L 7 B 342/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 61/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 342/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 17. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob den Beschwerdeführern (Bf) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gegen die Beschwerdegegnerin (ARGE) ein höherer Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung zusteht.

Die ARGE bewilligte den Bf ab dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 05.04.2005 teilte der am 02.08. 1942 geborene Bf zu 1.) der ARGE mit, er beabsichtige, seinen Wohnsitz von M. nach W. zu verlegen, er wolle dort ein Einfamilienhaus anmieten. Dieses werde er mit der Bf zu 2.) - seiner Ehefrau (geb. 24.12.1948) - sowie den drei Kindern (den Bf zu 3 - 5), die zwischen 1967 und 1983 ge-boren sind, bewohnen. Es handele sich nicht um eine Haushaltsgemeinschaft, sondern um eine Wohngemeinschaft, die aus fünf erwachsenen Personen bestehe. Das Haus habe eine Wohnfläche von 148 qm, die Kaltmiete betrage monatlich 980 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung monatlich 150 EUR. Auf ihn und seine Ehefrau entfalle ein Mietanteil von 318 EUR. Mit Bescheid vom 13.04. 2005 lehnte die bisher zuständige ARGE D. die Übernahme der Mietkaution und der Umzugskosten ab. Mit Schreiben vom 13.04.2005 teilte die jetzt zuständige ARGE W. dem Bf zu 1.) mit, im Bereich des Landkreises W. könnten für einen Haushalt mit fünf Personen nur Mietkosten in Höhe von 550 EUR anerkannt werden. Die Mietkosten in W. seien daher nicht angemessen.

Mit Bescheid vom 06.06.2005 bewilligte die ARGE den Bf zu 1.) und zu 2.) unter Anrechnung von eigenem Einkommen Leistungen in Höhe von zusammen 529,55 EUR, wobei sie 267,55 EUR für Unterkunft und Heizung ansetzte. Am gleichen Tag erteilte sie den Bf zu 3.) und 4.) Bescheide, wobei sie jeweils 133,78 EUR für Unterkunft und Heizung ansetzte. Einen den Bf zu 5.) betreffenden Bescheid befindet sich nicht in der Akte der Beklagten, nach Angabe des Bf zu 1.) ist aber auch dieser Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde von der ARGE mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2005 zurückgewiesen.

Bereits am 15.04.2005 hatte der Bf zu 1.) beim Sozialgericht München, das den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Landshut (SG) verwiesen hat, den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Antrag "die ARGE anzuweisen, die vorgesehene Wohnung hinsichtlich der Größe und Miete als angemessen anzuerkennen". Der vom Bf zu 1.) verfasste Schriftsatz wurde von den Bf zu 1.) - 5.) unterzeichnet und enthält den Zusatz: "Dieser Antrag wird ebenfalls für die mitunterzeichneten Mitglieder der Wohngemeinschaft gestellt". Zur Begründung tragen die Bf vor, die Miete in M. habe eben-falls 980 EUR betragen, diese sei von der ARGE in D. anerkannt worden. Sie lebten nicht in einer Haushaltsgemeinschaft. Die innerhalb des Hauses lebenden Einzelpersonen (die Bf zu 3. - 5.) hätten ihren eigenen Wohnbereich und teilten sich lediglich Küche, Bad und WC zur gemeinsamen Nutzung. Würde sich jede Bedarfsgemeinschaft eine eigene Wohnung anmieten, wären die Kosten noch höher.

Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 10.06.2005 abgelehnt. Dabei hat es als Beschwerdeführer nur den Bf zu 1.) im Rubrum und in den Entscheidungsgründen geführt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bf zu 1.) habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Es sei auch nicht glaubhaft gemacht worden, dass keine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II vorliege.

Die Bf haben gegen den am 28.06.2005 zugestellten Beschluss mit einem am 08.07.2005 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 01.07.2005). Zur Begründung machen sie sinngemäß geltend, das SG habe das rechtliche Gehör verletzt. Das SG habe einen Schriftsatz der ARGE zur Stellungnahme bis zum 24.06.2005 übersandt, auf den mit Schriftsatz vom 15.06.2005 Stellung genommen worden sei. Dieser sei im Beschluss nicht berücksichtigt worden. Zudem sei vom SG noch eine Stellungnahme der ARGE hinsichtlich der Höhe der zulässigen Wohnungsgrößen und Mieten angefordert, der Eingang sei aber nicht abgewartet worden. Dem Schreiben des SG vom 22.06.2005 habe nicht ein Schriftsatz vom 17.06.2005, sondern die Kopie des Faxes vom 20.06.2005 beigelegen. Es müsse damit gerechnet werden, dass der Vermieter den Mietvertrag kündigen werde, weil Miete und Kaution nicht bezahlt werden könnten.

