L 11 AL 77/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 113/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 77/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 03.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum ab dem 31.03.2000 und um die Erstattung von bereits gezahltem Alg in Höhe von 5.963,92 DM sowie von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.650,93 DM.

Die 1944 geborene Klägerin war - den eigenen Angaben folgend - im Zeitraum vom 01.10.1996 bis 30.09.1999 als kaufmännische Angestellte für ihren Ehemann tätig. Das Arbeitsverhältnis wurde am 30.09.1999 zum 30.09.1999 von ihrem Ehemann gekündigt. Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Beschäftigungen beim Ehegatten gab sie mit Datum vom 06.04.2004 an, in der Zeit vom 01.10.1996 bis 01.03.1997 sei sie bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden und einem monatlichen Gehalt von 1.200,00 DM bei ihrem Ehemann beschäftigt gewesen. Im Zeitraum vom 01.03.1997 bis 01.12.1997 habe die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 14 Stunden bei einem monatlichen Gehalt von 935,00 DM betragen. Im Zeitraum vom 01.01.1998 bis zum 31.12.1998 habe die wöchentliche Arbeitszeit 14 Stunden und das monatliche Gehalt 1.000,00 DM betragen. Ab dem 01.01.1999 sei sie wöchentlich 27 Stunden tätig gewesen und habe hierfür ein monatliches Gehalt von 2.000,00 DM für Bürotätigkeiten erhalten. In einem Nachtrag zum Ehegattenarbeitsvertrag bestätigte sie diese Angaben. Am 16.05.2000 rief ihr Ehemann beim Arbeitsamt L. an und gab an, bei den 14 Stunden Wochenarbeitszeit habe es sich um einen Schreibfehler gehandelt, es müsse 15 Stunden wöchentliche Arbeitszeit heißen.

Am 31.03.2000 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg.

Mit Bescheid vom 23.05.2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg mit Leistungsbeginn ab dem 31.03.2000.

Aufgrund umfangreicher Ermittlungen in einem gegen die Klägerin und ihren Ehemann geführten Steuerstrafverfahren teilte die Polizeiinspektion K. dem Arbeitsamt W. am 18.10.2000 mit, dass die Klägerin nach Auswertung von 4 Kontoauszügen eines einzigen Kontos im Zeitraum vom 02.06.2000 bis 20.09.2000 ca. 17.000,00 DM Provision aus Versicherungsgeschäften erhalten habe. Die Agentur T. sei nach dortigen Erkenntnissen für insgesamt 12 verschiedene Versicherungsunternehmen tätig gewesen.

Anlässlich einer persönlichen Vorsprache beim Arbeitsamt L. gaben die Klägerin und ihr Ehemann am 25.10.2000 auf Nachfrage an, dass die Klägerin seit 1982 ein Gewerbe als Versicherungsvermittlerin angemeldet habe. Das Gewerbe sei ausschließlich durch ihren Ehemann ausgeübt worden. Sämtliche Provisionszahlungen seien ihm zugeflossen. Seit Beginn des Leistungsbezuges bei der Beklagten habe sie keine weitere Tätigkeit mehr ausgeübt.

Am 22.12.2000 erstattete das Arbeitsamt W. Strafanzeige gegen den Ehemann der Klägerin wegen betrügerischer Erschleichung von Alg im Zeitraum vom 01.10.1999 bis 28.03.2000. Ferner erstattete die Beklagte Strafanzeige wegen Betruges gegenüber der Klägerin und ihrem Ehemann aufgrund der Zahlung von Alg an die Klägerin im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 31.03.2000 bis 31.10.2000. Die Klägerin erhielt hierwegen einen Strafbefehl. Das Verfahren wurde vom Amtsgericht G. am 11.08.2003 gemäß § 153 Abs 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Das Strafverfahren gegen den Ehemann der Klägerin ist in der Berufungsinstanz beim Landgericht W. unter dem Az. 7 NsJs 1122/03 anhängig.

