S 56 AS 773/05 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
56
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 AS 773/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Absenkungsbescheid vom 19.7.2005 wird angeordnet. 2. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

Der auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Antrag, mit dem sich der Antragsteller (ASt.) gegen die mit Bescheid vom 19.7.2005 verfügte Absenkung der ihm bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wendet, ist nach zweckentsprechender Auslegung seines Begehrens zulässig und auch begründet. Auch wenn der ASt. seinen Antrag dem Wortlaut nach auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet hat, war dieser unter Berücksichtigung seines ausdrücklich erklärten Rechtsschutzziels, für die Zeit vom 1.8.2005 bis 31.10.2005 ungekürzte Leistungen zu erhalten, als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegen (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Da durch den Absenkungsbescheid vom 19.7.2005 dem ASt. eine laufende Leistung teilweise entzogen wurde, genügt für die Erreichung seines Ziels die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, da in diesem Fall die ursprüngliche Leistungsbewilligung wieder auflebt, ohne dass es einer gesonderten Verpflichtung der Antragsgegnerin (AG.) bedarf.

Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Bescheid vom 19.7.2005 hat gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug eines Bescheides überwiegt. Dies ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs. 3 S. 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 86a, Rz. 27). Dies ist vorliegend der Fall, da sich der Bescheid vom 19.7.2005 nach der im Eilverfahren möglichen und gebotenen Überprüfung als voraussichtlich rechtswidrig erweist.

Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c) SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn dieser sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen. Das Gleiche gilt bei einer trotz Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgten Weigerung, eine zumutbare Arbeit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszuführen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1d) SGB II). Nach dem Vortrag der AG. wurde dem ASt. kein konkretes Stellenangebot unterbreitet, sondern er sollte lediglich am 14.3.2005 zu einer Einführungsveranstaltung bei der "HAB Hamburger Arbeit Beschäftigungsgesellschaft mbH" erscheinen, um zu klären, für welche konkreten Tätigkeit der ASt. in Betracht kommt. Der ASt. trägt dagegen vor, dass ihm eine Tätigkeit als Gebäudereiniger unterbreitet worden sei, für die er gesundheitlich nicht geeignet sei. Ob es sich insoweit um eine reine Schutzbehauptung handelt oder ob ein Missverständnis vorliegt, das durch unklare Angaben im Vermittlungsvorschlag verursacht wurde, konnte nicht geklärt werden, da eine Kopie dieses Schreibens in der Sachakte der AG. nicht enthalten ist und von ihr auch sonst nicht vorgelegt werden konnte. Da eine Weigerung i.S.v. § 31 Abs. 1 SGB II jedoch nur bei vorsätzlicher Ablehnung eines bestimmten Verhaltens gegeben ist, können Irrtümer über das geforderte Verhalten grundsätzlich das Vorliegen einer Weigerung ausschließen (Sonnhoff in jurisPK-SGB II, § 31 Rn. 23, 25). Zweifel in dieser Hinsicht gehen zu Lasten der AG., die ihre Absenkungsentscheidung auf eine Weigerung des ASt. stützt (vgl. SG Hamburg 21.04.2005 - S 53 AS 229/05 ER – Juris).

Da der Vermittlungsvorschlag dem Gericht nicht vorgelegt werden konnte, ist ebenfalls nicht erkennbar, ob er mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen war. Diese muss dem Leistungsempfänger hinreichend deutlich machen, welches Verhalten von ihm gefordert wird und welche Rechtsfolgen in Bezug auf Dauer und Höhe der Absenkung eintreten, wenn er es verweigert (Sonnhoff a.a.O., § 31 Rn. 74). Da eine solche Belehrung materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Absenkungsentscheidung ist, trifft die AG. auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast (Berlit in LPK-SGB II, § 31 Rn. 64; SG Hamburg 21.04.2005 a.a.O.; SG Hamburg 7.7.2005 – S 51 AS 582/05 ER). Zweifel am Vorhandensein und Inhalt der Rechtsfolgenbelehrung gehen daher zu ihren Lasten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved