S 34 KR 219/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 219/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 19/05 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Beitragssatz zur Krankenversicherung aufgrund des Versorgungsbezugs streitig.

Der 1925 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert und erhält seit 1990 eine Beamtenpension. Die Bruttobezüge aufgrund der Beamtenpension liegen über der Beitragsbemessungsgrenze. Mit Bescheid vom 30.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie seine Mitgliedschaft ab dem 01.01.2003 in der Klasse 741 mit einem monatlichen Beitrag von 250,13 Euro in der Krankenversicherung führen würde. Mit Bescheid vom 05.01.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass zum 01.01.2004 wesentliche Bestandteile des "Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung" in Kraft treten würden. Für freiwillig Versicherte dürften keine günstigeren Beitragssätze Anwendung finden als für versicherungspflichtige Mitglieder. Die Angleichung würde dazu führen, dass für bestimme Einnahmearten der allgemeine Beitragssatz (14,9 %) maßgeblich wäre. Unter Berücksichtigung der in der Krankenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2004 in Höhe von monatlich 3487,50 Euro würde sich ein Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 519,64 Euro ergeben. Mit Schreiben vom 15.01.2004 teilte die Beklagte dem Kläger ergänzend mit, dass der Wegfall der Regelung des § 240 Abs. 3a Sozialgesetzbuch – SGB – V ein noch geltendes aber auslaufendes Privileg für freiwillig Versicherte beseitigt würde, die das 65. Lebensjahr vollendet hätten und bestimmte Vorversicherungszeiten erfüllten. Bei der Barmer wäre dies der in der Beitragsklasse 741 versicherte Personenkreis, bei dem die Beiträge aus Versorgungsbezügen/Arbeitseinkommen wie bei Pflichtversicherten bis 31.12.2002 nach dem halben allgemeinen Beitragssatz bemessen würden. Nach der Einführung des vollen allgemeinen Beitragssatzes für pflichtversicherte Rentner könnte der Gesetzgeber diese Regelung nicht mehr aufrecht erhalten. Die Betroffenen müssten daher künftig – ebenso wie pflichtversicherte Rentner – aus Versorgungsbezügen/Arbeitseinkommen Beiträge nach dem (vollen) allgemeinen Beitragssatz zahlen. Durch eine Änderung des § 240 Abs. 2 (künftig Abs. 3) SGB V würde darüber hinaus klargestellt, dass für die Einnahmearten Rente, Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen ab 2004 bei freiwillig Versicherten stets der allgemeine Beitragssatz (14,9 %) anzuwenden wäre. Der Kläger legte gegen die Beitragsfestsetzung zunächst am 15.01.2004 schriftlich und sodann unter dem 17.01.2004 (bei der Beklagten eingegangen am 23.01.2004) Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, dass die erfolgte Erhöhung den Vertrauensschutz zerstören würde. Er lebe seit November 2003 in einem Pflegeheim und erhalte von der Pflegekasse (Pflegestufe I) monatlich 511,50 Euro sowie von der Beihilfe der E C monatlich 500,00 Euro. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2004 zurück. Der von dem Kläger zu entrichtende Monatsbeitrag zur Krankenversicherung würde sich in der Zeit vom 01.01.2004 bis 31.03.2004 auf 519,64 Euro und seit dem 01.04.2004 auf 512,66 Euro belaufen. Die Beitragsfestsetzung beruhe auf § 240 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 248 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung sowie auf § 21 Abs. 4 der Satzung. Die Beklagte könne als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht über die Frage entscheiden, ob die gesetzlichen Neuregelungen verfassungskonform seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2004 Bezug genommen. Der Kläger hat am 00.00.0000 Klage erhoben. Der Kläger ist der Meinung, dass die gesetzliche Neuregelung gegen das Grundgesetz – GG – verstoßen würde. Der Gesetzgeber habe es versäumt, Übergangsregelungen zu erlassen, welche für solche Personenkreise gelten müssten, die im Vertrauen auf die Höhe der im Leben erarbeiteten Altersversorgung ihre gesamte Lebensführung eingerichtet hätten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Entrichtung des erhöhten Krankenversicherungsbeitrags wegen fehlender Vertrauensschutzregelungen einen unzulässigen Eingriff in eigentumsschutzrechtliche Grundrechtspositionen (Art. 14 GG) darstellen würde. Der Kläger sieht weiter den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG verletzt, da ein sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer lediglich den hälftigen Krankenversicherungsbeitrag zu entrichten hätte und ein Rentner, der lediglich eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne jegliche Zusatzversorgung beziehen würde, einen geringeren Krankenversicherungsbeitrag zu leisten hätte als ein Rentner, der die Hälfte dieser Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält und die andere Hälfte durch betriebliche Zusatzversorgung oder Versorgungsbezüge abdeckt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Beitragsberechnung aus Versorgungsbezug die Vorschrift § 240 Abs. 3a SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung anzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. Die Beklagte verweist auf die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG – durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der von dem Kläger angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2004 konnte nicht aufgehoben werden, weil der Kläger durch ihn nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert ist. Dieser Bescheid ist rechtmäßig, da die Beklagte ab 01.01.2004 zu Recht für die Beitragsbemessung beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und den allgemeinen Beitragssatz zugrundelegt.

Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Satzung der Krankenkasse muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrundezulegen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Gemäß § 240 Abs. 2 Satz 3 gelten die §§ 223 und 228 Abs. 2, 229 Abs. 2 und die §§ 238a, 243 Abs. 2, 247 Abs. 1 und § 248 dieses Buches sowie § 23a SGB IV entsprechend. Gemäß § 248 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) gilt bei Versicherungspflichtigen für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen der jeweils am 01.07. geltende allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse für das folgende Kalenderjahr. Entsprechend der vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen regelt § 21 Abs. 4 Satz 1 der Satzung der Beklagten, dass bei den freiwilligen Mitgliedern als beitragspflichtige Einnahmen gelten das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Krankenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) und alle sonstigen Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Gemäß § 22 Abs. 6 der Satzung der Beklagten gilt für die Berechnung der Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen als Beitragssatz der jeweils am 01.07. geltende allgemeine Beitragssatz für das folgende Kalenderjahr. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Beklagte für die Zeit ab 01.01.2004 den Monatsbeitrag des Klägers zur Krankenversicherung zutreffend aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen sowie ihrer Satzungsregelungen berechnet hat.

Die Kammer vermag nicht davon auszugehen, dass die Regelung des § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V i.V.m. § 248 Satz 1 SGB V, wonach bei der Bemessung des Beitrages zur freiwilligen Krankenversicherung bei Versorgungsbezügen ohne Ausnahme der volle Beitragssatz zugrundezulegen ist, verfassungswidrig ist. Insoweit kam dem Kläger allerdings bis zum 31.12.2003 das so genannte Altersprivileg entsprechend der Regelung des § 240 Abs. 3a SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung – a.F. - zugute. Bei freiwillig Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet hatten, galt seit 01.01.1989 unter den Voraussetzungen des § 248 Abs. 2 SGB V nur der halbe Beitragssatz bei Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen. Wer diesen Vorteil Ende 1992 hatte, behielt ihn nach § 240 Abs. 3a SGB V a.F. Nachdem gemäß § 248 Satz 1 SGB V in der seit 01.01.2004 geltenden Fassung für Versicherungspflichtige für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der allgemeine Beitragssatz gilt, hielt der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung des § 240 Abs. 3a SGB V a.F., demgemäß freiwillig versicherte Mitglieder unter den bereits genannten Voraussetzungen auf Versorgungsbezüge nur den halben Beitragssatz zahlen mussten, für nicht mehr aufrecht zu erhalten und strich diese Regelung (BGBl. I S. 2190; vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 139 zu Nr. 144 (§ 240) zu Buchstabe b).

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt durch die Neuregelung von § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V i.V.m. § 248 Satz 1 SGB V nicht vor. Der Gleichheitsgrundsatz ist nämlich nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 79, 87, 98). Der Gesetzgeber hat jedoch gerade durch die gesetzliche Neuregelung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung zuvor bestehende Ungleichheiten beseitigt. So enthielt die Regelung des § 240 Abs. 3a SGB V a.F. eine Ausnahmeregelung gegenüber den freiwillig versicherten Rentnern, die bereits den allgemeinen Beitragssatz auf ihre Versorgungsbezüge zu entrichten hatten. Weiterhin sind ab 01.01.2004 auch die pflichtversicherten Rentner verpflichtet, auf ihre zusätzlichen Versorgungsbezüge den allgemeinen Beitragssatz zu entrichten. Insoweit hatte das Bundesverfassungsgericht bereits Zweifel daran geäußert, ob die unterschiedliche beitragsrechtliche Belastung der Versorgungsbezüge durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt war (vgl. BverfG SozR 3-2500 § 5 Nr. 42). Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ergibt sich auch nicht daraus, dass freiwillige Mitglieder gemäß § 250 Abs. 2 SGB V den vollen Beitragssatz allein zu tragen haben, während bei Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Versicherungspflichtige und der Träger der Rentenversicherung den Beitrag je zur Hälfte tragen (§ 249a SGB V). Auch Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, erhalten zu ihrer Rente vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung (§ 106 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Eine sachliche Begründung ist aber insoweit gegeben, als die gesetzliche Rentenversicherung aus ihrem Beitragsaufkommen selbst die Hälfte der Beitragslast zur Krankenversicherung bzw. den Zuschuss zu tragen hat (vgl. Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25.01.2005 – L 11 KR 4452/04 - ). In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Beamte grundsätzlich ihre Krankheitsvorsorge auch teilweise aus ihrem Ruhegehalt bestreiten müssen, einen Zuschuss dafür – etwa für Versicherungsbeiträge zu privaten Krankenversicherungen – aber nicht erhalten (vgl. BSG SozR 2200 § 180 Nr. 46 S. 200). Dabei ist es für die Kammer weiter nicht nachvollziehbar, inwiefern der Kläger sich mit einem sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer vergleicht und geltend macht, diesem gegenüber ungleich ohne einen sachlichen Grund behandelt zu werden, da offensichtlich zwischen beiden Gruppen gravierende Unterschiede bestehen.

Die Kammer sieht in den gesetzlichen Neuregelungen auch keinen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient. Der Eigentumsschutz beruht dabei wesentlich darauf, dass die in Betracht kommende Rechtsposition durch die persönliche Arbeitsleistung des Versicherten, wie dies vor allem in den einkommensbezogenen Eigenleistungen Ausdruck findet, mitbestimmt ist. Dieser Zusammenhang mit der eigenen Leistung ist als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt (BVerfG SozR 2200 § 165 Nr. 81). Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass das dem Kläger gemäß § 240 Abs. 3a SGB V a.F. gewährte Privileg, Beiträge aufgrund seiner Versorgungsbezüge nur nach dem halben Beitragssatz zu zahlen, Gegenstand der Eigentumsgarantie ist. Denn diese Beitragsvergünstigung wurde ihm gewährt, ohne dass er hierfür eine Leistung erbracht hatte. Der Gesetzgeber darf von ihm selbst gewährte Rechtspositionen ganz oder teilweise wieder zurücknehmen, wenn sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen wesentlich ändern und es das öffentliche Interesse, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit eines Regelungssystems erfordert. Das gilt auch für den Fall, dass solche Gewährungen in anderer Weise eingeschränkt werden, insbesondere dadurch, dass die – bisher und auch weiterhin – Begünstigten erstmals mit Beiträgen belastet werden oder dass ihre Beitragslast später wesentlich erhöht wird (BSG SozR 2200 § 180 Nr. 25). Dabei ist auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass eine weitere Privilegierung des Klägers aufgrund der neu geschaffenen Verpflichtung für pflichtversicherte Rentner, auf Versorgungsbezüge den vollen Beitragssatz zu zahlen, nicht mehr aufrecht zu erhalten ist (vgl. BT-Drucks 15/1525 zu Nr. 144 zu Buchstabe b). Die Kammer geht davon aus, dass sich der Gesetzgeber durch die Abschaffung der beitragsrechtlichen Vergünstigungen im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gehalten hat. Ausgangspunkt für die im Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffenen Neuregelungen war u.a. der Ausgabenanstieg wegen des medizinischen Fortschritts und der zunehmenden Zahl älterer Menschen, hinter dem die Entwicklung der Einnahmen zurückblieb. Der Gesetzgeber hielt es nicht für verantwortbar, diese Finanzierungslücke durch weitere Beitragssatzsteigerungen zu finanzieren, denn dies hätte die Arbeitskosten erhöht und damit zu einer steigenden Arbeitslosigkeit beigetragen (BT-Drucks 15/1525 S. 1). Angesichts der erheblichen Finanzlöcher muss dem Gesetzgeber auch die Berechtigung zu einer abrupten Erhöhung des Beitragssatzes vom halben auf den vollen allgemeinen Beitragssatz zugestanden werden (Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2005 – S 9 KR 264/04 -). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beitragszahlungen der Rentner 1973 noch zu gut 70 % deren Leistungsaufwendungen abdeckten, während inzwischen die eigenen Beiträge der Rentner nur noch ca. 43 % der Leistungsaufwendungen für sie abdecken (BT-Drucks 15/1525 zu Nr. 148 (§ 248)).

Die Kammer geht weiterhin davon aus, dass die gesetzliche Neuregelung des § 248 Satz 1 SGB V sowie der Wegfall des Altersprivilegs gemäß § 240 Abs. 3a SGB V a.F. weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt. Dabei handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um eine echte Rückwirkung, da nicht vom Gesetzgeber in einen abgewickelten, der Vergangenheit angehörigen Tatbestand eingegriffen wird, sondern die Beitragsbelastung des Klägers erst für die Zukunft ab 01.01.2004 angehoben wird. Eine unechte Rückwirkung ist jedoch nur verfassungswidrig, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, und wenn sein Vertrauen billigerweise eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber beanspruchen kann (BSG SozR 3-2500 § 44 Nr. 4). Die Erhöhung der Beitragsbelastung auf Versorgungsbezüge kam aus der Sicht der Versicherten jedoch nicht unerwartet. Zum einen hatte bereits das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 15.03.2000 (vgl. SozR 3-2500 § 5 Nr. 42) darauf hingewiesen, dass zweifelhaft ist, ob die unterschiedliche beitragsrechtliche Belastung der Versorgungsbezüge bei pflichtversicherten Rentnern einerseits und freiwillig Versicherten andererseits durch hinreichende gewichtige Gründe weiterhin gerechtfertigt ist. Darüber hinaus mussten die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund der seit langer Zeit eingeleiteten Reformen mit dem Abbau von Leistungen bzw. Beitragsvergünstigungen einzelner Gruppen und einer stärkeren Heranziehung zur Finanzierung der Leistungen für ihre Gruppe rechnen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.01.2005 – L 4 B 428/04 KR ER -, Urteil des SG Bayreuth vom 25.01.2005 – S 9 KR 264/04 -). Dabei kommt es für die Frage, ob ein Versicherter mit einer Änderung der Rechtslage rechnen muss, nicht auf seine subjektive Vorstellung und individuelle Situation sondern darauf an, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen auf ihren Fortbestand zu begründen (BverfGE 76, 256). Wer als Pflichtversicherter der gesetzlichen Pflichtversicherung beitritt, kann nicht von vorneherein erwarten, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Leistungen auf Dauer unverändert fortbestehen und dass er bei notwendigen Änderungen besser gestellt wird als andere Pflichtversicherte. Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind Solidargemeinschaften auf Dauer, die sich im Laufe der Zeit vielfachen Änderungen anpassen müssen. Wer so geprägten Gemeinschaften beitritt, erwirkt nicht nur die damit verbundenen Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 81). Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich die Finanzierungslücke der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits zu schließen und andererseits die Arbeitskosten zu senken (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 1) hält die Kammer sowohl das Vertrauensschutzprinzip als auch die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs für gewahrt. Unter Berücksichtigung der gewichtigen gesetzgeberischen Ziele der Konsolidierung der Krankenversicherung sowie einer Senkung der Beitragsbelastung mit der Aussicht, damit auch einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern, ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass für die betroffenen Versicherten keine Übergangsregelung geschaffen wurde. Eine Übergangsregelung hätte die Erreichung dieser gesetzgeberischen Ziele jedenfalls erschwert (vgl. BSG SozR 3-2500 § 248 Nr. 4).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved