L 10 AL 159/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 311/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 159/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.03.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rücknahme der Rückforderung eines Eingliederungszuschusses (EZ) in Höhe von insgesamt 9.082,50 DM.

Auf Antrag der Klägerin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 25.11.1998 einen EZ bei erschwerter Vermittlung für die Einstellung der bisher arbeitslosen S. S. (S.) als Bürokraft (Arbeitsvertrag vom 21.12.1998) für die Zeit vom 21.12.1998 bis 20.12.1999 in Höhe von 1.816,50 DM monatlich. Dieser Bescheid enthielt u.a. den Hinweis, der EZ sei zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraumes beendet wird, es sei denn der Arbeitgeber sei berechtigt, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Ein solcher Hinweis fand sich auch im Antragsformular.

Am 21.06.1999 teilte die Klägerin der Beklagten mit, mit Schreiben vom 30.03.1999 sei S. innerhalb der Probezeit zum 30.04.1999 gekündigt worden, da die Fehlzeiten während der Probezeit hochgerechnet auf das ganze Jahr für das Unternehmen nicht tragbar seien. Außerdem habe S. in einer Immobilienanzeige die dienstliche Telefonnummer angegeben, wodurch der Betriebsablauf gestört worden sei.

Angehört zur beabsichtigten Rückforderung des ausgezahlten EZ erklärte die Klägerin, S. habe Betriebsmittel für private Zwecke genutzt, nämlich die dienstliche Telefonnummer in ihrer Annonce zur Vermietung einer Privatwohnung angegeben. Da S. am Tage des Erscheinens der Annonce krank gewesen sei, sei durch die ständigen Anrufe bezüglich dieser Annonce der Betriebsablauf erheblich gestört worden. Dieses unverantwortliche Verhalten könne keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit S. sein, die oft mehrere Tage allein im Betrieb anwesend sei. Im Übrigen seien die privaten Verhältnisse der S. problematisch gewesen. Das Gehalt habe jeweils auf unterschiedliche Konten überwiesen werden müssen. Mit Bescheid vom 19.10.1999 hob die Beklagte die Bewilligung des EZ ganz auf und forderte die gesamten für den Zeitraum vom 21.12.1998 bis 30.04.1999 ausgezahlten Leistungen in Höhe von 9.082,50 DM zurück. Gründe für eine fristlose Kündigung lägen nicht vor. Den Widerspruch hiergegen verwarf die Beklagte als verfristet (Widerspruchsbescheid vom 22.12.1999).

Die Klägerin beantragte daraufhin mit Schriftsätzen vom 04.01.2000, 17.01.2000 und 31.01.2000 die Überprüfung der Erstattungsforderung gemäß § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). S. sei oft wegen Auslandsaktivitäten der Geschäftsführer allein im Büro gewesen und habe daher eine Vertrauensstellung innegehabt. Sie habe insbesondere den Urlaub der zweiten Geschäftsführerin genutzt, um das Bürotelefon für private Immobilienvermietungen zu benutzen. Dies stelle in der Probezeit einen gewichtigen Kündigungsgrund dar. Gerade die Vertrauenswürdigkeit sollte in der Probezeit geprüft werden.

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.02.2000 ab. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche, fristlose Kündigung liege nicht vor. Über die Rückzahlungspflicht sei die Klägerin im Bewilligungsbescheid informiert worden.

Den Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, S. sei mit Überreichen der Kündigung am 30.03.1999 aus Sicherheitsgründen sofort vom Arbeitsplatz entfernt worden. Von einer fristlosen Kündigung sei nur aus humanitären Gründen abgesehen worden. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2000, zugestellt nicht vor dem 09.06.2000). Ein wichtiger Grund läge nicht vor.

Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Private Gespräche über eine betriebliche Fernsprechanlage auf Kosten des Arbeitgebers berechtigten zur fristlosen Kündigung, insbesondere wenn - wie hier - der Betriebsablauf gestört werde und S. zeitweise allein im Büro tätig sei. Ihre Vertrauensstellung habe S. gröblichst verletzt. S. habe als "Mädchen für alles" Zugang zu allen Internas der Firma gehabt. Eine Abmahnung sei wegen des schwerwiegenden Verstoßes nicht erforderlich. S. habe nach Aufgabe der Annonce offenbar das Geschäftstelefon auf das Mobiltelefon des Geschäftsführers umgestellt, der mehrmals während laufender Geschäftsverhandlungen Anrufe betreffend die private Annonce der S. bekam.

Die uneidlich als Zeugin vernommene S. hat ausgeführt, das Beschäftigungsverhältnis sei wegen eines Umzuges der Firma nach H. beendet worden. Sie habe die Firmentelefonnummer nur einmal im Rahmen einer Annonce angegeben, woraufhin sie von der Firmenleitung angesprochen worden sei, aber keine Kündigung ausgesprochen worden sei. Krankheiten habe sie früh in der Firma melden müssen. Es sei immer ein Ansprechspartner bereit gewesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.03.2004 abgewiesen. Eine Berechtigung zur fristlosen Kündigung habe nicht bestanden. Die Erstattungsforderung sei rechtmäßig. Auf das unkorrekte Verhalten der S. sei mit einer Abmahnung zu reagieren gewesen. Der Geschäftsablauf sei allenfalls durch die bei dem Geschäftsführer eingehenden Anrufe gestört worden. Außergewöhnliche Kosten habe S. der Klägerin jedoch nicht verursacht. Dass sie selbst aus der Firma angerufen habe, sei nicht erwiesen. Es gebe Erstaunliches und Merkwürdiges in diesem Rechtsstreit.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin vorgetragen: Wegen ihrer Krankheit am Tage des Erscheinens der Annonce und der Umstellung des Firmentelefons auf das Mobiltelefon des Geschäftsführers, der von der Annonce nichts gewusst habe, sei dieser erheblich bei geschäftlichen Verhandlungen gestört worden. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit S. habe daher der Firma nicht zugemutet werden können, das Vertrauen sei erschüttert gewesen. S. habe eine hohe Vertrauensstellung inne gehabt, sie habe diese bewusst ausgenutzt. Nur wegen der Krankheit der S. sei ihr Verhalten offenbar geworden. Eine Abmahnung sei wegen der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich gewesen.

Die Klägerin beantragt: 1. Das Urteil des SG Würzburg vom 13.04.2004 (richtig: 17.03.2004) wird aufgehoben.

2. Der Bescheid vom 07.02.2000 in der Fassung des Wider spruchsbescheides vom 06.03.2000 wird aufgehoben. Die Bescheide vom 19.01.2000 und 22.12.2000 werden aufgeho ben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.03.2004 - S 7 AL 311/02 - als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Nachweisbare Fakten für die Unzuverlässigkeit der S. seien von der Klägerin nicht mitgeteilt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 07.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Bescheid vom 19.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.1999 ist nicht zurückzunehmen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor.

Gemäß § 44 Abs 2 SGB X - § 44 Abs 1 SGB X greift mangels zu Unrecht nicht erbrachter Sozialleistungen bzw. zu Unrecht erhobener Beiträge nicht ein (vgl. Niesel, SGB III, 3.Aufl., § 330 Rdnr 12) - ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Der Bescheid vom 19.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.1999 ist jedoch rechtmäßig und von daher nicht zurückzunehmen.

Die - eigenständige - Rechtsgrundlage (vgl.: BSGE 89, 192) für den Rückzahlungsanspruch der Beklagten findet sich in § 223 Abs 2 Satz 1 SGB III in der bis 31.07.1999 geltenden Fassung (alte Fassung -aF-). Hierauf hat die Beklagte ihre Rückzahlungsforderung auch gestützt.

§ 223 Abs 2 SGB III aF lautet: "Der Eingliederungszuschuss ist zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraumes oder innerhalb eines Zeitraumes, der der Förderungsdauer entspricht, längstens von 12 Monaten nach dem Ende des Förderungszeitraumes, beendet wird. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen."

Die Klägerin hat den Eingliederungszuschuss zu erstatten, das Beschäftigungsverhältnis mit S. ist innerhalb des Förderungszeitraumes vom 21.12.1998 bis 20.12.1999 zum 30.04.1999 beendet worden.

Die Rückzahlungspflicht besteht nur dann nicht, wenn die Klägerin berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. § 223 Abs 2 SGB III in der ab 01.08.1999 geltenden Fassung, nach dem die Voraussetzungen für das Entfallen der Rückzahlungspflicht erweitert worden sind, kommt dabei nicht zur Anwendung (vgl. st.Rspr. seit BSG 89, 192). Nach § 422 Abs 1 SGB III sind bei Änderungen, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistungen die Vorschriften in der vor dem Tag des In-Kraft-Tretens maßgebenden Fassung weiter anzuwenden, wenn vor diesem Tag der Anspruch entstanden ist, die Leistung zuerkannt worden ist oder die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Ende der Maßnahme beantragt worden ist. Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Anwendung des § 223 Abs 3 aF erfüllt, denn die Maßnahme - hier: EZ - hat vor dem 01.08.1999 begonnen und ist von der Klägerin mit Schreiben vom 29.12.1998 beantragt worden.

Die Voraussetzungen für ein Entfallen der Rückzahlungspflicht liegen jedoch nicht vor. Den Nachweis hierfür kann die Klägerin nicht erbringen. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz, dass jeder die Beweislast für Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen, geht die Beweislosigkeit hier zu Lasten der Klägerin (vgl. hierzu BSG in SGb 1996, 614; BayLSG vom 27.11.2003 - L 10 AL 329/01 mwN; BayLSG vom 01.07.2004 - L 10 AL 320/02 mwN). Insbesondere kann nicht nachgewiesen werden, dass die Klägerin berechtigt gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Dabei genügt es, wenn der Arbeitgeber hierzu berechtigt gewesen wäre, aber trotzdem eine Frist eingehalten hat. Ein wichtiger Grund muss dann tatsächlich und objektiv vorliegen (vgl. Menard in Niesel, SGB III, 1.Aufl, § 223 Rdnr 6 mit Verweis auf § 144 Rdnr 77 ff).

Vom Vorliegen eines wichtigen Grundes ist auszugehen, wenn alle tatsächlichen Umstände, die den wichtigen Grund ausfüllen, unbestritten oder bewiesen sind. Dann ist u.a. unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine Interessenabwägung vorzunehmen und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ordnungsgemäß gekündigt werden kann, darf nicht zumutbar sein (vgl. hierzu: BSG in Breithaupt 2003, 524; zum Ganzen: Palandt, BGB, 62.Aufl, § 626 Rdnr 37 ff; BayLSG aaO). Weiter ist die sog. Erkärungsfrist einzuhalten (§ 626 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), d.h. die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund muss innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der Tatsachen, die den wichtigen Grund ausmachen, erfolgen (Ausschlussfrist; vgl. Palandt aaO Rdnr 20). Wichtige Gründe sind insbesondere solche, die nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften (u.a. § 626 BGB) zur fristlosen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses berechtigten (Menard in Niesel aaO). Zu den wichtigen Gründen zählen insbesondere Dienstarbeitspflichtverletzungen, Treuedienstverletzungen, sonstige Pflichtverletzungen, strafbare Handlungen, schwere Verfehlungen, Verletzungen von Betriebsratspflichten etc. (vgl. hierzu: BayLSG aaO unter Hinw. auf LSG NRW vom 06.05.2002 - L 12 AL 141/01 - veröffentl. in juris).

Krankheit selbst - auch dies ist von der Klägerin als Grund für die Kündigung angesprochen worden - ist nicht grundsätzlich als wichtiger Grund i.S. des § 626 BGB ungeeignet. An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ist jedoch schon bei ordentlicher Kündigung ein strenger Maßstab anzulegen; dies schließt aber nicht aus, dass in eng begrenzten Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem kranken Arbeitnehmer für den Arbeitgeber unzumutbar i.S. des § 626 Abs 1 BGB sein kann. Eine außerordentliche Kündigung kommt bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern z.B. dann in Betracht, wenn die weitere betriebliche Beeinträchtigung für die Dauer der tatsächlichen künftigen Vertragsbindung für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Der Ausschluss der außerordentlichen Kündigung würde in derartigen Fällen dazu führen, dass z.B. bei dauernder krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit des Arbeitnehmers der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer bis zum Erreichen des Pensionsalters Leistungen erbringen müsste, ohne dass von diesem noch eine brauchbare wirtschaftliche Gegenleistung zu erwarten wäre (so BAG in NZA 1995, 1100). Dies ist allerdings bei S. nicht der Fall, denn S. war noch in der Probezeit und somit noch kündbar. Weitere Gründe, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung im Rahmen des Probearbeitsverhältnisses nicht als zumutbar erscheinen lassen, sind nicht erkennbar. Eine krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kommt somit vorliegend nicht in Betracht. Die Klägerin hat sich zuletzt auch hierauf nicht mehr gestützt. Zudem sind auch die Krankheitszeiten nicht spezifiziert worden.

