L 17 U 2/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 34/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 2/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26. November 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin wegen der Folgen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) Verletztenrente gewähren muss.

Die im November 1949 geborene Klägerin hat von 1965 bis 1968 eine Ausbildung zur Friseurin erfolgreich durchlaufen und war in diesem Beruf bis 1971 und ab 1981 bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im Juli 2000 vorwiegend im Damenfach 3 Tage/Woche teilzeitbeschäftigt. Dabei hatte sie alle anfallenden Friseurarbeiten zu verrichten und kam mit Haarwaschmitteln, Styling-Produkten, Fixiermitteln und Haarfarben in Berührung. Um ihre Haut zu schützen, benutzte sie Vinyl- und Folienhandschuhe sowie Hautschutzcremes. Anfang Januar 2000 traten im Bereich der Fingerzwischenräume und Fingerseitenkanten Rötungen, Bläschen und Schuppungen auf, die sich innerhalb weniger Wochen auch auf die Handinnenflächen ausbreiteten. Der niedergelassene Hautarzt und Allergologe Dr. N aus T diagnostizierte ein allergisches Kontaktekzem und zeigte der Beklagten am 29. Februar 2000 den Verdacht auf eine beruflich bedingte Hauterkrankung an. Vom 03. bis zum 18. April, vom 09. bis zum 17. Juni und ab dem 18. Juli 2000 schrieb er die Klägerin arbeitsunfähig krank.

Die Beklagte übernahm "aus vorbeugenden Gründen" die Kosten der ambulanten hautfachärztlichen Behandlung, gewährte der Klägerin Schulungen zur Intensivierung/Verbesserung von Hautschutz- und -pflegemaßnahmen am Arbeitsplatz, klärte den Arbeitgeber über Präventionsmaßnahmen auf und ließ die Klägerin durch den niedergelassenen Hautarzt, Allergologen und Umweltmediziner Dr. L aus E untersuchen. Dieser beschrieb in seiner Stellungnahme vom 14. Juli 2000 ein Kontaktekzem an beiden Händen, sah die konkrete Entstehungsgefahr einer BK und riet zu einer engmaschigen hautfachärztlichen Behandlung, die die Klägerin wahrnahm. Dennoch heilten die Hauterscheinungen - auch während der Arbeitsunfähigkeit - nicht vollständig ab. Im November 2000 stellte Dr. L "weiterhin Ekzeme über den Handgelenken streckseitig" fest und empfahl, die Arbeitsunfähigkeit bis zur vollständigen Abheilung fortzusetzen. Es sei "sehr fraglich", ob die Klägerin ihren erlernten Beruf weiter ausüben könne.

Die Beklagte leitete daraufhin ein Feststellungsverfahren ein und ließ die Klägerin von der Hautärztin Prof. Dr. T, Chefärztin der Dermatologischen Klinik im Krankenhaus C in G, untersuchen. In ihrem Gutachten vom 01. März 2002 diagnostizierte sie ein kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem der Hände, das wahrscheinlich (teil-)ursächlich durch die beruflichen Chemikalien und die Feuchtbelastung entstanden sei. Daneben bestehe der Verdacht auf eine anlagebedingte Minderbelastbarkeit des Hautorgans mit erhöhter Bereitschaft, Hautekzeme zu entwickeln (atopische Disposition). Das Hautleiden sei weder schwer noch wiederholt rückfällig gewesen und habe die Klägerin nicht gezwungen, ihre Friseurtätigkeit aufzugeben. Denn sie habe (noch) nicht alle präventiven Haut- und Arbeitsschutzmaßnahmen ausgeschöpft. Zudem stünden weitere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, wie z.B. die "PUVA-Badtherapie zum Hardening" (sog. Balneophototherapie bzw. Photochemotherapie). Dadurch lasse sich der Hautzustand weiter verbessern und stabilisieren. Um die Verträglichkeit von Schutzhandschuhen bei vermehrter Schweißbildung (Hyperhidrosis manuum) zu steigern, sei eine Leitungswasseriontophorese indiziert.

Hierauf gestützt lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2002 ab, eine BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV anzuerkennen, weil die Klägerin weiterhin als Friseurin arbeiten könne, wenn sie alle Hautschutz- und -pflegemaßnahmen konsequent umsetze und ihre Hautbeschwerden gezielt und intensiv behandle. Dagegen erhob die Klägerin am 29. Mai 2002 Widerspruch und behauptete, sie habe alle Maßnahmen zur Vermeidung der Hauterkrankung durchgeführt. Außerdem legte sie eine Bescheinigung des Hautarztes Dr. N vor, wonach die PUVA-Badbehandlung keine anerkannte Therapieform darstelle und deshalb aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen worden sei.

Dem widersprach Prof. Dr. T mit Schreiben vom 04. September 2002. Anschließend zog die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme der niedergelassenen Hautärztin und Allergologin Dr. T1 aus H vom 21. Oktober 2002 bei, wonach die Klägerin an einer schweren und wiederholt rückfälligen Hauterkrankung leide, die berufsbedingt entstanden sei. Allerdings sei sie nicht gezwungen, ihre Friseurtätigkeit aufzugeben, weil sie noch keine PUVA-Badbehandlung durchgeführt habe, die sich bei schwer therapierbaren Handekzemen bewährt habe. Zudem könne eine Leitungswasseriontophorese der vermehrten Schweißbildung entgegenwirken. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 12. März 2003 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und vorgetragen, sie habe den Friseurberuf bk-bedingt aufgeben.

Zu Beweiszwecken hat das SG von Amts wegen ein Gutachten des niedergelassenen Facharztes für Hautkrankheiten, Allergologie, Phlebologie und Umweltmedizin Dr. med. Dipl. Ing. S aus E1 eingeholt. In seinem Gutachten vom 07. August 2003 ist der Sachverständige (SV) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin derzeit an einer deutlich umgrenzten Juckflechte (Neurodermitis circumscripta = Lichen Vidal) leide, die nicht auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Gegen ein allergisches Kontaktekzem spreche der negative Epikutantest, die Lokalisation der Hautveränderungen und die Tatsache, dass die Klägerin den vermeintlichen Berufsschadstoffen seit Jahren nicht mehr ausgesetzt sei. Während ihrer Berufstätigkeit habe sie an einer Störung der Schweißabsonderung mit Bläschenbildung gelitten (dyshidrotisches Ekzem). Diese schwere Hauterkrankung sei anlagebedingt entstanden, durch die berufliche Feuchtarbeit verschlimmert worden und derzeit abgeheilt. Erneute Bläschenbildungen und sonstige Entzündungsreaktionen könnten mit Steroiden (Kortison) und austrocknenden (gerbstoffhaltigen) Bädern behandelt werden. Beim Abklingen der Beschwerden empfehle sich der Einsatz von gerbstoffhaltigen Cremes (Tannosynt/Tannolact). Um Bläschenschüben vorzubeugen, seien Iontophoresen und Bade- bzw. Creme-PUVA-Behandlungen angezeigt. Bei der Creme-PUVA werde die Haut eingecremt und anschließend mit UVA-Licht bestrahlt. Bei dieser "lokalen PUVA-Therapie" handele es sich um eine wirksame Methode mit gesichertem Behandlungserfolg, die auch die gesetzlichen Krankenkassen finanzierten.

Mit Urteil vom 26. November 2003 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Klägerin leide an einem anlagebedingten dyshidrotischen Ekzem, das die berufliche Feuchtarbeit verschlimmert habe. Diese Verschlimmerung könne jedoch nicht als BK anerkannt werden, weil die Klägerin nicht gezwungen gewesen sei, den Friseurberuf aufzugeben. Denn die schwere Hauterkrankung könne mit Kortison, gerbstoffhaltigen Bädern, Cremes, einer Iontophorese und einer PUVA-Therapie erfolgreich behandelt werden, wie der SV Dr. S überzeugend begründet habe.

Nach Zustellung am 18. Dezember 2003 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 06. Januar 2004 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Langzeitrisiken der PUVA-Behandlung weder belegt noch erforscht seien. Daher habe der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen diese Methode aus dem vertragsärztlichen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Ihr dürfe aus medizinisch-ethischen Gründen nicht zugemutet werden, sich den unerforschten Risiken der PUVA-Behandlung auszusetzen. Diese Heilmethode sei keinesfalls duldungspflichtig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26. November 2003 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2003 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen einer BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat die Empfehlungen des Berufsverbands Deutscher Dermatologen e.V. zur Phototherapie und Photochemotherapie vorgelegt.

