L 5 B 195/05 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5.
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 5002/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 195/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17. März 2005 wird insoweit abgeändert, als die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage davon abhängig gemacht wird, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin bis 31. August 2005 eine Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische, schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts in Höhe von 5.000,00 Euro vorlegt.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert beträgt 1.670,00 Euro.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob das Begehren der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung eines Beitragsbescheids vom Sozialgericht zu Recht abgelehnt worden ist. Mit Bescheid vom 31.05.2002 und 10.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2005 stellte die Antragsgegnerin aufgrund einer Betriebsprüfung der Antragstellerin fest, dass das tariflich zustehende Entgelt einer in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmerin die Geringfügigkeitsgrenze überschritten habe und forderte für die Zeit vom 01.04.1999 bis 31.08.2000 Beiträge in Höhe von 4.783,18 Euro nach. Die Antragsgegnerin begründete dies damit, ungeachtet der Geltendmachung der Ansprüche von Seiten des Arbeitnehmers knüpfe das Beitragsrecht der Sozialversicherung wegen des sogenannten Entstehungsprinzips daran an, ob das Arbeitsentgelt geschuldet werde.

Die dagegen am 17.02.2005 zum Sozialgericht Bayreuth erhobene Klage wurde damit begründet, die zum 01.01.2003 in Kraft getretene Neuregelung des § 22 Abs.1 SGB IV müsse auch für die Vergangenheit Geltung besitzen, zumal die Arbeitnehmerin auf das tatsächlich nicht ausgezahlte Weihnachtsgeld schriftlich verzichtet habe.

Gleichzeitig mit der Klageerhebung hat die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Die vor Erlass des Bescheids vom 31.05.2002 unterlassene Anhörung der Antragstellerin sei bislang nicht nachgeholt worden. Die Vollziehung des angegriffenen Bescheides hätte eine unbillige Härte zur Folge, da eine freiwillige oder erzwungene Zahlung eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin zur Folge hätte, die lediglich einen kleinen Friseursalon betreibe.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 17.03.2005 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestünden nicht, da das Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung vom 14.07.2004 die Geltung des Entstehungsprinzips bestätigt habe und ein etwaiger Anhörungsmangel im Widerspruchsverfahren geheilt sei. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Vollziehung des Beitragsbescheids für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Es finde sich kein Hinweis, dass es der Antragstellerin nicht möglich wäre, ihrer Beitragsverpflichtung eventuell unter Einräumung einer Ratenzahlung nachzukommen. Im Übrigen sei es im öffentlichen Interesse dringend geboten, die Beiträge zunächst auf jeden Fall einzuziehen.

Gegen den am 18.03.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 18.04.2005 Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung der am 17.02.2005 eingelegten Klage anzuordnen. Begründet hat sie dies damit, gemäß § 22 Abs.1 SGB IV gelte für Sonderzahlungen wie das Weihnachtsgeld ausschließlich das Zuflussprinzip. Zudem habe die Arbeitnehmerin mit ihrem schriftlich erklärten Verzicht auf das Weihnachtsgeld deutlich gemacht, dass sie das tatsächlich erhaltene Entgelt als ausreichend für ihre Arbeitsleistung nebst Sonderzuwendung erachtet habe. Die Durchsetzung der Forderung hätte eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz zur Folge, da sie wegen eines für Investitionen in ihrem Friseursalon aufgenommenen Darlehens - Restschuld 6.988,55 Euro laut Kontoauszug vom 28.02.2005 - einer monatlichen Rückzahlungsverpflichtung in Höhe 298,45 Euro unterliege und nicht zwei Forderungen in der gleichen Größenordnung bedienen könne. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, da das Vermögen der Beschwerdeführerin nicht bekannt sei. Die Antragsgegnerin hat auf die Unwirksamkeit der Verzichterklärung hinsichtlich der Sonderzuwendungen der Arbeitnehmerin nach § 2 Abs.1 des Manteltarifvertrages des Friseurhandwerks in Bayern hingewiesen und die Auffassung vertreten, dass unter Rechtschutzaspekten nicht zu erkennen sei, wie in einer Zahlung, die auf einem rechtlich zweifelsfreien Bescheid beruhe, eine unbillige Härte liegen könne. Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.03.2005 die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.05.2002 und 10.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2005 anzuordnen. Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt sie, den Antrag lediglich befristet bis zum Abschluss dieser Instanz und mit der Auflage der Verzinsung in Höhe von 4 v.H. stattzugeben. Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.03.2005 ist abzuändern. Dem Antrag auf einstweiligen Rechtschutz kann gegen Sicherheitsleistung entsprochen werden. Gemäß § 86 b Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 86 a Abs.2 Nr.1 Abs.2 SGG in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen des § 86 a Abs.3 SGG durch Beschluss die Aussetzung der Vollziehung anordnen. § 86 a Abs.2 Nr.1 SGG regelt in diesem Zusammenhang, dass die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten entfällt. In diesem Fall soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86 a Abs.3 S.2 SGG). Zwar ist dem Sozialgericht insoweit zuzustimmen, als ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide nicht bestehen. Das öffentliche Vollzugsinteresse hat jedoch zurückzustehen, da andernfalls der Betrieb der Antragstellerin gefährdet ist und die Interessen der Gemeinschaft durch eine Sicherheitsleistung der Antragstellerin angemessen berücksichtigt werden.

Die Einwände des Klägerbevollmächtigten gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung überzeugen in keiner Weise. Sie ignorieren die Urteile des Bundessozialgerichts vom 14.07.2004 (B 12 RK 1/04 R u.a.), wonach auch bei untertariflicher Bezahlung die zustehenden tariflichen Sonderzahlungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen sind. Ausdrücklich heißt es darin, eine Anwendung des § 22 Abs.1 SGB IV für die Zeit vor 2003 und damit für die hier zu entscheidenden Jahre 1998 bis 2001 scheide auch für Einmalzahlungen aus. Ebenso ausdrücklich ist unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung ausgeführt, ein Verzicht des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt habe keine Auswirkungen auf einmal entstandene und fällig gewordene öffentlich-rechtliche Beitragsforderungen. Damit ist die streitentscheidende Frage höchstrichterlich geklärt, so dass seit 14.07.2004 keine Veranlassung mehr besteht, im Rahmen des gebotenen summarischen Verfahrens auf einstweiligen Rechtschutz an der Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Verwaltungsentscheidung zu zweifeln. Auch sonst ergeben sich keine Anhaltspunkte für Zweifel, da ein eventueller Anhörungsmangel im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist.

In die gemäß § 86 b SGG zu treffende Interessenabwägung wird einbezogen, ob und inwieweit durch die Vollziehung irreparable Folgen entstehen. Eine unbillige Härte in diesem Sinn liegt inbesondere vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 a Randziffer 27 m.w.N.). Die Antragstellerin hat ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Vollstreckung der strittigen Forderung eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz zur Folge hätte. Sie ist Inhaberin eines kleinen Friseursalons und wegen einer Darlehensschuld über 5.000,00 Euro mit einer monatlichen Tilgungsrate in Höhe von knapp 300,00 Euro belastet. Es ist nachvollziehbar, dass der Antragstellerin in dieser wirtschaftlichen Situation auch eine abgestufte, in Form von Ratenzahlungen vorzunehmende Vollziehung nicht ohne weiteres zumutbar ist.

Zwar sind dem Gericht die übrigen Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nicht bekannt. Nachdem im einstweiligen Rechtschutzverfahren aus Gründen der Eilbedürftigkeit keine weitere Sachverhaltsaufklärung erfolgt und die Glaubhaftmachung der Existenzgefährdung ausreicht, kann vom Untersuchungsgrundsatz abgewichen werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass den Interessen der Antragsgegnerin durch eine Sicherheitsleistung der Antragstellerin ausreichend Genüge getan ist.

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung kommt bei Geldforderungen in Betracht, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Begünstigte bei ungünstigem Prozessausgang den geschuldeten Betrag nicht erstatten kann (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. § 86 a Randziffer 28). Da kaum zu erwarten ist, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zum Positiven hin verändern, kann dem Antrag der Antragstellerin nur unter Bestellung einer Sicherheit zugunsten der Antragsgegnerin entsprochen werden. Art und Höhe der Sicherheit ergeben sich dabei gemäß § 108 ZPO (§ 202 SGG) aus der Höhe der Beitragsforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs.1 S.1 SGG i.V.m. § 155 VwGO. Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben. Die Höhe des Streitwerts wird, ausgehend von der noch streitigen Beitragsforderung, für das Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes auf ein Drittel des Hauptsachestreitwerts festgesetzt. Er beträgt 1.670,00 Euro (§ 197 a Abs.1 SGG i.V.m. § 13 Abs.1, 20 Abs.3 Gerichtskostengesetz).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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