, Herzinfarkt, periphere Durchblutungsstörungen infolge Gefäßeinengungen) bis zu 10 Jahren nach einer Gefangenschaft unter extremen Lebensbedingungen von mindestens dreijähriger Dauer und in einem Lebensalter bis zu 50 Jahren aufgetreten ist. Der Beschädigte ist nach eigenen Angaben keine drei Jahre sondern nur ca. sechs Monate in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen.
Es ist auch nicht bewiesen, dass der Verlauf der coronaren Herzkrankheit durch die Auswirkungen des psychischen Störungen im wesentlichen i.S.v. der Verschlimmerung mitbeeinflußt worden ist. Die auf internistischem Fachgebiet gehörten Sachverständigen beschreiben einen günstigen Verlauf der coronaren Herzkrankheit, die aufgrund der psychischen Überlagerung der Herzkrankheit in den 90er Jahren verstärkt auftretenden Angina-Pectoris-Anfälle sind als funktionelle Auswirkungen der psychischen Störung bei dieser mitberücksichtigt.
Für die Schädigungsfolgen ist eine Gesamt-MdE um 40 v.H. anzusetzen. Die MdE von 10 v.H. für die anerkannten Schädigungsfolgen des Durchschusses im Kehlkopfbereich und der Schussverletzung an der linken Hand rechtfertigen nicht die Erhöhung der MdE für die psychischen Störung von 40 v.H. auf 50 v.H. (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2000, B 9 V 8/00 R). Demnach hat dem Beschädigten ein Anspruch auf Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach einer MdE um 40 v.H. ab Antragsstellung zugestanden.
Die am 06.12.1994 gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.11.1994 erhobenen Klage, S 32 V 264/94, ist wegen anderweitiger Rechtshängigkeit gem. § 94 SGG unzulässig. Die am 25.05.1994 gegen den Bescheid vom 02.05.1994 erhobene Klage, S. 32 V 98/94, umfasst den gesamten vom Beschädigten geltend gemachten Anspruch auf Feststellung von weiteren Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach dem BVG. Der Widerspruchsbescheid vom 28.11.1994 ist gem. § 96 SGG zum Zeitpunkt seines Erlasses Gegenstand des anhängigen Verfahrens S 32 V 98/94 und damit rechtshängig geworden.
Das vom Beschädigten im Berufungsverfahren erhobene Begehren auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "B" hat sich durch dessen Tod erledigt (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. § 70 Rdz. 8). Es handelt sich um ein höchstpersönliches - unvererbliches - Recht (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.1989, 9 RVs 4/89). Die Fortführung des Verfahrens durch die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin gem. § 202 SGG i.V.m. § 239 ZPO ist nicht zulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin die Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die Klägerin ist Witwe des am ...1922 geborenen und am ...2001 verstorbenen Beschädigten F ... S ... (F.S.), der als Soldat der Deutschen Wehrmacht einen Durchschuss im Kehlkopfbereich und eine Schussverletzung an der linken Hand erlitt. Er war von Mai bis Ende Oktober 1945 in russischer Kriegsgefangenschaft.
In der Zeit von Januar 1949 bis September 1968 war der Beschädigte ständig tätig. Nach Aufgabe seines Verlages war er in der Zeit vom 01.10.1968 bis 30.09.1975 als Verlagstexter abhängig beschäftigt. Im April 1973 erlitt er einen Herzvorderwandinfarkt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gewährte dem Beschädigten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab Juni 1977.
Der Entscheidung lagen ein internistisches und ein nervenfachärztliches Gutachten aus 1976 sowie ein Bericht über eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme aus 1977 zugrunde.
Mit Bescheid vom 10.08.1976 stellte der Beklagte beim Beschädigten einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 fest.
Mit Schreiben vom 21.10.1990, das der Beklagte als Antrag nach dem BVG auffaßte, begehrte der Beschädigte Versorgung nach dem BVG wegen eines Kehlkopfdurchschusses und als Folgen der Kriegsgefangenschaft für eine Herzkrankheit, Schwindelanfälle, Beinbeschwerden und psychische Leiden. Er machte geltend, er sei als melancholischer Einsiedlertyp zur Wehrmacht eingezogen worden. Die grausamen Erlebnisse während des Krieges, vor allem an der Ostfront sowie die Erlebnisse und Bedingungen in der Kriegsgefangenschaft, insbesondere im Lager "Wolgakahn", hätten zu bleibenden psychischen Schäden geführt. Der Beklagte hat Auskünfte von dem Zentralarchiv des Landesinvalidenamtes Wien, Niederösterreich und Burgenland, des Bundesarchivs - Zentralnachweisstelle Aachen und der Deutschen Dienststelle in Berlin eingeholt. Desweiteren reichte der Internist Dr. A ... Unterlagen über die Behandlung des Beschädigten in den Jahren 1992 bis 1993 zu den Akten. Danach veranlasste der Beklagte eine gutachterliche Untersuchung des Beschädigten durch den HNO-Arzt Dr. E ... Dieser stellte als Schädigungsfolgen eine Vernarbung im Kehlkopf, ermüdbare Stimme, nicht voll belastbarer Kehlkopf, Weichteilnarben im vorderen Halsbereich, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. bedingten, fest.
Anschließend beauftragte der Beklagte den Nervenarzt Dr. S ... mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass beim Beschädigten eine depressive Neurose mit Angstzuständen, z.B. Angstanfällen, Somatisierungsneigung, Arbeitsstörung im psychotherapeutischen Sinne bestehe. Diese Gesundheitsstörung sei mit großer Wahrscheinlichkeit als schädigungsbedingt anzusehen.
Die jetzigen psychischen Erkrankungen seien mitursächlich auf die nationalsozialistischen Einflüsse während der Jugend, die Wehrmachtsbedingungen und die Kriegsgefangenschaft zurückzuführen. Körperliche Erkrankungen, insbesondere der Herzinfarkt 1989, seien auslösende Konfliktsituationen gewesen, die die gesamte Persönlichkeitsproblematik wieder aktiviert habe. Die schädigungsbedingte MdE betrage 70 v.H ... Der Versorgungsärztliche Dienst folgte der Kausalitätsbeurteilung des Dr. S ... nicht und veranlasste die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme vom Nervenarzt Dr. F ... Dieser vertrat die Auffassung, aus dem Gutachten von Dr. S ... sei kein psychisch-traumatisierendes Ereignis ersichtlich, das Ursache für eine erlebnisbedingte Belastungsstörung sein könne. Vielmehr werde in dem Gutachten die Psychodynamik des neurotischen Prozesses von Jugend an dargestellt. Daraufhin veranlasste der Beklagte eine gutachterliche Untersuchung des Beschädigten durch die Regierungsmedizinaldirektorin Dr. B ...
Mit Bescheid vom 16.05.1994 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen
"Weichteilnarben mit Stimmstörung nach Kehlkopfdurchschuss, Weichteilnarben am zweiten, dritten und vierten Finger der linken Hand" ohne rentenberechtigende MdE an.
Die Anerkennung der coronaren Herzerkrankung Arteriosklerose mit Hirndurchblutungsstörung und der Depression als Schädigungsfolgen lehnte er ab.
Hiergegen legte der Beschädigte Widerspruch ein. Er wandte sich ins besondere gegen die Kausalitätsbeurteilungen der Dres. F ... und B ... Er reichte eine Bescheinigung von Dr. A ... zu den Akten, wonach seine schweren physischen und psychischen Belastungen im Krieg und in der Kriegsgefangenschaft wesentliche Ursache für die schwere Coronarerkrankung sein dürften. Die schwere organische Erkrankung sei in einem starken Maße psychisch überlagert mit der Folge, dass sich sehr oft neurotische Panikattacken entwickelten. Am 28.11.1994 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 25.05.1994 hat der Beschädigte beim SG Dortmund Klage gegen den Bescheid vom 02.05.1994, S 32 V 98/94, und am 06.12.1994 gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.11.1994, S 32 V 264/94, erhoben. Mit Beschluss vom 06.01.1995 hat das SG Dortmund die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Beschädigte hat die Anerkennung eines psychisch überlagerten Herzleidens und einer Arteriosklerose als Schädigungsfolgen begehrt. Die organischen und psychischen Gesundheitsstörungen seien auf seine Erlebnisse während des Dienstes in der Wehrmacht und der Kriegsgefangenschaft insbesondere auf dem Wolgakahn (Hunger, Durst, Misshandlungen, Mord, Selbstmord, Kotschlürfen) zurückzuführen. Zur Stützung seines Begehrens hat er einen Bericht der Oberärztin W ... der H ...- ...-Klinik (Westfälisches Fachkrankenhaus für Psychiatrie, H ...) zu den Akten gereicht, wonach bei ihm eine angstneurotische Störung mit herzphobischen Anteilen und Panikattacken bestehe. Diese Beschwerden seien mit Kriegssituationen in Verbindung zu bringen, da es in der Kindheit keine nennhaften Störungen in der Entwicklung gegeben habe und die Beschwerden mit der Gefangenschaft begonnen hätten. Beim Beschädigten werde eine Veränderung der Persönlichkeit nach dem Krieg beschrieben. Solange er seine Kraft und seine Interessen in eine berufliche Weiterentwicklung stecken und sich auch von seinen Störungen habe ablenken können, sei es ihm gelungen, die Kriegserlebnisse zu verdrängen. Durch eine familiär belastende Situation sei es 1989/90 zu einem Wiederauftreten der Beschwerden, diesmal in verstärkter Form gekommen.
Das SG hat Gutachten von dem Chefarzt der Inneren Abteilung des E ... Krankenhauses C ..., Prof. Dr. J ..., und dem Chefarzt der Neurologischen-Psychiatrischen Fachabteilung des E ... Krankenhauses C ..., Dr. T ..., eingeholt. Beide Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gesundheitsstörungen in den Funktionssystemen "Herz/Kreislauf" und "Psyche" nicht wesentlich durch die physischen und psychischen Belastungen des Beschädigten als Soldat und der Kriegsgefangenschaft mitverursacht worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gutachten vom 30.01.1996 und 19.02.1996 und der ergänzenden Stellungnahme vom 09.09.1996 verwiesen.
Mit Urteil vom 29.10.1996 hat das SG Dortmund die Klage abgewiesen. Es ist den Feststellungen der beiden Sachverständigen gefolgt.
Gegen das am 29.11.1996 zugestellte Urteil hat der Beschädigte am 27.12.1996 Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt.
Er hat sein Begehren weiterverfolgt.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.10.1996 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.05.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.11.1994 zu verurteilen,
a. beim Beschädigten als weitere Schädigungsfolgen eine Depression mit Angstattacken mit einer MdE um 70 v.H. sowie Herzdurchblutungsstörungen und eine Arteriosklerose mit Hirndurchblutungsstörungen mit einer MdE um 70 v.H. festzustellen,
b. Versorgung nach dem BVG nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren,
c. beim Beschädigten die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "B" festzustellen.
Der Beklagte und der Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die erstinstanzlichen Entscheidung für zutreffend.
Nach Verlegung des Wohnsitzes der Klägerin hat der Senat das Land Bayern beigeladen.
Der Senat hat eine Aukunft des St.-E ...-Hospitals I ... und der DAK, die Rentenakte der BfA, die Krankenakten der P ...Klinik in H ... über den Beschädigten sowie Auskünfte von den Dres. A ... und M ..., denen Unterlagen über Behandlungen, Berichte und eine Karteikarte über die Behandlung des Klägers in der Zeit von 1960 bis 1980 beilagen, beigezogen.
Der Senat hat den Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie der Fachklinik R ... in E ..., Dr. B ..., und den Oberarzt des Klinikbereiches für Psychiatrie IV der Stiftung T ... in R ..., Dr. L ..., mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Dr. B ... ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die coronare Herzerkrankung des Beschädigten mit ihren Infarktereignissen und der notwendigen Bypassoperation nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Wehrdienst-, Kriegs- und Gefangenschaftserlebnissen bringen ließen. Dr. L ... hat ausgeführt, dass beim Beschädigten Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung feststellbar seien, die auf die Erlebnisse während der Kriegsgefangenschaft zurückzuführen seien. Die MdE für die posttraumatische Belastungsstörung betrage 40 v.H ... Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gutachten vom 02.02.1999 und 26.06.2000 Bezug genommen.
Der Beschädigte hat sich gegen die Kausalitätsberuteilung durch den Sachverständigen Dr. B ... gewandt. Der Beklagte ist den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L ... unter Vorlage von Stellungnahmen von Dr. M ... nicht gefolgt. In ergänzenden Stellungnahmen haben die Sachverständigen ihre Kausalitätsbeurteilungen aufrechterhalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der B-Akte und Schwerbehindertenakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akten des SG Dortmund S 32 Vs 215/91 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch einseitige mündliche Verhandlung trotz Nichterscheinens der Klägerin und ihres Bevollmächtigten entscheiden, da der Bevollmächtigte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als weitere Schädigungsfolge beim Beschädigten sowie auf Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach einer MdE um 40 v.H. ab Antragsstellung zu.
Im übrigen ist die Berufung unbegründet.
Nach § 1 Abs. 1 BVG erhält derjenige, der durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung während des militarischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Einer Schädigung i.S.v. Abs. 1 steht nach Abs. 2 Ziff. b eine Schädigung gleich, die durch eine Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden ist. Der versorgungsrechtlich geschützte Tatbestand, die schädigende Einwirkung, die gesundheitliche Schädigung sowie die Schädigungsfolgen müssen voll nachgewiesen werden, d.h. sie müssen mit vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit feststehe. Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges. Dabei setzt ein Anspruch auf Versorgungsgrundrente gm. §§ 30 Abs. 1, 31 BVG das Vorliegen einer schädigungsbedingten MdE von mindestens 25 v.H. voraus.
