L 3 RJ 115/01

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 15 J 764/96
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 115/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Mai 2001/12. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte den Klägerinnen Rente nachzuzahlen hat.

Die Klägerinnen sind als Erbinnen Rechtsnachfolger ihrer Mutter E. T., die am X.XXXXXX 1998 verstorben ist. Frau T. war verheiratet mit dem Versicherten H. T., der im Jahre 1920 in W. im Kreis S. (Danziger Korridor) geboren war, der vor September 1941 wohl Beitragszeiten zur polnischen Rentenversicherung zu¬rück¬legte, ab September 1941 in der Deutschen Wehrmacht diente und sich anschließend bis zum 8. Juli 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befand. Ab August 1945 entrichtete der Versicherte Pflichtbeiträge zur Deutschen Gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 1947 fand die Eheschließung mit Frau E. T. statt. 1953 wanderte das Ehepaar in die USA aus; beide Eheleute erwarben die US-amerikanische Staats¬angehörigkeit. Am 22. März 1967 starb der Versicherte.

Auf Antrag vom 27. Dezember 1983 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 1985 der Witwe erhöhte Witwenrente nach § 1268 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), beginnend am 1. Januar 1979. Sie berücksichtigte Versicherungszeiten zwischen dem 20. August 1945 und dem 22. September 1951 und stellte außerdem einen Nachzahlungsbetrag fest. Der Witwe wurde anheim gestellt, für den Verstorbenen einen Flüchtlingsausweis zu beantragen. In diesem Falle, so hieß es in dem Bescheid, werde ggf. die Rente neu festgestellt. Der Bescheid vom 18. Januar 1985 ist bestandskräftig geworden.

Im August 1993 wandte sich die Witwe an die Beklagte und bat unter Hinweis auf Versicherungszeiten ihres verstorbenen Ehemannes von 1934 bis 1953 um Überprüfung des Rentenbescheides aus dem Jahr 1985, insbesondere hinsichtlich der Rentenhöhe. Nachdem sie Belege über die Dienstzeit in der Wehrmacht und die sich anschließende Kriegsgefangenschaft sowie eine Bescheinigung des Regierungspräsidiums Köln vom 18. August 1994 über die Eigenschaft des Versicherten als Heimatvertriebener im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes vorgelegt hatte, erteilte ihr die Beklagte am 9. November 1994 einen neuen Rentenbescheid, in dem es heißt, auf Antrag vom 5. August 1993 werde die mit früherem Bescheid gewährte Große Witwenrente neu festgestellt. Die erhöhte Rente werde ab 1. Januar 1989 gezahlt. Für die Zeit vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1994 ergebe sich eine Nachzahlung. Für die Neufeststellung der Rente seien weitere rentenrechtliche Zeiten angerechnet worden. Der zuletzt erteilte Bescheid (vom 18. Januar 1985) werde gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zurückgenommen. Aus dem beigefügten Versicherungsverlauf ergibt sich, dass die Beklagte weitere Zeiten vom 1. September 1941 bis 19. August 1945 berücksichtigt hatte.

Die Witwe erhob Widerspruch und machte insbesondere weitere Fremdbeitragszeiten des Versicherten von 1934 bis 1941 sowie einen früheren Rentenbeginn (seit 1967) aufgrund sozialrecht¬lichen Herstellungsanspruchs geltend.

Mit Bescheid vom 13. Mai 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung heißt es, die Auffassung der Witwe zu dem gewünschten Rentenbeginn gehe fehl. Es gehe nicht um eine auf Verletzung der Aufklärungspflicht zurückzuführende Ablehnung des Rentenanspruchs. Vielmehr beziehe die Witwe aufgrund des im Dezember 1983 gestellten Antrages bereits seit dem 1. Januar 1979 nach § 1290 RVO in Verbindung mit § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) Witwenrente. Es wäre allenfalls zu prüfen, ob bei der mit Bescheid vom 9. November 1994 durchgeführten Neuberechnung aufgrund weiterer rentenrechtlicher Zeiten § 44 SGB X Anwendung finde oder ob aufgrund des geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht viel¬mehr bereits am 1. Januar 1979 die höhere Rente zu zahlen sei. Mangelnde Sachaufklärung des Versicherungsträgers könne hier jedoch nicht festgestellt werden.

Am 10. Juni 1996 hat die Witwe vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, die erhöhte Rente nicht erst ab Januar 1989, sondern bereits ab einem früheren Zeitpunkt zu leisten. Darüber hinaus seien zusätzliche Beitragszeiten von April 1934 bis August 1941 sowie vom 19. August 1952 bis zum 4. September 1952, zusätzliche Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit und während eines Zeitraums von drei Wochen im Jahre 1950 ein höheres beitragspflichtiges Entgelt zu berücksichtigen. Schließlich seien die mit dem Neufeststellungsbescheid vom 9. November 1994 festgesetzte Nachzahlung und weitere ihr zustehende Nachzahlungen zu verzinsen.

Nach dem Tode der Witwe haben die Klägerinnen das Verfahren vor dem Sozialgericht fortgeführt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vom 22. Mai 2001 hat die Beklagte erklärt, sie erkenne – erstens – insgesamt 23 Monate Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit des Versicherten an, sie erkenne – zweitens – außerdem an, dass im Hinblick auf den Zeitraum vom 13. November bis 5. Dezember 1950 ein beitragspflichtiges Entgelt von 211,39 DM zugrunde zu legen sei. Des Weiteren erkenne sie – drittens –Beitragszeiten von Mai 1937 bis August 1941 an. Sie werde deshalb – viertens – unter Berücksichtigung der vorgenannten Zeiten und unter Abänderung der angefochtenen Bescheide eine höhere Rente zahlen und den sich ergebenden Nachzahlungsbetrag verzinsen. Schließlich werde sie – fünftens – den Klägerinnen die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits erstatten.

Der Bevollmächtigte der Klägerinnen hat darauf hin erklärt: "Ich nehme das Anerkenntnis als Teil-Anerkenntnis an. Ich mache aber weiterhin eine Nachzahlung der Rente ab Januar 1979 geltend." Sodann hat er für die Klägerinnen beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 9. November 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Nachzahlungsantrag der Klägerinnen für den Zeitraum ab Januar 1979 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und ist der über ihr Anerkenntnis hinaus gehenden Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 22. Mai 2001, verkündet am 12. Juni 2001, hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klage abgewiesen werde und außergerichtliche Kosten über das abgegebene Anerkenntnis hinaus nicht zu erstatten seien. In den Gründen hat es aus¬geführt, Gegenstand des Verfahrens sei nur noch das Begehren der Klägerinnen, ihnen als Rechtsnachfolger für ihre verstorbene Mutter die höhere Hinterbliebenenrente nicht erst ab Januar 1989, sondern bereits ab Januar 1979 zu zahlen. Im Hinblick auf die im Klageverfahren zunächst darüber hinaus geltend gemachten Ansprüche sei der Rechts¬streit erledigt, denn die Beklagte habe diese weitgehend anerkannt, und die Klägerinnen hätten das Anerkenntnis als solches angenommen. Soweit die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche nicht anerkannt habe, hätten die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung nur noch ihr Begehren auf einen früheren Rentenbeginn aufrechterhalten.

