L 9 B 13/05 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 KR 2619/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 13/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozial- gerichts Berlin vom 6. Dezember 2004 geändert. Die aufschiebende Wir- kung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 29. Juli 2004 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2004 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf jeweils 15.248,06 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Dezember 2004 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig und begründet.

Das Sozialgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juli 2004 zu Unrecht nicht angeordnet. Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein solcher Fall einer kraft Gesetzes nicht bestehenden aufschiebenden Wirkung ist hier gegeben, weil es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Beitragsbescheid handelt, für den nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt. Der gesetzlich vorgegebene Maßstab für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ergibt sich aus § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG. Hiernach soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 86 a RdNr. 27 und Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Auflage 2005, Kapitel V RdNr. 16).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die aufschiebende Wirkung des am 29. Juli 2004 gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2004 erhobenen Widerspruchs anzuordnen. Denn es spricht nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand einiges dafür, dass dieser Bescheid rechtswidrig ist und der Widerspruch deswegen erfolgreich sein wird. Zwischen den Beteiligten ist im Kern im Streit, ob die Antragstellerin, die nach ihren Angaben für ihre polnischen Beschäftigten in Polen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat, als Entleiherin dieser Beschäftigten in der Zeit vom 23. März 1998 bis zum 14. Juli 1998 im Rahmen einer "illegalen" - so die Auffassung der Antragsgegnerin - Arbeitnehmerüberlassung als Arbeitgeberin gilt und infolge dessen neben dem Entleiher für geschuldete Sozialversicherungsbeiträge als Gesamtschuldnerin haftet (§ 28 e Abs. 2 Sätze 3 und 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch). Das Vorliegen eines derartigen Sachverhaltes ist aber hier fraglich, weil das Amtsgericht Nürnberg mit Urteil vom 8. November 2001 () das insoweit u.a. auch gegen die Antragstellerin (dort die Nebenbeteiligte) eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt hat.

Soweit das Amtsgericht gegen die Antragstellerin in diesem Urteil den Verfall von 15.000,00 DM angeordnet hat, bezieht sich diese Anordnung nach der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth (Az.: ) auf den mit einer Geldbuße in Höhe von 15.000,00 DM geahndeten Verstoß (hier: Unterschreitung des Mindestlohnes)der Antragstellerin gegen das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (AEntG). Hierauf lassen bereits die übereinstimmenden Beträge der gegen die Antragstellerin festgesetzten Geldbuße wegen Verstoßes gegen das AEntG und des vom Amtsgericht Nürnberg festgesetzten Verfalls schließen. Ausweislich des Bußgeldbescheides vom 17. April 2000 (III 091-7402.39 - BLS 614/00 und BLS 650/98) orientierte sich die Geldbuße in Höhe von 15.000,00 DM an dem wirtschaftlichen Vorteil, den die Antragstellerin aus der Unterschreitung des tariflichen Mindestlohnes gezogen hat. Entsprechendes gilt für die Berechnung des verfallenen Geldbetrages (§ 29 a Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes). Zum anderen ergibt sich dies aber auch aus dem Terminsbericht des Verteidigers der Antragstellerin vom 12. November 2001 über die öffentliche Sitzung des Amtsgerichts Nürnberg vom 8. November 2001. Danach ist das Verfahren gegen die Antragstellerin wegen des Verdachts der unzulässigen Überlassung von Arbeitnehmern eingestellt worden. Auch das Verfahren wegen des Vorwurfs der Unterschreitung des Mindestlohnes ist danach eingestellt worden, allerdings gegen den Verfall der aus den Lohnunterschreitungen erlangten Vermögensvorteile. Nach dem derzeitigen Stand bestehen an der Richtigkeit dieses Berichts keine begründeten Zweifel, zumal dieser Bericht im November 2001 verfasst worden ist, also ca. 2 1/2 Jahre vor Anhörung der Antragstellerin mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 10. März 2004 über die beabsichtigte Beitragsnachforderung. Von einer zielgerichteten, an den Interessen der Antragstellerin orientierten Abfassung des Berichts kann daher nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht ausgegangen werden. Gegenteiliges wurde weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Dass ein Verstoß gegen Mindestentlohnungsbestimmungen in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation keine Beitragsnachforderung begründet, ist im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Soweit das Sozialgericht meint, dass das Amtsgericht Nürnberg ausweislich seines Urteils ausschließlich über eine Ordnungswidrigkeit nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verhandelt und entschieden habe, ist dies unzutreffend. Das Amtsgericht Nürnberg hat die Verfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und des Verstoßes gegen das AEntG mit Beschluss vom 26. März 2001 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Es entspricht insoweit ständiger Rechtsprechung des Senats, den Wert des Verfahrensgegenstandes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte des Streitwertes der Hauptsache, hier auf die Hälfte von 30.494,12 Euro festzusetzen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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