Nach weiteren Ermittlungen hob die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2001 die Bewilligung von Alg an die Klägerin ab dem 01.03.2000 ganz auf. Die Klägerin sei bei ihrem Ehemann nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Als Gewerbetreibende habe die Klägerin nicht der Versicherungspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterlegen. Für die von der Aufhebung betroffene Zeit habe die Klägerin 5.963,92 DM ohne Rechtsanspruch erhalten. Zuzüglich der im angeführten Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 1.650,93 DM habe die Klägerin insgesamt 7.614,85 DM zu erstatten.

Hiergegen erhob die Klägerin am 29.01.2001 Widerspruch. Das am 25.11.1982 auf ihren Namen angemeldete Gewerbe sei von ihr in keiner Weise ausgeübt worden. Es hätten auch keinerlei Verträge mit irgendwelchen Unternehmen bestanden. Für das Angestelltenverhältnis ab dem 01.10.1996 bei ihrem Ehemann seien die entsprechenden Sozialabgaben abgeführt worden. Ab 01.01.1998 habe sie neben ihrer Angestelltentätigkeit nebenberuflich ein Versicherungsbüro gegründet. Das sei zum 01.04.2000 wieder abgegeben worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Da das Gewerbe auf den Namen der Klägerin angemeldet gewesen sei, gelte diese als Betreiberin.

Am 26.02.2001 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG).

In einem Aktenvermerk vom 13.02.2002 stellte die Polizeiinspektion K. zu den dort geführten Ermittlungen zusammenfassen fest, diese hätten ergeben, dass die Eheleute T. hauptberuflich eine Versicherungsagentur geführt hätten, die zunächst auf die Klägerin angemeldet gewesen sei. Die gesamte Tätigkeit im Bereich Versicherungen sei vom Ehemann der Klägerin abgewickelt worden. Die Klägerin sei lediglich nominell Inhaberin der Versicherungsagentur gewesen. Nach außen hin als Vertreter wie auch für die Büroarbeit sei hauptsächlich der Ehemann der Klägerin selbst verantwortlich gewesen. Im Jahre 2001 habe der Ehemann der Klägerin die Firma T. GmbH K. gegründet. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer sei der Ehemann der Klägerin gewesen. Die T. GmbH K. sei zum 19.11.2001 in das Handelsregister eingetragen worden.

Auf Anfrage des SG legte die Stadt K. Ablichtungen der Gewerbeanmeldung für ein Gewerbe der Klägerin als Versicherungsvermittlerin / Versicherungsmaklerin mit Beginn 25.11.1982 sowie der Abmeldung des Gewerbes zum 31.03.2000 vor.

In einem Erörterungstermin vor dem SG am 06.05.2003 gab die Klägerin u.a. an, die Anmeldung des Gewerbes auf ihren Namen bei der Stadt K. am 25.11.1982 sei von ihrem Ehemann unterzeichnet worden. Die Vermittlungsagentur habe allein ihr Ehemann betrieben. Sie habe als angelernte Bürokauffrau bei ihm gearbeitet. Sie sei für das Büro zuständig gewesen, ihr Ehemann sei meistens im Außendienst unterwegs gewesen. Das Gehalt sei ihr in bar ausbezahlt worden. Das Büro habe sich im selben Haus wie die Privatwohnung befunden. Sie schätze ihren wöchentlichen Arbeitseinsatz auf durchschnittlich 20 Stunden pro Woche. Um die pflegebedürftige Tante ihres Ehemannes habe sie sich am Vormittag gekümmert.