Ein Anspruch auf Zahlung der Witwenrente für die Zeit vor dem 1. Januar 1989 bestehe nicht. Zwar seien die Klägerinnen als Erben der Witwe für das Verfahren gemäß § 59 SGB I aktiv legitimiert; die Voraussetzungen für eine Sonderrechtsnachfolge gemäß § 56 SGB I lägen nicht vor. Jedoch bestehe für eine Rentenleistung vor Januar 1989 keine Anspruchsgrundlage. Maßgeblich für die Beurteilung des Begehrens der Klägerinnen sei § 44 SGB X. Unter Anwendung von § 44 Abs. 4 SGB X habe die Beklagte über die Dauer der rückwirkenden Leistungserbringung zutreffend entschieden. Es liege der Fall der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor. Der ursprüngliche Bescheid vom 18. Januar 1985 sei rechtswidrig gewesen, weil er, wie die auf den Überprüfungs¬antrag eingeleiteten späteren Ermittlungen ergeben hätten, anzurechnende Versicherungszeiten nicht bzw. nicht mit dem zutreffenden Entgelt berücksichtigt habe. Das gelte auch im Hinblick auf die in dem Bescheid noch nicht angerechneten polnischen Versicherungszeiten von Mai 1937 bis August 1941. Bei diesen Zeiten handele es sich um in die Deutsche Gesetzliche Rentenversicherung übergegangene Beitragszeiten im Sinne von § 17 Abs. 1 Buchst. b Fremdrentengesetz (FRG) in der früheren Fassung. Die Anrechnung solcher übergegangenen Beitrags¬zeiten sei nach dieser Vorschrift nicht davon abhängig gewesen, dass der Versicherte zum Personenkreis des § 1 FRG gehört habe. Daher sei es bei Erlass des Rentenbescheides vom 18. Januar 1985 ohne Bedeutung gewesen, dass der Versicherte damals noch nicht als Vertriebener anerkannt gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen stehe die Dauer der rückwirkenden Leistungserbringung vor Januar 1989 auch nicht im Ermessen der Beklagten. Insbesondere sei die Verjährungs¬vorschrift des § 45 SGB I, nach welcher die Erhebung der Einrede der Verjährung im pflichtgemäßen Ermessen des Versiche¬rungsträgers liege, nicht anwendbar, denn diese Rege¬lung sei gegenüber der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X nachrangig. Die Klage sei daher abzuweisen, soweit sie nicht durch das angenommene Teil-Anerkenntnis der Beklagten erledigt sei.

Das Urteil des Sozialgerichts ist den Klägerinnen am 18. Oktober 2001 zugestellt worden. Am 25. Oktober 2001 haben die Kläge¬rinnen Berufung eingelegt.

Mit Bescheid vom 1. März 2002 hat die Beklagte die Witwenrente der verstorbenen E. T. neu festgestellt. In der Begründung heißt es, der Bescheid ergehe aufgrund des Teil-Anerkenntnisses vom 22. Mai 2001 in dem sozialgerichtlichen Verfahren. Der Rechtsbehelf des Widerspruchs gegen diesen Bescheid sei nur zulässig, soweit er sich gegen die Ausführung des Anerkenntnisses richte. Der Bescheid vom 9. November 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996 werde gemäß § 44 SGB X insoweit zurückgenommen. Zu diesem Ausführungsbescheid haben die Klägerinnen sich nicht verhalten.

Im Berufungsverfahren machen die Klägerinnen die Feststellung weiterer versicherungsrelevanter Zeiten vom 30. August 1936 bis 30. April 1937 geltend: Sie hätten auch nach Abgabe des Teil-Anerkenntnisses den Anspruch für den Zeitraum ab Vollendung des 16. Lebensjahres durch den Versicherten entsprechend § 16 FRG in der Fassung vor 1996 weiter verfolgt und die Klage insoweit nicht zurückgenommen. Außerdem streiten die Kläge¬rinnen um einen früheren Rentenbeginn. § 44 Abs. 4 SGB X greife nicht zu ihren Lasten ein. Vielmehr sei § 48 SGB X in der vor 1994 gültigen Fassung anzuwenden, wonach es die Beschränkung des rückwirkenden Erbringens von Sozialleistun¬gen auf 4 Jahre noch nicht gegeben habe. Da nach § 1 Abs. 1 Buchst. a FRG Voraussetzung für die Anwendung des Fremd¬rentengesetzes sei, dass es sich bei der betreffenden Person um einen Vertriebenen handele, der Versicherte jedoch erst ab 1994 als solcher zu gelten habe, sei der ursprüngliche Rentenbescheid aus dem Jahr 1985 zunächst rechtmäßig gewesen. Die spätere Verweisung auf § 44 Abs. 4 SGB X in § 48 Abs. 4 SGB X greife nicht ein, denn der Überprüfungsantrag sei bereits im Jahr 1993 gestellt worden. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Rück¬wirkungsverbotes würden bereits laufende Verwaltungs¬verfahren insoweit nicht erfasst.

Die Klägerinnen beantragen,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Juni 2001 zu verpflichten,

für den Zeitraum vom 30. August 1936 bis zum 30. April 1937 eine Beitragszeit, hilfsweise Beschäftigungszeit des Versicherten H. T. anzuerkennen mit der Folge, dass die Beklagte verpflichtet wird, eine sich hieraus ergebende höhere Rente zu bewilligen, sowie den Rentenbescheid vom 9. November 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996 abzuändern und den Nachzahlungsantrag der Klägerinnen für den Zeitraum ab Januar 1979 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Juni 2001 zurückzuweisen.

Sie führt aus, zwischen den Beteiligten sei streitig, ob die höhere Witwenrente aus dem Ausführungsbescheid zum Anerkenntnis im sozialgerichtlichen Verfahren vom 22. Mai 2001 nicht erst ab Januar 1989, sondern bereits ab Januar 1979 zu zahlen sei. Über den weitergehenden Berufungsantrag sei im erstinstanzlichen Urteil nicht entschieden worden, nachdem auch im Anerkenntnis vom 22. Mai 2001 diese Zeit nicht erwähnt worden und auch bei der Annahme des Anerkenntnisses als Teil-Anerkenntnis dies im Gegensatz zum gewünschten früheren Rentenbeginn nicht weiter verfolgt worden sei. Das Begehren sei auch in der Sache nicht begründet. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil.

Die Sachakten der Beklagten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug ge¬nommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet gemäß § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG). Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt.

Die statthafte, form- und fristgerechte eingelegte Berufung (vgl. § 143, § 144, § 151 SGG) ist nicht begründet.

Soweit es den Klägerinnen darum geht, über die im Anerkenntnis vom 22. Mai 2001 genannten Zeiten hinaus weitere versiche¬rungs¬relevante Zeiten anerkannt zu bekommen mit der Folge, dass die Beklagte verpflichtet werde, eine höhere als die im Aus¬füh¬rungsbescheid vom 3. Februar 2004 errechnete Rente zu bewilligen, ist dieses Begehren einer gerichtlichen Entscheidung entzogen. Was die Frage versicherungsrelevanter Zeiten des H. T. betrifft, hat die Beklagte nämlich ein Anerkenntnis abgegeben, welches von den Klägerinnen insofern uneinge¬schränkt angenommen worden ist. Damit hat sich der mit der Klage geltend gemachte Anspruch in diesem Punkt vollständig erledigt (§ 101 Abs. 2 SGG). Der Auffassung der Klägerinnen, sie hätten sich in dieser Frage die Entscheidung offen gehalten, ist nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass insoweit eine Klage¬rücknahme nicht erklärt worden ist. Darauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, dass die Klägerinnen das die Versicherungs¬zeiten betreffende Anerkenntnis der Beklagten angenommen und bereits damit die Rechtsfolgen gemäß § 101 Abs. 2 SGG herbeigeführt haben. Dass die Beteiligten die strittige Frage der Versicherungszeiten am 22. Mai 2001 abschließend regeln wollten, ergibt sich insbesondere auch aus den Erklärungen der Klägerinnen von diesem Tage sowie ihrem daraufhin in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag, wonach sie die Erklärungen der Beklagten als Teil-Anerkenntnis angenommen, "aber weiterhin eine Nachzahlung der Rente ab Januar 1979" geltend gemacht und beantragt haben, ihren Nachzahlungsantrag "für den Zeitraum ab Januar 1979" neu zu bescheiden. Diese eindeutigen prozessualen Erklärungen sind nur so zu verstehen, dass der Rechtsstreit ausschließlich über die Frage des Rentenbeginns weitergeführt werden sollte. Damit kommt aber im vorliegenden Gerichtsverfahren eine Entscheidung über die Frage weiterer Versicherungszeiten nicht in Betracht. Das gilt auch, sofern die Klägerinnen im Wege einer Klageänderung gemäß § 99 SGG geltend machen sollten (vgl. Schriftsatz vom 29.12.2003), ihnen gehe es mit dem entsprechendem Berufungsantrag nur um Klärung des so genannten Rentenstammrechts (vgl. § 149 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung –, SGB VI). Ein solches Anliegen der selbst nicht versicherten Klägerinnen kommt nach dem Tode des Versicherten und nach dem Tode der anspruchsberechtigten Witwe nicht in Betracht, zumal es sich hier um ein Verfahren nach dem 1. Kapitel, 3. Abschnitt, 2. Titel SGB X handelt.