Als wesentlichen Kündigungsgrund gibt die Klägerin vielmehr die Störung des Betriebsablaufes sowie die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses durch die Angabe der betrieblichen Telefonnummer und die Umstellung des Festnetzanschluses auf das Mobiltelefon des Geschäftsführers an. Einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses stellt jedoch die Aufgabe einer privaten Annonce mit Angabe der geschäftlichen Telefonnummer nicht dar, zumal der Nachweis, S. habe auf Kosten der Klägerin Telefonate geführt oder führen wollen, nicht erbracht werden konnte. Allein die evtl. für die Empfangnahme von Anrufen notwendige Arbeitszeit geht zu Lasten des Arbeitgebers. Dabei steht aber auch in keinster Weise fest, ob S. die Zeit für private Telefonate nicht evtl. hätte nacharbeiten wollen und können. Einen wichtigen Grund können lediglich umfangreiche unerlaubte und heimlich geführte Privattelefonate darstellen (vgl. Palandt aaO Rdnr 47; zur privaten Internetnutzung zuletzt: BAG vom 07.07.2005 - 2 AZR 581/04). Dass private Telefonate während der Dienstzeit von der Klägerin gänzlich ausgeschlossen worden bzw. verboten worden sind, wird von der Klägerin nicht vorgetragen. Von einem heimlichen Führen solcher Privatgespräche kann ebenfalls nicht ausgegangen werden, wenn S. von Hause aus allein im Büro tätig sein sollte. Auch hat die Klägerin weniger das Führen eventueller privater Telefonate als vielmehr die Störung des Betriebsablaufes als wichtigen Grund dargestellt. Die Telefonate aufgrund der Annonce, die vom betrieblichen Telefon auf das Mobiltelefon des Geschäftsführers weitergeleitet worden sind, haben möglicherweise zu einer solchen Beeinträchtigung geführt. Der Geschäftsführer hätte jedoch bei geschäftlichen Gesprächen jederzeit das Mobiltelefon ausschalten können. Wollte er dies nicht, um eingehende Anrufe nicht zu verpassen, so wäre - eine alleinige Tätigkeit der S. in der Firma zu dieser Zeit unterstellt - er auch durch betrieblich bedingte Telefonate gestört worden oder hätte gestört werden können. Wollte er für die Zeit geschäftlicher Verhandlungen ungestört bleiben, hätte ggf. in der Firma eine Ersatzkraft zur Verfügung gestellt werden müssen. Ein wichtiger Grund ist in dieser, nach den Ausführungen der Klägerin lediglich einen Tag dauernden, betrieblichen Beeinträchtigung nicht zu sehen.

Im Übrigen ist eine Abmahnung hier wegen der lediglich kurzfristigen Beeinträchtigung des Betriebsablaufes und des geringen Verstoßes der S. als erforderlich anzusehen.

Die Nichtbeachtung einer Abmahnung rechtfertigt i.d.R. die Prognose einer Wiederholungsgefahr (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht / Müller-Glöge, 5.Aufl, § 626 Rdnr 39). Grundsätzlich gehören nicht nur die generell möglichen, sondern auch die jeweils konkret eingetretenen betrieblichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen einer bestimmten Störung des Arbeitsverhältnisses zu dem vom Kündigenden darzulegenden und ggf. zu beweisenden Kündigungsgrund (Erfurter Kommentar aaO Rdnr 63). Die private Nutzung des betrieblich vorgehaltenen Internet-Anschlusses durch den Arbeitnehmer ist, sofern dadurch nicht die Pflicht zur Arbeitsleistung verletzt wird, ohne besonderes Verbot nicht pflichtwidrig, wenn etwaige (Mehr-)Kosten vom Arbeitnehmer erstattet werden. Es gelten insofern die gleichen Grundsätze wie bei der Führung von Privatgesprächen über die Telefonanlage des Arbeitgebers (Erfurter Kommentar aaO Rdnr 98b). Unerlaubte private Telefongespräche, die über die betreibliche Fernsprechanlage auf Kosten des Arbeitgebers geführt werden, können zur fristlosen Kündigung berechtigen. Besteht kein betriebliches Verbot privater Telefongespräche, kann aber der Umfang den geduldeten Rahmen so eindeutig überschreiten, dass wegen der in dieser Zeit unterbliebenen Arbeitsleistung und etwaiger Sachkosten nach entsprechender Abmahnung ein wichtiger Grund an sich gegeben ist (Erfurter Kommentar aaO Rdnr 858). Eine Abmahnung halten jedoch für erforderlich: LAG Niedersachen, Urteil vom 13.01.1998 - 13 Sa 1235/97 - veröffentl. in juris - sowie LAG Nürnberg, Teilurteil vom 06.08.2002 - 6(5) Sa 472/01 - veröffentl. in juris. Dabei geht das LAG Nürnberg davon aus, ein wichtiger Grund liege auch nicht darin, dass private Telefonate während der Arbeitszeit auf Kosten des Arbeitgebers geführt werden. In keinem Fall aber berechtige dieses Verhalten jedoch ohne vorherige Abmahnung zur außerordentlichen Kündigung. Im Übrigen verbiete auch die Arbeitsordnung Privattelefonate nicht völlig. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, diese Telefonate hätten ein übermäßiges Ausmaß erreicht. Insbesondere erscheint angesichts dessen, dass solche Gespräche in gewissem Rahmen erlaubt sind, der Verstoß als keineswegs besonders gewichtig. Ein wichtiger Grund besteht auch nicht darin, dass S. eine gewisse Zeit Privattelefonate während ihrer Arbeitszeit geführt und damit ihre Arbeitspflicht verletzt hätte, wenn sie nicht krank geworden wäre. Auch diesbezüglich gilt, dass ein solches Verhalten in gewissem Umfang in der Arbeitsordnung ausdrücklich gestattet sein dürfte. Im Übrigen hätte es, wollte die Klägerin dies nicht dulden, insoweit einer eindeutigen Anweisung und einer entsprechenden Abmahnung bedurft (vgl. zum Ganzen: LAG Nürnberg aaO).

