L 16 B 47/05 KR ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 96/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 47/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 13. Juni 2005 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Antragsgegnerin (AG in) der Antragstellerin (ASt in) gegenüber zu Recht Zwangsmittel in Form eines Zwangsgeldes angedroht hat.

Nach Anhörung und aufsichtsrechtlicher Beratung der ASt in verpflichtete die AG in diese mit Bescheid vom 28.10.2004 gemäß § 89 Abs. 1 S. 2, § 90 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), ihr im Rahmen des Risikostruktur-Ausgleichs (RSA) unverzüglich die Satzart (SA) 40 P für das Bezugsjahr 2001 zu liefern. Zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.

Gegen den ihr am 29.10.2004 zugestellten Bescheid wandte sich die ASt in, die zugleich Klage erhob, mit dem am 08.11.2004 unter dem Az. S 34 KR 317/05 ER bei dem Sozialgericht Düsseldorf anhängig gemachten Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Sie trug vor, sie weigere sich nicht grundsätzlich, Datensätze zu liefern, jedoch benachteilige der festgesetzte Umfang gerade kleinere Kassen. Gefordert habe die AG in die Überprüfung von 851 Versicherungsverhältnissen. Dies entspreche bei rd. 6.200 Versicherten einer Quote von 14,2 %. Dagegen fordere die AG in von großen Kassen mit einer rd. 1000-fach höheren Zahl von Versicherten lediglich 984 Stichproben an. Die Lieferung und Überprüfung der Versichertendaten verursachten einen erheblichen personellen und finanziellen, von ihr nicht zu leistenden Aufwand.

Mit Beschluss vom 11.01.2005 wies das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der AG in vom 28.10.2004 zurück (S 34 KR 317/05 ER). Zur Begründung führte das Sozialgericht im Wesentlichen aus, die AG in habe ermessensfehlerfrei die sofortige Vollziehung des Bescheides gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angeordnet. Die Sicherstellung der Durchführung des Verfahrens auf RSA habe Vorrang gegenüber dem Interesse der Ast in, Versicherungsdaten nur in einem geringen Umfang liefern zu wollen. Im Übrigen sei das gewählte statistische Verfahren bisher allgemein anerkannt worden. Es bestünden keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung der AG in. Gegen den Beschluss legte die ASt in am 10.02.2005 Beschwerde ein (LSG NRW L 16 B 14/05 KR ER).

Mit weiterem Bescheid vom 31.03.2005 drohte die AG in der ASt in gemäß § 89 Abs. 1 S. 3 SGB IV i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 11 Abs. 1, 13 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR für den Fall an, dass die ASt in ihrer Verpflichtung aus dem Bescheid vom 28.10.2004, die SA 40 P für das Bezugsjahr 2001 zu liefern, nicht bis zum 02.05.2005 nachkommen werde. Zugleich ordnete die AG in wiederum die sofortige Vollziehung dieses Bescheides gemäß § 18 Abs. 1 VwVG i. V. m. § 86a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGG an. Zur Begründung wies die AG in darauf hin, dass die ASt in trotz der sozialgerichtlich bestätigten Verpflichtung zur Lieferung der oben genannten Datensätze dem im Bescheid vom 28.10.2004 festgelegten Gebot nicht nachkomme. Um einen weiteren Verstoß gegen die durch den Verpflichtungsbescheid begründete Handlungspflicht zu verhindern, sei die Androhung eines Zwangsmittels erforderlich, zumal der von der ASt in eingelegten Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.01.2005 gemäß § 175 SGG keine aufschiebende Wirkung zukomme. Bei der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes habe sie, die AG in, berücksichtigt, dass sich die ASt in - trotz gerichtlicher Bestätigung der mit Bescheid vom 28.10.2004 angeordneten sofortigen Vollziehung - beharrlich weigere, ihrer Verpflichtung nachzukommen. Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Durchführung der zwingend vorgeschriebenen RSA-Prüfungen sei es erforderlich, dass die ASt in mit Nachdruck zur unverzüglichen Lieferung der SA 40 P bewegt werde. Ein geringeres Zwangsgeld stehe zudem in keinem Verhältnis zum Gesamthaushalt der ASt in. Die gesetzte Frist reiche aus, da die ASt in lediglich ihrem Rechenzentrum einen entsprechenden Auftrag erteilen müsse und die Datenerhebung im Übrigen elektronisch erfolge. Wegen der weiteren Begründung wird auf den oben genannten Bescheid verwiesen.

Am 25.04.2005 hat die ASt in Klage, gerichtet auf Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2005, zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben ( Az: S 8 KR 94/05) und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage geltend gemacht (S 8 KR 96/05 ER). Zur Begründung hat die ASt in vorgetragen, es müsse zunächst der Ausgang des Beschwerdeverfahrens (L 16 B 14/05 KR ER) abgewartet werden. Auf sie mache die Zwangsgeldandrohung keinerlei Eindruck. Wenn die AG in die Auffassung vertrete, durch ihre, der ASt in ablehnende Haltung sei die Akzeptanz der RSA-Prüfungen gefährdet, so könne sie diese Entwicklung nur begrüßen, führe sie doch zu dem von der AG in politisch propagierten Ziel des Abbaus der "überbordenden" Bürokratie. Ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 31.03.2005 sei nicht erkennbar. Es würden allenfalls Geldströme innerhalb von Körperschaften des öffentlichen Rechts bewegt. Auch bestehe keine Eilbedürftigkeit, da die anforderten Datensätze für das Jahr 2001 mit der Jahresrechnung 2006 im Frühjahr 2007 verarbeitet würden.

Die Ast in hat schriftsätzlich beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Die AG in hat beantragt,

den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Aufsichtsverfügung vom 31.03.2005 zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der angefochtene Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Über den gerichtlich bestätigten Verpflichtungsbescheid vom 28.10.2004 setze sich die ASt in ohne jede Rechtfertigung hinweg.

Mit Beschluss vom 13.06.2005 ( zu S 8 KR 96/05 ER) hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der AG in vom 31.03.2005 abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid vom 31.03.2005 biete in formeller und materieller Hinsicht keinen Anlass zu Bedenken. Der Verpflichtungsbescheid vom 28.10.2005 sei sofort vollstreckbar, denn die dagegen gerichtete Beschwerde habe keine aufschiebende Wirkung. Die Einwände der ASt in - fehlender Zeitdruck und "überbordende" Bürokratie - beträfen ausschließlich den Ausgangsbescheid vom 28.10.2005, nicht aber die Androhung eines Zwangsmittels.

Gegen den ihr am 20.06.2005 zugestellten Beschluss hat die ASt in am 22.06.2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung bezieht sich die Ast in auf ihren bisherigen Vortrag.

Die ASt in beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.06.2005 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der AG in vom 31.03.2005 anzuordnen.

Die AG in beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie erachtet den oben genannten Beschluss als rechtmäßig.

Mit Beschluss vom heutigen Tage hat der Senat die Beschwerde der ASt in gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.01.2005 zurückgewiesen (Az.: L 16 B 14/05 KR ER, LSG NRW).

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- sowie der Prozessakte Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht mit Beschluss vom 13.06.2005 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der AG in vom 31.03.2005 über die Androhung eines Zwangsgeldes abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Dabei entscheidet das Gericht aufgrund einer eigenen Interessenabwägung (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 86b RdNrn. 12, 12 f. m.w.N.). Die aufschiebende Wirkung der am 25.04.2005 erhobenen Klage ist nicht anzuordnen. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund einer umfassenden Würdigung der (formellen) Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 31.03.2005 durch die AG in und der Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung gegenüber den bei der ASt in eintretenden Nachteilen, wobei der Senat der Erfolgsaussicht der Klage in der Hauptsache einbezogen hat.

Die Entscheidung der AG in über die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Verpflichtungsbescheides vom 28.10.2004 ist formell rechtmäßig. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf den Beschluss vom heutigen Tage im Parallelverfahren (Az.: L 16 B 14/05 R, LSG NRW). Gleiches gilt für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 31.03.2005, mit dem die AG in ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR angedroht hat. Die AG in war gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zuständig, weil sie gemäß § 89 Abs. 1 S. 2 und 3, § 90 Abs. 1 S. 1 SGB IV auch die streitgegenständliche Verfügung getroffen hat. Eine Anhörung gemäß § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist nicht erforderlich gewesen; vielmehr hätte die AG in die Androhung eines Zwangsmittels gemäß § 13 Abs. 2 VwVG sogar mit dem Verwaltungsakt (hier: Verpflichtungsbescheid vom 28.10.2004) verbinden können.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hat die AG in auch in zureichendem Maße begründet. Es bedarf einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 12.02.2004, Az.: L 10 AL 1212/03 ER, Breithaupt 2005, 704 ff. m. w. N.). Die AG in hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 31.03.2005 u. a. mit der beharrlichen Weigerung der ASt in, dem durch den Verpflichtungsbescheid vom 28.10.2004 gesetzten Gebot zur Lieferung einer SA 40 P für das Bezugsjahr 2001 nachzukommen, begründet. Der Senat hat keine Bedenken, dass die von der AG in aufgezeigten Gesichtspunkte ausreichen; denn sie verdeutlichen der ASt in als Adressatin des Verwaltungsakts hinreichend, welche Gesichtspunkte für die Behörde maßgeblich waren, um den Sofortvollzug anzuordnen. Entscheidend ist insoweit allein, dass die AG in im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens die maßgeblichen Erwägungen angestellt und dargelegt hat (vgl. LSG NRW, Beschl. vom 04.03.2003, Az.: L 16 B 66/02 KR ER, - Verfassungsbeschwerde nicht angenommen, BVerfG, Beschluss vom 02.07.2003, Az.: 1 BvR 985/03 -, und Beschl.vom 02.06.2003, Az.: L 5 B 78/02 KR ER, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass die von der AG in ins Feld geführten Gründe für den Sofortvollzug wenigstens zum Teil identisch sind mit der Begründung der Aufsichtsanordnung. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse kann sich nämlich durchaus aus denselben tatsächlichen Umständen ergeben, die auch den Erlass des Bescheids gerechtfertigt haben (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 86a RdNr.21b m. w. N.).

Nach Auffassung des Senats überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 31.03.2005 eindeutig die Nachteile, die infolge des Sofortvollzugs bei der ASt in zu befürchten sind.

Nach der in einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind gegenwärtig Erfolgsaussichten der am 31.03.2005 in der Hauptsache erhobenen Klage nicht ersichtlich; es lässt sich nicht feststellen, dass der Bescheid vom 31.03.2005 rechtswidrig ist. Es ist weder von der ASt in vorgetragen noch sonst erkennbar, dass die Voraussetzungen der §§ 6 ff. VwVG nicht vorliegen sollten. Insbesondere sind Zwangsmittel gegen die ASt in als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht unzulässig, vgl. § 17 VwVG. Eine Verpflichtung nach § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IV - hier das Gebot zur festgesetzten Datenlieferung innerhalb einer Frist - kann vielmehr nach S. 3 der Vorschrift mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden, wenn ihre sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Dies hat die AG in mit Bescheid vom 28.10.2004 getan.

Bei dieser Sachlage besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 31.03.2005. Die AG in hat zu Recht eine einheitliche Datenerhebung als Grundlage für die Durchführung des Risikostrukturausgleiches angesehen und im Hinblick auf die für sämtliche Krankenkassen mit dem RSA verbundenen finanziellen Auswirkungen eine konsequente Einhaltung der gesetzten Vorgaben durch ausnahmslos alle Krankenkassen als wichtig erachtet. Ansonsten bestünde keine Gewähr für eine zügige und in sich stimmige Abwicklung des Verfahrens, bei der alle Beteiligten denselben Verfahrensgrundsätzen unterworfen sind. Da die ASt in erkennbar sowohl die Bescheide der AG in als auch gerichtliche Entscheidungen hartnäckig und nachhaltig ignoriert, hat der Senat keine Bedenken, dass die AG in das mit Bescheid vom 28.10.2004 gesetzte Gebot zwangsweise durchzusetzen bestrebt ist.

Wesentliche Nachteile sind mit der sofortigen Vollziehung für die ASt in nicht verbunden. Es ist nicht ersichtlich, dass der ASt in, insbesondere im Hinblick auf die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes, ein nennenswerter unverhältnismäßiger Nachteil erwachsen könnte.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten und die Gerichtskosten beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert war auf 1.000 Euro festzusetzen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-). Dabei legt der Senat die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes zugrunde.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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