L 8 AY 383/05 ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 15 AY 511/05 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 8 AY 383/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Kosten für eine ambulante, gegebenenfalls stationäre psychotraumatologische Behandlung zu tragen.

Die Antragstellerin ist georgische Staatsangehörige. Sie beantragte mit ihrem Ehemann und ihren Kindern am 2. Dezember 1998 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Dabei gaben sie falsche Namen (den Familiennamen "D.") und vertauschte Geburtsdaten an. Auf eine angeblich im Jahre 1998 beantragte Namensänderung in Georgien wurde nicht hingewiesen. Ferner wurden keine Dokumente vorgelegt. Die Klägerin hat während des Asylverfahrens nicht vorgetragen, in Georgien Opfer einer Straftat geworden zu sein. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 21. Dezember 1998 wurden die Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Bescheid ist bestandskräftig. Die Ausstellung von Passpapieren konnte durch die Georgische Botschaft wegen der Falschangaben nicht durchgeführt werden, sodass eine Sondervorführung am 3. September 2004 in der ZAB Bielefeld erforderlich wurde. Dabei konnte der Ehemann der Antragstellerin als Georgier identifiziert werden. Auch hier wurden keine Angaben über die wahre Identität der Asylbewerber gemacht. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen konnten nicht durchgeführt werden, weil eine Ausreise der Antragstellerin wegen fehlender Dokumente nicht möglich war. Im Rahmen einer weiteren Vorführung in der ZAB Bielefeld im Mai 2005 teilte der Ehemann der Antragstellerin nunmehr seinen richtigen Familiennamen "B." mit. Die Georgische Botschaft hat daraufhin Passersatzpapiere ausstellen können, die auf die richtigen Namen der Antragstellerin, ihres Ehemannes und ihrer Kinder lauten. Seit dem 1. Januar 2004 bezieht die Antragstellerin Leistungen nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von dem Antragsgegner.

Am 14. März 2005 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde vom Sozialgericht Nordhausen mit Beschluss vom 29. März 2005 abgelehnt. Die Beschwerde war erfolglos (Beschluss des Senates vom 11. Juli 2005, Az.: L 8 AY 379/05 ER).

Die Antragstellerin befindet sich spätestens seit September 2000 in nervenärztlicher ambulanter Behandlung, zunächst bei Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, und seit Januar 2003 bei dem Facharzt für Psychiatrie Dipl.-Med. S. Dipl.-Med. S. stellte unter dem 31. Januar 2005 für die Antragstellerin einen Überweisungsschein für eine Überweisung an eine Psychotherapeutin wegen einer posttraumatischen Störung und eines klinisch depressiven Syndroms zur Durchführung einer ambulanten Psychotherapie aus. Nach einer Stellungnahme durch den Amtsarzt Dr. L. vom 7. Februar 2002 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 18. Februar 2005 die Überweisung für eine ambulante Psychotherapie ab. Nach § 4 Abs. 1 AsylbLG seien Behandlungen nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen zu gewähren. Eine akute Erkrankung liege bei der Antragstellerin nicht vor.

Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem Schreiben vom 11. März 2003 und legte ein "psychologisch-psychotraumatologisches Fachgutachten" der "T." vom 8. März 2005 vor.

Unter dem 23. März 2005 (Eingang 29. März 2005) hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Nordhausen sinngemäß beantragt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für eine gegebenenfalls auch stationäre psychotraumatologische Behandlung zu erstatten. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Dipl. – Med. S. vom 4. Mai 2005 angefordert und mit Beschluss vom 24. Mai 2005 den Antrag abgelehnt.

Hiergegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und sich auf das Gutachten der "T." vom 8. März 2005 berufen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 24. Mai 2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für eine ambulante, gegebenenfalls stationäre Psychotherapie zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen nicht zu beanstanden sei.

Der Senat hat ein Gutachten des Dr. B. vom 18. Juli 2005 eingeholt. Danach leidet die Antragstellerin an einer leichten depressiven Störung. Akuter Behandlungsbedarf für die von der Antragstellerin geschilderte Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung bestünde nicht. Diesbezüglich wird auf Blatt 142 bis 162 Bezug genommen. Zu diesem Gutachten hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 19. August 2005 umfangreich Stellung genommen, hierzu wird auf Blatt 167 bis 176 Bezug genommen. Ferner wird auf die von der Antragstellerin vorgelegte ergänzende Stellungnahme der "T." vom 17. August 2005, angefertigt von Dipl.-Psychologen W., verwiesen (Bl. 177 bis 182).

