L 10 V 12/92

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 3 V 172/88
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 V 12/92
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12. Dezember 1991 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines sog. Zugunstenverfahrens darüber, ob bei dem Kläger ein Wirbelsäulen- und Bandscheibenschaden als Wehrdienstbeschädigung (WDB) anzuerkennen ist und ihm eine Versorgungsrente nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) in Verbindung mit denen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewährt werden muß.

Der 1958 geborene Kläger leistete vom 01.07.1978 bis zum 22.08. 1979 als Wehrpflichtiger Dienst in der Deutschen Bundeswehr (BW). Dabei durchlief er in der Zeit bis zum 30.09.1978 die Grundausbildung in der Fernmelde-Ausbildungskompanie 821 in D. Später war er Stabsdienstsoldat. Erkrankungen der Wirbelsäule haben vor dem Wehrdienst, auch ausweislich der Musterungs- und Einstellungsuntersuchungen, nicht bestanden.

Ende Juli 1978 stürzte der Kläger beim Tragen eines schweren Spindes eine Treppe in einem Unterkunftsgebäude herunter und wurde an schließend militärärztlich behandelt. Aufzeichnungen über den Sturz und die unmittelbar darin anschließende Behandlung finden sich in den Gesundheitsunterlagen nicht. Für den 26.07.1978 ist lediglich ein Stempeleintrag ohne jene zusätzliche Information verzeichnet.

Die nächste Eintragung in den Gesundheitsunterlagen datiert vom 20.09.1978. Sie enthält einen Hinweis auf eine ambulante Behandlung des Klägers im Sanitätsbereich wegen Schmerzen im Hüftgelenk unbekannter Ursache. Für den 02.10.1978 ist desweiteren eine ambulante Behandlung vermerkt, bei der der Kläger angegeben haben soll, er habe seit drei Tagen Schmerzen im zweiten Zeh rechts. Die Ursache wurde gleichfalls als unbekannt bezeichnet. Es sei kein Trauma vorhergegangen.

Am 04.10.1978 kam es zu einer fachärztlichen Untersuchung im Bundeswehrzentralkrankenhaus K. Vor dem dortigen Orthopäden gab der Kläger an, er leide seit zwei Monaten an einem Schmerz, der von der Lendenwirbelsäule, das rechte Gesäß, die Hinterseite des rechten Oberschenkels bis hinab zur Ferse ziehen würde. In den letzten Tagen sei dieser Schmerz sogar an die Innenseite des Fußes bis zur Großzehe gelangt. Er könne dann noch kaum auftreten und sich normal fortbewegen. An ein Trauma könne er sich nicht erinnern. Nach eingehenden Untersuchungen hieß es zur Diagnose: "keine sichere Bandscheibenverletzung, lumboischialgieforme Beschwerden bei Beinlängendifferenz von minus 1,5 cm rechts."

Anfang Februar 1979 wurde bei dem Kläger eine beginnende motorische Lähmung festgestellt, so daß er notfallmäßig im Bundeswehrzentralkrankenhaus K aufgenommen werden mußte. Dort erfolgte am 06.02.1979 eine Nukleektomie im Wirbelsäulenbereich L5/S1 rechtsseitig wegen einer kirschgroßen lateralen Bandscheiben-Vorwölbung. Am 21.02.1979 wurde der Kläger dann aus dem Krankenhaus entlassen, befand sich danach in häuslicher Pflege. Er gab jedoch weiterhin starke Beschwerden und neurologische Ausfälle (Sensibilitätsstörungen und Fehlen der groben Kraft) an.

In der Zeit vom 10.05. bis 19.06.1979 wurde er im Bundeswehrkrankenhaus W stationär behandelt. Dort gab er bei der Aufnahmeuntersuchung erstmals an, die Wirbelsäulenbeschwerden seien auf eine "Überlastung durch ein Umräumen von Holzspinden" während der Grundausbildung entstanden. Seit Oktober 1978 leide er an stechen den, in den rechten Fuß ausstrahlenden Schmerzen.

Am 26.07.1979 wurde das WDB-Verfahren eingeleitet. Bei der Anlage des WDB-Blattes gab der Kläger nochmals an, er habe sich im Juli 1978 in der Grundausbildung beim Spindtransportieren und -umräumen verhoben und verdreht. Der zuständige Kompaniechef bestätigte, daß der Kläger während der Grundausbildung einmalig an einem Spindtransport teilgenommen habe und dabei schwer hätte heben müssen.

Der von der Bundeswehr herangezogene Nervenarzt Dr. D äußerte in einer Stellungnahme vom 09.08.1979, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei die bei dem Kläger aufgetretene Gesundheitsstörung von Seiten der Wirbelsäule schon vor dem Eintritt in die Bundeswehr vorhandenen gewesen.

Im August 1978 beantragte der Kläger bei dem Beklagten Versorgung. Dabei wiederholte er seine Angaben aus dem WDB-Blatt.

Nach Auswertung der Gesundheitsunterlagen und des Berichtes über die Histologie des Bandscheibenmaterials äußerte der Versorgungsarzt Dr. v E , eine WDB sei eindeutig zu verneinen. Das schädigende Ereignis datiere von Juli 1978, während die ersten Symptome erst im September 1978 eingetreten seien. Nach dem Gewebebefund handele es sich um eine degenerativ veränderte Bandscheibe. Dementsprechend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 03.01.1980 den Versorgungsantrag des Klägers ab.

Daraufhin erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Aachen (Az.: S 18 V 8/80). Dabei gab er ergänzend an, er habe sich im Juli 1978 beim Spindtransport verhoben. Er habe mit anderen Kameraden massiv hölzerne Spinde aus den oberen Stockwerken des Kompaniegebäudes abtransportieren müssen. Im Treppenhaus habe einer oder oben tragenden Kameraden nicht acht gegeben und er habe vorne die Last alleine auffangen müssen. Im Rahmen einer gutachtlichen Untersuchung gab der Kläger zusätzlich an, nach dem Sturz habe er starke Schmerzen gehabt. Als er auf die Treppe aufgeschlagen sei, habe er auch Gefühlsstörungen gehabt. Er sei dann zu Fuß etwa 700 Meter von zwei Kameraden zum Sanitätsbereich (San-Bereich) gebracht worden. Von seinen Kameraden sei er mehr getragen als geschleift worden. Er habe kaum noch den Boden berührt. Im Sanitätsbereich sei er für zwei Tage stationär aufgenommen worden, dann innendienstkrank für 1 bzw. 2 Wochen gewesen. Am Abend des Unfalltages habe er an der Außenkante des rechten Unterschenkels ein taubes Gefühl verspürt.

Dazu legte er auch eidesstattliche Erklärungen früherer Kameraden vor: Der Zeuge N erklärte 1983, der Kläger sei während der Grundausbildung eine Woche im San-Bereich wegen Rückenschmerzen gewesen. Der Zeuge P erklärte damals, der Kläger habe während der Grundausbildung einen Unfall beim Spindtragen erlitten und habe mehrere Tage stationär im San-Bereich gelegen. Danach habe er laufend Schmerzen gehabt. Am Abend nach dem Spindtransport habe er erfahren, daß der Kläger sich verrenkt habe. Kurz vor der Operation (Februar 1979) habe er auch über ein taubes Gefühl geklagt.

Der vom Sozialgericht gehörte frühere Kompaniechef L sowie der frühere Oberfeldwebel H konnten sich an den Kläger nicht erinnern, bestätigten nur, daß Holzspinde transportiert worden seien.

Das SG ermittelte, daß die fraglichen Spinde zwischen 95 und 105 kg schwer waren.

Der behandelnde Arzt des Kläger, Dr. K , berichtete, er vermöge keine fehlerhafte Hüftanlage bei dem Kläger festzustellen, die Grundlage für die aufgetretenen Wirbelsäulenbeschwerden sein könnten.

Sodann holte das Sozialgericht ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. R ein (14.04.1982, mit ergänzender Stellungnahme vom 15.11.1992). Der Sachverständige vertrat die Auffassung, daß der Bandscheibenschaden bei dem Kläger nicht wahrscheinlich Folge wehrdienstlicher Belastungen sei, insbesondere nicht auf den Treppensturz zurückzuführen sei. Gegen ein schweres, den Bandscheibenvorfall auslösendes Geschehen spreche insbesondere, daß der Kläger unmittelbar nach dem Sturz keine schwere Wirbelsäulenverletzung erlitten habe, da er noch gehen konnte.

Der gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf Antrag des Klägers gehörte Orthopäde Dr. H (Gutachten vom 29.06. 1983) führte das Bandscheibenleiden des Klägers in erster Linie auf eine von ihm festgestellte Beinlängendifferenz zurück. Anomalien führten gehäuft zu Degenerationen der Lendenwirbelsäule- Bandscheiben.

Der Auffassung beider Sachverständigen schloß sich das SG Aachen mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 12.10.1983 an.

Am 09.09.1987 beantragte der Kläger im Rahmen eines Schwerbehindertenverfahrens erneut Versorgung, weil die fortbestehenden Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule wehrdienstbedingt seien. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 22.02.1988 gemäß § 44 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches -Verwaltungsverfahren- (SGB X) ab. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, das schädigende Ereignis sei von dem Beklagten unter schätzt worden: Nur zwei Mann, nämlich er und ein Kamerad, hätten den Spind getragen, der Obermann habe plötzlich losgelassen. Die Last habe ruckartig auf ihm gelegen, so daß er sich verdreht habe. Er habe einen starken Rückenschmerz verspürt, sei ein Drittel der Treppe nach unten heruntergerutscht und auf dem Treppenabsatz zum Sitzen gekommen. Der Schrank habe sich oberhalb von ihm verkantet. Er habe Gefühlstörungen und Lähmungserscheinungen am Fuß gehabt.

Der Widerspruch blieb nach einer weiteren medizinischen Stellungnahme erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.08.1988, als Ein schreiben versandt am 01.09.1988).

