L 10 B 380/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 137/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 380/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 14.06.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ein Gutachten zur Feststellung des derzeitigen Gesundheitszustandes des Antragstellers (Ast) einzuholen ist.

Der 1953 geborene Ast beantragte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) am 07.09.2004. Zudem beantragte er Eingliederungshilfe zur Wiederaufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Der Ast leidet an einer psychischen Erkrankung. Er meinte, nicht arbeitsfähig zu sein.

Mit Bescheid vom 04.01.2005 bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005. Mit Schreiben vom 21.06.2005 kündigte die Ag an, diese Leistungen auch über den 30.06.2005 hinaus für weitere 6 Monate zu erbringen. Der Ast möge allerdings einen Antrag beim Rentenversicherungsträger und gemäß dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) stellen. Gegen den Bescheid vom 04.01.2005 legte der Ast Widerspruch ein. Über die begehrte Eingliederungshilfe bzw Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sei nicht entschieden worden. Unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes könne er nicht tätig werden. Zum Regelsatz sei auch ein Zuschlag zu leisten. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2005 wies die Ag den Widerspruch zurück. Hinsichtlich des Anspruches auf Eingliederungshilfe sei der Widerspruch unzulässig, hierüber sei nicht entschieden worden. Hinsichtlich des Anspruches auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes sei unbegründet, insbesondere komme ein Zuschlag in Höhe von 35 vH gemäß § 21 Abs 4 SGB II nur in Betracht, wenn tatsächlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht würden. Dieses sei nicht der Fall. Hiergegen hat der Ast Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben.

Am 31.05.2005 hat er einstweiligen Rechtsschutz beim SG Würzburg begehrt. Er habe eine Untersuchung durch den von der Ag beauftragten Sachverständigen Dr.M. verweigert, der dennoch ein Gutachten erstellt habe. Er sei von diesem weder untersucht worden, noch seien dessen Feststellungen zutreffend. Zur Beweissicherung werde beantragt, unverzüglich ein Obergutachten zu erstellen und das M. für Psychiatrie in M. damit zu beauftragen.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 14.06.2005 abgelehnt. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung fehle es sowohl am Anordnungsgrund als auch am Anordnungsanspruch. Der Ast begehre nicht vorläufigen, sondern vorbeugenden Rechtsschutz. Eine Entscheidung habe die Ag noch nicht getroffen.

Zur Begründung der hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Beschwerde hat der Ast vorgetragen, sein Ziel sei es, den derzeitigen Gesundheitszustand in einer dazu geeigneten, ausführlichen Untersuchung durch das M. festzustellen. Sein Gesundheitszustand könne sich jederzeit ändern. Dr.M. habe weder unvoreingenommen untersucht, noch sei der kurze Kontakt mit ihm für eine korrekte Aussage ausreichend gewesen. Mit der Beauftragung von Dr.M. habe die Ag bereits eine Entscheidung getroffen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des SG Würzburg S 16 AS 2/05, S 16 AS 44/05, S 16 AS 1/05 ER, S 16 AS 122/05 ER sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Vornahmesachen ist § 86b Abs 2 Satz 1 SGG. Hiernach kann das Gericht in der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Ast vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).

Für eine Regelungsanordnung fehlt es ebenso wie für eine Sicherungsanordnung an einem Anordnungsgrund.

Anordnungsgrund für eine sogenannte Regelungsanordnung ist die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist (vgl. u.a. BayLSG Beschluss vom 11.07.2005 - L 10 B 202/05 AS ER). Die Ag hat an den Ast, wie sich aus dem Schreiben vom 21.06.2005 ergibt, über den 30.06.2005 hinaus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt gewährt. Ein zu regelnder Zustand ist damit derzeit nicht erkennbar. Ein Anordnungsgrund bzgl. der Sicherungsanordnung besteht bei der Gefahr einer Rechtsvereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung durch Veränderung des bestehenden Zustandes (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8.Aufl, § 86b RdNr 27a). Dabei müssen jedoch Tatsachen vorliegen, die auf eine unmittelbar bevorstehende Veränderung schließen lassen. Die Gefahr muss konkret bestehen und objektiv vorliegen. Die bloße Möglichkeit beeinträchtigender Maßnahmen ist noch keine Gefahr (vgl. Keller aaO). Der Ast macht geltend, sein derzeitiger Gesundheitszustand müsse festgestellt werden, er könne sich jederzeit ändern. Für eine solche Änderung fehlen hier jedoch jegliche Anhaltspunkte. Eine kurzfristige Änderung im psychischen Zustand des Klägers ist nicht zu erwarten. Sollte eine solche auftreten, so wäre diese verbunden mit einer entsprechenden medizinischen Behandlung. Dann aber liegen entsprechende medizinische Befunde über den jeweiligen Zustand des Klägers vor. Im Übrigen hat die Ag versucht, den gesundheitlichen Zustand des Ast und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit klären zu lassen, wobei die Ag nicht entsprechend § 14 Abs 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) drei Ärzte als Sachverständige benennen muss und der Kläger unter diesen auswählen kann, denn Leistungen nach dem SGB IX sind erst zu prüfen, wenn Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit des Ast getroffen worden sind. Der Ast hat die bei der von der Ag veranlassten Untersuchung erfolgende Befunderhebung zudem durch sein Verhalten vereitelt. Ein Anordnungsgrund für eine Sicherungsanordnung besteht damit nicht.

Nicht geprüft hat das SG, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens gemäß § 76 Abs 1 2.HS SGG vorliegen. Hiernach kann auf Gesuch eines Beteiligten ggfs. ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, wenn der gegenwärtige Zustand einer Person festgestellt werden soll und der Ast ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches Interesse besteht jedoch vorliegend nicht, denn die Ag hat eine entsprechende Untersuchung veranlasst, die der Ast abgelehnt hat, ohne zu wissen, ob der beauftragte Sachverständige nicht ggfs. weitere, evtl. notwendig werdende Untersuchungen empfohlen hätte. Damit fehlt es an einem berechtigten Interesse zur Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens. Im Übrigen ist auch hier zu berücksichtigen, dass sich der gesundheitliche Zustand des Klägers nicht kurzfristig ändern wird.

Nach alledem ist die Beschwerde des Ast zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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