Der Senat hat den zusammenfassenden Bericht des Arbeitsausschusses "Ärztliche Behandlung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen des Jahres 1999 zur Bewertung der Balneophototherapie beigezogen. Dort wird u.a. darauf hingewiesen, dass die Langzeitnebenwirkungen der Photochemotherapie noch nicht vollständig geklärt seien. Ca. 15 Jahre nach der ersten Behandlung mit PUVA nehme das Hautkrebsrisiko (malignes Melanom) zu, insbesondere bei Patienten, die 250 oder mehr Behandlungen erhalten hätten.

Der Gemeinsame Bundesausschusses, Unterausschuss "Ärztliche Behandlung", aus Siegburg hat dem Senat unter dem 27. Juli 2004 eine "Patienteninformation zur lokalen PUVA-Therapie (Creme-PUVA-Therapie)" übersandt, wonach zu dieser Behandlungsmethode nur wenige Langzeitbeobachtungen vorlägen und deshalb "möglicherweise" nicht alle Nebenwirkungen in vollem Umfang bekannt seien. Wie bei jeder natürlichen oder künstlichen Lichteinwirkung seien "unter Umständen" auch bei dieser Behandlungsform Langzeitnebenwirkungen "denkbar", wie vermehrte Hautalterung und die spätere Entwicklung von Hauttumoren. Nach einer Stellungnahme der Geschäftsführung des Bewertungsausschusses der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 10. Mai 2005 könne die Creme-PUVA-Therapie nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgerechnet werden. Dasselbe gelte für die "orale PUVA-Therapie", bei der vor der Bestrahlung mit UVA zur Photosensibilisierung ein psorenhaltiges Medikament eingenommen werde (Schreiben des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 30. August 2004).

Abschließend hat der Senat von Amts wegen eine Stellungnahme des SVen Dr. S eingeholt. Dieser hat unter dem 08. Juli 2005 dargelegt, dass die lokale Creme-PUVA-Therapie bei der Klägerin indiziert sei und als etablierte Behandlungsmethode auch über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden könne. Andere Therapieformen, wie das Baden größerer Körperareale (Bade-PUVA) oder die Einnahme psorenhaltiger Medikamente (orale PUVA), schieden bei Handkrankheiten von vornherein aus. Die Gefahr, aufgrund einer lokalen Creme-PUVA an einem Hautkrebsleiden zu erkranken, sei "eher gering", wenn sie ein erfahrener Dermatologe durchführe. Ein sorgfältiger, gewissenhafter und erfahrener Dermatologe, der die Behandlungschancen und -risiken abwäge, könne der Klägerin die Creme-PUVA ohne Einschränkung empfehlen. Zudem komme als weitere Therapiealternative der Einsatz von Calcineurininhibitoren (wie Protopic ® und Elidel ®) in Betracht, die jedoch im Jahre 2000 noch nicht zur Verfügung gestanden hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Az.: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Bescheid vom 22. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Februar 2003 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) rechtmäßig ist und die Klägerin nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sie hat nämlich keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente, weil sie trotz ihrer schweren bzw. wiederholt rückfälligen Hauterkrankung nicht gezwungen war, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge einer BK (§ 7 Abs. 1 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Verlieren Versicherte ihre Erwerbsfähigkeit, erhalten sie Vollrente (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VII). Ist ihre Erwerbsfähigkeit gemindert, wird Teilrente geleistet; sie wird in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollente festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII).

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind BKen solche Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet hat und die Versicherte infolge einer Tätigkeit erleiden, die Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet. Die BK nach Nr. 5101 erfasst schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2002 hat die Beklagte bindend (§ 77 SGG) anerkannt, dass die Klägerin an einer schweren bzw. wiederholt rückfälligen Hauterkrankung leidet, die durch ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin verursacht worden ist. Dort teilt sie der Klägerin nämlich wörtlich mit: "Ihre Tätigkeit als Friseurin hat folgende Hauterkrankung verursacht: kumulativ-subtoxisches Handekzem Die beruflich verursachte Hauterkrankung ist schwer bzw. wiederholt rückfällig ". Legt man diese Erklärung vom Empfängerhorizont aus (vgl. hierzu: Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 33 Rn.3; Krasney in: Kasseler Kommentar, § 33 SGB X Rn. 3), so kann sie - schon ihrem Wortlaut nach - nur so verstanden werden, dass die Beklagte mit ihr zumindest das erforderliche Krankheitsbild (schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung) und den Ursachenzusammenhang ("hat verursacht") zwischen der schädigenden Tätigkeit ("als Friseurin") und der Erkrankung ("kumulativ-subtoxisches Handekzem") rechtsverbindlich feststellen wollte. Hierzu war sie nicht nur befugt, sondern nach § 9 Abs. 4 SGB VII sogar verpflichtet. Denn nach dieser Vorschrift haben die Unfallversicherungsträger vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK erfüllt sind, wenn die Anerkennung einer Krankheit als BK den Unterlassungszwang voraussetzt. Hierdurch soll der Betroffene Rechtssicherheit erhalten. Denn ihm kann nicht zugemutet werden, seine versicherte (und existenzsichernde) Tätigkeit aufzugeben, bevor der Unfallversicherungsträger über die Anerkennungsvoraussetzungen verbindlich entschieden hat (Kater in: Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, 1997, § 9 Rn. 107; Mehrtens/ Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, § 9 Rn. 43; Streubel in: LPK-SGB VII, 2000, § 9 Rn. 51)