Bei seiner Zeugeneinvernahme vor dem SG erklärte der Ehemann der Klägerin im Wesentlichen, zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung am 25.11.1982 sei geplant gewesen, die Versicherungsagentur auf den Namen seiner Ehefrau zu führen, er habe dann als Angestellter seiner Ehefrau arbeiten wollen. Zur Gewerbeanmeldung auf den Namen seiner Frau sei er von dieser nicht bevollmächtigt worden. Eine Vollmacht sei auch nicht nachgereicht worden. Die Einstellung der Klägerin als Angestellte seiner eigenen Vermittlungsagentur zum 01.10.1996 habe den Sinn gehabt, weiterhin Kunden durch seine Agentur betreuen zu können, nachdem der Gebietsdirektor der B.-Versicherung mitgeteilt habe, die B.-Versicherung wolle das Vertragsverhältnis mit ihm lösen. Er habe, wenn alte Kunden weiterhin betreut werden wollten, dafür gesorgt, dass das weiter zulaufende Versicherungsgeschäft auf die Agentur seiner Ehefrau lief. Ab 01.10.1998 seien neue Versicherungsverträge auf die Agentur seiner Ehefrau abgeschlossen worden. Nebenbei habe er auch seine Agentur weiter betrieben bis auf eine Pause von Oktober 1999 bis März 2000. Die Gehaltszahlungen an seine Ehefrau seien in bar geleistet worden.

In den Akten der Beklagten finden sich die Bescheide des Finanzamtes L. über die nach § 165 Abs 1 Satz 2 AO teilweise vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer für die Klägerin und ihren Ehemann für die Jahre 1994 bis 1997. Diese Bescheide weisen für die Klägerin keinerlei Einkünfte etwa aus nichtselbstständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb aus. Auf Anforderung des SG legte das Finanzamt W. gemäß § 31a Abs 1 AO mit Schreiben vom 22.10.2003 zudem die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung an die Klägerin und ihren Ehemann ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1988 bis 2001 vor. In allen Bescheiden für 1998 bis 2001 sind jeweils Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 30.000,00 DM angesetzt. Beim Ehemann der Klägerin sind in diesen Bescheiden demgegenüber jeweils 10.000,00 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt.

Mit Telefax vom 25.11.2003 teilte die Barmer Ersatzkasse K. dem SG mit, dass nach ihren Datenunterlagen die Klägerin aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung bei ihrem Ehegatten in der Zeit vom 01.10.1996 bis 30.09.1999 sozialversichert gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG wies der Ehemann der Klägerin darauf hin, dass die Festsetzungen des Finanzamtes nicht bestandskräftig seien. Die unstreitigen Sozialversicherungsbeiträge für die Klägerin seien bezahlt worden, deshalb müsse das Beschäftigungsverhältnis anerkannt werden. Seine Ehefrau dürfe sich auf den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid der Beklagten verlassen.

Der Ehemann der Klägerin beantragte für diese, den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Sie verwies im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen und auf die Begründung der angefochtenen Bescheide.

Das SG wies mit Urteil vom 03.12.2003 die Klage ab. Aufgrund der Gesamtschau des ermittelten Sachverhalts sei es zur Überzeugung gelangt, dass die Tätigkeit der Klägerin im Versicherungsbüro ihres Ehemannes nicht als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, sondern vielmehr als ein nicht versicherungspflichtiges Dienstverhältnis aufgrund der familienhaften Zusammengehörigkeit der Ehegatten einzuordnen sei. Die vom SG München im Urteil vom 04.11.1997 entwickelten Abgrenzungskriterien sähen als entscheidende Merkmale für eine abhängige beitragspflichtige Beschäftigung bei Ehegatten-Arbeitsverhältnissen die vollständige Integration des dienstverpflichteten Ehegatten in den Betriebsablauf sowie dessen Weisungsgebundenheit in fachlicher, zeitlicher und überörtlicher Hinsicht vor. Nach diesen Abgrenzungskriterien sei die Klägerin für die Versicherungsagentur ihres Ehemannes nicht als fremdbestimmte Arbeitskraft tätig gewesen. Die Berechtigung der Beklagten zur Rücknahme des Bewilligungsbescheides für den Zeitraum vom 31.03.2000 bis 31.10.2000 ergebe sich aus § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Klägerin habe zumindest die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, indem sie die angemeldete Gewerbetätigkeit als selbstständige Versicherungsmaklerin verschwiegen habe, sie habe deshalb grob fahrlässig i.S. des § 45 Abs 1 SGB X gehandelt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der von ihrem Ehegatten handschriftlich angefertigten Berufungsschrift vom 29.02.2004, die sie unterzeichnet hat und die am 01.03.2004 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingegangen ist.

