L 7 B 3/00 V

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 16 V 104/00 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 3/00 V
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18.04.2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine Behandlung des Antragstellers mit einem Thymuspeptid-Präparat.

Der Antragsgegner erkannte beim Antragsteller als Schädigungsfolge i.S.v. § 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) eine kompensierte Lebercirrhose bei chronisch aktiver Hepatitis C an und gewährt dem Antragsteller eine Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60%. Mit Bescheid vom 05.03.1998 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 15.10.1998 beschied der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Übernahme der Kosten für eine Thymuspeptid-Behandlung gemäß §§ 10, 11 BVG abschlägig. Ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe nach §§ 10, 18c Abs. 3 BVG nicht. Bei der Thymuspeptid-Behandlung handele es sich um eine außervertragliche Behandlungsmethode, die von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfaßt werde. In der Zeit von März bis Juni 1999 führte der Kläger eine Thymuspeptid-Behandlung auf eigene Kosten durch. In dem Verfahren S 16 V 370/98 vor dem Sozialgericht Detmold schlossen die Beteiligten einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

"1.

Der Beklagte verpflichtet sich, die Kosten der vom Kläger von Ende März bis Anfang Juni 1999 durchgeführten Thymuspeptid-Therapie bis zu einer nachgewiesenenen Höhe von 600,-- DM zu erstatten.

2.

Der Kläger verpflichtet sich bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über eine mögliche Empfehlung der Thymuspeptid-Behandlung getroffen wird, keinen neuen Antrag auf Gewährung einer derartigen Behandlung gegenüber dem Beklagten zu stellen.

3.

Der Kläger ist hiermit einverstanden und betrachtet den Rechtsstreit als erledigt."

In Ausführung des Vergleiches erging ein Bescheid vom 28.10.1999, in dem der Antragsgegner feststellte, die Kosten von der Ende März bis Anfang Juli 1999 durchgeführten Thymuspeptid-Therapie gegen Vorlage entsprechender Nachweise bis zu einer Höhe von 600,-- DM zu erstatten. Unter dem 11.11.1999 erfolgte eine entsprechende Auszahlungsanordnung.

Mit Schreiben vom 25.11.1999 legte der Antragsgegner Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.10.1999 ein. Er begehrte die Übernahme der Kosten einer weiteren Thymuspeptid-Behandlung. Die im ersten Halbjahr 1999 durchgeführte Thymuspeptid-Behandlung habe zu einem deutlichen Rückgang der entzündlichen Reaktionen geführt. Dieser deutliche Therapieerfolg sei nur dann auf Dauer gesichert, wenn die Thymuspeptid-Behandlung fortgesetzt werde. Hinsichtlich der konventionellen Behandlungsmethoden seien die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen austherapiert. Bei der Thymuspetid-Behandlung handele es sich um die einzige Therapieform, die sein schädigungsbedingtes Leiden verringert habe. Aufgrund der funktionellen Auswirkungen der anerkannten Schädigungsfolgen und der damit verbundenen geminderten Arbeitskraft und verringerten Einkommen sei er nicht in der Lage, die Kosten für die Behandlung auf Dauer zu tragen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2000 verwarf der Antragsgegner den Widerspruch als unzulässig.

Am 15.03.2000 hat der Antragsteller Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 16.02.2000 beim Sozialgericht Detmold, S 16 V 104/00, erhoben, mit dem Begehren, den Beklagten zur Übernahme der Kosten von weiteren Thymuspeptid-Behandlungen zu verpflichten.

Mit Schreiben vom 16.03.2000 beantragte der Antragsteller erneut die Übernahme der Kosten einer Therapie mit Thymuspeptid-Präparaten. Mit Bescheid vom 24.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab.

Hiergegen hat der Antragsteller am 24.05.2000 Klage beim Sozialgerichht Detmold, S 16 V 170/00, erhoben. Er verfolgt sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, der Antragsgegner habe zur Besserung seines Leidens und zur Verhütung einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Dabei müsse er berücksichtigen, daß die schon einmal durchgeführte Thymuspeptid-Therapie erfolgreich - Rückgang der Entzündungsparameter - gewesen sei und nach unterbliebener Fortführung der Therapie eine Verschlechterung der Laborwerte bezüglich der entzündlichen Reaktionen bei ihm feststellbar sei.

