L 14 R 371/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 4339/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 371/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24. März 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf höhere Witwenrente der Klägerin unter Berücksichtigung von behaupteten Zeiten der Beschäftigung des verstorbenen Ehemanns bei einer schwedischen Reederei streitig.

Der im November 1940 geborene und im Dezember 1998 verstorbene Ehemann hatte in den in den Jahren 1980, 1992 und 1998 eingeleiteten Beitrags-, Kontenklärungs- und Rentenverfahren nacheinander folgendes angegeben: "Auslandsaufenthalt" (nach Beschäftigungszeiten bis Oktober 1966); "Schweden Malmö Dezember 1973 bis Dezember 1978" (diese Angabe ist nachträglich wieder gestrichen worden); "ca. fünf Jahre Heuerstelle 2000, H.H., A. o.ä., P. und O. , Eigner und Reederei G. (ca. 1977 bis 1982). Die Beklagte hatte mit Bescheiden vom 17.11.1981 und 06.09.1982 die nach deutschem Recht zwischen April 1956 und Oktober 1968 zurückgelegten Versicherungszeiten festgestellt und den Kläger mit Schreiben vom 05.08.1992 darauf hingewiesen, dass nach dem deutsch-schwedischen Sozialversicherungsabkommen vom 27.02.1976 für den Erwerb eines Leistungsanspruchs die in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten zusammengerechnet würden, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfielen. Eine Überschreibung schwedischer Versicherungszeiten auf die deutsche Rentenversicherung bzw. deutscher Rentenversicherungszeiten auf die schwedische Rentenversicherung sei im Abkommen nicht vorgesehen.

Mit Bescheid vom 09.12.1998 gewährte die Beklagte auf Antrag vom 17.04.1998 dem Versicherten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.04.1998 als vorläufige Leistung gemäß Art.45 Abs.1 der Verordnung Nr. 574/72 EWG. In dem Bescheid ist ausgesprochen, dass die Rente vorläufig allein nach den deutschen Gesetzen festgestellt worden und noch unter Berücksichtigung der Verordnungen (EWG) 1408/71 und 574/72 festzustellen sei, weil neben Versicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung auch Versicherungszeiten in einem anderen EG-Mitgliedstaat zurückgelegt worden seien; im Rahmen des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum gelte im Verhältnis der Bundesrepublik zu Schweden das Europäische Gemeinschaftsrecht der Sozialen Sicherheit, und Schweden sei wie ein EG-Mitgliedstaat zu behandeln. Die Rente werde endgültig festgestellt, sobald die maßgeblichen Angaben des schwedischen Versicherungsträgers vorlägen. Eine Übertragung oder Abgeltung mitgliedstaatlicher Versicherungszeiten sei aber grundsätzlich nicht vorgesehen.

Zu einer endgültigen Feststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente kam es mangels sachdienlicher Angaben und wegen des Todes des Versicherten am 21.12.1998 nicht mehr. Mit Schreiben vom 31.12.1998 stellte die Klägerin am 05.01.1999 einen Antrag auf Witwenrente und erklärte noch im Januar 1999 gegenüber dem Versicherungsamt, auf die Beantragung einer Rente nach schwedischen Vorschriften zu verzichten, weil sie keine Unterlagen ihres Mannes mehr habe und auch keine Angaben machen könne. Mit Bescheid vom 23.02.2000 gewährte die Beklagte große Witwenrente ab 01.01.1999 als vorläufige Leistung gemäß Art.45 der Verordnung Nr. 574/72 EWG. Erneut ergingen die Hinweise, dass die Rente vorerst nach innerstaatlichen Vorschriften festgesetzt worden sei und die Rente endgültig festgestellt werde, sobald die maßgeblichen Angaben des mitgliedstaatlichen Versicherungsträgers vorlägen, weiterhin, dass jeder Versicherungsträger in eigener Zuständigkeit unter Anwendung der für ihn maßgeblichen Rechtsvorschriften über den Rentenanspruch entscheide und die Übertragung oder Abgeltung mitgliedstaatlicher Versicherungszeiten grundsätzlich nicht vorgesehen sei. Im Anschluss hieran richtete die Beklagte eine Anfrage an den schwedischen Versicherungsträger in Stockholm zu dortigen Versicherungszeiten unter Angabe der bisher bekannt gewordenen Daten. Daraufhin übermittelte der schwedische Versicherungsträger das Formblatt E 205 vom 05.04.2000, wonach keinerlei Versicherungszeiten oder gleichgestellte Zeiten nach den schwedischen Gesetzen festgestellt werden konnten.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.04.2000 stellte die Beklagte die bewilligte Witwenrente als rein innerdeutsche Leistung endgültig fest, weil über den ausländischen Versicherungsträger keine Versicherungszeiten zu ermitteln gewesen seien. Dieser Bescheid wurde mit einfachem Brief versandt, ohne dass ein Vermerk über das Datum zur Aufgabe zur Post gefertigt wurde.

