L 1 R 4201/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 254/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 4201/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Landshut vom 24. Juni 2004 wird zurückgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des monatlichen Zahlbetrages einer Altersrente - hier die Zulässigkeit einer Aufrechnung mit Rückforderungsansprüchen der Beklagten aus einer überzahlten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der 1933 geborene Kläger war ab 1961 als Redakteur und selbstständiger Journalist erwerbstätig, lebte nach eigenen Angaben ab April 1988 in Belgien und hat dort keine Rentenversicherungszeiten zurückgelegt. Er macht seit vielen Jahren in verschiedenen Verfahren gegenüber der Beklagten und der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen - Künstlersozialkasse - (KSK) geltend, er unterliege seither nicht mehr dem deutschen, sondern allein dem belgischen Sozialversicherungsrecht (z. B. Verfahren S 11 RA 214/98, S 11 RA 284/00 ER, L 1 B 20/01 RA ER). Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wohnte der Kläger im Landkreis P. , im Jahr 2003 verzog er nach Österreich.

Vom 01.10.1989 bis 30.06.1993 bezog der Kläger von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit und ab Juli 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 02.07.1992 und 26.06.1995).

Nachdem der Kläger gegenüber dem Bundesversicherungsamt wiederholt angegeben hatte, er übe - entgegen einer schriftlichen Erklärung im Rentenverfahren gegenüber der Beklagten vom 12.07.1993 - seine selbstständige journalistische Tätigkeit weiterhin aus (u. a. vom 01.09.1990 bis 30.06.1996 für den Deutschen F.verband und vom 01.04.1990 bis 30.11.1994 für den Verlag D. GmbH), hob die Beklagte den Bescheid vom 26.06.1995 mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.12.1996 mit Wirkung ab 01.07.1993 wegen fortbestehender selbstständiger Tätigkeit (und damit fehlender Erwerbsunfähigkeit) auf. Mit ebenfalls bestandskräftigem Bescheid vom 15.01.1997 bewilligte sie dem Kläger ab 01.07.1993 statt dessen eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und stellte für die Zeit vom 01.07.1993 bis 28.02.1997 eine Überzahlung in Höhe von 17.312,26 DM fest.

Seit 01.05.1998 bezieht der Kläger Regelaltersrente aus den von 1950 bis 1989 in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten (Bescheid vom 25.06.1998).

Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 26.11.1998) teilte die Beklagte ihm mit, die mit Bescheid vom 15.01.1997 entstandene Überzahlung werde ab 01.07.1999 mit der monatlichen Rente zur Hälfte aufgerechnet (Schreiben vom 18.05.1999).

Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger im wesentlichen damit, die Aufrechnung führe zur Sozialhilfebedürftigkeit, da er für ein zwölfjähriges Kind zu sorgen habe. Im übrigen gründe sich das Verfahren auf einen rechtswidrigen Grundbescheid vom 18.12.1996 (bestandskräftige Aufhebung der EU-Rente). Die Beklagte sei für den Erlass dieses Bescheides nicht zuständig gewesen, da für den Kläger zum fraglichen Zeitpunkt allein belgisches Sozialversicherungsrecht gegolten habe. Danach seien Erwerbseinkünfte von bis zu 431.610 belgische Franc netto rentenunschädlich. Schriftstellerische und wissenschaftliche Tätigkeiten seien sogar unbegrenzt zulässig.

Um Zweifeln an der formellen Rechtmäßigkeit der Aufrechnungserklärung vom 18.05.1999 zu begegnen, nahm die Beklagte diese zurück (Schreiben vom 21.01.2000), hörte den Kläger (unter Herabsetzung des Aufrechnungsbetrages wegen Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter) erneut an (Schreiben vom 10.04.2000) und teilte ihm mit Bescheid vom 18.05.2000 mit, sie verrechne gemäß § 51 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) die mit Bescheid vom 15.01.1997 entstandene Überzahlung in Höhe von 17.312,26 DM mit der laufenden Rentenzahlung. Hierzu werde sie monatlich einen Betrag von 635,94 DM einbehalten.

Der Kläger erhob auch dagegen Widerspruch. Er wiederholte seine bisherige Widerspruchsbegründung und erklärte, er habe durch die Nichtbeendigung der Künstlersozialversicherung (KSV) und die Nichtversicherung in der belgischen Sozialversicherung ab 01.04.1988 einen finanziellen Schaden erlitten.

Die Zeiten ab April 1988 beruhen auf der selbstständigen publizistischen Tätigkeit des Klägers für Auftraggeber in Deutschland. Hierfür wurde bei den betreffenden Auftraggebern die so genannte Künstlersozialabgabe (§ 23 Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG -) für die Zeit bis zum 28.03.1989 erhoben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Erhebung der Künstlersozialabgabe im Falle des Klägers als mit Gemeinschaftsrecht (insbesondere Artikel 13 Abs. 1, 2 Buchst. b, 14 a VO 1408/71) vereinbar erklärt, da der Kläger hierbei selbst nicht mit Beiträgen in Deutschland belastet werde und somit für seine Tätigkeit keiner doppelten Beitragsbelastung in Deutschland und Belgien unterliege (Urteil vom 08.03.2001 Az.: C-68/99). Das Landessozialgericht Niedersachsen hat eine von der KSK getroffene Feststellung bestätigt, wonach die Rentenversicherungspflicht des Klägers aufgrund einer erst im November 1989 erfolgten Meldung, seinen Wohnsitz nach Belgien verlegt zu haben, gemäß § 8 Abs. 2 KSVG erst zum 30.11.1989 geendet hat (Beschluss vom 02.05.1995).

Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.08.2000). Die Widerspruchsbegründung beziehe sich nicht auf die streitige Aufrechnung. Die Feststellung der Überzahlung und die Entscheidung über deren Rückforderung nach § 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sei im bestandskräftigen Bescheid vom 15.01.1997 erfolgt. Der Widerspruchsausschuss habe daher ausschließlich zu entscheiden, ob die Beklagte im Rahmen des § 51 Abs. 2 SGB I ihr Ermessen hinsichtlich der Aufrechnung und der Höhe des aufzurechnen Betrages pflichtgemäß ausgeübt habe. Davon sei nach Überprüfung auszugehen. Der Kläger beziehe nach den vorliegenden Unterlagen eine Altersrente in Höhe von 1.326,94 DM und nach einem Steuerbescheid für das Jahr 1998 monatlich 989,00 DM aus selbstständiger Tätigkeit. Unter Berücksichtigung eines unterhaltsberechtigten Angehörigen betrage der pauschalierte Bedarfssatz im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes 1.680,00 DM monatlich, so dass bei einer Aufrechnung in Höhe von 635,94 DM keine Sozialhilfebedürftigkeit entstehe. Der Kläger habe auf ausdrückliche Anfrage keine Verschlechterung seiner Einkommensverhältnisse und keine weiteren unterhaltsberechtigten Personen angegeben.

Dagegen hat der Kläger am 17.10.2000 (Eingang bei Gericht) beim Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, zum einen seien (während des Bezugs der EU - Rente) die nach dem deutschen Recht festgelegten Grenzen für Hinzuverdienste nicht erreicht worden und zum anderen müsse hier belgisches Sozialversicherungsrecht angewandt werden, das solche Grenzen nicht kenne. Er unterliege seit 01.04.1988 allein dem belgischen Sozialversicherungsrecht.

Gleichzeitig hat er seine Klage gegenüber der Beklagten auf eine Neugestaltung seines Versicherungsverhältnisses ab 01.04.1988 (Überführung in die belgische Sozialversicherung) und eine rückwirkende Erhöhung seiner Rentenbezüge (um eine fiktive belgische Rente) erweitert sowie Klage gegen die KSK, die Barmer Ersatzkasse sowie die Bundesrepublik Deutschland erhobenen mit dem Ziel, seine bundesdeutschen Sozialversicherungsverhältnisse für die Zeit ab 01.04.1988 rückabzuwickeln.

Das SG hat die gegen die weiteren Beklagten gerichteten Verfahren abgetrennt (Beschluss vom 20.02.2001) und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (betreffend alle Klagen) abgelehnt (Beschluss vom 14.10.2000 Az.: S 11 RA 284/00 ER, bestätigt durch Beschluss des Bayerischen Landessozialgericht vom 25.01.2002 Az.: L 1 B 20/01 RA ER).

Ein Befangenheitsantrag und eine Strafanzeige gegen den Vorsitzenden Richter des SG blieben erfolglos (LSG Beschluss vom 01.02.2001 Az.: L 5 AR 9/01 RA, Einstellungsbeschluss vom 24.04.2001).

Bezüglich der streitigen Aufrechnung hat der Kläger lediglich vorgetragen, es bestehe noch eine Unterhaltspflicht gegenüber der von ihm dauernd getrennt lebenden Ehefrau. Nachweise hierfür hat er auch auf Aufforderung durch das SG nicht vorgelegt.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, nach einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts P. vom 18.06.2003 beziehe der Kläger neben der Altersrente auch Leistungen der Pensionskasse für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Rundfunkanstalten in Höhe von 1.115,16 EUR monatlich.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24.06.2004, zugestellt am 30.06.2004). Soweit der Kläger höhere Rente (unter Berücksichtigung belgischen Sozialversicherungsrechts) begehre, stehe einem solchen Anspruch der bindende Bewilligungsbescheid vom 20.05.1998 (richtig: 25.06.1998) entgegen. Ein Verfahren zur Aufhebung dieses Bescheides (nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -) habe der Kläger nicht initiiert. Bezüglich der Rentenversicherung des Klägers in Deutschland ab April 1988 habe der EuGH festgestellt, dass die Erhebung der Künstlersozialabgabe nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Eine Korrektur der Beitragszahlung könne allenfalls von der Einzugsstelle, keinesfalls aber von der Beklagten, vorgenommen werden. Auch die durchgeführte Aufrechnung sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe aufgrund der zu Unrecht gewährten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu Recht eine Überzahlung in Höhe von 17.312,46 DM festgestellt und sei gemäß § 51 SGB I zur Aufrechnung berechtigt. Sie sei als rentengewährende Stelle für den Erlass des Aufhebungsbescheides vom 18.12.1996 zuständig gewesen und habe die gesetzlichen Grenzen des § 51 SGB I (Aufrechnung bis zur Hälfte des monatlichen Rentenbetrages, soweit keine Sozialhilfebedürftigkeit eintritt) eingehalten. Eine Unterhaltspflicht gegenüber der dauernd getrennt lebenden Ehefrau sei nicht nachgewiesen und stehe aufgrund der weiteren Einkünfte des Klägers (Leistungen der Pensionskasse) einer Aufrechnung auch nicht entgegen.

Dagegen hat der Kläger am 20.09.2004 (Eingang bei Gericht) beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, er habe ab April 1988 ausschließlich dem belgischen Sozialversicherungsrecht unterlegen. Für die Feststellung seines Anspruchs auf Rente sei ab diesem Zeitpunkt nach Art. 39 VO 1408/71 allein der belgische Rentenversicherungsträger zuständig. Durch die weitere Einbeziehung in die deutsche Rentenversicherung habe er keine belgischen Anwartschaften erwerben können. Sein Rentenanspruch würde nach belgischem Recht 775,47 EUR monatlich betragen. Um diesen Betrag sei seine deutsche Rente zu erhöhen. Ersatzweise müsse die Beklagte ihm den Rentenausfall ersetzen. Außerdem habe die Beklagte durch falsche Auskünfte im Verfahren zum Versorgungsausgleich einen Rentenschaden verursacht. Sie habe seine Anwartschaften falsch berechnet, so dass Anwartschaften i.H. von 277,95 DM statt 247,33 DM auf seine geschiedene Frau übertragen worden seien. Im Übrigen sei aufgrund einer zwischenzeitlichen Verlegung seines Wohnsitzes nach Österreich (zum 01.06.2003) für das laufende Verfahren nicht mehr das BayLSG, sondern das SG Berlin zuständig.

Er beantragt sinngemäß, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 24.06.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2000 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten, das Versicherungsverhältnis des Klägers ab 01.04.1988 in die belgische Sozialversicherung zu überführen,

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 01.10.1989 höhere Rente nach Maßgabe des belgischen Sozialversicherungsrechts, hilfsweise Schadensersatz i.H. von 775,47 EUR jährlich zu zahlen und

4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Rentenschaden aus Versorgungsausgleich i.H. von 5.841,00 EUR zu zahlen.

Hilfsweise beantragt er, zur Frage des anwendbaren Rechts ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Sozialrecht oder eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten, des SG (Az.: S 11 RA 173/99 ER, 174/99, 175/99, 214/98, 245/00, 284/00 ER und 280/03 ER, S 10 KR 157/98 und S 1 SF 1/01, 2/01), und des LSG (Az.: L 5 AR 9/01 RA, L 1 B 20/01 RA ER) beigezogen. Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Ausgleich eines Rentenschadens aus Versorgungsausgleich nicht Gegenstand des angefochtenen Gerichtsbescheides gewesen sei und das LSG über den diesbezüglichen Antrag schon mangels funktioneller Zuständigkeit nicht entscheiden könne. Beabsichtigt sei, den Rechtsstreit bezüglich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche (entgangene belgische Rente und Versorgungsausgleich) an das zuständige Landgericht Berlin zu verweisen. Die Zuständigkeit des LSG werde durch den Wohnsitzwechsel des Klägers während des gerichtlichen Verfahrens nicht berührt (Schreiben vom 20.04., 26.04 und 17.05.2005, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2005).

Mit Beschluss vom 14.09.2005 hat der Senat die Schadensersatzklagen des Klägers an das Landgericht Berlin verwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogen Akten und der Berufungsakte Bezug genommen. Die Altersente wurde über den 30.06.1999 hinaus bis heute ungekürzt (nach)gezahlt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Der Senat kann in Abwesenheit des Klägers durch Urteil entscheiden. Der Kläger wurde mit der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung, die durch Niederlegung über das für seinen Wohnsitz in Österreich zuständige Bezirksgericht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen.

Das LSG ist für das Berufungsverfahren funktionell und örtlich zuständig, da sich die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Landshut richtet ( §§ 28 Abs. 1, 29 SGG i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGG). Ob die örtliche Zuständigkeit des SG gegeben war oder derzeit gegeben wäre, ist nicht zu prüfen, da im Berufungsverfahren auch hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit keine Rechtswegprüfung stattfindet (§ 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -). Im Übrigen berührt ein Wohnsitzwechsel des Beteiligten unabhängig davon, ob der Wechsel im Inland oder ins Ausland erfolgt, die durch den Wohnsitz bei Klageerhebung begründete örtliche Zuständigkeit nicht (§§ 57 Abs. 1 Satz 1, 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 1 Satz 1 GVG).

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 18.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2000 über die Aufrechnung des monatlichen Zahlbetrages der Altersrente des Klägers mit Rückforderungsansprüchen der Beklagten aus einer Rentenüberzahlung für die Zeit vom 01.07.1993 bis 28.02.1997. Über diese Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 1. Alternative SGG) hinaus begehrt der Kläger im Wege der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 2. Alternative SGG), seine ab 01.04.1988 in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten in die belgische Sozialversicherung zu überführen und im Wege der Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG), ihm ab 01.10.1989 höhere Rente nach Maßgabe des belgischen Sozialversicherungsrechts zu zahlen. Das SG hat diese Klagen mit Gerichtsbescheid vom 24.06.2004 zu Recht abgewiesen (unten 1.-3.). Soweit der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangener belgischer Rentenleistungen sowie erstmals im Berufungsverfahren den Ersatz eines Rentenschadens aus Versorgungsausgleich i.H.v. 5.841,00 EUR geltend macht, ist die Klage unzulässig (unten 4.).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Beschei- des vom 18.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2000. Der Bescheid verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

Die Beklagte kann gemäß § 51 Abs. 2 SGB I mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen (hier: überzahlte Erwerbsunfähigkeitsrente) gegen Ansprüche des Klägers auf Geldleistungen (hier: seine monatliche Altersrente) bis zu deren Hälfte aufrechnen, soweit der Kläger dadurch nicht hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bzw. seit 01.01.2005 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) wird.

Die Beklagte hat die Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit ab 01.07.1993 mit Bescheid vom 18.12.1996 gemäß § 45 SGB X aufgehoben und die für die Zeit vom 01.07.1993 bis 28.02.1997 eingetretene Überzahlung unter Berücksichtigung der ab 01.07.1993 wiederbewilligten Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Bescheid vom 15.01.1997 auf 17.312,26 DM festgesetzt (§ 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Beide Bescheide sind mangels Widerspruchs des Klägers bindend geworden (§ 77 SGG). Der Kläger ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB I zur Erstattung der überzahlten Rentenbeträge verpflichtet, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes bedarf.

Der angefochtene Bescheid vom 18.05.2000 sowie der zu Grunde liegende Aufhebungsbescheid vom 18.12.1996 und der Bewilligungsbescheid vom 15.01.1997 sind nicht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit der Beklagten nichtig (§ 40 Abs. 1 SGB X), denn die vom Kläger zur Diskussion gestellte Zuständigkeitsverteilung zwischen den Sozialversicherungsträgern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begründet keine offensichtliche Unzuständigkeit der Beklagten (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-2500 § 109 Nr. 3).

Ergänzend sei aber auf Folgendes hingewiesen: Die Zuständigkeit der Beklagten für Entscheidungen über Rentenansprüche des Klägers aus der deutschen Rentenversicherung ergibt sich aus Artikel 40 Abs. 1 i.V.m. Kapitel 3 der VO 1408/71 (Abs. 2 a.a.O. regelt lediglich eine vorübergehende Leistungspflicht des Staates, dessen Rechtsvorschriften bei Eintritt der Invalidität gelten). Danach gewähren die Mitgliedstaaten Leistungen bei Invalidität, Alter und Tod nach Maßgabe ihres nationalen Rechts als Teilrente (Artikel 46, 47 VO 1408/71). Zuständiger Träger im Sinne der Art. 45 ff. VO 1408/71 ist dabei der Träger, gegen den der Kläger einen Leistungsanspruch hat oder hätte, wenn er im Gebiet der Bundesrepublik wohnen würde (Art. 1 Buchst. o) lit. ii VO 1408/71). Dies ist die Beklagte als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten. Entgegen der Ansicht des Klägers führen weder Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 14c VO 1408/71 noch Art. 37 ff. VO 1408/71 zu einer Zuständigkeit des belgischen Sozialversicherungsträgers für die Gewährung von Renten aus deutschen Versicherungszeiten oder zur Anwendbarkeit belgischen Sozialversicherungsrechts bei der Feststellung der Höhe einer Leistung aus der deutschen Rentenversicherung. Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 14c VO 1408/71 führten zwar für die Dauer der Wohnsitzname in Belgien zu einer Integration des Klägers in das belgische Sozialversicherungssystem nach Maßgabe der dortigen Vorschriften. Eine umfassende Leistungszuständigkeit der belgischen Sozialversicherungsträger ergibt sich daraus jedoch nicht. Die Leistungszuständigkeit ist für die verschiedenen Sozialleistungsbereiche in der VO 1408/71 individuell geregelt. Maßgebend für die Gewährung von Renten wegen Invalidität, Alter und Tod sind dabei Art. 37 ff. VO 1408/71. Allerdings finden Art. 37-39 VO 1408/71, aus denen der Kläger eine Alleinzuständigkeit des belgischen Sozialversicherungsträgers beziehungsweise einen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistungen in Höhe der nach belgischem Sozialversicherungsrecht zu leistenden Rente herleiten will, hier keine Anwendung, da für den Kläger rentenversicherungsrechtlich nicht ausschließlich Rechtsvorschriften galten, nach denen die Höhe der Leistung bei Invalidität von der Dauer der Versicherungszeit unabhängig ist (vgl. die Überschrift zu Kapitel 2 Abschnitt 1 VO 1408/71). Aus den nach Bundesrecht zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten werden Renten nur abhängig von der Dauer der Versicherungszeit gewährt, so dass hier Art. 40 Abs. 1 i.V.m. Art. 44 ff. VO 1408/71 (Kapitel 2 Abschnitt 2, Kapitel 3 VO 1408/71) Anwendung findet. Für eine Geltung belgischen Sozialversicherungsrechts bei der Feststellung der Höhe einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bieten diese Vorschriften - ebenso wie das übrige Gemeinschaftsrecht und in Übereinstimmung mit der lediglich koordinierenden Funktion der Verordnung - keine Rechtsgrundlage.

Gegen die Höhe des Aufrechnungsbetrages bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat unter Berücksichtigung des monatlichen Zahlbetrages der Altersrente des Klägers und der von ihm mit Vorlage des letzten Einkommensteuerbescheides (für das Steuerjahr 1998) angegebenen sonstigen Einkünfte sowie einer angegebenen Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind zutreffend festgestellt, dass eine Aufrechnung in Höhe von 635,94 DM monatlich nicht zu einer Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers führt. Eine zwischenzeitliche Verschlechterung seiner Einkommensverhältnisse hat der Kläger - auch auf Nachfrage des SG - nicht geltend gemacht. Vielmehr bezieht er neben der Altersrente Leistungen einer Pensionskasse in Höhe von monatlich 1.115,16 EUR (Stand 2003) und verfügt somit über ein weit höheres Einkommen, als noch von der Beklagten zu Grunde gelegt. Für eine behauptete Unterhaltspflicht gegenüber seiner zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Der Kläger hat hierzu keine näheren Angaben gemacht, die zu Ermittlungen Anlass geben könnten. Auch durch das zum 01.01.2005 in Kraft getretene SGB XII ergibt sich - eine fortbestehende Unterhaltspflicht gegenüber der inzwischen volljährigen Tochter unterstellt - keine Änderung hinsichtlich einer möglichen Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers. Eine die Leistungen der Pensionskasse überschreitende Erhöhung der Bedarfssätze ist durch diese Rechtsänderung nicht erfolgt.

2. Soweit der Kläger begehrt, sein Rentenversicherungsverhältnis ab 01.04.1988 in die belgische Sozialversicherung zu überführen, ist hierfür weder dem Bundesrecht noch dem koordinierenden europäischen Sozialrecht eine Anspruchsgrundlage zu entnehmen.

Der Kläger hat in der deutschen Rentenversicherung nach dem 31.03.1988 im Rahmen der KSV bis März 1989 Beitragszeiten aufgrund der in der KSV bindend (§ 77 SGG, Beschluss des LSG Niedersachsen vom 02.05.1995) festgestellten Versicherungspflicht zurückgelegt. Die Vereinbarkeit der zu Grunde liegenden Künstlersozialabgabe mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Art. 13, 14c VO 1408/71, hat der EuGH im Falle des Klägers ausdrücklich bestätigt. Eine Überführung solcher nationalen Versicherungszeiten in die Versicherungslast eines anderen Mitgliedstaates sieht das Gemeinschaftsrecht nicht vor. Auch der Kläger hat hierfür keine Rechtsgrundlage benennen können, sondern sich stets nur auf die oben genannten allgemeinen Zuständigkeitsregelungen berufen. Träfe die Ansicht des Klägers zu, dass er ab April 1988 nicht mehr der Beitragspflicht in der deutschen Rentenversicherung unterlag, käme im Übrigen lediglich eine Erstattung von ihm selbst entrichteter Beiträge in Betracht, die der Kläger nicht beantragt hat und die schon deshalb nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höhere monatliche Rentenzahlungen aus der deutschen Rentenversicherung wegen seiner Wohnsitznahme in Belgien.

Wie bereits unter 1. ausgeführt, richtet sich der Anspruch des Klägers auf Leistungen aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Grund und Höhe nach Bundesrecht. Soweit die Art. 44 ff. VO 1408/71 hierzu koordinierende Bestimmungen (insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigung von Versicherungs- und Wohnzeiten, die der Versicherte in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegt hat) enthalten, ist weder dem Vortrag des Klägers noch den Akten eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu entnehmen. Art. 37-39 VO 1408/71 finden, wie ebenfalls bereits ausgeführt, hier keine Anwendung.

4. Soweit der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz (mindestens) i.H. einer fiktiven belgischen Rente sowie einen Rentenschaden aus Versorgungsausgleich geltend macht, ist nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten, sondern zu den Zivilgerichten gegeben. Da keine sozialrechtliche Anspruchsgrundlage für einen Ersatz angeblich entgangener ausländischer Rentenansprüche bzw. angeblich zu Unrecht auf den geschiedenen Ehegatten übertragener Rentenanwartschaften ersichtlich ist, könnte der Anspruch des Klägers nur im Wege der Amtshaftungsklage (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - , Art. 34 Grundgesetz - GG -) geltend gemacht werden. Hierfür ist gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtsverfassungsgesetz das Landgericht ausschließlich zuständig, konkret das Landgericht Berlin (§ 17 Abs.1 Zivilprozessordnung) an das der Rechtsstreit insoweit verwiesen worden ist.

Allerdings ist der Vortrag des Klägers, er sei durch das Verhalten der Beklagten gehindert gewesen, Versicherungszeiten als Selbständiger in der belgischen Rentenversicherung zurückzulegen, nicht nachvollziehbar. Sofern die selbständige Tätigkeit des Klägers ab April 1988 (auch) eine Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung des Klägers in der belgischen Rentenversicherung begründet hat, war es Sache des Klägers, dem zuständigen belgischen Träger seine Wohnsitznahme und seine Tätigkeit in Belgien mitzuteilen und Sache des zuständigen belgischen Trägers, diese Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung festzustellen und zu vollziehen. Im Übrigen ist selbst bei der - unzutreffenden - Annahme, Versicherungszeiten in der deutschen KSV stünden der Begründung belgischer Versicherungszeiten entgegen, nicht erkennbar, wieso der Kläger über das Ende der deutschen Versicherungszeiten (bis März 1989) hinaus durch die Beklagte bis 1997 gehindert worden sein soll, in Belgien aufgrund seiner fortgesetzten selbständigen Tätigkeit Versicherungszeiten zurückzulegen.

Die erstmals im Berufungsverfahren im Wege der Klageänderung (§ 99 Abs. 1 SGG) erhobene Klage auf Ersatz eines Rentenschadens aus Versorgungsausgleich wäre im sozialgerichtlichen Verfahren im Übrigen unzulässig. Ein solcher Anspruch war nicht Gegenstand des angefochtenen Verwaltungsaktes oder des angefochtenen Gerichtsbescheides und ist daher nicht bereits im Wege der Berufung Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Für eine erstinstanzliche Entscheidung über einen im Wege der Klageänderung in das Berufungsverfahren eingeführten neuen Streitgegenstand fehlt dem Senat aber unabhängig davon, dass die Klageänderung nicht sachdienlich ist und die Beklagte nicht eingewilligt hat, die funktionelle Zuständigkeit (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 29 Nr. 1).

Da die Anwendung der VO 1408/71 im vorliegenden Fall - entgegen der Ansicht des Klägers - keine vom Wortlaut der Verordnung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH unbeantworteten Fragen aufwirft, bedarf es weder der Einholung eines Rechtsgutachtens noch eines Antrags auf Vorabentscheidung an den EuGH.

Über Fragen, die das Krankenversicherungsverhältnis des Klägers und behauptete Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland betreffen, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Die gegen die Künstlersozialkasse, die Barmer Ersatzkasse und die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Klagen sind vom SG abgetrennt worden und waren nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

Soweit der Kläger mit Schreiben vom 15.12.2004 unter Bezugnahme auf seine Berufungsbegründung vom 20.09/25.11.2004 (nicht 28.11.2004) eine "Klageerweiterung" erklärt hat, liegt keine Erweiterung des Streitgegenstandes vor. Der Kläger begehrt erkennbar lediglich eine Berücksichtigung seiner europarechtlichen Ausführungen zur Begründung seines Berufungsbegehrens.

Der Kostenentscheidung (§ 193 SGG) liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren (auch) im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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