Die Provision, die dem Konto ihres Ehemannes vom 02.06.2000 bis 20.09.2000 in Höhe von 17.000,00 DM aus Vermittlungsgeschäften zugeflossen sei, habe nicht sie verdient. Diese Provision sei auch nicht ihr zugeflossen. Während ihres Anstellungsverhältnisses vom 01.10.1996 bis 30.09.1999 sei es nicht verboten gewesen, ein Gewerbe anzumelden. Jedem Arbeitnehmer sei es erlaubt gewesen, nebenbei über ein Gewerbe etwas hinzuzuverdienen. Sie habe das angemeldete Gewerbe bis heute nicht ausgeübt. Ihr Arbeitsverhältnis bei ihrem Ehemann sei weisungsgebunden gewesen. Hätte sie nicht gearbeitet, hätte eine fremde Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Zudem seien die Beträge für die Arbeitslosenversicherung entrichtet worden.

Im Erörterungstermin vor dem BayLSG am 25.08.2005 gab die Klägerin zusammengefasst im Wesentlichen an, es treffe zu, dass die Provisionen aus den Versicherungsgeschäften im streitgegenständlichen Zeitraum auf ein Girokonto bei der Raiffeisenbank K. , das unter ihrem Namen gelaufen sei, eingegangen seien und von dort entweder auf ein Girokonto ihres Ehemannes oder auf ein Festgeldkonto ihres Ehemannes weitergeleitet worden seien. Ihre Entlohnung habe sie von ihrem Ehemann bar ausgezahlt bekommen. Sie sei unabhängig davon eingestellt worden, ob die Geschäfte ihres Ehemannes gut oder nicht gut gelaufen seien. Jemand habe anwesend sein müssen für die Zeiten am Nachmittag bzw. Spätnachmittag, in denen ihr Ehemann unterwegs gewesen sei. Zu diesen Zeiten habe das Kundengeschäft erst begonnen. Der Ehemann erklärte für die Klägerin weiter, bei den in den Akten angeführten Auslandskonten handle es sich um Gelder, die er für die Altersversorgung für sich und seine Ehefrau angelegt habe. Die Barauszahlung des Gehaltes an Versicherungsangestellte sei seinerzeit durchaus üblich gewesen. Seine Ehefrau habe keinen Führerschein besessen und habe deshalb nicht zur Bank fahren können. Die Angaben des Finanzamtes hätten dem Urteil des SG nicht zugrunde gelegt werden dürfen, weil die angeführten Bescheide nicht rechtskräftig geworden seien. Das Finanzamt habe seit 1988 nur Schätzungen vorgenommen. Er selbst habe hierzu nichts angegeben. Er habe die Sache einem Steuerberater übergeben. Die zugrunde liegenden Angaben habe allesamt sein Steuerberater gemacht. Auf Nachfrage zu den Steuerbescheiden von 1994 bis 1997 gab er an, die zugrunde liegenden Steuererklärungen stammten noch von ihm. Das Finanzamt habe wahllos eigene Schätzungen vorgenommen. Die ihm vorgelegen Steuerbescheide seien alle falsch, es stehe schließlich überall Einkommensteuer 00,00 DM. Er habe seinerzeit etwa 3.500 Versicherungskunden gehabt. Deshalb habe während seiner Abwesenheit jemand im Büro anwesend sein müssen. Für die Urlaubszeiten sei jemand eingestellt worden. Im Übrigen berufe er sich auch auf seine Zeugenaussage vor dem SG.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 03.12.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf ihre bisherigen Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung von Alg und die Rückforderung der geleisteten Beträge im Bescheid der Beklagten vom 12.01.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2001 rechtmäßig ist.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides für das von der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum bezogene Alg ist § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs 2 SGB III. Demzufolge kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte sich auf ein Vertrauen nicht berufen kann, weil der leistungsbewilligende Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Unter den genannten Voraussetzungen entfällt auch eine Ermessensausübung der Beklagten nach § 45 Abs 1 SGB X. Die Beklagte hat vielmehr den rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 330 Abs 2 SGB III).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil die Klägerin von Anfang an keinen Anspruch auf Bewilligung von Alg im streitgegenständlichen Zeitraum hatte.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für das von der Klägerin bezogene Alg ergeben sich aus § 117 Abs 1, § 118 Abs 1 SGB III. Demzufolge hat einen Anspruch auf Alg ein Arbeitnehmer dann, wenn er arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem Tag der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg, hier im Zeitraum vom 31.03.1997 bis zum 30.03.2000, mindestens zwölf Monate gegen Arbeitsentgelt oder zu seiner Berufsausbildung beschäftigt war (§ 123 Satz 1, § 25 Abs 1 SGB III).

Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor, weil sie - wie das SG im Ergebnis zutreffend entschieden hat - während dieser Zeit nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig war.

In der Entscheidung vom 22.06.2005 (SGb 2005, 446) hat das BSG die nichtselbstständige Arbeit von einer selbstständigen Tätigkeit danach abgegrenzt, ob der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies dann der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt sei oder selbstständig tätig sei, hänge demzufolge davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen etwaige Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so gäben letztere den Ausschlag (so ausdrücklich BSG unter Hinweis auch auf die Entscheidung vom 01.12.1977 BSGE 45, 199 mwN).

Zieht man diese Rechtsprechung heran, kommt man nicht zwingend zu der Auffassung des SG, es habe hier eine familienhafte Mithilfe der Klägerin im Gewerbebetrieb des Ehemannes vorgelegen. Demgegenüber sprechen aber überwiegende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum ein eigenes Gewerbe ausgeübt hat und deshalb selbstständig tätig war.

Der Ehemann der Klägerin, der regelmäßig für diese handelte, hat am 25.11.1982 für sie ein Gewerbe als "Versicherungsvermittlerin / Versicherungsmaklerin" angemeldet. Bei seiner Zeugeneinvernahme vor dem SG gab er dazu an, zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung habe er mit seiner Ehefrau geplant, die Versicherungsagentur auf den Namen der Klägerin zu führen. Er habe dann als Angestellter in diesem Gewerbebetrieb tätig sein wollen. Dieser Einlassung steht nicht entgegen, dass er später angab, er sei hierzu nicht bevollmächtigt gewesen, die Klägerin habe eine solche Vollmacht auch nicht nachgereicht. Weiter gab der Ehemann der Klägerin in dieser Zeugeneinvernahme an, auf die er sich im Übrigen auch im Erörterungstermin vom 25.08.2005 vor dem Bayer. Landessozialgericht stützte, ab 01.10.1998 seien neue Versicherungsverträge auf die Agentur seiner Ehefrau, der Klägerin, abgeschlossen worden. Nebenbei habe er auch seine Agentur weiterbetrieben, bis auf eine Pause von Oktober 1999 bis März 2000. Es steht damit zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zumindest auch für den eigenen Gewerbebetrieb tätig war, auch wenn sie und ihr Ehemann das zwischenzeitlich vor dem Hintergrund einer geforderten Rückzahlung in Höhe von 7.614,85 DM vehement bestreiten.

Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass Provisionen im streitgegenständlichen Zeitraum aus Versicherungsgeschäften auf ein Girokonto bei der Raiffeisenbank K. , das unter dem Namen der Klägerin gelaufen ist, eingegangen sind. Dem steht wiederum ihre Einlassung im Erörterungstermin vom 25.08.2005 nicht entgegen, wonach sie diese Gelder unmittelbar auf ein Girokonto bzw. auf ein Festgeldkonto ihres Ehegatten weitergeleitet hatte. Zu ihrer Entlohnung gab sie an, sie habe von ihrem Ehemann Bargeld ausbezahlt erhalten.