Die Klägerin war jedoch aufgrund der Hautkrankheit nicht gezwungen, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Dieser Unterlassungszwang hat zwei Funktionen: Zum einen soll er ausschließen, dass Bagatellerkrankungen als BK anerkannt und entschädigt werden. Vor allem aber soll er verhindern, dass der Versicherte auf dem gefährdenden Arbeitsplatz verbleibt, weil dies die Krankheit verschlimmern und die Entschädigungspflicht erhöhen kann (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1999, Az: B 2 U 12/98, SozR 3-2200 § 551 Nr. 12). Ein Zwang zum Unterlassen entfällt, solange andere Mittel zur Verfügung stehen, die sicherstellen, dass der Versicherte die betreffende Tätigkeit weiter ausüben kann. Zu diesen Mitteln gehören neben persönlichen Schutzmaßnahmen (z.B. das Tragen von Schutzhandschuhen) auch medizinische (Heilbehandlungs-) Maßnahmen (Mehrtens/ Perlebach, a.a.O., § 9 Rn. 27.5). Akute Bläschenbildungen und sonstige Entzündungsreaktionen lassen sich mit Steroiden (Kortison) und austrocknenden (gerbstoffhaltigen) Bädern behandeln. Klingen die Beschwerden ab, empfiehlt sich das Auftragen gerbstoffhaltiger Cremes (Tannosynt/Tannolact), um den Heilprozess zu unterstützen. Mit der Iontophorese-Therapie kann erneuten Bläschenschüben vorgebeugt werden. Als weitere Behandlungsalternative kommt zudem der Einsatz von Calcineurininhibitoren (wie Protopic ® und Elidel ®) in Betracht. Dies hat der Sachverständige Dr. S in seinem Gutachten 07. August 2003 und seiner ergänzenden Stellungnahme 08. Juli 2005 überzeugend dargelegt. Der Klägerin stehen somit eine Fülle erfolgsversprechender Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die einem Zwang zur Aufgabe der Friseurinnentätigkeit entgegenstehen. Folglich kommt es auf die Rechtsfrage, die die Klägerin in den Vordergrund ihrer Berufungsbegründung gestellt hat, ob ihr eine Creme-PUVA unter "medizinisch-ethischen" Gesichtspunkten zumuten ist, nicht (mehr) entscheidend an.

Der Senat ist jedoch der Ansicht, dass sich die Klägerin einer Creme-PUVA-Therapie unterziehen müsste, wenn dies die einzig erfolgsversprechende Behandlungsmöglichkeit wäre. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend: Der Unterlassungszwang ist keine Rechtspflicht, sondern eine bloße Obliegenheit, die der Versicherungsträger nicht erzwingen oder gar zwangsweise durchsetzen kann. Weigert sich der Versicherte, an (zumutbaren) Heilbehandlungsmaßnahmen mitzuwirken, verliert er den Anspruch auf BK-Leistungen. Denn der Versicherungsfall tritt erst ein, wenn der Versicherte (objektiv) gezwungen ist, die gefährende Tätigkeit zu unterlassen (BSG, Urteil vom 22. August 2000, Az: B 2 U 34/99 R, SozR 3-5670 Anl 1 Nr. 2108 Nr. 2; Ricke in: Kassler Kommentar, SGB VII, § 9 Rn. 5). Demgegnüber statuiert § 63 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) eine Mitwirkungspflicht des Versicherten: Danach soll er sich nämlich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer Heilbehandlung unterziehen, wenn er wegen Krankheit oder Behinderung Sozialleistungen beantragt und zu erwarten ist, dass die Heilbehandlungsmaßnahme eine Besserung seines Gesundheitszustands herbeiführen oder eine Verschlechterung verhindern wird. Diese Voraussetzungen liegen vor, weil die PUVA-Therapie nach Überzeugung aller Sachverständigen (Prof. Dr. T, Dr. T1 und Dr. S) den Hautzustand voraussichtlich bessern und stabilisieren wird. Auch der behandelnde Hautarzt Dr. N bestreitet die Wirksamkeit dieser Methode nicht, sondern weist (zutreffend) darauf hin, dass die "PUVA-Badtherapie", die Prof. Dr. T empfohlen hatte, nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden darf. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen begründet dies mit unerwünschten Nebenwirkungen und vor allem mit den unbekannten Langzeitrisiken.