Die anerkannten Schädigungsfolgen bedingen nach den Erfahrungssätzen der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) 1983 und 1996, die rechtsnormähnliche Wirkung haben und von den Sozialgerichten wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind, eine MdE um 10 v.H ... Als Folge des Kehlkopfdurchschusses besteht beim Beschädigten nach den übereinstimmenden Feststellungen der Dres. E ... und B ..., deren Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, Weichteilnarben im Kehlkopf und vorderem Halsbereich mit einer Stimmstörung in Form einer ermüdbaren Stimme. Die Stimmstörung bedingt nach den Erfahrungssätzen der AP 1983 und 1996 eine MdE um 10 v.H. (Nr. 26.7 S. 61; S. 81). Eine Höherbewertung ist nicht gerechtfertigt, da sich eine dauernde Heiserkeit des Beschädigten weder aus den Akten ergibt noch vom Beschädigten geltend gemacht worden ist. Den "Weichteilnarben am Kehlkopf" und " Weichteilnarben am zweiten, dritten und vierten Finger der linken Hand" ist keine messbare MdE beizumessen, da sämtliche im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten Ärzte keine funktionellen Auswirkungen beschrieben haben (Nr. 26.17 S. 68 AP 1983; S. 120 AP 1996).
Zur Überzeugung des Senates steht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens fest, dass beim Beschädigten als weitere Schädigungsfolgen eine postraumatische Belastungsstörung anzuerkennen ist.
Nach Angaben der behandelnden Ärzte hat beim Beschädigten eine psychische Störung mit Somatisierung in Form von Angstzuständen, Schwäche- und Schwindelanfällen, Versagungszuständen und einer psychischen Überlagerung der coronaren Herzkrankheit bestanden. Diese psychische Störung ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. L ... als Symptom einer posttraumatischen Belastungsstörung zu werten. Beim Beschädigten besteht Wiedererleben des Traumas in Form von Alpträumen und intensiven psychischen Belastungen bei Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern, der Vermeidung des Traumas in Form des bewussten Vermeidens der Gedanken, Gefühle oder Gespräche, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, das bewusste Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die die Erinnerung an das Trauma wachhalten, ein deutlich vermindertes Interesse oder verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten und der Übererregung in Form von Schlafstörung und Reizbarkeit. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen Dr. L ... zu zweifeln. Sie beruhen auf einer eingehenden klinischen Untersuchung des Beschädigten und kritischen Auswertung der Akten; sie sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar begründet. Die von Dr. M ... erhobenen Einwände gegen die diagnostische Einordnung als posttraumatische Belastungsstörung sind nicht überzeugend. Zwar stellt Dr. M ... in Abrede, dass die psychische Störung des Beschädigten als posttraumatische Belastungsstörung oder neurotische Störung zu qualifizierten ist, unterlässt es aber, die psychische Störung näher diagnostisch einzuordnen. Insoweit setzt sich Dr. M ... nicht nur in Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen Dr. L ..., sondern auch denen der Dres. T ... und S ..., die beim Beschädigten ein neurotisches Krankheitsbild beschreiben. Dabei räumt Dr. M ... ein, dass sowohl die posttraumatische Belastungsstörung wie eine neurotische Störung durch Traumen verursacht werden können.
Die posttraumatische Belastungsstörung ist wahrscheinlich durch die seelischen Belastungen des Beschädigten in der Kriegsgefangenschaft verursacht worden.
Der Ursachenzusammenhang zwischen einem schädigendem Ereignis und einer Gesundheitsstörung ist wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht. Das schädigende Ereignis muß eine zumindest annähernd gleichwertige Bedingung gewesen sein. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 27.08.1998, B 9 V 2/97 R; Urteil vom 18.10.1995, 9/9a RVg 4/92) ist im Falle einer seelischen Krankheit bei der Prüfung des Kausalzusammenhanges zu berücksichtigen, dass sich der Einfluß eines seelisch belastenden Vorganges, wie z.B. die Auswirkung von Sexualdelikten, auf die Entstehung eines seelischen Dauerleidens nicht sachgerecht gewichten läßt, da sich immer Veranlagungen, Umwelteinflüsse, Lebensführung und andere Vorgänge im Lebensbereich des Betroffenen als mehr oder weniger wirkende Mitursachen feststellen lassen. Da die bestehende Ungewissheit in der herrschenden Lehrmeinung in der Medizin bzgl. der mitwirkenden Faktoren bei der Entstehung von seelischen Krankheiten nicht zu Lasten eines Beschädigten gehen darf, ist im Wege der Beweislasterleichterung die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges bei einer seelischen Krankheit anzunehmen, wenn nach der herrschenden Lehrmeinung in der medizinischen Wissenschaft ein bestimmter seelisch belastender Vorgang allgemein geeignet ist, die beim Beschädigten bestehende seelische Krankheit hervorzurufen. Insoweit sind die Kriterien der AP 1996 zur Kausalitätsbeurteilung von Folgen psychischer Traumen zu beachten. Eine nach den AP festzustellende Kausalität zwischen einem psychischen Trauma und einem seelischen Dauerleiden kann nicht durch eine andere wahrscheinliche Kausalität, sondern nur durch eine sicher nachgewiesene andere Kausalität widerlegt werden.