Mit einem bei der Beklagten am 25.05.2000 eingegangenen Schreiben legte der für die Klägerin vom September 1999 bis September 2000 bestellte Betreuer Widerspruch gegen den angeblich am 25.04.2000 zugegangenen Bescheid vom 17.04.2000 ein, den er später trotz Aufforderung nicht begründete. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2000 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg machte die Klägerin geltend, ihr Ehemann sei einige Jahre bei einer schwedischen Reederei beschäftigt gewesen; diese Zeit solle per Schätzung berücksichtigt werden, weil ihre Witwenrente sehr niedrig sei.

Mit Urteil vom 24.03.2005 wies das Sozialgericht die Klage wegen Unbegründetheit ab. Schweden sei seit dem Jahre 1995 Mitglied der Europäischen Union, und die Anerkennung von Versicherungszeiten richte sich nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14.06.1971 über die Anwendung der Systeme der Sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Nach Art.94 Abs.2 der Verordnung gelte dies für sämtliche Versicherungszeiten unabhängig vom Zeitpunkt des Beitritts Schwedens zur Europäischen Union. Das Verfahren zur Feststellung entsprechender Versicherungszeiten sei in der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 vom 21.03.1972 geregelt. Der persönliche und sachliche Geltungsbereich sei für die Anwendung des europäischen Rechts gegeben. Nach Art.44 Abs.2 Satz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 werde bei einem Antrag auf Rentenleistungen wegen Alters oder Tod das Feststellungsverfahren für alle in Frage kommenden Mitgliedstaaten eingeleitet. Gemäß Art.45 Abs.1 dieser Verordnung berücksichtige der zuständige Träger eines Mitgliedstaates auch nach den Rechtsvorschriften der anderen Mitgliedstaaten zurückgelegte Versicherungs- oder Wohnzeiten. Das Verfahren hierzu sei in der Verordnung Nr. 574/72 festgelegt. Hieraus ergebe sich, dass der deutsche Versicherungsträger nur die Zeiten berücksichtigen könne, die der ausländische Versicherungsträger festgestellt habe. Der deutsche Träger sei somit keinesfalls berechtigt, von sich aus schwedische Versicherungszeiten festzustellen, sondern lediglich verpflichtet, das Feststellungsverfahren in Gang zu bringen und die Feststellungen der ausländischen Versicherungsträger im vorgeschriebenen Umfang zu berücksichtigen. Wenn der schwedische Versicherungsträger keine Versicherungszeiten nach seinem Recht habe feststellen können, so sei dies für den deutschen Versicherungsträger verbindlich. Das Verfahren sei im Einzelnen nach den Art.41 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 geregelt. Insbesondere Art.43 Abs.2 dieser Verordnung bestimme, dass allein der schwedische Versicherungsträger berechtigt sei, nach seinen schwedischen Rechtsvorschriften zu prüfen und festzustellen, ob schwedische Versicherungszeiten vorlägen. Dies sei nach dem vorgeschriebenen einheitlichen Formblatt E 205 geschehen. Auch das Bundessozialgericht habe im Urteil vom 25.02.1992 - 4 RA 28/91 - festgestellt, dass dies für den deutschen Versicherungsträger verbindlich sei.

Ergänzend wies das Sozialgericht darauf hin, dass es durchaus möglich sein könne, dass der Kläger für die schwedische Reederei unter der Flagge eines anderen Staates gefahren sei, so dass sich keine Versicherungszeiten für Schweden ergeben würden.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht die Klägerin geltend, das Urteil entspreche in wesentlichen Ausführungen nicht den Tatsachen und stelle für sie eine unzumutbare Härte dar. Der Zeitraum, in dem ihr Ehemann bei einer Reederei in Schweden tätig gewesen sei, betrage keinesweg fünf bis sechs Jahre, sondern belaufe sich auf die Zeit vom 01.11.1968 bis 30.06.1986; diese Zeit dürfte in etwa die Hälfte der Berechnungszeit für die Rente darstellen.

Der Senat hat die Versichertenakte der Beklagten beigezogen und die Klägerin mit zwei Schreiben vom 22.06. und 15.07.2005 auf die maßgebenden Rechtsgrundsätze hingewiesen, weiterhin darauf, dass offensichtlich ein Irrtum vorliege, wenn sie glaube, dass schwedische Versicherungszeiten die deutsche Rente maßgebend erhöhen könnten. Die Klägerin hat hierauf nicht reagiert.

Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts vom 24.03.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhere Witwenrente unter Berücksichtigung schwedischer Versicherungszeiten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf sowie auf die Versichertenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil die Beklagte bei der Rentenberechnung nur dann ausländische Versicherungszeiten berücksichtigen darf, wenn sie vom zuständigen schwedischen Versicherungsträger festgestellt worden sind. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen und insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG).

Lediglich zum Verständnis der Klägerin führt der Senat ergänzend aus, dass sie die in den Bescheiden der Beklagten angeführte "Berücksichtigung" schwedischer Versicherungszeiten falsch verstanden hat. Zunächst bedeutet dieser Begriff der "Berücksichtigung", dass innerhalb der EU ausländische Versicherungszeiten mit heranzuziehen sind, wenn der Berechtigte die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente dem Grunde nach nicht erfüllt, weil zum Beispiel die Wartezeit von 60 Monaten nicht erreicht wird oder - dies spielt nur für die Renten wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit bzw. wegen geminderter Erwerbsfähigkeit eine Rolle - die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen allein nach den innerstaatlichen Vorschriften nicht gegeben sind (Art.45 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71). Aufgrund dieser Vorschriften kann ein Rentenanspruch, der allein nach innerstaatlichem Recht nicht bestehen würde, durch Heranziehung der Zeiten in zwei Mitgliedstaaten erlangt werden; dies betrifft aber nur einen Rentenanspruch dem Grunde nach, und eine Erhöhung der Rente durch Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten bei der Rentenberechnung ist nicht gegeben.

Hieran ändert auch Art.46 der Verordung (EWG) Nr. 1408/71 grundsätzlich nichts, wenn er in Abs.1 Buchstabe a zwei verschiedene Rentenberechnungen vorsieht, einmal allein nach den von einem Mitgliedstaat der EG anzuwendenden Rechtsvorschriften, ein ander Mal - unter bestimmten Voraussetzungen - unter "Berücksichtigung" der ausländischen Versicherungszeiten. Letzterenfalls wird nämlich nur ein theoretischer Betrag der Rente errechnet, auf die die betreffende Person einen Anspruch hätte, wenn sie alle in Mitgliedstaaten der EU zurückgelegten Versicherungs- und/oder Wohnzeiten nur in einem einzigen Staat zurückgelegt hätte (Art.46 Abs.2 Buchstabe a der Verordnung). Aus dem theoretischen Rentenbetrag ist aber dann der zu zahlende Betrag dadurch zu errechnen, dass nur eine anteilige Rente berechnet wird, und zwar entsprechend dem Verhältnis der allein in dem rentengewährenden Mitgliedstaat zurückgelegten Zeiten und der Gesamtzeiten (Art.46 Abs.2 Buchstabe b der Verordnung). Bei einer solchen Berechnung werden Besonderheiten in den Rechtssystemen der zwei beteiligten EG-Staaten berücksichtigt, aber es ergeben sich grundsätzlich nur minimale Abweichungen nach unten oder nach oben hinsichtlich einer Rente, die allein nach innerstaatlichen Vorschriften berechnet würde. Einer der Ausnahmefälle, dass der Versicherte im Ausland nur eine Versicherungszeit von weniger als einem Jahr zurückgelegt hat und diese Zeit in die Rentenversicherung des zweiten Mitgliedstaats übernommen wird, kann außer Betracht bleiben, weil vorliegend eben für die Beklagte verbindlich festgestellt ist, dass der Ehemann der Klägerin in Schweden keine Versicherungszeiten zurückgelegt hat.

Worauf dies zurückzuführen ist, ist letztlich unerheblich. Der Senat erwähnt daher nur nebenbei die Möglichkeit, dass der Ehemann der Klägerin weder mit Wohnsitz in Schweden gemeldet gewesen noch dort zur staatlichen Einkommensteuer veranlagt worden sein könnte und daher eine Einbeziehung in die schwedische Rentenversicherung nicht stattfand.

Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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