Soweit es den Klägerinnen um einen früheren Rentenbeginn (ab 1. Januar 1979) geht, hat das Sozialgericht ihre Klage zu Recht abgewiesen, da ein Anspruch auf Zahlung von Witwenrente für die Zeit vor dem festgesetzten Zahlungsbeginn (1. Januar 1989) nicht bestand. Dabei braucht nicht untersucht zu werden, ob sich die Beklagte insoweit auf Verjährung (§ 45 SGB I) berufen könnte und ob es, wie die Klägerinnen zu Recht bemerken, darauf ankommt, dass insoweit Ermessenserwägungen nach den Grundsätzen des § 39 SGB I nicht angestellt worden sind (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 30.7.1997, 5 RJ 64/95; LSG Hamburg, Urteil vom 25.8.2004, L 1 RJ 93/02). Die Verjährungsregelung in § 45 SGB I wird jedenfalls durch die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X verdrängt, die hier anwendbar ist (siehe BSG, Urteil vom 29.11.1984, Sozialrecht 1300 § 44 SGB X Nr. 15, S. 23, 26; Urteil vom 22.10.1996, BSGE Band 79, S. 177).

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt auch nach Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Vergangenheit zurück¬zunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist danach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3). Danach ist der Beklagte in der Rechtsauffassung zu folgen, dass jedenfalls für die Zeit vor dem 1. Januar 1989 und damit auch für die hier streitige Zeit ab 1. Januar 1979 § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X dem geltend gemachten Anspruch entgegensteht (vgl. Urteil des Senats vom 3.5.2005, L 3 RJ 55/01).

Das Sozialgericht dürfte zu Recht entschieden haben, dass es sich bei dem Rentenbescheid aus dem Jahre 1985 um einen rechtswidrigen nicht begünstigendem Verwaltungsakt im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gehandelt hat, so dass § 44 Abs. 4 SGB X unmittelbar eingreift. Denn § 1 FRG nimmt in den einleitenden Worten ausdrücklich auf § 17 FRG Bezug, der in Abs. 1 den durch das Gesetz begünstigten Personenkreis erweitert und unter bestimmten Voraussetzungen die Anerkennung der Vertriebeneneigenschaft des Betroffenen nicht vorausgesetzt hat. Diese Frage kann jedoch auf sich beruhen, denn auch wenn es sich aus den von den Klägerinnen genannten Gründen um einen rechtmäßigen Bescheid gehandelt hätte mit der Folge, dass § 48 SGB X anzuwenden wäre, griffe auf Grund der Verweisung in § 48 Abs. 4 S. 1 SGB X die Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X zu Lasten der Klägerinnen ein. Dem steht nicht entgegen, dass der Überprüfungsantrag bereits im Jahre 1993 gestellt worden ist, zu einem Zeitpunkt, als die im Juni 1994 eingeführte Verweisung in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X noch nicht galt.

Aus § 300 Abs. 2 SGB VI, der die Anwendung aufgehobener Bestimmungen (nur) dieses einen Gesetzbuches betrifft, lässt sich für die Auffassung der Klägerinnen nichts herleiten. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Gedanken des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots, dass die Vorschriften des SGB X für das hier vorliegende Verfahren in der früheren Fassung anzuwenden seien. Es ist schon fraglich, ob sich ein Rückwirkungsverbot überhaupt auf Gesetze beziehen kann, die ihrerseits gerade – wie § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X – die rückwirkende Änderung bestandkräftig abgeschlossener Sachverhalte erst ermöglichen; insofern ist in § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X überhaupt nur die Einschränkung zuvor noch weiter gehend bestehender Möglichkeiten (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) zu sehen, rückwirkend in abgeschlossene Sachverhalte einzugreifen. Einer weiteren Erörterung bedarf dies jedoch nicht. Denn im vorliegenden Falle könnte von einer verfassungsrechtlich problematischen echten Rückwirkung, die nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift, nicht die Rede sein. Vielmehr war das Verwaltungsverfahren, um das es hier geht, im Jahre 1994, als das SGB X geändert wurde, noch nicht beendet. Ein Vertrauen auf den Fortbestand der früheren Regelung wäre daher nicht schutzwürdig gewesen.

Ein Anspruch auf früheren Rentenbeginn steht den Klägerinnen auch nicht deswegen zu, weil sich dieser aus einem sozial¬rechtlichen Herstellungsanspruch herleiten ließe. Abgesehen davon, dass auch in diesem Falle möglicherweise § 44 Abs. 4 SGB X entsprechend anwendbar wäre (vgl. BSG, Urteil vom 28.8.1984, Sozialrecht 5075 Artikel 4 § 2 Nr. 2; Urteil vom 9.9.1986, BSGE Band 60 S. 245; Urteil vom 21.1.1987, Sozialrecht 1300 § 44 Nr. 25; Urteil vom 22.10.1996, BSGE Band 79 S. 177; Urteil vom 2.8.2000 Sozialrecht 3-2600 § 99 Nr. 5; Urteil vom 6.3.2003, BSGE Band 91 S. 1; Kreikebohm, SGB VI, Kommentar, 2. Aufl. 2003, § 99 Rn. 12), scheidet eine solche Anspruchsgrundlage hier aus.

Der Tatbestand des Herstellungsrechts setzt ein bestimmtes soziales Recht des Anspruchstellers voraus, das sich gerade gegen die Leistungsträger richtet, von dem er Herstellung begehrt; er muss in dem Sozialrecht dadurch beeinträchtigt worden sein, dass der verpflichtete Leistungsträger durch ein ihm sozialrechtlich zuzurechnendes rechtswidriges Verhalten (Eingriff, Behinderung oder Unterlassen einer gebotenen Förderung) eine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem jeweiligen Sozialrechts¬verhältnis verletzt hat, die ihm gerade gegenüber dem Anspruch¬steller zum Schutz des Rechts oblag; die Pflichtverletzung muss die wesentliche, d.h. zumindest gleichwertige Bedingung dafür gewesen sein, dass das beeinträchtigte Recht (ggf. für den jeweiligen Zeitraum) dem Rechtsinhaber nicht, nicht mehr oder nicht in dem vom Primärrecht bezweckten Umfang zusteht (BSG, Urteil vom 6.3.2003, a.a.O.).

Unter diesen Voraussetzungen ist nicht erkennbar, dass die Beklagte sich vor 1989 in einer die sozialen Rechte der Witwe beeinträchtigenden Weise fehlerhaft verhalten haben könnte. Die spärlichen Angaben der Witwe im ursprünglichen Renten¬verfahren ergaben im Zusammenhang mit den vorliegenden Versicherungskarten des Versicherten keinen Anlass für die Beklagte, für Zeiten vor August 1945 spezielle Ermittlungen anzustellen.

Die Berufung der Klägerinnen war nach alledem zurück¬zuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Einen Grund, die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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