Am 14.09.1988 hat der Kläger bei dem SG Aachen Klage erhoben und gerügt, der schädigende Sachverhalt sei unzureichend aufgeklärt. Die Eintragungen in den Gesundheitsunterlagen der Bundeswehr seien höchst unvollständig. Der Unfall beim Spindtransport habe sich am 26.07.1978 zugetragen, und zwar gegen Abend. Der Kläger hat sich auf eine gutachtliche Stellungnahme der Arztes Dr. S bezogen, in der es heißt: "Der Kläger rutschte auf dem Rücken liegend die nächsten Stufen wie auf einem Waschbrett herunter, zu Beginn verspürte der Kläger einen starken, stechenden Schmerz im Kreuz. Die Kameraden hatten ihn seitwärts gelagert. Der Kläger meint, ihm stehe aufgrund des geschilderten Ereignisses Versorgung zu.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.08.1988 zu verurteilen, ein Postdiskotomie-Syndrom Grad II bei L5/S1 als WDB anzuerkennen und ihm ab 01.01.1983 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. und ab 01.01.1987 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v.H. zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat sich demgegenüber auf eine Stellungnahme seines beratenden Arztes gestützt. Dieser hat geäußert, der Sturz des Klägers stelle allenfalls ein Gelegenheitstrauma dar.

Das SG hat zu der Frage, ob das Wirbelsäulenleiden des Klägers wehrdienstbedingt und wie hoch die MdE sei, Beweis erhoben. Zu nächst hat es Personalunterlagen des Klägers vom Kreiswehrersatz amt beigezogen. Desweiteren hat es auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. K eingeholt, das dieser in Zusammenarbeit mit Priv.-Doz. Dr. H erstattet hat (21.02.1991).

Der Sachverständige hat einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Treppensturz des Klägers und seinen Bandscheibenschäden für wahrscheinlich gehalten, dies jedoch davon abhängig gemacht, daß den Angaben des Klägers über den Ablauf des schädigenden Ereignisses gefolgt werden könne. Grundsätzlich und häufig würden allerdings nur degenerative Veränderungen zu Bandscheibenvorfällen führen.

Daneben gäbe es aber auch den selteneren Fall einer unfallbedingten Auslösung eines Bandscheibenvorfalles. Ein Unfall sei aber nur dann mit Wahrscheinlichkeit die wesentliche Ursache für einen Bandscheibenschaden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt seien:

1. Das angeschuldigte Ereignis müsse prinzipiell überhaupt geeignet sein, einen Bandscheibenvorfall auszulösen,

2. nach dem Unfall müßten lückenlos Ischias- und/oder Lumbago-Syndrome bestanden haben,

3. vor dem Unfall sollten keine Ischias- oder Kreuzschmerzereignisse bestanden haben,

4. die klinischen Symptome müßten mit einem Bandscheibenvorfallvereinbar sein,

5. es sollte ein Nachweis der Verhältnisse im Bandscheibenbereich durch Myelographie, Computertomographie oder Kernspintomographie erfolgt sein.

Seines Erachtens sei das von dem Kläger geschilderte Ereignis durchaus in der Lage gewesen, einen traumatischen Bandscheibenvorfall hervorzurufen. Allerdings sei der weiterhin geforderte, weitgehend lückenlose Nachweis anhaltender Ischias- oder Kreuzschmerzsymptome nicht eindeutig zu erbringen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des den Beteiligten bekannten Gutachtens und der beigezogenen Unterlagen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.12.1991 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, das schädigende Ereignis sei nicht nachgewiesen. Es gebe nur verschiedene Darstellungen des Klägers, die mit der Zeit immer genauer würden. Erkenntnisse über den genauen Unfallablauf und die anschließende Symptomatik lägen aber nicht vor. Im übrigen hätte eine sofortige Operationsbedürftigkeit nach dem Unfall vorliegen müssen, um einen entsprechenden Bandscheibenvorfall als Folge des Treppensturzes wahrscheinlich zu machen.

Auf dieses dem Kläger am 03.01.1992 zugestellte Urteil hat er am 27.01.1992 Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß der von ihm beschriebene Treppensturz im Juli 1978 die wesentliche Ursache für den bei ihm aufgetretenen Bandscheibenvorfall gewesen sei. Darüberhinaus bezieht er sich auf eine fachorthopädische Stellungnahme seines behandelnden Arztes Dr. B. Schließlich hat er vorgetragen, nach dem Sturz habe er immer wieder Schmerzen und Lähmungserscheinungen in den Beinen gehabt.

Dazu hat er eidesstattliche Versicherungen seiner Eltern vorgelegt, daß er bis zum Eintritt in die Bundeswehr keine Rückenbeschwerden gehabt habe und sie bei Besuchen im San-Bereich nach dem Treppensturz bei ihm erhebliche Ausfallerscheinungen festgestellt hätten. Auch hat er Bilder und Beschreibungen der Holzspinde vor gelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.12.1991 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 22.02.1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.08.1988 zu verurteilen, den Bescheid vom 03.01.1980 aufzuheben, bei ihm als Wehrdienstbeschädigung ein "Postdiskotomie-Syndrom, Grad II, bei L5/S1" anzuerkennen und ihm ab 01.01.1983 Versorgungsrente nach einer MdE um 40 v.H. und ab 01.01.1987 nach einer MdE um 50 v.H. gemäß § 30 Abs. 1 BVG (anatomische MdE) zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Er verweist darauf, daß nicht alle von Prof. Dr. K genannten Voraussetzungen erfüllt seien. So sei nicht näher geklärt, daß die typischen Beschwerden sofort nach dem Vorfall von Juli 1978 ein gesetzt hätten. Es fehle auch am Nachweis einer gesundheitlichen "Primärschädigung". Das SG habe im angefochtenen Urteil auf verschiedene Widersprüchlichkeiten in den Angaben des Klägers hinge wiesen und sei deshalb der Beurteilung von Prof. Dr. K zu Recht nicht gefolgt. Diese Widersprüchlichkeiten blieben erhalten. Darüberhinaus hat der Beklagte auf ein in einem Schwerbehinderten verfahren des Klägers erstattetes orthopädisches Gutachten Bezug genommen. In diesem Gutachten ist der Oberarzt Dr. E zu dem Ergebnis gelangt, der Gesamt-Behinderungsgrad wegen der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und des rechten Fußes bei Zustand nach Bandscheibenoperation sei, wie schon 1988, unverändert mit 50 einzuschätzen.

Der Senat hat zu den Fragen, wie sich das Sturzereignis im Juli 1978 abgespielt hat, unter welchen Umständen der Spind transportiert worden ist, welche Gesundheitsstörungen unmittelbar nach den Unfall aufgetreten sind und welche Störungen in der Folgezeit nachgewiesen werden können, sowie zu der Frage, ob die bestehenden Gesundheitsstörungen wahrscheinlich Folge des geschilderten Ereignisses sind, ergänzend Beweis erhoben.

Die Standortverwaltung D hat mitgeteilt, im Jahre 1978 seien zahlreiche Altspinde mit einem Gewicht von 100 bis 120 kg zurückgenommen worden.

Das Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der BW hat weitere Unterlagen des Bundeswehrzentralkrankenhauses, außer dem die Krankenblätter der BW-Krankenhäuser K und W überreicht.

Anschließend hat der Senat die damaligen Bundeswehrkameraden sowie die Eltern des Klägers als Zeugen gehört. Der Zeuge S hat ausgesagt, er sei bei dem Unfall des Klägers im Juli 1978 zufälligerweise in Nähe gewesen. Er habe den Kläger unmittelbar nach dem Sturz auf dem Treppenabsatz sitzen sehen, die Beine lang. Er habe dann auch noch gesehen, wie der Kläger von zwei Kameraden weggebracht worden sei. Er habe nur mit einem Bein gehen können. Mit dem anderen habe er nicht auftreten können.

Der Zeuge W hat ausgesagt, er habe den Unfall selbst beobachtet. Der Kläger sei die Treppe flach auf dem Rücken her untergerutscht, die Beine voraus. Nach diesem Ereignis sei der Kläger immer krank gewesen. Er habe auch schon über Rückenschmerzen nach dem Unfall geklagt. Der Zeuge N hat angegeben, nach dem Sturz habe der Kläger über anhaltende Schmerzen geklagt, sei schief gegangen und habe gehumpelt.

Die Zeugin P und T haben sich an einen Unfall nicht erinnern können. Dabei hat der Zeuge P erklärt, der Kläger habe irgendwann im August oder September 1978 über Schmerzen berichtet. Auch sei ein komischer Gang aufgefallen.

Der Zeuge W hat angegeben, der Kläger habe seit der Rückkehr aus dem San-Bereich ständig gehumpelt. Für ihn sei das Bild eines auffällig humpelnden Soldaten eindrucksvoll gewesen.

Der Zeuge H hat angegeben, der Kläger habe nach dem Aufenthalt im San-Bereich Probleme mit der Fortbewegung gehabt. Er habe stets den Spindtransport als Ursache seiner Beschwerden genannt.

Der Zeuge B hat angegeben, schon im September 1978, als er den Kläger in der neuen Einheit kennengelernt habe, habe dieser gehinkt.

Der Vater des Klägers, H K , hat bei seiner Vernehmung im März 1995 ausgesagt, er habe den Kläger nach dem Unfall im San- Bereich besucht. Sein Sohn sei etwa zwei Wochen dort gewesen und anschließend krank zu Hause. Er habe dauernd Schmerzen nach der Entlassung aus dem San-Bereich gehabt, anfangs nur im Rücken (bis zum Herbst), später auch im rechten Bein. In einer schriftlichen Zeugenaussage von Dezember 1995 hat er ergänzt, der Kläger habe auch schon im Juli/August 1978 starke Schmerzen an Rücken und Beinen gehabt, habe das Bein nachgeschleppt und sei nur mit einem Stock gegangen. Die Taubheit des Beines sei immer schlimmer geworden, schließlich hätten sich stechende Schmerzen eingestellt.

Des weiteren hat die Mutter des Klägers, A K , angegeben, kurz vor ihrer Silberhochzeit (01.08.1978) sei es zu dem Unfall des Klägers gekommen. Er habe über Schmerzen und ein taubes Gefühl in den Beinen geklagt. Auffällig sei gewesen, daß er sofort nach dem Aufenthalt im San-Bereich sein rechtes Bein geschont habe. Über das Ausmaß der Beschwerden sei sie sich aber nicht ganz sicher.

Schließlich hat der bereits früher vom SG gehörte Zeuge P bekundet, der Kläger habe unmittelbar nach dem Aufenthalt im San- Bereich, über Schmerzen im Rücken und Bein geklagt. Er habe gehumpelt und sei langsam gegangen.

Schließlich hat der Oberarzt Priv.-Doz. Dr. W am 17.05. 1995 ein ergänzendes Gutachten erstattet, dem sich Prof. Dr. K angeschlossen hat. Darüber hinaus ist Dr. W zur Erläuterung seines Gutachtens durch den Senat gehört worden.

Er hat im wesentlichen geäußert, der Kläger sei anläßlich des Treppensturzes einer unerwarteten Kraftanstrengung ausgesetzt gewesen, als der obere, tragende Soldat den Schrank losgelassen habe.

Zu der Frage, ob typische Beschwerden unmittelbar eingesetzt hätten, hätte er geäußert, dies sei auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen nur schwerlich abschließend mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Entsprechend den Aus sagen habe der Kläger direkt nach dem Unfall im Langsitz vorgefunden werden können. Dies wäre aufgrund der dabei massiven Schmerzverstärkung nicht zu erwarten gewesen, wenn er schon damals einen lateralen Bandscheibenvorfall gehabt habe. Denn die Langsitzposition bewirke eine massive Dehnung des Nervs, der über den ausgetretenen Bandscheibenvorfall gespannt würde. Durch die Zugspannung würden starke Schmerzsensationen hervorgerufen werden. Für die Zeit unmittelbar nach dem Unfall sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Nervendehnungszeichen, das auf eine Ischialgie hinweisen könnte, festzustellen. Aufgrund seiner Feststellungen habe bei dem Kläger unmittelbar nach dem Unfall kein massiver Bandscheibenvorfall vorgelegen. Auch zwei Monate später, als er im Bundeswehrzentralkrankenhaus in K unter sucht worden sei, habe kein massiver Bandscheibenvorfall bestanden. Für die Zeit nach dem Unfall lägen widersprüchliche Angaben vor, aufgrund der Angaben des Klägers Anfang Oktober 1978 könne man aber davon ausgehen, daß schon für die Zeit vorher Nervenwurzelirritationen im Bereich der Wirbelsäule bestanden hätten. Wann diese Irritationen erstmals aufgetreten seien, ließe sich nicht feststellen.

Wegen des näheren Beweisergebnisses nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des Gutachtens vom 17.05.1995 sowie auf den Inhalt der Niederschriften vom 29.03.1995 und 27.03.1996. Darüber hinaus verweist der Senat auf den Inhalt der den Beteiligten bekannten schriftlichen Äußerungen der Zeugen.

Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im einzelnen nimmt der Senat darüber hinaus ergänzend Bezug auf den Inhalt der zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der über den Kläger geführten WDB-Akten der Bundeswehrverwaltung, die über den Kläger geführte Verwaltungsakte des Beklagten, auf die Unterlagen des Kreiswehrersatzamtes sowie auf die Streitakte des SG Aachen (Az. S 3 (18) V 8/80). Alle diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Aachen vom 12.12. 1991 ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 22.02.1988 und der Widerspruchsbescheid vom 08.08.1988 sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch gem. § 44 SGB X darauf, daß der frühere Bescheid vom 03.01.1980 zurückgenommen wird. Dem Kläger stehen nach wie vor keine Leistungen nach dem SVG zu.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 44 Abs. 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurück zunehmen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn der Bescheid vom 03.01.1980 ist nicht rechtswidrig. Ob dies der Fall ist, ist nach den Voraussetzungen der §§ 80 und 81 SVG zu beurteilen. Eine Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 81 Abs. 6 S. 1 SVG). Dabei ist allerdings hervorzuheben, daß die sog. anspruchsbegründenden Voraussetzungen (dazu gehören das schädigende Ereignis während der versorgungsrechtlich geschützten Zeit und die Gesundheitsstörung, deren Anerkennung als Schädigungsfolge begehrt wird) nachgewiesen sein müssen, was erfordert, daß ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit bestehen muß, daß kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch noch zweifelt. Dies bedeutet, daß die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzen muß (so Bundessozialgericht - BSG - in: Die Kriegsopferversorgung 1971, S. 156; Soziale Sicherheit 1988, S. 188, Sozialrecht - SozR - 3 -3200 § 81 Nr. 6 und SozR 3 - 3100 § 38 Nr. 2). Nur für den Zusammenhang zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der Gesundheitsstörung genügt die Wahrscheinlichkeit der ursächlichen Verknüpfung. Diese geringere Beweisanforderung ist erfüllt, wenn auf der Grundlage der herrschenden medizinischen Lehrmeinung mehr für als gegen den Kausalzusammenhang spricht, wenn also die für den Zusammenhang sprechen den Umstände überwiegen (BSGE 32, 203; 45, 1; 45, 285 und BSG in: SozR 3850 § 51 Nr. 9). Beachtlich ist dabei insbesondere, daß nach ständiger Rechtsprechung in allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts die Schädigung und die Schädigungsfolgen nach gewiesen werden müssen. Auch die der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung zugrundeliegenden Tatsachen wie Art und Ausmaß der Primärschädigung, Brückensymptome u.ä. müssen nachgewiesen sein.

Das einer Wehrdienstbeschädigung zugrundeliegende, mögliche schädigende Ereignis ist inzwischen im vorliegenden Falle eindeutig nachgewiesen. Zwar enthielten die Eintragungen in den Gesundheitsunterlagen vom 20.09. und 02.10.1978 den Hinweis "Unbekannte Ursache, kein Trauma vorhergegangen". Auf die Richtigkeit dieser Eintragungen kann jedoch nicht vertraut werden, weil das Ergebnis der sozialgerichtlichen Beweisaufnahme und der ergänzenden Beweisaufnahme durch den Senat nunmehr eindeutig ergeben hat, daß der Kläger Ende Juli 1978 eine Treppe im Kasernengelände der B Kaserne in D heruntergestürzt ist. Dies hat insbesondere die Vernehmung des Zeugen B W durch den Senat ergeben. Dieser hat gesehen, wie der Kläger die Treppe heruntergerutscht ist. Auch der Zeuge A S konnte den Unfall des Klägers im Juli 1978 bestätigen. Er hat zwar den Sturz selbst nicht gesehen, jedoch den Kläger unmittelbar danach auf dem Treppenabsatz sitzen sehen. Selbst wenn die Angaben des Klägers in der Vergangenheit zu einem schädigenden Ereignis sehr auseinander gegangen sind, so hat sich insbesondere nach den glaubhaften Aus sagen der Zeugen der Unfall wie folgt abgespielt: Der Kläger trug als Untermann im wesentlichen die Last des über zwei Zentner schweren Spindes. Er ging die Treppe abwärts mit dem Gesicht nach vorn und hatte den Spind mit der Stand- oder Deckelseite am Rücken anliegen. Die Hände erfaßten den Spind links und rechts in Höhe der Hüfte. Plötzlich, wohl weil der Obermann die Last nicht mehr halten konnte, kam der Kläger im Übergangsbereich des mittleren zum unteren Drittel der Treppe im Kasernengebäude ins Straucheln, rutschte mit den Beinen nach vorne weg, wurde dabei durch den Spind nach vorne gedrückt, verspürte ein heftiges Knacken im Rücken, rutschte zunächst auf das Gesäß und dann mit langem Rücken, die Beine voraus die Treppe hinunter. Er konnte an schließend liegen und mit gestreckten Beinen auf dem Treppenabsatz sitzen. Letzteres wird insbesondere durch die Aussage des Zeugen S belegt.

Ob es aber bereits am 26.07.1078 zu einer Primärschädigung der Bandscheibe L5/S1 gekommen ist, läßt sich nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in: SozR 3-3200 § 81 Nr. 6) nachweisen. Zur eingehenden Untersuchung des Klägers, insbesondere seiner Wirbelsäule, ist es Ende Juli/ Anfang August 1978 nicht gekommen. Die behandelnden Militärärzte sind jedenfalls offensichtlich zu der Überzeugung gelangt, auf grund der vorliegenden Krankheitszeichen sei es nicht zu einem schwerwiegenderen Schaden an der Wirbelsäule gekommen. Indes läßt sich nicht ausschließen, daß maßgebliche Befunde damals übersehen oder fehlerhaft bewertet wurden. Unabhängig von den fehlenden Berichten in den Gesundheitsunterlagen der Bundeswehr kann sich aber aufgrund von Indizien belegen lassen, daß eine Bandscheibenschädigung bereits den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis sicher vorgelegen hat. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Äußerungen aller Sachverständigen. So hat Dr. R schon in seinem Gutachten vom 14.04.1982 (vgl. S. 12) die allgemein anerkannten Kriterien herausgestellt, von denen auch Dr. H. (vgl. S. 10 seines Gutachtens vom 29.06.1983) und eindeutig Prof. Dr. K in Übereinstimmung mit Priv.-Doz. Dr. W (S. 45 des Gutachtens vom 21.02.1991; S. 10 des Gutachtens vom 17.05.1995) ausgehen: Es muß ein adäquates Trauma vorliegen, das auf einer von außenkommenden Gewalteinwirkung beruhen muß und eine außergewöhnliche und unerwartete Kraftanstrengung mit sich gebracht hat; es müssen typische, für einen Bandscheibenvorfall eindeutige Beschwerden sofort einsetzen; der Patient muß unmittelbar vor dem Ereignis beschwerdefrei gewesen sein.

Des weiteren hat Prof. Dr. K herausgestellt, daß die klinischen Symptome mit einem hinteren Bandscheibenvorfall vereinbar sein müssen. Dabei solle möglichst der Nachweis durch Myelographie, Computertomographie oder Kernspintomographie erfolgen.

Nur wenn diese Indizien eindeutig vorliegen, wird davon ausgegangen werden können, daß ein unmittelbarer, sofortiger Bandscheibenvorfall im Sinne einer wehrdienstbedingten Schädigung eingetreten ist.

Durch eine Myelographie und das Ergebnis der Operationen ist nach gewiesen, daß es bei dem Kläger jedenfalls vor Februar 1989 zu einem Bandscheibenvorfall gekommen ist.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. K und Priv.Doz. Dr. W liegt auch ein adäquates Trauma vor. Der Treppensturz beim Tragen des fast zwei Zentner schweren Schrankes stellt kein irgendwie geartetes Bagatellereignis dar, sondern eine ganz erhebliche, massive Fremdeinwirkung auf den Körper des Klägers. Diese Gewalteinwirkung kam auch von außen. Sie war außergewöhnlich und auch unerwartet, da der Kläger nicht damit rechnen konnte, daß sein Kamerad den Spind loslassen mußte und er die gesamte Last aufzufangen hatte. Wie insbesondere die Beweisaufnahme vom 29.03.1995 mit der Demonstration des Unfallhergangs und die Erläuterungen des Sachverständigen Dr. W im Gutachten vom 17.05.1995 sowie die Erläuterungen vom 27.03.1996 ergeben haben, setzte das Loslassen des Spindes auch erhebliche Scherkräfte frei, durch die es zu ungewöhnlichen Einwirkungen auf die Bandscheibe des Klägers kommen konnte. Dies wird nicht zuletzt dadurch belegt, daß der Spind schließlich verkantet zum Stillstand kam, er den Kläger also nicht in gerader Richtung nach vorne gedrückt hatte. Von einer "Gelegenheitsursache", wie dies noch in den früheren versorgungsmedizinischen Gutachten oder im Gutachten des Sachverständigen Dr. H vom 29.06.1983 beschrieben worden ist, kann in keinem Falle ausgegangen werden.

