L 9 KR 53/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 2551/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 53/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und über die Erhebung von Säumniszuschlägen.

Die Beigeladene zu 2) führte am 20. November 1997 auf einer Baustelle in B-K, G Str. , eine Außenprüfung durch. Dabei wurden verschiedene ausländische, sozialversicherungsrechtlich und einwohnermelderechtlich nicht erfasste Arbeitnehmer festgestellt. Als Arbeitsgeber wurde der Kläger als Inhaber der Firma S C, Holz- und Bautenschutz, Kstr. , in B ermittelt. Die Beklagte stellte einen Schaden zu Lasten der Kranken-, Pflege- und der Rentenversicherung sowie der damaligen Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Höhe von 42.603,92 DM fest. Dieser Sachverhalt führte zum Erlass eines Strafbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. Dezember 2000 (), mit dem gegen den Kläger u.a. wegen des Betruges zum Nachteil der Sozialversicherung sowie der BA eine Gesamtgeldstrafe von insgesamt 30.000,00 DM festgesetzt wurde. Den gegen diesen Strafbefehl eingelegten Einspruch beschränkte der Kläger in der Sitzung des Amtsgerichts Tiergarten am 26. April 2001 auf das Strafmaß.

Nach Auswertung des Prüfberichts der wirtschaftskriminalistischen Prüfgruppe des Polizeipräsidenten von Berlin vom 30. September/4. Dezember 1998 und derer Unterlagen erstellte die Beklagte eine umfangreiche Auflistung mit ehemals bei dem Kläger beschäftigten Arbeitnehmern (teilweise nur mit Vor- oder Aliasnamen und durchgehend ohne Anschrift). Die Entgelte dieser Arbeitnehmer schätzte die Beklagte. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 übersandte sie diese Auflistung dem Kläger, gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme und wies auf die Möglichkeit hin, die Beitragsansprüche mittels eines Summenbescheides geltend zu machen. Eine fernmündliche Zusage des Steuerberaters des Klägers vom 4. Januar 2000, "Beitragsnachweise, Meldungen und Jahreslohnkonten" zu übersenden, wurde nicht eingehalten. Daraufhin setzte die Beklagte mit Summenbescheid vom 31. Januar 2000 die Beitragsnachforderung auf 42.603,92 DM fest und erhob Säumniszuschläge in Höhe von 9.824,00 DM. Den hiergegen am 21. Februar 2000 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger trotz Erinnerung mit Schreiben vom 3. März 2000 nicht. Ausweislich eines Vermerks der Sachbearbeitung der Beklagten teilte der vormalige Bevollmächtigte des Klägers am 4. Mai 2000 fernmündlich mit, dass nicht beabsichtigt sei, den Widerspruch zu begründen. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2000 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und diese zunächst nicht begründet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 28. Februar 2003 hat er zwei Arbeitnehmer namentlich mit Anschrift benannt und eingeräumt, dass diese Arbeitnehmer bei ihm in den Jahren 1997 und 1998 gearbeitet haben.

Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, einen Summenbescheid zu erlassen, weil der Kläger seine Aufzeichnungspflichten als Arbeitgeber verletzt habe. Soweit der Kläger mit seinem jetzigen Vorbringen erstmals im Prozess und mehrere Jahre nach der Prüfung und dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens den Summenbescheid zu Fall bringen wolle, müsse er, wenn er jetzt noch eine personenbezogene Beitragsbemessung anstrebe, diese in einem Widerrufsverfahren nach § 28 f Abs. 2 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit in einem besonderen Verwaltungsverfahren geltend machen.

Gegen dieses ihm am 25. März 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. April 2003 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, dass ein Summenbescheid jedenfalls in der vorliegenden Höhe nicht hätte ergehen dürfen, weil nicht einmal die Zahl der von dem Kläger angeblich beschäftigten Arbeitnehmer bekannt oder nachgewiesen sei. Im Übrigen bestreite er, dass irgendeine der in dem angefochtenen Bescheid genannten Personen bei ihm beschäftigt gewesen sei. Er habe seine Arbeitnehmer stets pünktlich gemeldet und die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Es sei Sache der Beklagten, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln und entsprechende Feststellungen zu begründen. Auf Vermutungen könne sich die Beklagte jedenfalls nicht berufen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2000 in der Gestalt des Wi- derspruchsbescheides vom 16. August 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen,

die sie für unbegründet hält.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten des Amtsgerichts Tiergarten () verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

II.

Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Die Beteiligten sind dazu vorher angehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2000 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides der Beklagten ist § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Danach kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Dies gilt nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass die Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann (§ 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Dabei kann der prüfende Rentenversicherungsträger über den Erlass eines solchen Summenbescheides nur bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens entscheiden. Infolgedessen ist auch dieser Zeitpunkt, der für eine gerichtliche Überprüfung maßgebliche Zeitpunkt. Ein Summenbescheid kann deshalb nur dann mit Erfolg beanstandet werden, wenn im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bei einer Gesamtwürdigung eine personenbezogene Feststellung der Beiträge geboten war. Soweit ein klagender Arbeitgeber mit seinem Vorbringen zur Benennung der einzelnen Beschäftigten erstmals im Prozess und mehrere Jahre nach der Betriebsprüfung und dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens den Summenbescheid zu Fall bringen will, kann er damit keinen Erfolg haben. Vielmehr muss er, wenn er nach Abschluss des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens noch eine personenbezogene Beitragsbemessung anstrebt, diese in einem Widerrufsverfahren nach § 28 f Abs. 2 Satz 5 SGB IV und damit in einem besonderen Verwaltungsverfahren geltend machen. In diesem Verfahren muss der Arbeitgeber dann allerdings nicht nur die Möglichkeit der personenbezogenen Beitragsfestsetzung aufzeigen, sondern zugleich alle für die individuelle Beitragsfeststellung erforderlichen Angaben mitteilen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. Februar 2000 - B 12 KR 12/01 R -, SozR 3-2400 § 28 f Nr. 3).

