L 6 AL 58/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 62 AL 2562/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 AL 58/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten nur noch Arbeitslosengeld für den 2. Januar 2002.

Sie ist geboren und von Beruf Friseuse. In diesem Beruf war sie letztmals vom 17. Mai 1994 (bis wohl) zum 30. Juni 1997 versicherungspflichtig tätig. Ab dem 1. Juli 1997 arbeitete sie in dem von ihrem Ehemann W S (künftig: Ehemann) von dessen ) Mutter ab diesem Zeitpunkt gepachtetem Gaststätten- und Beherbergungsbetrieb ”Lindenhof” in der R Chaussee 211 in Berlin- HDer monatliche Pachtzins betrug 5.100,- DM zuzüglich Umsatzsteuer.Zum Pachtgegenstand gehörte nicht nur das vorhandene Inventar, sondern auch eine nur von der Klägerin und ihrem Ehemann bewohnte Werkswohnung. Ihr Ehemann, mit dem sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebte, hatte zuvor bereits eine Eckkneipe (ohne Küche) in B-Mt betrieben, zu Gunsten derer er seinen erlernten Beruf des Fleischermeisters aufgegeben hatte. Vor der Eröffnung des ”Lindenhofs” am 1. Juli 1997 hatten sich die Eheleute mit dem Steuerberater zusammengesetzt und sich über die Bedingungen geeinigt, nach denen sich die Mitarbeit der Klägerin im ”Lindenhof” gestalten sollte. Dabei trafen die Eheleute keine konkreten Vereinbarungen über die Tätigkeit, Arbeitszeit, Kündigungsmodalitäten, Urlaubsansprüche usw. Einigkeit wurde lediglich darüber erzielt, dass die Klägerin gegen ein monatliches Brutto-Entgelt von 2500 DM, dessen Netto auf ihr privates Konto zu überweisen sei, die Arbeiten erledigen sollte, die anfallen würden. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist zu keinem Zeitpunkt geschlossen worden. Der Betrieb war täglich - abgesehen vom Freitag - von 7.00 bis 21.00 Uhr geöffnet. Dessen 15 Zimmer waren im Schnitt zur Hälfte belegt. Die täglichen Einnahmen schwankten zwischen 70 DM und 500 DM bis 700 DM. Zu den Gästen gehörten hauptsächlich Monteure, denen die Klägerin morgens das Frühstück zubereitete. Im Laufe des Tages erledigte sie die übrigen Arbeiten, die in der Küche, in den Zimmern und mit der Wäsche anfielen. Außerdem bereitete sie die Buchführung für den Steuerberater vor. Ihr Ehemann, der sämtliche im Zusammenhang mit dem Betrieb stehenden Verträge abschloss, arbeitete am Tresen, wo ihn die Klägerin gelegentlich vertrat. In der Zeit von 1999 bis 2000 arbeiteten in dem Betrieb zeitweise noch eine Kellnerin, eine Küchenhilfe und – hintereinander- zwei Köche. Nur während der Zeit, in der ein Koch beschäftigt war, konnte die Klägerin überhaupt frei nehmen. Von dieser Möglichkeit machte sie allerdings nur tageweise Gebrauch. Private Besorgungen erledigte sie ansonsten an ihrem freien Tag, dem Freitag. Am 15. Dezember 2001 verstarb der Ehemann infolge eines Unfalls. Der Betrieb schloss zum Jahresende. Die Klägerin schlug als testamentarische Alleinerbin ihres Ehemannes das Erbe aus, da der Nachlass überschuldet war.

Am 2. Januar 2002 meldete sie sich erstmals arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. In der vom früheren Steuerberater des Ehemannes ausgestellten Arbeitsbescheinigung hieß es, die Klägerin habe in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum 31. Dezember 2001, zuletzt als Köchin gearbeitet. Das Arbeitsverhältnis sei durch ”Kündigung durch Tod des Arbeitgebers” beendet worden. Der Betrieb sei im Anschluss aufgegeben worden. Die Klägerin habe im Jahre 2001 monatlich ein der Beitragspflicht unterliegendes Brutto von 1.278,23 Euro erzielt, das zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses bereits abgerechnet gewesen sei. Die durchschnittlich regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit habe 40 Stunden betragen. Die Beschäftigung sei jeweils an fünf Wochentagen ausgeübt worden.