Streitig ist nur, ob typische Beschwerden für einen Bandscheibenvorfall sofort eingesetzt haben und bis zur sicheren Feststellung des Bandscheibenvorfalls am 05./06.02.1979 dauernd vorgelegen haben. Dazu zählt der Sachverständige Dr. W in erster Linie ausgeprägte Schmerzzustände im rechten Bein. Daß solche ausgeprägten Schmerzzustände mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon ab Ende Juli 1978 vorgelegen haben, ist nicht erwiesen. Dazu hat die Beweisaufnahme nämlich folgendes ergeben: Unmittelbar nach dem Treppensturz war es dem Kläger möglich, zunächst im Langsitz auf dem Treppenabsatz zu sitzen. Dies hat die Aussage des Zeugen S ergeben. Der Zeuge ist dazu auch noch einmal intensiv durch den Sachverständigen befragt worden und hat diesen Umstand bestätigt. Dieses Ereignis spricht dagegen, daß ein massives, sich in den Beinen auswirkendes Geschehen an der Bandscheibe sofort nach dem Unfall abgespielt hat.

Daß keine massiven, eine Nervenreizung belegenden Schmerzen in den Beinen vorgelegen haben, ergibt sich auch aus den eigenen Angaben des Klägers, der bei den ersten, genaueren Schilderungen über den Treppensturz im Bundeswehrkrankenhaus W (Mai 1979) angegeben hatte, die Schädigung sei durch eine Überlastung beim Umräumen von Holzspinden entstanden. Erstmalig im Oktober 1978 habe er einen stechenden Schmerz verspürt. Dem entspricht auch die Eintragung in den Gesundheitsunterlagen vom 02.10.1978, er habe seit drei Tagen im zweiten Zeh rechts. Dieser erstmals im Oktober 1978 aufgetretene "stechende" Schmerz wird auch im Entlassungsbericht des Bundeswehrkrankenhauses W vom 10./12.07.1979 angesprochen.

Zwar ist belegt, daß der Kläger nach dem Unfallereignis von zwei Kameraden zum San-Bereich gebracht werden mußte und dabei nur den linken Fuß einsetzen konnte. Jedoch kann dies auch durch die erheblichen Prellungen und die bei dem Kläger beschriebenen Blutergüsse im Rücken und deren Auswirkungen auf den Wirbelbereich her vorgerufen worden sein. Auch die Angaben der Eltern des Klägers erlauben keine sicheren Rückschlüsse auf das maßgebliche Geschehen unmittelbar im Anschluß an das schädigende Ereignis. Zwar haben die Eltern das Unfallereignis und die nachfolgenden Abläufe zeitlich recht sicher einordnen können, weil dies in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Silberhochzeit stand. Jedoch sind ihre Aussagen nicht widerspruchsfrei. So hat der Vater in seiner Vernehmung vom 29.03.1995 ausgesagt, der Kläger habe laufend Schmerzen nach der Entlassung aus dem San-Bereich gehabt. Bestätigt hat er allerdings dabei, daß der Kläger anfangs nur Schmerzen im Rücken und zwar bis Herbst gehabt habe, diese dann später erst auch im rechten Bein aufgetreten seien. Die Mutter des Klägers hat dagegen bei der Vernehmung am selben Tage angegeben, der Kläger habe über Schmerzen und ein taubes Gefühl im rechten Bein konstant geklagt und habe das rechte Bein schon nach der Entlassung aus dem San-Bereich geschont. Auf nochmalige Rückfrage des Sachverständigen Dr. W hat sie dann aber geäußert, sie sei sich hinsichtlich des Auftretens von Schmerzen nicht ganz sicher. Nachdem nun das Gutachten des Sachverständigen vorlag und dieser darauf abgestellt hat, es sei von höchster Wichtigkeit, nachzuweisen, daß Schmerzen im Bein unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis und bis zur Feststellung des Bandscheibenvorfalls vorgelegen haben müssen, haben die Eltern in ihrer ergänzenden schriftlichen Zeugenvernehmung übereinstimmend angegeben, der Sohn habe bereits starke Schmerzen von Anfang an gehabt. Bei der Wertung dieser Aussage wird man zudem das enge Verhältnis der Eltern und ihr Interesse an einem günstigen Ausgang des Prozesses nicht vernachlässigen dürfen.

Darüber hinaus ist zu beachten, daß genaue Hinweise über Art und Auswirkung des Schmerzes mangels entsprechender Dokumentation nicht vorliegen. Selbst der Eindruck der vom Senat vernommenen Kameraden vom Zustand des Klägers zwischen der Entlassung aus dem San-Bereich und den Feststellungen Anfang Oktober 1978 läßt keinen sicheren Rückschluß zu. So haben die Kameraden überwiegend angeben können, der Kläger habe nach der Entlassung aus dem San-Bereich konstant gehumpelt und gehinkt. Er sei schief gegangen. Dies sind jedoch lediglich laienmäßige Beobachtungen, denen es auch an einer sicheren zeitlichen Zuordnung mangelt.

Schließlich hat der Sachverständige Dr. W bei seiner Anhörung am 27.03.1996 herausgestellt, daß die von dem Kläger ein genommene Langsitzhaltung unmittelbar nach dem Unfall dafür spreche, daß kein Bandscheibenvorfall vorgelegen haben dürfte, jeden falls zu dem Zeitpunkt des Unfalls nicht, weil der Kläger dies andernfalls unter einer massiven Nervenspannung gar nicht ausgehalten hätte und ganz erhebliche Schmerzen in diesem Bereich hätte haben müssen. Wenn der Kläger dazu vorbringt, er habe einen Schmerz im Bereich der Wirbelsäule verspürt und anschließend erhebliche Schmerzen auch in den Beinen, so hat dazu der Sachverständige zu Beginn seiner Ausführungen am 27.03.1996 nachvollziehbar geäußert, es sei für einen Patienten überhaupt kaum möglich, die maßgeblichen Schmerzzustände zu beschreiben.

Hinzu tritt, daß nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. W auch zwei Monate später bei den Untersuchungen im Bundeswehrzentralkrankenhaus kein massiver Bandscheibenvorfall vorgelegen hat. Am 05.10.1978 sind lediglich erste Anzeichen für den später im Februar 1979 sicherfestgestellten Bandscheibenvorfall festgestellt worden. Der Sacherständige hat diese Erscheinungen als Reizsymptome gewertet, was eher den Schluß zuläßt, daß sich in der zweiten Jahreshälfte 1978 bis Februar 1979 ein Bandscheibenleiden in steigendem Maße entwickelt hat. Hinweise auf ein plötzliches, überraschendes, unfallmäßiges Geschehen lassen sich dem eher nicht entnehmen.

Darüber hinaus läßt sich nicht ausschließen, daß aufgrund der histologischen Befunde im vorliegenden Falle ein degeneratives Geschehen das Unfallereignis überlagert hat. Wie der letztgehörte Sachverständige ausgeführt hat, sind Bandscheiben schon ab dem ersten Lebensmonat einem Degenerationsprozeß unterworfen. Dementsprechend vermochte auch der Sachverständige eine Vorschädigung nicht auszuschließen, wobei es unerheblich ist, ob diese durch eine evtl. bestehende Beinverkürzung des Klägers, wie sie Dr. H festgestellt haben wollte, verursacht sein könnte. Bandscheibenschädigungen treten nach allgemeiner medizinischer Erfahrung in jedem Alter und auch ohne besondere Belastungen auf.

Als wesentliches Ergebnis der Beweisaufnahme bleibt festzuhalten, daß der Kläger jedenfalls am 26.07.1978 noch nicht an einem Bandscheibenvorfall gelitten hat, denn zu diesem Zeitpunkt war es ihm noch möglich, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, im Langsitz auf dem Boden des Treppenabsatzes zu sitzen. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn er bereits zu diesem Zeitpunkt infolge des Treppensturzes einen Bandscheibenvorfall erlitten hätte.

Der festgestellte Bandscheibenschaden und seine Folgen können auch nicht als dienstlich erworbene Erkrankung entsprechend § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nach den Grundsätzen des Berufskrankheiten(BK)-rechts entschädigt werden (vgl. dazu BSGE 37, 282; BSG in: SozR 3200 § 81 Nr. 31; SozR 3-3200 § 81 Nrn. 3 und 8).

Ob bestimmte Einwirkungen (z. B. das Tragen schwerer Gegenstände) typischerweise eine bestimmte Krankheit hervorrufen, wird im BK-Recht nicht aufgrund von Ermittlungen im Einzelfall festgestellt, sondern nach umfassender Erkenntnissen allgemein durch Verordnung entschieden (hier: Aufnahme in die Berufskrankheitenverordnung -BKVO-). So sind seit neuestem in Anlage I zur BKVO unter den Nrn. 2108 und 2110 bandscheibenbedingte Erkrankungen als BK anerkannt. Jedoch setzt die Anerkennung im Einzelfall voraus, daß der Betroffene langjährigen Einwirkungen durch Heben und Tragen schwerer Lasten, durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung oder durch langjährige, vorwiegend vertikale Ganzkörperschwingungen ausgesetzt war (z.B. als Möbelträger, Baumaschinenfahrer). Diese Voraussetzungen können auch bei dienstlichen Tätigkeiten im Bereich der Bundeswehr erfüllt werden. Im vorliegenden Einzelfall sind diese Voraussetzungen bei dem nur einmalig schwer belasteten Kläger jedoch nicht gegeben.

Angesichts dieser Umstände läßt sich ein Versorgungsanspruch des Klägers nach dem SVG nicht bejahen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, das die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere handelt es sich nicht um eine Entscheidung grundsätzlicher Art. Auch weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG ab. Entscheidend sind im vorliegenden Fall die Bewertung tatsächlicher Gegebenheiten.
Rechtskraft
Aus
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