Ein weiteres Indiz für eine eigene selbstständige Tätigkeit der Klägerin findet sich in den Steuerunterlagen. Ausweislich der Steuerbescheide für 1998 bis 2001 sind jeweils Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 30.000,00 DM angesetzt. Beim Ehemann sind in diesen Bescheiden demgegenüber jeweils nur 10.000,00 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt. Auch hier bestreiten die Klägerin und ihr Ehemann wiederum vehement die Richtigkeit dieser Festsetzungen. Das Finanzamt habe das alles geschätzt. Sie übersehen damit aber im Kern, dass den Festsetzungen des Finanzamts ihre eigenen Angaben zur Ausübung selbstständiger Tätigkeit zugrunde liegen. Von Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit seitens der Klägerin ist in diesen Einkommensteuerbescheiden - schon mangels entsprechender Steuererklärungen der Klägerin - nicht die Rede.

Letztlich drängt sich auch der Eindruck auf, dass die Klägerin keinem unmittelbaren Weisungsrecht ihres Ehemannes bei der Ausübung der Tätigkeit unterlag. Im Erörterungstermin vom 25.08.2005 befragt, gab sie hierzu im Wesentlichen an, sie sei unabhängig davon eingestellt worden, ob die Geschäfte ihres Ehemannes gut oder nicht gut gelaufen seien. Grund der Einstellung sei gewesen, es habe jemand anwesend sein müssen für die Zeiten am Nachmittag bzw. am Spätnachmittag, also zu Zeiten, zu denen ihr Ehemann unterwegs gewesen sei. Es sei eher der Spätnachmittag gewesen, weil da das Kundengeschäft begonnen habe. Im Übrigen habe sie sich teilweise vormittags um die Tante ihres Ehemannes gekümmert. Von festen Vorgaben ihres Ehemannes hinsichtlich der Arbeitszeit oder bestimmter Tätigkeiten ist hier nicht die Rede. Die Tätigkeit der Klägerin, so wie sie sie selbst darstellt, unterscheidet sich damit nicht von der, die sie für ihr eigenes Gewerbe zu erbringen hatte.

Gestützt wird diese Auffassung durch die Einlassung in ihrem Widerspruch vom 29.01.2001, wonach sie ab dem 01.01.1998 neben ihrer Angestelltentätigkeit nebenberuflich ein Versicherungsbüro gegründet und erst am 01.04.2000 wieder aufgegeben habe.

Diesen Erkenntnissen stehen im Endeffekt nur die Einlassungen der Klägerin und ihres Ehemannes entgegen, die immer dann Angaben bestreiten oder bisherige Angaben richtig stellen wollen, wenn sie erkennen, welche Konsequenzen sich aus der Antwort für sie ergeben. Von einem schlüssigen glaubhaften Sachvortrag kann keine Rede sein. Das Vorbringen der Klägerin ist vielmehr gesteigert im vorgenannten Sinn und für den Senat als Entscheidungsgrundlage insgesamt unglaubhaft.

Demzufolge konnte die Beklagte gemäß den o.g. Rechtsgrundlagen die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 31.03. bis zum 31.10.2000 zurücknehmen. Ein Ermessen stand ihr nicht zur Seite, da die Klägerin zumindest die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, indem sie das eigene angemeldete Gewerbe als selbstständige Versicherungsmaklerin und ihre Tätigkeit hierfür verschwiegen hat. Insoweit stützt sich der Senat auch auf die zutreffenden Ausführungen des SG.

Mithin sind auch die Voraussetzungen für die Erstattung der von der Beklagten mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 12.01.2001 festgesetzten Beträge für Alg in Höhe von 5.963,92 DM sowie für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.650,93 DM gegeben. Die Beträge selbst sind in der Sache nicht bestritten und im Übrigen rechnerisch richtig.

Die Berufung der Klägerin ist daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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