In dem von der Klägerin am 13. Februar 2002 unterschriebenen ”Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Beschäftigungen beim Ehegatten” gab sie an, als Köchin bei ihrem Ehemann durchschnittlich sieben Tage in der Woche 95 Stunden gegen ein Nettoentgelt von 1.950,- DM gearbeitet zu haben. Sie sei auch als Zimmermädchen, Tresenkraft und in der Buchhaltung tätig gewesen. Das Arbeitsentgelt sei auf ihr privates Konto überwiesen worden, es sei als Betriebsausgabe verbucht worden. Die Frage, ob das Arbeitsentgelt regelmäßig, wöchentlich, monatlich oder unregelmäßig gezahlt worden sei, ließ sie ebenso unbeantwortet wie den Güterstand der Ehe. Außerdem gab sie an, die Beschäftigung aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung ausgeübt zu haben, im Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert gewesen zu sein und die Beschäftigung auch tatsächlich ausgeübt zu haben, an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nicht gebunden gewesen zu sein und die verrichtete Tätigkeit weisungsfrei und nach eigenem Ermessen ausgeübt zu haben. Ohne die Mitarbeit des Ehegatten hätte eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Zur Begründung ihres Widerspruchs machte die Klägerin geltend, jahrelang hart gearbeitet zu haben und zwar nicht nur acht Stunden am Tag, sondern 12 - 14 Stunden und das sieben Tage die Woche. Sie habe sich trotz ihrer Ehe in einem Angestelltenverhältnis zu ihrem Ehemann befunden. Nach der Gehaltsabrechnung seien Arbeitslosenversicherungsbeiträge abgezogen worden. Auf Rückfrage der Beklagte reichte die Klägerin ua die Lohnabrechnungen für Januar bis Dezember 2001 ein, aus denen hervorgeht, dass zu sämtlichen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung Beiträge abgeführt worden sind und das Nettogehalt monatlich 1.977,50 DM betrug. Auf ihre Angaben im Feststellungsbogen angesprochen gab sie an, diesen in der unmittelbaren Schocksituation nach dem Tod des Ehemannes ausgefüllt zu haben und ihr wegen ihrer allgemeinen Unerfahrenheit in behördlichen Angelegenheiten bedauerlicherweise einige Fehler unterlaufen seien. So habe sie übersehen, dass der Fragebogen nicht von ihr, sondern von ihrem Arbeitgeber hätte ausgefüllt werden müssen. Da sie das aber nicht gewesen sei, seien ihre Angaben insgesamt unbrauchbar. Im Jahre 2001 sei kein weiterer Arbeitnehmer in der Gaststätte beschäftigt gewesen, wohl aber bis zum Jahre 2000 noch ein Koch. Das Arbeitsentgelt sei regelmäßig monatlich gezahlt worden. Zum Güterstand der Ehe habe sie zunächst keine Angaben gemacht, weil sie mit der Begrifflichkeit nicht vertraut gewesen sei. Sie sei für 40 Stunden bezahlt worden, die Stundenzahl 95 sei von ihr fälschlicherweise angegeben worden. Diese Angaben würden bei einer Fünf-Tage-Woche einer täglichen Arbeitszeit von 19 Stunden entsprechen, woraus sich bereits der Irrtum ergebe. Allerdings sei es gelegentlich vorgekommen, dass sie unentgeltlich Überstunden geleistet habe, wie es in kleinen Familienbetrieben allgemein üblich sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2002). Die Klägerin habe nicht in einem Arbeitsverhältnis und somit auch nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu ihrem Ehemann gestanden, da von der Richtigkeit der von ihr im Feststellungsbogen gemachten Angaben auszugehen sei. Vielmehr habe es sich um eine familienhafte Mitarbeit gehandelt.

Daraufhin hat die Klägerin das Sozialgericht (SG) angerufen. Zur Begründung hat sie ihr Widerspruchsvorbringen im Wesentlichen wiederholt und ergänzend vorgetragen, sie habe in erster Linie als Zimmermädchen gearbeitet. Da die Pension aber nicht gut gelaufen sei, sei sie so etwas wie ”Mädchen für Alles” gewesen. Sie habe in der Küche und im Restaurant ausgeholfen, wenngleich Letzteres die Ausnahme gewesen sei. Als Köchin habe sie auch gearbeitet, da es schwierig gewesen sei, Köche einzustellen. Außerdem habe sie ”im Groben” die Buchhaltung gemacht. Sie selbst habe den ”anderen” Arbeitnehmern keine Weisungen erteilt. Dies habe nur ihr Ehemann getan, da er der ”Chef” gewesen sei.

Das SG hat mit Urteil vom 19. Mai 2004 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen verurteilt, ”an die Klägerin seit dem 2. Januar 2002 Arbeitslosengeld zu zahlen”. Zur Überzeugung der Kammer habe die Klägerin im Gaststätten- und Beherbergungsbetrieb ihres Ehemannes in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Sie sei in dessen Betrieb so eingegliedert gewesen wie dies auch bei Familienfremden normalerweise der Fall sei. Sie habe alle Tätigkeiten ausgeübt, die in einem solchen Betrieb normalerweise anfielen. Das vereinbarte Entgelt sei der Arbeitsleistung angemessen gewesen und auch regelmäßig geflossen. Es habe dem entsprochen, was die zeitweise beschäftigten familienfremden Köche ebenfalls erhalten hätten. Gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses sprächen nicht die Angaben im Feststellungsbogen, wonach die Klägerin ihre Aufgaben weisungsfrei und eigenverantwortlich erfüllt habe. Vielmehr habe sie für die Kammer nachvollziehbar erläutert, dass diese Angaben auf einem Missverständnis beruht hätten. Gegen die gegenteilige Auffassung der Beklagten spreche vor allen Dingen auch, dass die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes den Betrieb aufgegeben habe, da sie aus fachlichen und finanziellen Gründen zur Fortführung des Betriebes nicht in der Lage gewesen sei. Gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spreche auch nicht, dass die Klägerin über ihre arbeitsvertraglichen Pflichten hinaus in nicht unerheblichem Umfange Mehrarbeit geleistet habe. Diese familienhafte Mithilfe spräche nicht gegen ein Ehegattenbeschäftigungsverhältnis, da die übrigen Umstände des Einzelfalles dessen Annahme rechtfertigten. Dass missbräuchlich ein Beschäftigungsverhältnis fingiert worden sei, sei nicht ersichtlich. Die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld seien zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, dass das SG zu Unrecht vom Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Mai 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des SG.

Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin im Erörterungstermin vom 29. September 2004 angehört. Darin hat die Klägerin angegeben, dass Gegenstand der Unterredung der Eheleute mit dem Steuerberater vor Eröffnung des Lindenhofs ua die Frage war, ob ein Zimmermädchen oder ein Koch benötigt werden würde. Man sei dann so verblieben, dass zunächst die Geschäftsentwicklung abgewartet werden sollte. Wenn sie, die Klägerin, im Betrieb nicht mitgearbeitet hätte, hätte ihr Ehemann aber jedenfalls eine andere Kraft einstellen müssen. Wann Arbeiten von ihr zu erledigen gewesen seien, habe sie im Wesentlichen selbst erkannt, nur ausnahmsweise habe es eines Hinweises ihres Ehemannes bedurft. Wenn es nichts zu tun gegeben habe, habe sie sich in der ehelichen Wohnung bereitgehalten.

In der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2004 ist die Klägerin vom Senat zu den Verhältnissen in den Jahren 1997 bis 2001 befragt worden; insoweit wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht am 2. Januar 2002 Arbeitslosengeld zu.

Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt. Anspruch auf Arbeitslosengeld haben nach § 117 Abs 1 SGB III Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche; § 118 Abs 1 SGB III). Eine Arbeitslosmeldung liegt vor, wenn sich der Arbeitslose persönlich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat (§ 122 Abs 1 Satz 1 SGB III). Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 Nr 1 SGB III). Die Klägerin ist arbeitslos und hat sich auch am 2. Januar 2002 beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Die Klägerin ist jedenfalls seit dem Tod ihres Ehemanns am 15. Dezember 2001 beschäftigungslos gewesen. Das zu ihrem Ehemann bestehende Arbeitsverhältnis (dazu später) ist mit dessen Tod erloschen, da sie dessen testamentarische Alleinerbin war und sie somit in die Rechtsstellung ihres Ehemannes eingetreten ist. Ein Schuldverhältnis erlischt, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinigen (vgl BGHE 48, 219). Es begegnet auch keinen Bedenken, die Klägerin am 2. Januar 2002 als beschäftigungssuchend (§§ 118 Abs 1 Nr 2, 119 SGB III) und somit als arbeitslos anzusehen. Denn sie hat bei ihrer Arbeitslosmeldung am 2. Januar 2002 zum Ausdruck gebracht, alle Möglichkeiten nutzen zu wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und sich den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung gestellt. Die Klägerin erfüllt auch die Anwartschaftszeit. Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs 1 SGB III). Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses (§ 24 SGB III) sind insbesondere Zeiten, was hier allein in Betracht kommt, in denen die Klägerin gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war (§ 25 SGB III). Innerhalb der Rahmenfrist vom 2. Januar 1999 bis zum 1. Januar 2002 stand die Klägerin jedenfalls für die Dauer der Beschäftigung in der Gaststätte L in einem solchen Versicherungspflichtverhältnis (zur Vorbeschäftigung gelten die von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung des Senats abgegebenen Erklärungen). Beschäftigter bzw. Arbeitnehmer ist nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), wer unselbständige Arbeit leistet, d. h. von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit setzt die Eingliederung in den Betrieb und eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätigkeit. Auch wenn das Weisungsrecht – vor allem bei Diensten höherer Art – erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen; es muss eine fremdbestimmte Dienstleistung erfolgen, diese also zumindest in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (vgl BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 mwN). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Sinne ist auch zwischen Eheleuten möglich. Es besteht keine (widerlegbare) Vermutung gegen die Versicherungspflicht, wie sie § 20 Abs 4 des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl I S 1014) unter den dort genannten Voraussetzungen aufstellt. Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Versicherungspflicht ist von Verwaltung und Rechtsprechung zu respektieren. Hiermit ist es nicht vereinbar, an den Nachweis der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht unangemessen hohe Anforderungen zu stellen. Allerdings ist auch bei einem Ehegattenbeschäftigungsverhältnis die Arbeitnehmereigenschaft zu prüfen und dabei auszuschließen, dass der Arbeitsvertrag zum Schein abgeschlossen wurde (§ 117 BGB), der Ehegatte Mitunternehmer oder Mitgesellschafter des anderen Ehegatten ist oder seine Tätigkeit lediglich eine familienhafte Mithilfe darstellt. Hierzu ist die Feststellung erforderlich, dass es sich um ein von den Eheleuten ernsthaft gewolltes und vereinbarungsgemäß durchgeführtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis handelt. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210 = SozR Nr 34 zu § 539 RVO; BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; SozR 3-4100 § 168 Nr 11). Danach hängt die Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und familienhafter Mithilfe von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab. Es ist ausgeschlossen, auf ein einziges Entscheidungskriterium abzustellen. Die Entscheidung ist letztlich danach zu fällen, welche Merkmale überwiegen. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis setzt neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers voraus, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Ein leistungsentsprechendes Entgelt bei Beschäftigungsverhältnissen innerhalb der Familie kann etwa durch die Zahlung der Hälfte des ansonsten üblichen Tariflohnes gegeben sein (BSG, Beschluss vom 25. Februar 1997 - 12 BK 49/96 -). Weitere Abgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt.

Die Würdigung der gesamten Umstände ergibt, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Bei dieser Würdigung sind die feststehenden Rahmenbedingungen, unter denen die Beschäftigung stattgefunden hat, und die Umstände zu Grunde zu legen, die die Klägerin vor dem SG, im Erörterungstermin und in der mündlichen Verhandlung des Senats bekundet hat. Zwar sind die Darlegungen der Klägerin im Einzelnen nicht durch weitere Beweismittel belegt. Auf sie kann dennoch die Bewertung uneingeschränkt gestützt werden, da begründete Zweifel an ihrer Richtigkeit nicht bestehen. Denn die Klägerin hat zum einen ein durchaus plausibles Gesamtbild gezeichnet und sie hat insbesondere – wie die weiteren Ausführungen zeigen werden – ”wahllos” für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechende Umstände bekundet. Es ist insoweit nach der Einschätzung des Senats, die sich auch auf das Aussageverhalten im engeren Sinne (den Eindruck von der Klägerin) gründet, auszuschließen, dass die Klägerin zielgerichtet ausgesagt hat; vielmehr bestehen keine ernsthaften Zweifel, dass die Klägerin insgesamt und in den Einzelheiten den zu beurteilenden Sachverhalt authentisch und der Wahrheit gemäß dargestellt hat, so gut sie dies vermochte.