Im vorliegenden Fall war die Beklagte berechtigt, einen Summenbescheid zu erlassen. Denn nach den Ermittlungen der wirtschaftskriminalistischen Prüfgruppe des Polizeipräsidenten von Berlin hat der Kläger in seiner Firma eine Vielzahl von sich illegal in Deutschland aufhaltenden Ausländern beschäftigt, ohne diese zur Sozialversicherung anzumelden. Dabei hat er weder die vollständigen Namen noch die Anschriften dieser Arbeitnehmer aufgezeichnet. Die Entgelte musste die Beklagte anhand der vorhandenen Unterlagen schätzen. Hierzu war sie nach § 28 f Abs. 2 Satz 3 SGB IV berechtigt. Der Kläger hat die Unterlagen der Beklagten erhalten und ihm ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zunehmen. Obwohl sein Steuerberater angekündigt hat, einschlägige Beitragsnachweise, Meldungen und Jahreslohnkonten zu übersenden, wurde diese Ankündigung nicht eingehalten. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides zu den Feststellungen der Beklagten Stellung zu nehmen. Dies ist unterblieben. Erstmals im Klageverfahren hat er zwei Arbeitnehmer namentlich als Zeugen benannt, die über die Anzahl der in den Jahren 1997 und 1998 bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer eine Aussage machen sollen. Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger damit den Anforderungen an seine Mitteilungspflicht Genüge getan hat. Jedenfalls kann er hiermit nicht mehr im Klageverfahren gehört werden, sondern er muss sich auf das Widerrufsverfahren nach § 28 f Abs. 2 Satz 5 SGB IV verweisen lassen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Begründung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Berlin (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Kläger insoweit vorträgt, dass er in diesem Widerrufsverfahren nicht darlegen könne, dass namentlich nicht bekannte Personen nicht für ihn tätig gewesen seien, weil er ansonsten die Beweislast für eine negative Tatsache zu tragen habe, ist dem nicht zu folgen. Der Kläger wird in dem Widerrufsverfahren die bereits im Verwaltungsverfahren angekündigten Unterlagen vollständig vorzulegen und die von der Beklagten aufgrund der Auswertung der ihr vorliegenden Unterlagen getroffenen Feststellungen zu widerlegen haben, wenn er dieses Verfahren erfolgreich bestreiten will. Eine Verweisung des Klägers auf dieses Verfahren ist auch deshalb angezeigt, weil ansonsten derjenige Arbeitgeber besser gestellt werden würde, der, wie der Kläger, seinen Aufzeichnung- und Meldepflichten überhaupt nicht nachgekommen ist, bzw. jedenfalls bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens keinerlei Unterlagen vorgelegt hat, die geeignet sind, die Feststellungen des prüfenden Rentenversicherungsträgers zu widerlegen, als derjenige Arbeitgeber, der bis auf das Arbeitsentgelt alle ansonsten erforderlichen Daten in die Lohnunterlagen aufgenommen hat. Denn dieser Arbeitgeber muss sich bei einem, dem vorliegenden vergleichbaren Sachverhalt auf das Widerrufsverfahren mit seinen strengen Anforderungen verweisen lassen. In diesem Verfahren trägt der Arbeitgeber die Feststellungslast hinsichtlich der streitigen Tatsachen. Ein Arbeitgeber, der wie der Kläger, seine Aufzeichnungspflichten in einem weitaus stärkeren Maße verletzt hat und überhaupt nicht auf entsprechende Mitteilungen des prüfenden Rentenversicherungsträgers reagiert hat, könnte sich - folgt man der Argumentation des Klägers mit Erfolg - direkt gegen den Summenbescheid der Beklagten wenden. In diesem Verfahren ist aber der Arbeitgeber in der prozessrechtlich besseren Situation, weil der prüfende Rentenversicherungsträger die Feststellungslast hinsichtlich der streitigen Tatsachen trägt. Dies wäre ein nicht zu rechtfertigender Bewertungswiderspruch.

Soweit der Kläger nunmehr bestreitet, dass irgendeine der in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten genannten Personen bei ihm als Arbeitnehmer gearbeitet habe und er seine Arbeitnehmer stets pünktlich zur Sozialversicherung angemeldet habe, steht dieser Vortrag im offenkundigen Widerspruch zu den Feststellungen in dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 22. Dezember 2000, den der Kläger lediglich hinsichtlich des Strafmaßes angefochten hat. Das Amtsgericht Tiergarten hat die von der Beklagten durch Schätzung ermittelten, der Sozialversicherung vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ausdrücklich der Schadensberechnung zugrunde gelegt. Die Beklagte und die Sozialgerichte sind berechtigt, diese Tatsachen ihrer Entscheidung zugrunde zu legen.

Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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