Nach Nr. 71 AP 1996 kommt eine durch ein psychisches Trauma bedingte Störung sowohl nach lang andauerenden psychischen Belastungen (z.B. in der Kriegsgefangenschaft, in rechtsstaatswidriger Haft in der DDR) wie auch nach relativ kurz andauernden Belastung (z.B. bei Geiselnahme, Vergewaltigung) in Betracht, sofern die Belastungen ausgeprägt und mit dem Erleben von Angst und Ausgeliefertsein verbunden waren. Bei der Würdigung der Art und des Umfanges der Belastungen ist nicht nur zu beachten, was der Betroffene erlebt hat, sondern auch, wie sich die Belastungen bei ihm nach seiner individuellen Belastbarkeit, Kompensationsfähigkeit ausgewirkt haben. Die Störungen sind nach ihrer Art, Ausprägung, Auswirkung und Dauer verschieden. Sie können kurzfristigen reaktiven Störungen mit krankheitswertigen (häufig depressiven) Beschwerden entsprechen; bei einer Dauer von mehreren Monaten bis zu ein bis zwei Jahren sind sie in der Regel durch typische Symptome der posttraumatichen Belastungsstörungen charaktrisiert, ohne diagnostisch auf diese begrenzt zu sein. Bei tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifenden und in der Regel andauernden Belastungen können anhaltende, d.h. länger als zwei Jahre dauernde, Störungen auftreten, die in der Regel durch typische Symptone einer posttraumatischen Belastungsstörung charakterisiert sind.
Die ca. sechs Monate andauernde russische Kriegsgefangenschaft stellt ein nach Nr. 71 AP 1996 geeignetes Trauma dar, um eine psychische Störung hervorzurufen. Nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. L ... bestehen wissenschaftliche Erkenntnisse, dass das Erleben einer Kriegsgefangenschaft ein deutlich höheres Risiko als die alleinige Teilnahme an einer Kriegshandlung beinhaltet, dass bei einem Betroffenen psychische Störungen im Form von Angstkrankheit, zu denen auch die posttraumatische Belastungsstörung gerechnet wird, entstehen. Der beratende Arzt des Beklagten Dr. M ... stellt nicht in Abrede, dass die russische Kriegsgefangenschaft des Beschädigten ein geeignetes Trauma darstellt. Dies gilt auch für den Sachverständigen Dr. T ..., der den Krieg und die Kriegsgefangenschaft als belastende Lebenssituation für den Beschädigten wertet und ein Erlebnis in der Kriegsgefangenschaft mit verschärften Haftbedingungen als Ereignis mit Lebensbedrohung ansieht. Ausgehend von den Angaben des Beschädigten ist das Kriegsgefangenlager in der Nähe von Stalingrad von Sadismus, Grausamkeit und Mangelernährung geprägt gewesen und für den Beschädigten ein Ort mit Erfahrungen von Todesdrohungen gewesen. Soweit Dr. T ... und Dr. M ... in Frage stellen, ob die Angaben des Beschädigten über die Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft glaubhaft sind, greift zu Gunsten des Beschädigten die Vorschrift des § 15 KOV-VfG ein. Danach sind die Angaben eines Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrundezulegen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen sind. Die Angaben des Beschädigten über die Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft sind im Kerngeschehen im Schwerbehinderten- und OEG-Verfahren gegenüber dem Beklagten, den Gerichten und den Sachverständigen konstant gewesen. Der Beschädigte ist in der Anamnese bei Dr. L ... in der Lage gewesen ist, bei der Exploration zwischen den Einwirkungen während des Wehrdienstes und der Kriegsgefangenschaft zu differenzieren. Während der Beschädigte bei der ca. siebenstündigen Exploration bei Dr. L ... bzgl. bestimmter Zeitabläufe unpräzise geblieben ist, und insoweit Dr. M ... zutreffend auf wechselnde Angaben des Beschädigten bei den Untersuchungen hingewiesen hat, sind die Erinnerungen des Beschädigten bei der Anamnese Dr. L ... an die Zeit der Kriegsgefangenschaft präzise, wie "in das Gedächtnis eingebrannt" gewesen. Hinweise auf Aggravation und Simulation hat Dr. L ... nicht festgestellt. Dabei hat Dr. L ... mitberücksichtigt, dass der Beschädigte bei der Exploration seine Lebensgeschichte in einem Zusammenhang gestellt hat, der alles unter dem Blickwinkel der Kriegsgefangenschaft wertet. Die Angaben des Beschädigten über seine Erlebnisse in der Kriegsgefangenschaft bei den Anamnesen durch Dr. T ... und Dr. L ... stimmen überein.