Das - hier lediglich beabsichtigte, wegen Krankheit aber nicht erfolgte - Führen privater Telefonate stellt ohne Abmahnung dann keinen wichtigen Grund i.S. des § 626 dar, wenn in der Arbeitsordnung solche Gespräche "in dringenden Fällen" erlaubt sind, wenn der Arbeitgeber Gespräche bisher geduldet hat. Das Verhalten genügt ohne Abmahnung auch nicht für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung (LAG Nürnberg, aaO). Vorliegend hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass von Anfang an private Telefongespräche während der Arbeitszeit für S. ausgeschlossen waren. Auch aus dem Arbeitsvertrag ergeben sich diesbezüglich keine Erkenntnisse.

Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Klägerin sich einem ausdrücklichen Verbot des Privattelefonierens nicht gefügt hätte (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 13.0.1.1998 - 13 SA 1235/97 - veröffentl. in juris).

Aus den Angaben der S. ist auch zu entnehmen, dass sie von der Firmenleitung hierauf angesprochen worden ist, von einer Kündigung zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht die Rede gewesen ist. Dahingestellt bleiben kann auch, ob die zweiwöchige Erklärungsfrist zur außerordentlichen Kündigung nach dem Verstoß der S. eingehalten worden ist, zumal S. unwidersprochen angegeben hat, sie sei von der Klägerin auf ihr Verhalten hin angesprochen worden, ohne dass von einer Kündigung die Rede gewesen sei.

Eine Störung im Vertrauensbereich liegt hier nicht vor, wobei insoweit in der Regel eine Abmahnung nicht erforderlich wäre (vgl. Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht / Wank, 2.Aufl., § 120 Rdnr 54). Dabei umfasst der Vertrauensbereich das persönliche Vertrauen und die gegenseitige Achtung der Vertragspartner, aus denen sich die Treuepflicht des Arbeitnehmers und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt (Münchner Handbuch / Wank aaO Rdnr 70). Verhaltensbedingte Leistungsstörungen sind nur dann kündigungsrelevant, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind (BAG vom 21.01.1999 AP BGB § 626 Rdnr 151). Jedoch kommt es bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen nicht auf eine Wiederholungsgefahr an, wenn die durch die Pflichtverletzung verursachte Störung des Vertrauensverhältnisses anhält (BAG vom 05.04.2001 AP BGB § 626 Nr 171). Dies ist vom Kündigenden darzulegen, wenn sich die Besorgnis nicht bereits aus Art und Entwicklung der bisherigen Stellung ergibt.

Eine besondere - über das normale Maß einer Bürokraft hinausgehende - Vertrauensstellung hatte S. im Betrieb der Klägerin als Bürokraft nicht inne. Eine solche besteht nicht bereits dann, wenn in einer Firma lediglich ein Mitarbeiter mit Bürotätigkeiten betraut ist. Dabei hat die Klägerin selbst angegeben, S. habe den Urlaub der weiteren Geschäftsführerin für private Zwecke ausnutzen wollen. Dies lässt jedoch allein den Schluss zu, dass zumindest in der Regel eine weitere Person in den Büroräumen anwesend war, die S. auch hat überwachen können. Eine Vertrauensstellung unterstellt, würde sich diese jedoch rein auf den Umgang mit der S. bekannten Interna der Firma beschränken. Eine besondere Vertrauensstellung dahingehend, keine privaten Telefonate während der Dienstzeit zu führen, entsteht hierdurch jedoch nicht. Für das Vorliegen einer besonderen Vertrauensstellung finden sich weder im Arbeitsvertrag vom 21.12.1998 noch sonst Hinweise.

Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung liegt damit nicht vor. Die Klägerin hat den erhaltenen EZ zurückzuzahlen. Der hierzu erlassene Bescheid vom 19.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.1999 ist rechtmäßig. Die Berufung der Klägerin ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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