Die Beschwerdeführer stellen sinngemäß den Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 17. Juni 2005 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordung zu verpflichten, ihnen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen.

Die Beschwerdegegnerin stellt sinngemäß den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem Beschluss des SG an.

II.

Die eingelegte Beschwerde ist zulässig, sachlich ist das Rechtsmittel aber nicht begründet, weil die von den Bf begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen kann.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Dabei hat der Bf sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

Unzutreffend hat das SG den Antrag des Bf zu 1.) dahingehend ausgelegt, dass nur dieser Antragsteller ist und höhere Leistungen begehrt. Da in der Antragschrift ausdrücklich die Bf zu 1.) - 5.) benannt sind, sind auch die Bf zu 2.) - 5.) Antragsteller, die durch den Bf zu 1.) vertreten werden. Für das Verwaltungsverfahren galt der Bf zu 1.) nach § 38 SGB II ohnehin als vertretungsbefugt. Für das gerichtliche Verfahren haben die Bf zu 2.) - 5.) dem Bf zu 1.) in der Antragsschrift Vollmachten erteilt, zudem kann die Bevollmächtigung nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG unterstellt werden.

Das SG hat aber zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass der Bf einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Zutreffend hat das SG entschieden, es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass die bewilligte Höhe der Unterkunftskosten nicht den im Landkreis W. als angemessen anerkannten Sätzen des Landkreises entspricht. Darauf, dass die ARGE D. 980 EUR als angemessen anerkannt hat, kommt es nicht an, weil immer auf den jeweiligen örtlichen Mietmarkt abzustellen ist. Aus § 22 Abs. 2 SGB II, der bestimmt, dass vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft eingeholt werden soll, ist abzuleiten, dass die kommunalen Träger anlässlich eines Umzugs eine Kostensenkungsmöglichkeit nutzen kön-nen, wenn die bisherige Unterkunft nicht angemessen ist, die nicht angemessenen Kosten für die Unterkunft aber aus Gründen des Besitzschutzes übernomen wurden.

Ob eine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II vorliegt oder nicht ist - jedenfalls zur Zeit - entgegen der Ansicht der Bf und des SG unerheblich; denn das Vorliegen einer Hausgemeinschaft kann sich nur auswirken, wenn Mitglieder der Hausgemeinschaft über Einkommen oder Vermögen verfügen, mit dem sie die anderen Mitglieder unterstützen können. Dass dies zur Zeit mit der Rechtsfolge des § 9 Abs. 5 SGB II in Betracht kommt, ist in Anbetracht der Tatsache, dass alle Bewohner nach dem SGB II Leistungen beziehen, nicht der Fall.

Dass die Bf im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen werden, ist bei der in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung eher unwahrscheinlich, sodass kein Raum für den Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht. Offensichtlich verkennen die Bf, dass es im vorliegenden Verfahren in erster Linie nicht um die Klärung der Frage geht, ob ihnen höherere Leistungsansprüche zustehen, sondern darum, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen oder ob es ihnen zumutbar ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Bezüglich der sinngemäßen Rügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist festzustellen, dass diese nicht begründet sind. Dass der Schriftsatz vom 15.06.2005 im Beschluss nicht erwähnt wurde, stellt keinen Verfahrensfehler dar, weil das Gericht nicht verpflichtet ist, auf jeden Schriftsatz gesondert einzugehen, insbesondere dann nicht, wenn kein wesentlich neuer Gesichtspunkt vorgetragen wurde. Zudem wurde der Schriftsatz im Parallelverfahren S 7 AS 56/05 ER eingereicht. Dass die angeforderte Stellungnahme der ARGE nicht abgewartet wurde, ist im Hinblick darauf verständlich, dass es sich um ein Eilverfahren handelt und sich die angeforderten Angaben bereits in der Akte der ARGE befanden. Bezüglich der Kopie des Faxes vom 20.06.2005 handelt es sich offensichtlich um ein Versehen der Geschäftsstelle, weil das Fax unter der Rubrik "Ihre Nachricht" das Datum 17.06.2005 enthält. Selbst wenn unterstellt wird, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, könnte dies in der Sache nicht zu einer anderen Entscheidung, sondern allenfalls zur Zurückverweisung der Sache an das SG zur erneuten Entscheidung führen, womit den Bf sicher nicht gedient wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit einem weiteren Rechtsmittel anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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