Die Kriegsgefangenschaft hat nach Darlegung des Sachverständigen Dr. L ... zu einer posttraumatischen Belastungsstörung zur Folge gehabt, dass deren Bewältigungsstrategien durch den Beschädigten belastende Ereignisses (1969 Aufgabe des Betriebes, 1973 Herzinfarkt, 1989 Gefährdung des familären Rufes) sich als unvollkommen erwiesen haben und zur Aktivierung des Traumas geführt haben. Die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung ist nach Darlegung von Dr. L ... nach wissenschaftlichen Erkenntnisses nicht auf eine Persönlichkeitsstörung zurückzuführen. Dabei räumt Dr. L ... im Falle des Beschädigten ein, dass bei diesem Belastungsfaktoren in der Kindheit und der Jugendheit vorgelegen haben, die zur Entstehung von psychischen Störungen führen können.
Die Kausalitätsbeurteilung von Dr. L ... stimmt überein mit der des vom Beklagten gehörten Dr. S ..., dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird. Dr. S ... ist der Auffassung, dass die seelischen Belastungen in der Kriegsgefangenschaft zumindest mitursächlich für die Entstehung der beim Beschädigten bestehenden depressiven Neurose mit Angszuständen sind. Eine Ursächlichkeit i.S. einer zumindest annähernd gleichwertigen Bedingung genügt für die Annahme des versorgungsrechtlichen Ursachenzusammenhanges. Dr. M ... hat eingeräumt, dass ein neurotisches Krankheitsbild, wie von Dr. S ... angenommen, Folge eines Traumas sein kann. Der Sachverständige Dr. T ... hat eine Kausalität zwischen den seelischen Belastungen der Kriegsgefangenschaft und der von ihm angenommenen neurotischen Persönlichkeitsentwicklung verneint. Dies ist insoweit nicht überzeugend, als dieser darauf abgestellt, dass die seelischen Belastungen während des Wehrdienstes und in der Kriegsgefangenschaft nicht allein für die Ausbildung einer neurotischen Persönlichkeitsstörung ursächlich gemacht werden können. Die Annahme einer alleinigen Ursache bzw. überragenden Ursache eines Lebensereignisses ist jedoch für die Annahme eines versorgungsrechtlichen Kausalzusammenhanges nicht entscheidend. Vielmehr genügt, dass ein psychisches Trauma i.S. einer zumindest annähernd gleichwertigen Bedingung für die Entstehung einer psychischen Störung ursächlich ist. Soweit Dr. T ... darauf abstellt, dass beim Beschädigten eine von Jugend an bestehende neurotische Fehlentwicklung vorliegt, hat er nicht erörtert, inwieweit die individuelle Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit des Beschädigten durch diese Persönlichkeitsentwickung gemindert gewesen ist und insoweit die Belastungen in der Kriegsgefangenschaft auf die Weiterentwicklung der neurotischen Störung Einfluß genommen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gutachten des Dr. T ... auf einer unzureichenden Grundlage beruht, da die medizinischen Unterlagen über den Gesundheitszustand des Beschädigten, insbesondere seines psychischen Gesundheitszustandes aus den 60er bis 80er Jahren erst im Berufungsverfahren beigezogen worden sind. Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass beim Beschädigten zumindest seit 1962 wiederholt depressivenn Störungen mit Versagenszuständen unter Belastungen von den behandelnden Ärzten diagnostiziert worden sind. Dr. A ... hat mitgeteilt, dass er seit Beginn der Behandlung im Januar 1982 beim Beschädigten psychische Störungen, wie z.B. Konzentrationsstörungen, Melancholie, Schwermut oder Introversion feststellte und er eine schwere lavierte Depression mit Organmanifestation diagnostiziert habe. Auch hat der Beschädigte in der Anamnese bei der Begutachtung durch Dr. D ... 1976 bekundet, dass seine Stimmungslage seit 1950 zumeist bei beruflichen Belastungen labil gewesen sei; es seien öfters Angst und Kreislaufschwächen, suizidale Gedanken aufgetreten. Bei der Untersuchung durch Dr. B ... 