Bezogen auf das letztlich ausschlaggebende Merkmal der Weisungsabhängigkeit ergibt sich danach Folgendes: Die Klägerin war bezüglich der Arbeitszeit und der nach unmittelbarer Vorgabe zu erfüllenden Ausgaben sicherlich nicht in dem Maße gebunden, wie es für abhängige Arbeit typisch ist. So beruhte ihre Arbeitszeit nicht primär auf arbeitsvertraglicher Regelung (und der Umfang war nicht festgelegt) und ihr wurde regelmäßig nicht konkret vorgegeben, welche Arbeiten wie zu erledigen seien. Beides richtete sich vielmehr in der jeweiligen Situation nach den betrieblichen Notwendigkeiten. Dieses nach den betrieblichen Verhältnissen sachlich nahe liegende einverständliche Zusammenwirken (Bekundung in der mündlichen Verhandlung: ” es waren wenig Worte nötig ”) schließt aber eine ausreichende Weisungsgebundenheit (bzw die Annahme einer hinreichenden betrieblichen Eingliederung) unter den gegebenen Verhältnissen nicht aus. Zunächst ist im vorliegenden Zusammenhang die Unterordnung unter sachliche Notwendigkeiten nicht unbedingt Ausdruck einer selbst bestimmten Arbeitsleistung, sondern verdeutlicht genau genommen nicht mehr, als dass die Klägerin innerhalb des vorgegeben Rahmens zu einem flexiblen und gegebenenfalls auch zu über obligationsmäßigen Einsatz ihrer Arbeitskraft bereit war. Für eine Weisungsfreiheit würde aber beispielsweise weit eher sprechen, wenn die Klägerin quantitativ oder inhaltlich eigene Vorstellungen (insbesondere im Sinne von Beschränkungen) verwirklicht hätte, wofür indes gerade keinerlei Anhaltspunkte bestehen. Die tatsächliche Verhaltensweise der Klägerin weckt Bedenken an einer abhängigen Beschäftigung deshalb nicht vornehmlich unter dem Blickwinkel, dass es an der Unterordnung unter ein (wegen der familiären Bindung nicht in typischer Ausprägung vorliegendes) Direktionsrecht fehlte, sondern eher wegen seiner Qualität als Indiz für eine Mitunternehmerschaft.

Insoweit stände es einer abhängigen Beschäftigung entgegen, wenn die Verhältnisse dahingehend zu würdigen wären, dass ein (wenn auch von den Beteiligten als solches nicht erkanntes) gesellschaftsrechtliches Zusammenwirken die Grundlage für die Führung von Gaststätte und Pension waren. Im Ergebnis fehlen hinreichende Anhaltspunkte für eine so genannte Innengesellschaft; es ist nur festzustellen, dass die tatsächlichen Verhältnisse ein besonderes (in dieser Ausprägung nicht für jeden Arbeitnehmer typisches) Interesse der Klägerin am Geschäftserfolg dokumentieren, dass aber seinerseits in der familiären Verbundenheit, die als solche einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegensteht, eine hinreichende Erklärung findet. Der Indizwirkung der gesteigerten Mitarbeit (und dem Umstand, dass die Geschäftstätigkeit nur in der dann tatsächlich gewählten personellen Zusammensetzung aufgenommen werden sollte, vgl Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung des Senats) stehen als gewichtigere für eine abhängige Beschäftigung sprechende Gesichtspunkte die Gehaltszahlung und die in mehrfacher Hinsicht deutlich gewordene ”geschäftliche Dominanz” des Ehemannes der Klägerin gegenüber. Insoweit ist nach den Ausführungen der Klägerin und im Grundsatz bestätigt durch das vorgelegte Lohnjournal des Steuerberatungsbüros festzuhalten, dass die Klägerin die vereinbarte, nicht vom Geschäftserfolg, sondern von der Bereitstellung ihrer Arbeitskraft abhängige feste Vergütung erhalten hat. Dies wurde trotz der eher ungünstigen Geschäftslage durchgehalten und Rückflüsse zur Stützung des Geschäftsbetriebes, die der Senat als klares Indiz für eine Beteiligung der Klägerin am Unternehmensrisiko ansehen würde, hat es nicht gegeben. Dem stand abweichend für den Ehemann der Klägerin die ”unternehmertypische” Praxis gegenüber, Mittel für den Eigenbedarf nicht durch feste Zahlungen, sondern durch Entnahmen aus den Aktiva des Betriebes zu realisieren. Es ist zudem nicht erkennbar geworden, dass die Klägerin in greifbarer Weise Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen genommen hätte. Da grundlegende Dinge (Aufbau oder Umstrukturierung der Unternehmung, Investitionen oder Ähnliches), die dazu sicherlich aussagekräftiger wären, nicht angestanden haben, kann insoweit zwar nur auf die Verhältnisse zurückgegriffen werden, die den laufenden Geschäftsbetrieb geprägt haben. In diesem Rahmen ist aber durchaus deutlich geworden, dass alle Leitungsfunktionen bei dem Ehemann der Klägerin gelegen haben. So hat der Ehemann der Klägerin (von ihr als ”Chef” bezeichnet, während sie die eigene Rolle als ”Mädchen für alles” beschreibt, vgl Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung des SG) das Aushilfspersonal eingestellt und alle weiteren rechtsgeschäftlich verpflichtenden Außenkontakte des Unternehmens (Verträge, Warenbeschaffung, Werbung) in eigener Kompetenz übernommen. Als weitere Indizien, die diese Sichtweise bestätigen, können die Verhältnisse bei Übernahme des Gaststättenkomplexes herangezogen werden; es war die Geschäftsidee des Ehemannes, den Familienbesitz zu übernehmen, ihm war als Sohn der Eigentümerin diese Möglichkeit eröffnet und er verfügte über einschlägige geschäftliche Erfahrungen. Ferner der Umstand, dass der Ehemann der Klägerin sein unmittelbares Tätigkeitsfeld (Tresen, Bedienung) offenbar – entsprechend der Vortätigkeit - nach Neigung und Fähigkeit selbst festgelegt hat und auch in den Bereichen, die direkt auch die Klägerin betroffen haben (Gestaltung der Speisenkarte), bestimmend tätig war. Ferner ist hier nochmals auf die Entnahmepraxis hinzuweisen.

Diese Bewertung der Verhältnisse vorrangig unter dem Aspekt fehlender (Mit-) Unternehmertätigkeit enthält zugleich die weitgehend ”spiegelbildliche” Feststellung, dass ein Direktionsrecht in der abgeschwächten Form, wie es auch in ”Ehegatten-Arbeitsverhältnissen” erforderlich ist, bestanden hat. Dies rechtfertigt die Feststellung, dass die Klägerin Arbeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses geleistet hat, zumal auch die ansonsten vielfach im Sinne von Anknüpfungstatsachen oder Indizien als Abwägungskriterien herangezogenen Gesichtspunkte nicht entgegenstehen, sondern eher eine Bestätigung erbringen. Dies betrifft zunächst die (korrekte) steuer- und abgabenrechtliche Behandlung des Arbeitsverhältnisses, die Verbuchung der Lohnzahlungen als Betriebsausgabe und die tatsächliche Lohnzahlung. Ferner die Höhe der Vergütung, die hier zwar der Arbeitsleistung auch unter Berücksichtigung des niedrigen Lohnniveaus im Hotel- und Gaststättengewerbe kaum entsprochen haben dürfte, aber jedenfalls nicht so gering war, dass sie gänzlich außer Verhältnis stand und nur als ”taschengeldartige” Zahlung in Anerkennung der Arbeitsleistung angesehen werden könnte (zum Fehlen fester Grenzwerte und zur Möglichkeit des Bestehens eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses auch bei erheblich untertariflicher Bezahlung: BSG Urteil vom 17. Dezember 2002 – B 7AL 34/02 R, nicht amtlich veröffentlicht). Dass die Klägerin im Betrieb eine fremde Arbeitskraft ersetzt, ihre Arbeitsleistung hinweggedacht also eine andere Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen, ist nach dem Betriebszuschnitt und dem Umfang ihrer Tätigkeit evident.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved