L 11 R 1766/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4383/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1766/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Überstundenvergütungen sind laufendes Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Sie sind, soweit sie noch einzelnen Monaten zurechenbar sind, diesen Monaten, in denen sie erarbeitet wurden, zuzurechnen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.03.2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitwert wird auf 9.543,25 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 9.543,25 EUR streitig.

Bei dem Kläger, einem im Bereich der Industrieelektronik tätigen Betrieb, wurde am 18. November 1999 durch die Beklagte eine Betriebsprüfung durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass über mehrere Monate anfallende Überstunden einmalig ausbezahlt wurden, die Verbeitragung jedoch jeweils als laufendes Arbeitsentgelt erfolgte.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1999 forderte die Beklagte daraufhin für den Prüfzeitraum vom 01.01.1995 bis 31.12.1998 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 20.463,28 DM mit der Begründung nach, für einige Arbeitnehmer seien Überstunden kumuliert ausbezahlt und sozialversicherungsrechtlich nur als laufendes Arbeitsentgelt verbeitragt worden. Die Überstundenvergütungen seien aber stets steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn und aufgrund ihrer Zeitbezogenheit laufendes Arbeitsentgelt, somit dem Monat zuzuordnen, in dem sie erarbeitet worden seien. Auf Nachzahlungen, die auf einer rückwirkenden Überstundenbezahlung beruhten, könne aus Vereinfachungsgründen auch die Regelung für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt mit der Maßgabe angewendet werden, dass die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze des Nachzahlungszeitraumes zugrunde zulegen sei; dadurch werde der Charakter der Nachzahlung als laufendes Arbeitsentgelt nicht berührt. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt werde einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum zugerechnet, jedoch werde hierbei die monatliche Beitragsbemessungsgrenze außer Kraft gesetzt. Die bei der klägerischen Firma über mehrere Monate angefallenen Überstunden seien in den Jahren 1995 und 1996 einmalig im Dezember ausbezahlt worden, 1997 und 1998 dann vierteljährlich. Die Verbeitragung sei jedoch jeweils nur als laufendes Arbeitsentgelt erfolgt. Diese Vorgehensweise sei jedoch nur insoweit zulässig, als die Zahlungen sozialversicherungsrechtlich als Einmalbezüge verbeitragt würden. Durch die Verschlüsselung der Überstunden als laufendes Arbeitsentgelt sei das zu verbeitragende Entgelt auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzt und der restliche Teil der rückwirkenden Überstundenbezahlungen nicht verbeitragt worden. Würden die Überstunden aber als Einmalbezug verschlüsselt, werde die monatliche Beitragsbemessungsgrenze außer Kraft gesetzt und es erfolge eine Verbeitragung der kumulierten Überstunden in voller Höhe (ggf. bis zur Höhe der anteiligen/jährlichen Beitragsbemessungsgrenze). Somit würden die Beiträge aus den Überstundenvergütungen der Jahre 1995 bis 1998 nacherhoben. Hinsichtlich der zugrundegelegten Arbeitsentgelte, der Berechnung der Beiträge und der genauen Zusammensetzung der Forderung wird auf Anlage 1 zu dem Bescheid verwiesen.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei durch die für seinen Betrieb zuständige Innungskrankenkasse die Auskunft erteilt worden, Überstunden seien auch bei Zahlungen in größeren als monatlichen Abständen als laufendes Entgelt dem jeweiligen Auszahlungsmonat zuzurechnen. Als Beleg hierfür sei ihm ein Merkblatt für Arbeitgeber "Sonderzuwendungen" zugesandt worden. Unter Abschnitt 3 dieses Merkblattes werde ausdrücklich betont, dass Überstunden keine Sonderzuwendungen seien und zum laufenden Arbeitsentgelt gehörten, das heißt auch dann, wenn sie aus abrechnungstechnischen Gründen nicht monatlich, sondern in größeren Zeitabständen gezahlt würden. Aufgrund dieser Auskunft habe er die Verbeitragung der ausgezahlten Überstunden vorgenommen, zumal sein damaliges Lohnprogramm diese Einstellung standardmäßig vorgesehen habe. Auch die Beitragsprüfung der IKK-N. für den Zeitraum Januar 1988 bis Dezember 1991 wie die der TK-E. für den Zeitraum 01.04.1991 bis 31.12.1994 habe keinerlei Beanstandungen ergeben. Von seinen Mitarbeitern könne er kaum noch nachträglich zusätzliche Beiträge einfordern, da die betroffenen Geschäftsjahre bereits abgeschlossen seien. Deswegen bitte er darum, von der Nachforderung abzusehen. Für das Jahr 1999 habe er bereits eine entsprechende Korrektur vorgenommen. Hierzu legte der Kläger eine Kopie des Telefonvermerks vom 09.03.1990 anlässlich eines Gesprächs mit Herrn H. von der IKK-N. sowie ein Schreiben desselben vom 14.04.2000 vor, in dem dieser ausführt, er könne in seinen Unterlagen keine Gesprächsnotiz über eine Beratung finden, glaube aber, sich schwach an ein solches Gespräch erinnern zu können.