Am 15.03.2000 hat der Antragssteller beim Sozialgericht Detmold einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Er hat dargelegt, das bei ihm als Schädigungsfolge anerkannte Leiden sei nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten unheilbar und austherapiert. Wegen des fortschreitenden Leidens und des damit verbundenen Risikos zum Auftreten weiterer Krankheiten bestünde bei ihm eine dringende Behandlungsbedürftigkeit, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß schon Folgeerkrankungen aufgetreten seien und sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechtere. Deshalb sei der Antragsgegner verpflichtet, die Kosten für weitere Therapien mit Thymuspetid-Präparaten zu übernehmen. Die Weigerung des Antragsgegners verstoße gegen Art. 2 Grundgesetz (GG). Wegen Überschuldung sei er derzeit nicht in der Lage, die Kosten der Therapie selbst zu tragen.

Mit Beschluss vom 18.04.2000 hat das Sozialgericht Detmold den Antrag abgelehnt.

Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 22.04.2000 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 27.04.2000 Beschwerde eingelegt.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringenn. Ergänzend trägt er vor, daß die recidivierenden Entzündungsschübe zu irreversiblen Schädigungen führen würden, die eine Verkürzung seiner individuellen Lebenserwartung zur Folge habe. Deshalb sei die einzige bei ihm erfolgversprechende Therapie im Rahmen einer Einzelfallentscheidung zu gewähren. Die Kosten einer Therapie mit den Präparaten Thym-Uvokal-Injektionslösung, Thymoject oder Neythymun k-solubile-Trockensubstanz und Lösungsmittel betrage je Behandlungsintervall ca. 500,-- DM.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 18.04.2000 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Therapie mit den Präparaten Thym-Uvokal-Injektionslösung oder Thymoject oder Neythymun, k-solubile-Trockensubstanz und Lösungsmittel durchzuführen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Senat hat Auskünfte von dem Arbeitsausschuß "Arzneimittel" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auuf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Detmold S 16 V 370/98 und S 16 V 170/00 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Im sozialgerichtlichen Verfahren ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung statthaft. Dies folgt, da der einstweilige Rechtsschutz in § 97 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur bruchstückhaft geregelt ist, aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (grundlegend: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19.10.1977, BVerfGE 46, 166 ff. zur einstweiligen Anordnung). Art und Umfang des zu gewährenden Rechtsschutzes ergeben sich hierbei aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 80 Abs. 5 und 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung von dem Antragsgegner die vorläufige Durchführung einer Therapie mit einem bestimmten Arzneimittel bis zum Abschluß der beiden Klageverfahren und somit den Erlaß einer Leistungsanordnung. Sein Begehren ist daher nach § 123 VwGO analog zu beurteilen, soweit die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens dem nicht entgegenstehen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 30.08.1990, L 9 S 42/90; vom 06.09.1999, L 7 V 47/99). Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Sachleistung in vollem Umfang - Durchführung einer Therapie mit einem bestimmten Arzneimittel -, die Gegenstand der beiden anhängigen Klageverfahren beim SG S 6 V 100/00 und S 16 V 170/00 Detmold ist. Eine Leistungsanordnung darf eine endgültige Entscheidung nicht vorweg nehmen. Deshalb ist es in der Regel unzulässig, einen Antragsgegner zum Erlaß eines im Hauptsacheverfahren begehrten Verwaltungsaktes zu verpflichten. Eine Vorwegnahme einer Hauptsache kann im Rahmen einer Leistungsanordnung nur dann erlassen werden, wenn dies zur Abwehr schwerer, unzumutbarer und nicht anders zu behebender Nachteile erforderlich ist, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Die Feststellung, daß die zu befürchtenden schweren Nachteile für den Rechtsuchenden unzumutbar sind, erfordert eine Abwägung des im Rahmen des Ausgangsverfahrens bestehenden öffentlichen Interesses des Leistungsträgers am Bestand des von ihm erlassenen Verwaltungsaktes mit dem des Rechtsuchenden auf Durchsetzung der von ihm geltend gemachten Rechte. Im Rahmen dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten einer Klage gegen den Verwaltungsakt zu berücksichtigen. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wird seine Vollstreckung auszusetzen und gegebenenfalls eine vorläufige Leistung anzuordnen sein. Andererseits kann es dem Rechtsuchenden zuzumuten sein, eventuell schwerwiegende Nachteile auch schon vor der Entscheidung im Klageverfahren hinzunehmen, wenn ein Erfolg der Klage nicht zu erwarten ist. Im einzelnen sind das Ausmaß der für den Rechtsuchenden entstehenden Nachteile und die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Klage nach dem jeweiligen Sachverhalt abzuschätzen und in umfassender Abwägung der Interessen des Rechtsuchenden mit denen des Leistungsträgers einzubeziehen.