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerde- und der Verwaltungsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine von der Antragsgegnerin zu zahlende Psychotherapie in Form einer ambulanten oder stationären psychotraumatologischen Behandlung.

Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag, wenn – wie hier – ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG (vorläufiger Rechtsschutz in Anfechtungssachen) nicht vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Abs. 2). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten dann entsprechend (Satz 4). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86 b Abs. 4 SGG), gegen den nach § 172 SGG die Beschwerde zulässig ist.

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V.m. § 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch (gesetzliche Anknüpfungspunkt bei der Sicherungsanordnung: "Recht des Antragstellers", bei der Regelungsanordnung: "Streitiges Rechtsverhältnis") und ein Anordnungsgrund (einerseits: "Gefahr für die Verwirklichung des Rechts", andererseits: "Notwendigkeit zur Regelung eines Zustandes") bejahen kann. Dabei bedeutet die Möglichkeit der Glaubhaftmachung von Tatsachen zunächst nur, dass sich das Gericht nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen der beweiserheblichen Tatsachen machen muss, sondern ein geringer Grad der Überzeugung genügt (Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 8. Auflage 2005, § 103 Rdnr. 6 a).

Vorliegend fehlt es an einem Anordnungsanspruch.

Die Antragstellerin kann die von ihr begehrte Leistung nicht nach § 2 AsylbLG geltend machen (vgl. Beschluss des Senates vom 11. Juli 2005, Az.: L 8 AY 379/05 ER).

Eine Anspruchsgrundlage für die begehrte Psychotherapie ergibt sich auch nicht aus § 4 AsylbLG. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheit oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren.

Die Antragstellerin leidet nicht an einer akuten Erkrankung, die eine ambulante oder gar stationäre psychotherapeutische Behandlung erforderlich macht. Vielmehr ist sie an einer leichten Depression erkrankt, die durch einen Facharzt für Psychiatrie im medizinisch erforderlichen und ausreichenden Umfang behandelt werden kann. Einer Psychotherapie, ob ambulant oder stationär, bedarf es nicht.

Der Senat folgt bei seiner Einschätzung dem medizinischen Sachverständigengutachten des Dr. B., das wissenschaftlich hinreichend begründet und nachvollziehbar ist. Dr. B. verfügt über die erforderlichen Kenntnisse für die Beurteilung des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er hat als Gutachter unter anderem für das Thüringer Landessozialgericht bei Rechtsstreitigkeiten im Unfall-, Kriegsopfer– und Opferentschädigungsrecht auch Antragsteller mit behaupteten posttraumatischen Belastungsstörungen begutachtet und dabei die erforderliche Sachkunde und Erfahrung nachgewiesen.

Dr. B. hat unter Beteiligung einer russisch sprechenden Ärztin die Antragstellerin persönlich begutachtet. Sein Gutachten vom 18. Juli 2005 beruht ferner auf der Auswertung der Akten sowie der Angaben der Antragsstellerin und ihres Ehemannes. Demgegenüber leidet das Gutachten der "T." vom 8. März 2005, dem der Senat nicht folgt, und das die Vermutung einer Gefälligkeitsbegutachtung aufkommen lässt, bereits hier an zwei erheblichen Mängeln: Erstens lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen, wer die Antragstellerin untersucht hat und an der Begutachtung beteiligt war, das heißt, wer das Gutachten letztlich abgefasst und erstellt hat. Insofern muss spekuliert werden, was im Rahmen medizinisch - wissenschaftlicher Begutachtungen nicht üblich ist. Unter dem Gutachten befinden sich die Namen eines Prof. Dr. F. (als Gutachter der T. bezeichnet), eines Dipl.–Psych. T. W. ("Geschäftsführung T."), sowie einer Dipl.-Psych. J. K. (als Gutachterin der T. bezeichnet). Im schriftlichen Gutachten wird aber nur von einem "Untersucher", das heißt einer Person, die auch die Tests und die Beurteilungen der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin vorgenommen hat, gesprochen. Das Gutachten wurde von Prof. F. und Dipl.–Psych. T. W. (ohne weiteren Zusatz) unterschrieben. Für die Dipl.-Psych. J. K. hat Dipl.–Psych. T. W. mit dem Zusatz "i. V." unterschrieben, sodass das Gutachten anscheinend von ihr (mit)verfasst wurde. In der ergänzenden Stellungnahme des Dipl.–Psych. T. W. vom 17. August 2005 spricht dieser zwar von "unserem Gutachten", ohne allerdings den "Untersucher" zu nennen, sodass auch dieser ergänzenden Stellungnahme weder der Autor des Gutachtens noch der Beitrag der anderen Unterzeichner entnommen werden kann. Dies ist insbesondere auch deshalb von Bedeutung, weil das Gutachten Wertungen enthält, wie "Frau D. ist ihre Verzweiflung deutlich anzumerken" oder "Frau D. fällt es sichtlich schwer über dieses Ereignis zu sprechen. Sie hat Tränen in den Augen". Zum zweiten wurden im Gutachten der "T." vom 8. März 2005 die Aktenlage nicht berücksichtigt und die bekannten Falschangaben des Namens und der Geburtsdaten der Antragstellerin (wiederum im Hinblick auf eine Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit) nicht hinterfragt. Das Gutachten setzt sich nicht mit den Vorbefunden auseinander und berücksichtigt nicht, dass die Antragstellerin frühestens im Mai 2004 dem Dipl.–Med. S. von traumatischen Erlebnissen berichtet hat, obwohl sie bei diesem bereits etwa vier Jahre in Behandlung war und – so Dipl.–Med. S. – mehrfach und ausdrücklich danach befragt worden war.

Der Sachverständige Dr. B. kommt für den Senat hingegen schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass bei der Antragstellerin eine depressive Störung vorliegt, die allerdings allenfalls leichteren Ausmaßes ist und sich mittlerweile chronifiziert hat. Eine akute Exazerbation (Verschlechterung) konnte entgegen der Angaben der Antragstellerin nicht festgestellt werden. Zum Untersuchungszeitpunkt war eine schwer wiegende Antriebstörung bei der Antragstellerin nicht vorhanden. Eine Intensivierung der ambulanten psychiatrischen Behandlungen scheint ebenfalls nicht stattgefunden zu haben. Die von der Antragstellerin geschilderte posttraumatische Belastungsstörung war in dem von ihr selbst genannten Verlaufskriterium zumindest nicht mit einem derartigen Ausmaß festzustellen, dass ein akuter Behandlungsbedarf diesbezüglich bestünde. Ferner ist die von ihr geschilderte depressive Störung nicht auf eine Vergewaltigung, die sechs bis sieben Jahre zurückliegt, zu beziehen. Dr. B. hat ferner ausdrücklich ausgeführt, dass zum Untersuchungszeitpunkt eine so schwere depressive Hemmung, wie von der Antragstellerin vorgetragen, auch nicht feststellbar war. Die Antragstellerin hat während der Untersuchung zeitweise einen ausgesprochen energischen Eindruck gemacht, sie war auch affektiv in keiner Weise soweit eingeengt oder affektleer, wie dies ihren Schilderungen hätte entsprechen müssen. Auch der körperliche Gesamtzustand und die darstellende Mimik wiesen nicht auf eine schwere depressive Störung hin. Dem Sachverständigen war auffällig, dass die Antragstellerin themenbezogen sehr kämpferisch und latent gereizt auftrat, wobei es sich allerdings um ein Verhalten handelt, das nicht im Einklang mit einer schweren Depression mit Rückzugstendenz und emotionaler Entleerung steht.

Dr. B. bezweifelt – für den Senat nachvollziehbar und schlüssig – die im Gutachten der "T." vom 8. März 2005 gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Antragstellerin. Abgesehen davon, dass in diesem Gutachten unreflektiert und kritiklos die subjektiven Angaben der Antragstellerin als glaubwürdig beurteilt werden, werden die jedenfalls typischen Verlaufskriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung weder dargelegt, noch setzt sich das Gutachten mit einem solchen typischen Verlauf auseinander. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es (jedenfalls für einen typischen Verlauf) ungewöhnlich ist, dass die Antragstellerin erst fünf bis sechs Jahre nach dem Ereignis und trotz zwischenzeitlich stattgefundener psychiatrischer Behandlung das für eine posttraumatische Belastungsreaktion angeschuldigte Ereignis nicht erwähnt hat. Nach der Ansicht von Dr. B., der sich der Senat anschließt, hat dies mit einem Vermeidungsverhalten nichts zu tun, weil die Antragstellerin in der Zwischenzeit aus der bedrohlichen Umgebung herausgenommen und sich damit objektiv außerhalb einer Gefahr der Retraumatisierung befand. Demgegenüber bezieht sich Vermeidungsverhalten, wie man dies bei posttraumatischen Belastungsstörungen findet, auf das Vermeiden von ähnlichen Situationen oder von Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen können. Dies war nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten. Ferner hat dies – auch dem folgt der Senat - nichts damit zu tun, dass das von der Antragstellerin dargestellte Ereignis einer Vergewaltigung schambesetzt sein mag, da sie offensichtlich im Rahmen der Begutachtung bei dem "T." Auskunft über das Ereignis geben konnte noch dazu im Zusammenhang mit einem Gutachten, das einem für die Antragstellerin nicht zu überschauenden Personenkreis bekannt werden würde. Es mag sein, dass, wie die Antragstellerin in ihrem ausführlichen Schriftsatz vom 19. August 2005 und Dipl.-Psychologen W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17. August 2005 ausgeführt haben, eine posttraumatische Belastungsstörung insbesondere bei Flüchtlingen andere Verlaufskriterien nehmen kann, als die von Dr. B. beschriebenen. Solche Verlaufskriterien werden im Gutachten der T. jedoch weder genannt, noch erfolgt eine Auseinandersetzung mit solchen, was die Kritik des Dr. B. an diesem Gutachten letztlich untermauert.

Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin im Gutachten der T. wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass, worauf Dr. B. zu recht hinweist, die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung vielfältig auch in der Laienpresse sowie auch in anderen Medien veröffentlicht wurde und eine breite Bekanntheit erlangt hat.

Soweit die Antragstellerin insbesondere in ihrem ausführlichen Schriftsatz vom 19. August 2005 das jahrelange Schweigen der traumatischen Ereignisse mit der besonderen Situation als Flüchtling begründen möchte, überzeugt auch dies den Senat nicht. Zum einen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass bei Flüchtlingen eine posttraumatische Belastungsstörung stets einen anderen als von Dr. B. beschriebenen Verlauf nimmt. Auch insofern wäre eine Differenzierung durch die Antragstellerin erforderlich gewesen. Zum anderen sieht der Senat hier den entscheidenden Unterschied, dass sich die Antragstellerin bereits im Jahre 2000 in nervenärztliche Behandlung begeben hat. Sie hatte auf Grund der Behandlung somit besonderen Anlass, die traumatischen Ereignisse zu schildern. Für den Senat liegt es nahe, dass ein Patient, der sich in nervenärztliche Behandlung begibt, dem behandelnden Arzt die mögliche Ursache der Erkrankung nennt, um die Chancen seiner Heilung zu erhöhen. Damals ging es der Antragstellerin auch darum, wegen ihrer depressiven Erkrankung von einer Sammelunterkunft in eine Wohnung umziehen zu können; auch deshalb hätte die Schilderung der angeblich erlittenen traumatischen Ereignisse nahe gelegen.

Die ergänzende Stellungnahme des Dipl.-Psychologen W. vom 17. August 2005, der in dem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme als "Leiter der Gutachtensstelle" und "Geschäftsführung T.", nicht aber wie Prof. F. oder Dipl.–Psych. K. als Gutachter bezeichnet ist, führt weder dazu, dass das Gutachten vom 8. März 2005 überzeugender wird, noch ist diese Stellungnahme geeignet, das Gutachten des Dr. B. zu entwerten. Dipl.-Psychologe W. geht seinerseits nicht auf die Kritik des Dr. B. im Hinblick auf das Zustandekommen und die Wertung einer posttraumatischen Belastungsstörung im Gutachten der "T." vom 8. März 2005 ein. Soweit er anmerkt, dass "die Ausführungen des Herrn B. zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Betroffenen zu möglichen schädigenden Ereignissen interessant" seien und er in dieser ergänzenden Stellungnahme von "unserem Gutachten" spricht, ist festzustellen, dass Dipl.-Psychologe W. selbst offensichtlich nicht an der Begutachtung teilgenommen und die Antragstellerin auch nicht persönlich untersucht hat, sodass diesem Einwand nicht zu entnehmen ist, was an der Glaubwürdigkeitsbeurteilung durch Dr. B. zu beanstanden sein könnte. Dr. B. hat sich auch nicht widersprüchlich geäußert, wie Dipl.-Psychologe W. meint. Vielmehr hat Dr. B. zwar beschrieben, dass die Antragstellerin das schädigende Ereignis relativ lebensnah und glaubwürdig geschildert habe. Er hat aber außerdem unmissverständlich erklärt, dass die Angaben weder positiv zu bestätigen noch zu widerlegen sind und im Übrigen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Antragstellerin und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben geäußert und dies fundiert begründet. Der Senat vermag dem keinen Widerspruch zu entnehmen, sondern kann diesen Ausführungen vollinhaltlich folgen. Es ist durchaus möglich, dass die Antragstellerin in ihrem Heimatland vergewaltigt wurde, sie aber deshalb weder an einer posttraumatischen Belastungsstörung noch einer (schweren) Depression erkrankt ist. Es ist zwar zutreffend, dass Dr. B. nicht ausdrücklich auf die Testergebnisse der T. eingegangen ist, allerdings entwertet diese Tests die mangelhafte Beurteilung der Glaubwürdigkeit, zumal – wie bereits ausgeführt - die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung vielfältig auch in der Laienpresse sowie auch in anderen Medien veröffentlicht wurde und eine breite Bekanntheit erlangt hat. Nicht zutreffend ist, dass Dr. B. aus "dem späten Vorbringen der Vergewaltigung eine Fälschung oder Simulation" abgeleitet hätte, was unzulässig sei. Vielmehr hat Dr. B. zu Recht angemerkt, dass ein derartiger Punkt dazu führen muss, die Angaben der Antragstellerin nicht ohne weiteres und kritiklos als wahr unterstellen zu können. Die Feststellung des Dipl.-Psychologen W., dass die von der Antragstellerin geschilderten Erlebnisse und Berichte zweifelsfrei als Erlebnis fundiert einzustufen seien und "wir" Simulations- und Aggravationstendenzen ausgeschlossen hätten, ist schon mangels persönlichen Beteiligung nicht nachvollziehbar, zumal es nur einen "Untersucher" gegeben hat. Soweit Dipl.-Psychologe W. ausführt, dass das spätere Erwähnen der Vergewaltigung möglicherweise darauf beruhe, dass bei einer vergewaltigten Frau, bei der eine unfreiwillige Rückführung drohe, dies als außerordentlicher Stressor angesehen werde, da sie befürchten müsse, die Vermeidungssymptomatik nicht mehr aufrecht erhalten zu können, wobei auch eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach einer längeren Zeitspanne durchaus nicht ungewöhnlich sei, ist dem entgegen zu halten, dass die Antragstellerin seit Jahren konkret mit einer Abschiebung rechnen muss, mithin dieser so bezeichnete "externe Stressor" bei der Antragstellerin seit Jahren konkret gegeben war und die Darstellung ihrer Vergewaltigung im Rahmen des Gutachtens vom 8. März 2005 erst erfolgte, als die wahre Identität der Familie aufgeklärt worden war, sodass auch der Zeitpunkt dieses Vortrages Zweifel aufkommen lassen muss.

Soweit Dipl.-Psychologe W. ausführt, die Vorgehensweise des Dr. B. sei aus fachlicher Sicht nicht nachzuvollziehen, da in einem solchen Gutachten nicht die allgemeine Glaubwürdigkeit einer Person von Bedeutung sei, sondern die spezifische Überprüfung der Glaubhaftigkeit hinsichtlich der Aussagen der untersuchenden Betroffenen für das schädigende Ereignis und die berichteten Beschwerden, ist dies unzutreffend. Die Antragstellerin hat das behauptete schädigende Ereignis weder bei der Polizei in ihrem Heimatland noch bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland angezeigt, sondern erst 6 bis 7 Jahre danach detailliert im Zusammenhang mit einem privat veranlassten Gutachten geschildert. Das Gutachten wurde im Rahmen eines ausländerrechtlichen Verfahrens wegen einer drohenden Abschiebung durch die Antragstellerin selber veranlasst, nachdem ihre wahre Identität aufgeklärt worden war und entsprach im Ergebnis genau ihrem Vortrag eines Abschiebehindernisses. Dieser Sachverhalt erfordert, dass sich der Sachverständige einen umfassenden persönlichen Eindruck von der Antragstellerin bildet, wie dies Dr. B. wissenschaftlich fundiert auch getan hat.

Auf Grund der aufgezeigten Mängel des Gutachtens der T. ist selbst die von Dipl.-Psychologe W. angeführte gute Reputation des Instituts nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen, insbesondere das Gutachten des Dr. B. zu widerlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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