Dieser Leistungsausschluss gilt jedoch nicht für die Creme-PUVA-Therapie, die Dr. S präferiert. Der Unterschied zur PUVA-Badtherapie besteht darin, dass vor der Bestrahlung mit UV-A-Licht nicht der ganze Körper gebadet, sondern die betroffenen Hautareale zur Lichtsensibilisierung eingecremt werden. Insofern ist die Creme-PUVA im Vergleich zur Bade-PUVA die schonendere Behandlungsmethode. Im Übrigen besteht kein Wertungswiderspruch zum Krankenversicherungsrecht, weil die Creme-PUVA auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden darf.

Die Langzeitwirkungen der Creme-PUVA-Therapie sind allerdings noch weitgehend unbekannt. Nach der "Patienteninformation zur lokalen PUVA-Therapie (Creme-PUVA-Therapie)", die der Gemeinsame Bundesausschusses übersandt hat, sind - wie bei jeder natürlichen oder künstlichen Lichteinwirkung - "unter Umständen" auch bei dieser Behandlungsform Langzeitnebenwirkungen "denkbar". Hierzu können vermehrte Hautalterung und die spätere Entwicklung von Hauttumoren gehören. Fraglich ist, ob die Beklagte zur Abwendung einer BK-Anerkennung (und ggf. einer Rentenzahlung) verlangen kann, dass sich die Klägerin einem (nicht genau quantifizierbaren) Hautkrebsrisiko aussetzt. Der Senat bejaht diese Frage und greift zur Begründung auf das Übermaßverbot bzw. den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurück, den der Gesetzgeber in § 65 SGB I konkretisiert hat. Dort sind die Mitwirkungsgrenzen bei Untersuchungen und Heilbehandlungsmaßnahmen festgelegt (Hauck, SGB I, K § 65 Rn. 6; Lilge in: SGB-SozV-GesKomm, SGB I, § 65 Anm. 2.4). Auch wenn es beim tatsächlichen Unterlassen nicht unmittelbar um Mitwirkungspflichten geht, so sind die allgemeinen Rechts- und Zumutbarkeitsgedanken, die in § 65 SGB I zum Ausdruck kommen, mangels sonstiger Alternativen zumindest sinngemäß bzw. entsprechend anwendbar. Dies gilt umso mehr, als die Grenzen des Unterlassungszwangs, der vor allem auf präventiven Gründen beruht, und die Grenzen der Mitwirkung bei Heilbehandlungen fließend sind.

Nach § 65 Abs. 2 Nr. 1 SGB I können Behandlungen abgelehnt werden, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die Erkrankung an einem bösartigen (malignen) Hauttumor (Melanom) stellt einen Schaden für die "Gesundheit" oder sogar für das Rechtsgut "Leben" dar. Die vorzeitige Hautalterung erfüllt dieses Tatbestandsmerkmal nach Ansicht des Senats nicht. Es lässt sich (nach heutigem Erkenntnisstand) auch nicht völlig ausschließen, dass die Creme-PUVA-Therapie ein malignes Melanom hervorrufen kann, wie der SV Dr. S in seiner ergänzenden Stellungnahme eingeräumt hat. Ließe sich diese Erkrankung nämlich "ausschließen", wären die vorgedruckte Patienteninformation und die Einverständniserklärung überflüssig, in denen der Patient schriftlich bestätigen muss, dass er über die Risiken und Nebenwirkungen der Creme-PUVA-Therapie aufgeklärt worden ist.

Die Klägerin wird jedoch "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nicht an einem malignen Melanom erkranken, wenn sie sich einer Creme-PUVA-Behandlung unterzieht. Hohe Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass die Gefahr einer Schädigung nicht ganz gering, nicht mehr als nur eine ganz entfernt liegende Möglichkeit sein darf (Lilge, a.a.O., § 65 Anm. 7.4; Seewald in: Kasseler Kommentar, SGB I, § 65 Rn. 24). Die Negativformulierung, dass im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit "nicht ausgeschlossen" werden kann, indiziert, dass nur unvorhergesehene Gefahren und Geschehensabläufe nicht in Rechnung zu stellen sind (Lilge, a.a.O.; Seewald, a.a.O.). Gleichzeitig bürdet der Gesetzgeber mit der Negativformulierung dem Versicherungsträger die Darlegungs- und Feststellungslast auf, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Gesundheitsschaden eintreten wird (Mrozynski, SGB I, 3. Aufl. 2003, § 65 Rn. 18; Freitag in: Bochumer Kommentar zum AT, 1979, § 65 Rn. 24). Seewald (a.a.O., § 65 Rn. 24) sowie Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., S. 181) gehen davon aus, dass eine Komplikationsdichte von 4% und mehr die Annahme einer atypischen Gefahr ausschließt (vgl. auch Mrozynski, a.a.O., § 65 Rn. 18). Derart pauschale Richtwerte sind nach Ansicht des Senats aber abzulehnen (so auch Lilge, a.a.O., § 65 Anm. 7.5), weil § 65 Abs. 2 Nr. 1 SGB I ausdrücklich auf den "Einzelfall" abstellt. Der Richtwert von 4% hilft vorliegend auch nicht weiter, weil die Komplikationsrate unbekannt ist und sich erst in einigen Jahren herausstellen wird. Entscheidend müssen daher die Art der Behandlung, die individuellen gesundheitlichen Verhältnisse des Betroffenen und vor allem der jeweilige Stand der medizinischen Wissenschaft sein (Seewald, a.a.O.). Schadensrisiken haben eine quantitative und qualitative Dimension. Ob ein Nebenwirkungsrisiko hinzunehmen ist, hängt davon ab, wie schwer die Nebenwirkungen sind und wie häufig sie auftreten. Einfache Hautreizungen können eher hingenommen werden als schwere Organschäden; sehr seltene Nebenwirkungen sind eher akzeptabel als massenhaft auftretende. Das eigentliche Bewertungsproblem stellt sich aber erst dann in vollem Umfang, wenn das Nebenwirkungsrisiko auf der Basis einer Nutzen-Risiko-Bilanz zu bewerten ist. Ob eine Nebenwirkung akzeptabel ist, hängt davon ab, welche Heilungserwartung mit der Methode verbunden ist. Bei einer Therapie gegen Erkältungen wird man Nierenfunktionsstörungen für unvertretbar erachten, während diesselben Nebenwirkungen bei einem Präparat, das lebensbedrohliche Erkrankungen bekämpfen soll, für vertretbar halten kann. Dabei spielen neben einer Bewertung nach Schwere, Häufigkeit und Bedrohlichkeit auch Bewertungen nach Reversibilität, Irreversibilität und therapeutischer Beeinflussbarkeit eine Rolle.

Bei der Creme-PUVA-Therapie wird die Haut mit einer Salbe gegenüber Licht sensibilisiert und anschließend mit langwelligem Ultraviolettlicht (UV-A) bestrahlt. Diese Bestrahlung soll den Heilungsprozess unterstützen. Ungeklärt ist, ob und ggf. ab welcher Dosis das Ultraviolettlicht auf die Zellteilung der Haut wirkt und Hautkrebs auslösen kann. Die möglichen Langzeitfolgen der Creme-PUVA-Therapie können aufgrund der unzureichenden Beherrschbarkeit von Krebserkrankungen im Extremfall tödlich sein. Um dieses qualitativ hohe Nebenwirkungsrisiko hinzunehmen, müssen Heilungserwartung und Schweregrad der Erkrankung groß und das quantitative Erkrankungsrisiko minimal sein. Die Sachverständigen schätzen die Heilungschancen als hoch ein. Es liegt zwar eine "schwere" Hauterkrankung vor. Verglichen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen zählen Hautleiden aber sicherlich nicht zu den "schweren" Krankheiten, so dass ihr Schweregrad im Ergebnis eher als gering zu bewerten ist. Das Erkrankungsrisiko lässt sich nicht quantifizieren. In einer ersten Nutzen-Risiko-Bilanz spricht der vergleichsweise geringe Schweregrad der Hauterkrankung in Anbetracht des nicht quantifizierbaren Risikos, an (tödlichem) Hautkrebs zu erkranken, gegen die Zumutbarkeit der Creme-PUVA-Therapie.

Ein ähnliches Abwägungsproblem stellt sich bei der Zumutbarkeit von Röntgenuntersuchungen. Auch dabei können (Röntgen-)Strahlen auf die Zellteilung des Organismus einwirken, was den Ausbruch von (tödlichen) Krebserkrankungen begünstigen kann. Dennoch werden Röntgenuntersuchungen nicht ausschließlich bei lebensbedrohlichen Erkrankungen eingesetzt. Zudem handelt es sich bei Röntgenuntersuchungen "nur" um diagnostische Maßnahmen, mit denen jedenfalls kein unmittelbarer Heilerfolg verbunden ist, so dass die Nutzen-Risiko-Bilanz im Ergebnis noch schlechter als bei der Creme-PUVA-Therapie ausfällt. Dennoch nimmt die h.M. eine Mitwirkungspflicht an, wenn keine anderen Diagnosemethoden ohne Strahlenbelastung zur Verfügung stehen (Lilge, a.a.O., § 65 Anm. 7.5; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar], § 65 Anm. 1 a); Mrozynski, a.a.O., § 65 Rn. 19; Schönberger u.a., a.a.O., S. 18; Seewald, a.a.O., § 65 Rn. 25). Die Mitwirkungspflicht wird damit begründet, dass die Strahlenbelastung im Allgemeinen weit unter der zulässigen Belastungsgrenze liegt (Schönberger u.a., a.a.O., S. 188).

Berücksichtigt man diese Grundsätze, so kann die Creme-PUVA-Therapie der Klägerin zur Abwendung einer BK-Anerkennung (und ggf. einer Verletztenrentenzahlung) zugemutet werden. Denn die Creme PUVA-Therapie stellt lediglich eine Behandlungsalternative dar. Erneute Bläschenbildungen und sonstige Entzündungsreaktionen können mit Steroiden (Kortison) und austrocknenden (gerbstoffhaltigen) Bädern behandelt werden. Beim Abklingen der Beschwerden empfiehlt sich der Einsatz von gerbstoffhaltigen Cremes (Tannosynt/Tannolact). Als weitere Therapiealternative steht neuerdings der Einsatz von Calcineurininhibitoren wie Protopic ® und Elidel ® zur Verfügung (Dr. S, Bl. 136 GA). Zudem ist statistisch lediglich die Entwicklung von spinozellulären Karzinomen nach systemischer PUVA-Behandlung mit hohen kumulativen UVA-Dosen gesichert. Ferner besteht nach den Leitlinien und Empfehlungen des Berufsverbands Deutscher Dermatologen e.V. ein signifikantes Langzeitrisiko erst nach 150 bis 200 PUVA-Behandlungen. Überdies hat der Sachverständige Dr. S überzeugend dargelegt, dass das Risiko, aufgrund der Creme-PUVA-Therapie an Hautkrebs zu erkranken, niedriger ist, als die Gefahren, die typischerweise mit ionisierenden Strahlen (z.B. Röntgenstrahlen) verbunden sind. Hinzu kommt, dass sich das Risiko, behandlungsbedingt an einem Hautkrebsleiden zu erkranken, bei der Creme-PUVA-Therapie weiter reduzieren lässt, wenn sie durch einen erfahrenen Dermatologen durchgeführt wird, der Indikation und Kontraindikation abwägt und den Behandlungsverlauf kontrolliert. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin aus anderen Gründen offenbar keinem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt ist. Folglich würde ihr ein sorgfältiger, gewissenhafter und erfahrener Dermatologe in der Person des behandelnden Arztes unter Abwägung der Behandlungschancen und -risiken die Creme-PUVA empfehlen. Unter diesen Umständen kann der Klägerin diese Behandlungsmethode zugemutet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG). Auf die Rechtsfrage, ob sich ein Versicherter zur Abwendung einer BK-Anerkennung einer Creme-PUVA-Behandlung unterziehen muss, kommt es angesichts der Fülle der therapeutischen Möglichkeiten nicht an.
Rechtskraft
Aus
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