1976 hat der Beschädigte angegeben, dass er seit seiner Jugend zeitweilig psycholabil und etwas depressiv eingestellt gewesen sei. Die von Dr. T ... angenommene neurotische Persönlichkeitsstörung primärer Natur bzw. die von Dr. M ... angenommene Entwicklung psychischer Auffälligkeiten, ohne nähere diagnostische Einordnung, aufgrund schädigungsunabhängiger Faktoren (Abgabe des Betriebes, verstärkt nach dem Herzinfarkt und weiter verstärkt 1989 nach privater Belastungssitutation) bei narzistischer Persönlichkeitsstruktur seit der frühen Jugend stellt nach Aktenlage eine mögliche Kausalität für die Entwicklung der psychischen Störung des Beschädigten dar. Weder Dr. T ... noch Dr. M ... haben überzeugend dargelegt, aus welchen Grund eine Mitursächlichkeit der seelischen Belastungen in der Kriegsgefangenschaft, die ein geeignetes Trauma nach Nr. 71 AP 1996 darstellen, auszuscheiden ist. Durch die Stellungnahmen von Dr. M ... sowie die Feststellungen von Dr. T ... ist nicht der sichere Nachweis für das Vorliegen einer anderen Kausalität hin sichtlich des psychsichen Krankheitsbildes geführt worden, also der Nachweis, dass die schädigende Belastung in der Kriegsgefangenschaft nicht zumindest i.S. einer gleichwertigen Ursache für die Entwicklung des psychischen Krankheitsbildes gewesen ist.
Der Sachverständige Dr. L ... hat die posttraumatische Belastungsstörung mit einer MdE um 40 % bewertet. Unter Berücksichtigung der Erfahrungssätze der AP 1983 und 1996 (Nr. 26.3 S. 48, S. 60) ist im Hinblick auf die organische Manifestation des psychischen Leidens - häufiges Auftreten der Angina-Pectoris-Anfälle - und des Vorliegens eines Versagenszustandes dieser Wertung zu folgen.
Weitere Schädigungsfolgen im Funktionssystem "Herz-Kreislauf" sind nicht anzuerkennen.
Im Funktionsssystem "Herz-Kreislauf" haben beim Beschädigten nach den Feststellungen der auf internistischem Fachgebiet gehörten Sachverständigen Prof. Dr. J ... und Dr. B ... eine leichtgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion bei einem Infarktereignis 1973 und Reinfarkt 1990 mit mittelgroßer Vorderwandnarbe des Herzens sowie eine coronare Dreigefäßerkrankung nach operativer Revaskularisation im Oktober 1997 bestanden. Die Erkrankung des Herzens ist nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen nicht i.S. einer Entstehung auf physische oder psychische Einflüsse während des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft zurückzuführen. Diese Kausalitätsbeurteilung stimmt überein mit den Vorgaben der AP 1996 zur Kausalitätsbeur teilung von Erkrankung im Kreislaufsystem (Nr. 92, 101). Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts geben die AP den der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entsprechenden aktuellen Kenntnis- und Wissenstand über die Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen wieder, wobei die als medizinischen Sachverständigen tätigen Gutachter und die Versorgungsverwaltung an die in den AP enthaltenen Erkenntnisse über die Begutachtung bzw. Entscheidungen über Anträge auf Versorung gebunden sind (vgl. BSG, Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R). Nach Nr. 101 S. 271 AP 1996 ist die coronare Herzkrankheit durch arteriosklerotische Veränderungen an den Herzkranzgefäßen bedingt, wobei die wichtigte und häufigste Komplikation der Herzinfarkt ist. Die Beurteilung von arteriosklerotischen Veränderungen richtet sich nach Nr. 92 Abs. 2 bis 4 AP 1996. Danach werden arteriosklerotisch bedingte Organerkrankungen durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren geprägt, von denen Erbanlagen, Hypertonie, Nikotin, Störungen des Kohlenhydrath-,Fett- oder Urinstoffwechsels und entzündliche Gefäßreaktionen am bedeutsamsten sind. Diese Faktoren sind für die Entwicklung eines arteriosklerotischen Krankheitsbildes nicht von gleicher Bedeutung, vielmehr steht von Fall zu Fall der eine oder andere Faktor im Vordergrund. Arteriosklerotische Gefäßkomplikationen, die während extremer Lebensverhältnisse oder im Anschluß daran in einer Reparationsphase (bis zu zwei Jahre) auftreten, sind in der Regel Schädigungsfolgen. Ebenfalls können langanhaltene seelische Belastungen in Einzelfällen Teilursache für akute cardiale oder cerebrale arteriosklerotische Komplikationen sein. Arteriosklerotische Gefäßkomplikationen, die mitursächlich für die Entwicklung der coronaren Herzkrankheit gewesen sind, sind in der Kriegsgefangenschaft oder im Anschluß daran bis 1947 nach Aktenlage nicht objektiviert. Das vom Beschädigten in der Anamnese geschilderte Auftreten von Brustschmerzen während des Wehrdienstes und in der Kriegsgefangenschaft läßt nach Darstellung des Sachverständigen Prof. Dr. J ... nicht den sicheren Schluß zu, dass diese Schmerzen Ausdruck einer organischen Herzerkrankung waren. Vielmehr ist das Auftreten funktioneller Herzbeschwerden ohne organisches Korrelat wahrscheinlich. Eine ärztliche Behandlung wegen Störungen im Funktionssystem "Herz/Kreislauf" ist erst seit 1960, also ca. 15 Jahre nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft, belegt. Die psychische Erkrankung des Beschädigten ist als langanhaltende seelische Belastung nicht zumindest eine annähernd gleichwertigen Bedingung für die Entstehung der coronaren Herz krankheit, da es sich bei der coronaren Herzkrankheit nicht um eine akute, sondern um eine progredient fortschreitende cardiale arteriosklerotische Komplikation handelt und nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ... beim Beschädigten andere Risikofaktoren wie genetische und somatische feststellbar sind.
Die Voraussetzung für die Anerkennung einer coronaren Herzkrankheit und des Zustandes nach Herzinfarkt als Schädigungsfolge im Wege der Kannversorgung sind nicht gegeben. Nach Nr. 92 Abs. 4 AP 1996 liegen die Voraussetzungen für eine Kannversorung vor, wenn die arteriosklerotische Komplikation (Apolexie, Herzinfarkt, periphere Durchblutungsstörungen infolge Gefäßeinengungen) bis zu 10 Jahren nach einer Gefangenschaft unter extremen Lebensbedingungen von mindestens dreijähriger Dauer und in einem Lebensalter bis zu 50 Jahren aufgetreten ist. Der Beschädigte ist nach eigenen Angaben keine drei Jahre sondern nur ca. sechs Monate in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen.
Es ist auch nicht bewiesen, dass der Verlauf der coronaren Herzkrankheit durch die Auswirkungen des psychischen Störungen im wesentlichen i.S.v. der Verschlimmerung mitbeeinflußt worden ist. Die auf internistischem Fachgebiet gehörten Sachverständigen beschreiben einen günstigen Verlauf der coronaren Herzkrankheit, die aufgrund der psychischen Überlagerung der Herzkrankheit in den 90er Jahren verstärkt auftretenden Angina-Pectoris-Anfälle sind als funktionelle Auswirkungen der psychischen Störung bei dieser mitberücksichtigt.
Für die Schädigungsfolgen ist eine Gesamt-MdE um 40 v.H. anzusetzen. Die MdE von 10 v.H. für die anerkannten Schädigungsfolgen des Durchschusses im Kehlkopfbereich und der Schussverletzung an der linken Hand rechtfertigen nicht die Erhöhung der MdE für die psychischen Störung von 40 v.H. auf 50 v.H. (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2000, B 9 V 8/00 R). Demnach hat dem Beschädigten ein Anspruch auf Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach einer MdE um 40 v.H. ab Antragsstellung zugestanden.
Die am 06.12.1994 gegen den Widerspruchsbescheid vom 28.11.1994 erhobenen Klage, S 32 V 264/94, ist wegen anderweitiger Rechtshängigkeit gem. § 94 SGG unzulässig. Die am 25.05.1994 gegen den Bescheid vom 02.05.1994 erhobene Klage, S. 32 V 98/94, umfasst den gesamten vom Beschädigten geltend gemachten Anspruch auf Feststellung von weiteren Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Versorgungsgrundrente nach dem BVG. Der Widerspruchsbescheid vom 28.11.1994 ist gem. § 96 SGG zum Zeitpunkt seines Erlasses Gegenstand des anhängigen Verfahrens S 32 V 98/94 und damit rechtshängig geworden.
Das vom Beschädigten im Berufungsverfahren erhobene Begehren auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "B" hat sich durch dessen Tod erledigt (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. § 70 Rdz. 8). Es handelt sich um ein höchstpersönliches - unvererbliches - Recht (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.1989, 9 RVs 4/89). Die Fortführung des Verfahrens durch die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin gem. § 202 SGG i.V.m. § 239 ZPO ist nicht zulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
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