Die Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Es fehlt sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund.

Nach der im einstweiligen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist der Bescheid vom 28.10.1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2000 sowie der Bescheid vom 24.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 offensichtlich rechtmäßig.

Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 28.10.1999 i.S.d. Widerspruchsbescheides vom 16.02.2000 nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts, die er sich zu eigen macht.

Die Ablehnung des Antragsgegners zur Durchführung einer Therapie mit Thymuspeptid-Präparaten in dem Bescheid vom 24.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 ist ebenfalls offensichtlich rechtmäßig.

Dem Anspruch des Antragstellers auf Durchführung einer Heilbehandlung mit bestimmten Arzneimitteln aus § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG i.V.m. §§ 18 c Abs. 3, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 S. 2 BVG steht zwar nicht schon der zwischen den Beteiligten im Verfahren S 16 V 370/98 geschlossene Vergleich entgegen. Dort hat der Antragsteller auf die Geltendmachung seines Rechts auf Gewährung einer Heilbehandlung mit Thymuspeptid-Präparaten gegenüber dem Antragsgegner verzichtet. Diesen materiell-rechtlichen Verzicht auf eine Sozialleistung - Durchführung einer Heilbehandlung nach §§ 10, 11 BVG - kann der Antragsteller gemäß § 46 SGB I jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, auch wenn der Verzicht in einem gerichtlichen Vergleich wirksam erklärt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 15.10.1985, 11a RA 58/84 SozR 200 § 1251 RVO Nr. 115). Ein Widerruf des Verzichtes ist spätestens konkludent durch das Schreiben vom 16.03.2000 erfolgt.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Durchführung einer Heilbehandlung mit den im Schreiben vom 08.06.2000 angegebenen Thymuspeptid-Präparaten aus § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG i.V.m. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr.2, S. 2 BVG sind nicht gegeben. Wenn eine Krankenkasse - wie vorliegend - eine bestimmte Leistung nicht erbringen will, ist der Antragsgegner nach § 18c Abs. 3 BVG verpflichtet zu entscheiden, ob er die vom Beschädigten begehrte Behandlung als Heilbehandlung i.S.v. §§ 10, 11 BVG durchführt. Aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BVG, wonach einem Beschädigten Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen gewährt wird, um u.a. diese oder die durch diese bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern, eine Zunahme des Leidens zu verhindern, folgt nicht unmittelbar ein- Leistungsanspruch des Beschädigten. Vielmehr bedarf diese Regelung der Umsetzung durch Einzelnormen, wie sie insbesondere in § 11 BVG enthalten sind (vgl. BSG, Urteil vom 21.10.1998, B 9 V 3/98 R). In § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG ist die versorgungsrechtliche Grundentscheidung konkretisiert, daß einem Beschädigten die Heilbehandlung als Naturalleistung auf dem standardisierten, kostengünstigen Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet wird (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 4/99 R; Urteil vom 28.07.1997, 9 RV 18/96; Urteil vom 13.07.1988, 9/9 a RV 11/87), falls das BVG keine abweichende Regelung enthält. Einzelnormen, die einen weitergehenden Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln, als er dem Leistungsrahmmen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, sind im BVG nicht enthalten. Dabei entspricht der versorgungsrechtliche Arzneimittelbegriff dem des Krankenversicherungsrechts (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.1988, 9/9a RV 11/87). Die Verordnung der Präparate Thym-Uvokal-Injektionslösunng oder Thymoject oder Neythymunk-solubile- Trockensubstanz und Lösungsmittel wird nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfaßt. Bei den vom Antragsteller genannten Präparaten handelt es sich nicht um verordnungsfähige Arzneimittel i.S.v. §§ 27 SGB V. Nach § 27, 31 SGB V umfaßt der Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung die Versorgung mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln, sofern die Arzneimittelapotheken-, d.h. zulassungspflichtig sind (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1999, B 8 KN 1/98 KR R). Nach der Auskunft des Arbeitsausschusses "Arzneimittel" des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen (kurz Bundesausschuß) handelt es sich bei diesen drei Präparaten um Fertigarzneimittel i.S.v. § 2 AMG, die grundsätzlich der arzneimittelrechtlichen Zulassung bedürfen. Die drei Präparate sind allerdings nicht ausdrücklich arzneimittelrechtlich zugelassen worden. Sie gelten bis zur Durchführung eines Nachzulassungsverfahrens bis 2004 als fiktiv zugelassen, wobei die drei Präparate gemäß Nr. 17.1.m der Arzneimittelrichtlinien von der Verordnung ausgeschlossen sind. Das Fehlen der arzneimittelrechtlichen Zulassung sowie der verfügte Verordnungsausschluß hinsichtlich der drei Präparate sind von den Sozialgerichten wie Tatsachen zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.1995, 1 RK 8/94). Der Antragsgegner ist auch nicht verpflichtet, die vom Antragsteller begehrte Arzneimitteltherapie als neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode i.S.v. § 135 SGB V durchzuführen. Nach § 135 Abs. 1 SGB V unterfällt eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn der Bundesausschuß in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (sog. NUB-RL) Empfehlungen zugunsten einer konkreten Therapie abgegeben hat. Bei den sog. NUB-RL handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V für Ärzte, Krankenkassen und Versicherte verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Dabei unterfallen auch Therapien mit dem Einsatz von Arzneimitteln, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht in einem arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren überprüft worden sind - wie vorliegend - dem Anwendungsbereich des § 135 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2000, B 1 KR 18/98 R). Der Bundesausschuß hat in den NUB-RL keine Empfehlung zugunsten der vom Antragsteller begehrten Arzneimitteltherapie abgegeben. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Einleitung oder Durchführung des Prüfungsverfahrens durch den Bundesausschuß willkürlich oder aus sachfremden Erwägungen blockiert oder verzögert wird und damit eine durch die Untätigkeit des Bundesausschusses hervorgerufene Versorgungslücke (Systemversagen) vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Wirksamkeit der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken belegt ist oder die begehrte Therapie sich in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat, falls ein Wirksamkeitsnachweis wegen der Art oder des Verlauf der Erkrankung oder wegen unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse auf erhebliche Schwierigkeiten stößt (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2000, B 1 KR 18/98 R m.w.N.). Der Antragsteller hat keine Tatsachen glaubhaft gemacht, aus denen auf das Vorliegen eines Systemversagens geschlossen werden kann. Eine Erweiterung der Leistungspflicht der Krankenkasse auf Behandlungsmethoden, die sich erst im Stadium der Forschung oder Erprobung befinden und (noch) nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, läßt daß Gesetz auch bei schweren und sogar vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheiten grundsätzlich nicht zu.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluß von nicht verordnungsfähigen Arzneimitteln i.S.v. §§ 27, 31 SGB V aus dem Leistungskatalog der §§ 10, 11 BVG bestehen nicht. Aus Art. 2 Absätze 1 und 2 Satz 1 GG folgt eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen und im Rahmen des Selbstbestimmungsrechtes zu gewährleisten, daß dem Erkrankten die letzte Entscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie belassen wird. Daraus ergibt sich jedoch nicht ein subjektiver Anspruch des einzelnen auf Gewährung konkreter Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen bzw. Versorgungsverwaltung, also auf Bereithaltung jeglicher spezieller Gesundheitsleistungen, die der Heilung der Krankheiten dienen oder jedenfalls bezwecken, daß sich die Krankheit nicht weiter verschlimmert. Bei der Ausführung der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates und seiner Organe steht diesem ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Umfang des Heilbehandlungsanspruches des einzelnen wird durch die Leistungsgesetze bestimmt. Die Bestimmungen der Leistungsgesetze dürfen zum Schutz des Grundrechtes aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG nicht völlig ungeeignet und unzugänglich sein. Dabei ist es unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht bedenklich, die Verordnungsfähigkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels zu verneinen, wenn und solange dieses nicht arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Mit der arzneirechtlichen Zulassung verfügen die Krankenkassen über ein eindeutiges und zugängliches Kriterium bei der Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit von pharmazeutischen Produkten (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 05.03.1997, 1 BvR 1071/95 und 1068/96; Beschluss vom 15.12.1997, 1 BvR 1953/97; BSG, Urteil vom 23.07.1998, B 1 KR 19/96 R; Urteil vom 28.03.2000 B 1 KR 18/98 R).

Die Einlassung des Antragstellers, daß sich die Therapie mit den Thymuspetid-Präparaten in seinem konkreten Einzelfall als erfolgreich erwiesen habe, weil es zu einer Besserung seines Gesundheitszustandes gekommen sei, begründet einen Leistungsanspruch nicht. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V müssen die Qualität und Wirksamkeit der Leistung der Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Da nach ist ein nur möglicher Behandlungserfolg grundsätzlich nicht geeignet, die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht zu begründen. Entscheidend ist der Nachweis der generellen Wirksamkeit; die Tatsache, daß eine Therapie im konkreten Einzelfall sich als erfolgreich erwiesen hat, ist nicht relevant (vgl. BSG, Urteil vom 06.10.1999 B 1 KR 13/97 R; LSG NRW, Urteil vom 04.06.1998, L 16 KR 11/98).

Dahinstehen kann, ob die Durchführung einer Therapie mit Thymuspeptid-Präparaten unter Berücksichtigunng der Gesichtspunkte - Art und Krankheitsverlauf der anerkannten Schädigungsfolgen, erfolgloses Ausschöpfen der konventionellen Therapieformen, Nach weis von positiven Therapieeffekten im konkreten Einzelfall, Höhe der anfallenden Therapiekosten und besondere Fürsorgepflicht des Antragsgegners - wegen einer besonderen Härte nach § 89 BVG als Ermessensleistung in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.1988, 9/9 a RV 11/87; Rohr/Sträßer, Bundesversorgungsgesetz, § 10 BVG K 15). Denn der Antragsgegner hat in dem Bescheid vom 24.03.2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2000 nur eine Entscheidung über die Pflichtleistungen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 SVG i.V.m. §§ 18c Abs. 3, 10, 11 BVG, nicht aber über eine Ermessensleistung nach § 89 BVG getroffen. Überdie Ermessensleistung nach § 89 BVG hat der Antragsgegner noch einen Bescheid zu erteilen. Denn bei dem Anspruch auf eine Pflichtleistung - vorliegend aus § 11 Abs. 1 Nr. BVG - und einem Härteausgleich nach § 89 BVG handelt es sich um verschiedene Ansprüche, über die selbständig mit bindender Wirkung entschieden werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 18.12.1996, 9 RV 2/95).

Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls nicht gegeben. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß es ihm unzumutbar ist, bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens die anfallenden Therapie kosten vorzustrecken. Nach seinen eigenen Einlassungen betragen die Kosten für eine Thymuspeptid-Behandlung je Behandlungsintervall 499,-- DM, wobei jährlich 2 bis 3 Behandlungsintervalle an fallen. Der Antragsteller hat nicht nachvollziehbar dargelegt, daß er nicht in der Lage ist, den Betrag von ca. 1500,-- DM aus den laufenden Einkünften - Erwerbseinkommen und Leistungen des Antragsgegners - vorzustrecken. Das Sozialgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, daß sich ein Beschädigter bis zur Klärung seines streitigen Leistungsanspruches im Hauptsacheverfahren auf die Hilfe des Sozialhilfeträgers verweisen lassen muß.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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