In der Folgezeit forderte die Beklagte beim Kläger weitere Unterlagen an, um eine Zuordnung der geleisteten Überstunden zu den einzelnen Monaten vornehmen zu können. Mit weiterem Schreiben vom 28.11.2001 führte sie sodann die Anhörung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch. Mit Bescheid vom 06.05.2002 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Soweit eine Zuordnung möglich gewesen wäre, seien die gezahlten Überstunden in dem betreffenden Monat als laufendes Entgelt berücksichtigt und die Sozialversicherungsbeiträge unter Beachtung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenzen neu berechnet worden. Dadurch mindere sich die Gesamtnachforderung um 1.090,81 EUR. Weiterhin sei bei der Überprüfung der Beitragsberechnung festgestellt worden, dass aufgrund von Rechenfehlern zu wenig Beiträge in Höhe von 186,87 EUR gefordert worden wären. Insgesamt verbleibe es deswegen bei einer Restforderung in Höhe von 9.543,25 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2002 wies die Beklagte sodann den Widerspruch mit der Begründung zurück, Überstundenvergütungen seien aufgrund ihrer Zeitbezogenheit laufendes Arbeitsentgelt, welches stets dem Lohnabrechnungszeitraum zuzuordnen sei, in dem es erzielt worden wäre. Würden Überstundenvergütungen zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt (z.B. vierteljährlich oder einmal im Jahr), müssten die Lohnabrechnungen, für die die Überstundenvergütung erfolgt sei, wieder aufgerollt und unter Berücksichtigung der laufenden Überstundenvergütung neu berechnet werden. Da dies eine erhebliche Mehrarbeit mit sich bringe, werde nicht beanstandet, wenn die Überstunden dem nächsten oder übernächsten Lohnabrechnungszeitraum hinzugerechnet würden. Diese vereinfachte Beitragsberechnung sei jedoch nur dann zulässig, wenn die Überstundenvergütungen regelmäßig erst im nächsten oder übernächsten Monat abgerechnet würden, der der Leistung der Überstunden folge. Aus Vereinfachungsgründen könne die Überstundenvergütung auch dem Monat ihrer Auszahlung zugeordnet werden, wenn sie wie einmalig gezahltes Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung der anteiligen Beitragsbemessungsgrenzen behandelt werde. Der Charakter der Überstunden als laufendes Arbeitsentgelt werde hiervon nicht berührt. Aufgrund der Stundenaufzeichnungen der Jahre 1997 und 1998 seien bei dem Kläger die Überstunden, soweit möglich, noch ihrem Entstehungsmonat als laufendes Arbeitsentgelt zugeordnet worden. Somit seien die restlichen Überstundenvergütungen, soweit eine Zuordnung nicht möglich gewesen sei, wie Einmalzahlungen zu behandeln. Dem Kläger sei bei seinem telefonischen Beratungsgespräch mit der Innungskrankenkasse auch die zutreffende Auskunft erteilt worden, dass Mehrarbeitsvergütungen als laufendes Arbeitsentgelt dem Abrechnungsmonat zugeordnet werden könnten, wenn sie zwei Monate nach ihrer Entstehung ausgezahlt würden. Dessen ungeachtet stelle die mündliche Auskunft und die Versendung eines Merkblattes für den Arbeitgeber keinen Verwaltungsakt der Innungskrankenkasse dar, da es sich hierbei nicht um eine Regelung im Einzelfall handle. Somit bestehe auch kein Vertrauensschutz. Die Einzugsstelle habe das Recht auf Geltendmachung einer Beitragsforderung nicht schon dadurch verwirkt, dass die vom Arbeitgeber in Anspruch genommene Versicherungsfreiheit bei einer früheren Prüfung nicht beanstandet oder vom Betriebsprüfer ausdrücklich gebilligt worden sei. Wenn die Krankenkasse wie vorliegend durch sonstiges Verwaltungshandeln die Nichtzahlung von Beiträgen verursacht habe, so müsse geprüft werden, ob einer nachträglichen Inanspruchnahme des Beitragschuldners der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstünde. Dies sei dann der Fall, wenn eine falsche Auskunft erteilt werde, von der dann später wieder abgerückt worden sei. Dies könne jedoch nicht für eine telefonische Allgemeinauskunft gelten. Es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit eine Auskunft zur Behandlung von kumuliert ausgezahlten Überstunden erteilt worden sei.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe zu Unrecht der Zahlungsforderung eine Beurteilung der von ihm an seine Mitarbeiter geleisteten Überstundenvergütungen als Einmalzahlung zugrunde gelegt. Nach dem ihm von der IKK zur Verfügung gestellten Merkblatt über Sonderzuwendungen seien Überstundenvergütungen auch dann nicht als Sonderzuwendung, sondern als laufendes Arbeitsentgelt anzusehen, wenn sie in größeren als monatlichen Zeitabständen gezahlt würden. Dies habe ihm auch ein Mitarbeiter der IKK dargelegt und bekräftigt. In den nachfolgenden Betriebsprüfungen sei seine Vorgehensweise in keinem einzigen Fall beanstandet worden, welches aus seiner Sicht ein rechtmäßiges Abrechnungsverfahren hinsichtlich der Sonderzuwendungen an seine Mitarbeiter bestätige. Es liege auch ein Verwaltungsakt durch die IKK vor, denn ihm sei konkret eine auf seine Anfrage bezogene Auskunft erteilt worden. Folgerichtig müsse ihm Vertrauensschutz zugebilligt werden.

Nach Beiladung der betroffenen Arbeitnehmer hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18.03.2005, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 01.04.2005, die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei für die Betriebsprüfung zuständig und berechtigt gewesen, die sich daraus ergebenden Beitragsnachforderungen per Bescheid festzustellen und einzuziehen. Dass Überstundenvergütungen beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstellten, sei zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Beitragsnachforderung beruhe vielmehr darauf, dass die Überstundenvergütungen vom Kläger der Beitragsberechnung nur in dem Monat zugrunde gelegt worden wären, in dem sie den Arbeitnehmern ausgezahlt worden seien und nicht auf die Monate verteilt worden wären, in denen sie erarbeitet worden seien. Ob Arbeitsentgelt in der einen oder anderen Weise zu Beiträgen herangezogen werde, könne wegen der Beitragsbemessungsgrenzen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung einen erheblichen Unterschied machen, weil diese Grenzen jeweils auf das Arbeitsentgelt angewendet würden, dass für den (meist monatlichen) Abrechnungszeitraum zu berücksichtigen sei. Deswegen könne dasselbe Entgelt, wenn es nur für einen einzigen Abrechnungszeitraum zu berücksichtigen sei, teilweise beitragsfrei bleiben, während es bei einer Verteilung auf mehrere Abrechnungszeiträume in vollem Umfange beitragspflichtig werde. Diese Unterschiede in der Beitragsbelastung seien auch endgültig, weil es im Beitragsrecht einen nachträglichen Jahresausgleich wie im Lohnsteuerrecht nicht gebe. Aus § 23 a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ergebe sich, dass eine Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitsentgelt und einmalig gezahltem Arbeitsentgelt danach vorgenommen werde müsse, ob die Zuwendung der konkreten Arbeitsleistungen in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum, vorliegend einem Monat, zugeordnet werden könne. Entscheidend sei nicht der Zeitpunkt der Auszahlung, sondern ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem einzelnen, das heißt einem bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit sei oder ob eine solche Beziehung nicht bestehe, wie insbesondere bei den jährlich gezahlten Sonderzuwendungen. Diese Auffassung werde auch durch die Entstehungsgeschichte der Regelung gestützt. Mit der Vorschrift des § 23 a Abs. 1 Satz 1 SGB IV hätten nämlich solche Zuwendungen erfasst werden sollen, die nicht nur in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum erzielt worden wären, d.h. insbesondere Weihnachts- und Urlaubsgeld, Tantiemen, Provisionen, Gratifikationen und ähnliche Leistungen, aber auch zusätzliche Gehälter und einmalige Leistungen ohne Bezug auf einen Lohnabrechnungszeitraum, etwa aus Anlass von Jubiläen. Nicht dazu gehörten demnach Entgelte für Mehrarbeit. Ob die Zuwendung in einer Summe oder in Teilbeträgen gezahlt werde, sei ebenso ohne Bedeutung wie, ob auf sie ein Rechtsanspruch bestehe. Deswegen seien Überstundenvergütungen eindeutig als laufendes Arbeitsentgelt zu behandeln. Die Beklagte habe daher zutreffend die Überstunden, soweit dies anhand der Aufzeichnungen des Klägers noch möglich gewesen sei, den Monaten zugerechnet, in denen sie erarbeitet worden wären, und entsprechend die Berechnung unter Beachtung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze neu vorgenommen. Soweit aufgrund fehlender Aufzeichnungen eine derartige Zuordnung nicht möglich gewesen sei, wäre es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte diese Vergütungen wie Einmalzahlungen behandelt und die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend unter Anwendung von § 23 a SGB IV berechnet habe. Denn dies beruhe auf den unvollständigen Lohnunterlagen des Klägers. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn die IKK habe insoweit keinen Verwaltungsakt erlassen, sondern lediglich eine Auskunft erteilt. Eine Auskunft enthalte lediglich eine informatorische Mitteilung über die rechtlichen Verhältnisse. Der Kläger könne sich auch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. Aufgrund der kurzen Verjährungsfrist genüge für ein Verwirkungsverhalten nämlich nicht nur das bloße "Nichtstun", Verwirkung liege nur vor, wenn der Berechtigte dieses nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten dürfe. Die Durchführung von Betriebsprüfungen begründe aber keinen Schutz des Arbeitgebers, da sie nicht umfassend oder erschöpfend erfolgten, sondern sich nur auf eine stichprobenartige Prüfung der Lohn- und Gehaltsunterlagen beschränkten. Überdies sei die dem Kläger von der IKK erteilte Auskunft zutreffend gewesen. Ob tatsächlich konkret über die beitragsrechtliche Behandlung von Überstundenvergütungen bei Auszahlung in jährlichem oder vierteljährlichem Abstand gesprochen worden sei, sei nämlich aus den Aufzeichnungen nicht zu ersehen.

Mit seiner dagegen am 02.05.2005 (einem Montag) eingelegten Berufung macht der Kläger unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, er habe sich nicht nur lediglich informatorisch an die IKK gewandt, sondern konkrete Anweisungen für die Erstellung der betreffenden Abrechnungen zu erhalten. Er könne sich auch auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, nachdem die Beklagte seinen Widerspruch erst zweieinhalb Jahre später beschieden habe. Vor diesem Hintergrund habe er darauf vertrauen dürfen, dass sein Vorbringen als begründet erachtet werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.03.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 20.12.1999 und 06.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass keine Nachweise dafür erbracht worden seien, dass die IKK dem Kläger gegenüber einen Verwaltungsakt erlassen habe, demzufolge die Abrechnung der Überstunden in größeren als in maximal zweimonatigen Abständen erfolgen dürfe.

Mit Beschluss vom 15.06.2005 hat der Senat auch die Sozialversicherungsträger zum Verfahren beigeladen und mit weiterem Beschluss vom 28.07.2005 den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt (L 11 R 2715/05 ER).

Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die formgerecht eingelegte Berufung ist auch fristgemäß erhoben, da das Fristende auf einen Montag fällt (§ 64 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist schließlich statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die Beitragsforderung die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR übersteigt. Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, weswegen der Senat ergänzend auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, entschieden, dass die für die Betriebsprüfung und die sich anlässlich dieser ergebenden Beitragsnachforderung feststellungs- und einzugsberechtigte Beklagte (§ 28 p Abs. 1 SGB IV) Gesamtsozialversicherungsbeiträge auf die kumuliert ausgezahlten Überstundenvergütungen der Jahre 1995 bis 1998 in der streitigen Höhe erhoben hat.

Der Senat konnte in der Sache entscheiden, denn der Sachverhalt ist ausreichend aufgeklärt. Insoweit bedurfte es einer Vernehmung des Sachbearbeiters H. von der IKK N. nicht, zumal der durch einen Bevollmächtigten vertretene Kläger einen solchen Antrag nicht noch einmal ausdrücklich gestellt hat. Herr H. hat in seinem Schreiben an den Kläger vom 14.04.2000 eingeräumt, dass er sich nur noch schwach an das bloße Stattfinden eines solchen Gesprächs erinnern könne. Somit muss auf die von dem Kläger vorgelegte Telefonnotiz zurückgegriffen werden um den Gesprächsinhalt zu rekonstruieren. Danach war aber die ihm erteilte Auskunft richtig und zutreffend erteilt worden, nämlich dass Mehrarbeitsvergütungen laufendes Arbeitsentgelt darstellen (vgl. dazu im folgenden) und auch noch zwei Monate später abgerechnet werden können. Was sich nicht daraus und ebenfalls nicht aus dem IKK-Merkblatt Sonderzuwendungen 1992 ergibt, ist, wie mit solchen Zuwendungen zu verfahren ist, wenn diese - wie vorliegend - nur einmal am Jahresende oder nur vierteljährlich ausgezahlt werden. Insofern ergeben sich aus der Telefonnotiz keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass so konkret über die Angelegenheit gesprochen wurde (im einzelnen siehe unten).

Auch der Senat ist in Würdigung der von dem Kläger vorgelegten Unterlagen wie dem Ergebnis der Betriebsprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgestellt hat, dass die Überstundenvergütungen laufendes Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV darstellen und deswegen in der vorgenommenen Art und Weise zu verbeitragen sind. Für die Abgrenzung zu einmaligem Arbeitsentgelt ist nämlich nicht die von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Bezeichnung, der Zahlungsanlass oder Zahlungsmodus ausschlaggebend (vgl. BSGE 52, 102, 104), sondern vielmehr, ob das gezahlte Entgelt einen konkreten Bezug zu der in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum geleisteten Arbeit hat oder ob eine solche Beziehung nicht besteht (BSGE 66, 34, 42). Deswegen sind Zuschläge, Zulagen und Zuschüsse, die sich auf einen bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum beziehen (z.B. Akkordspitzen, Zuschläge für Nacht- und Mehrarbeit, Schmutz- und Erschwerniszulagen, vermögenswirksame Leistungen) laufendes Arbeitsentgelt, auch wenn sie erst nach Erreichen eines bestimmten Stichtages geschuldet werden (BSG SozR 2200 § 385 Nr. 9). Demgemäss hat die Beklagte zutreffend die Überstunden, soweit dies anhand der Aufzeichnungen des Klägers noch möglich war, den Monaten zugerechnet, in denen sie erarbeitet wurden, und entsprechend die Berechnung mit Bescheid vom 06.05.2005 unter Beachtung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze neu vorgenommen. Soweit dies nicht möglich war, mussten die Vergütungen wie Einmalzahlungen behandelt und die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend unter Anwendung von § 23 a SGB IV berechnet werden.

Das SG hat weiterhin zu Recht festgestellt, dass sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, da es der ihm erteilten Auskunft an der Verwaltungsaktqualität im Sinne des § 31 SGB X fehlt, da sie nicht unmittelbar einen Einzelfall mit Außenwirkung regelt. Dies ergibt sich auch zur Überzeugung des Senats aus der vorgelegten Telefonnotiz des Klägers. Danach war ihm lediglich allgemein und auch zutreffend die Auskunft erteilt worden, wie mit Mehrarbeitszuschlägen zu verfahren ist. Der Kläger hat aber ausweislich seiner Aufzeichnungen nicht konkret danach gefragt, wie es sich verhält, wenn Mehrarbeitsvergütungen nur einmal am Jahresende oder jeweils nur nach drei Monaten ausgezahlt werden. Hierüber wurde demzufolge auch keine Auskunft erteilt oder gar eine Regelung getroffen. Überdies hätte eine konkrete Prüfung des Einzelfalles nur dann vorgenommen werden können, wenn dem Sachbearbeiter der IKK die entsprechenden Daten dafür von dem Kläger zur Verfügung gestellt worden wären. Dies hat aber der Kläger selbst nicht behauptet. Nur anhand solcher konkreten Unterlagen hätte der Sachbearbeiter nämlich erkennen und den Kläger dann zutreffend beraten können, dass bei einer so zeitlich verzögerten Auszahlung der Überstunden nicht so verfahren werden kann, als ob es sich um laufendes Entgelt handelt, insbesondere dann, wenn eine Zuordnung zum Monat im nachhinein durch den Zeitablauf nicht mehr möglich ist. Vertrauensschutz wird auch nicht allein durch den Umstand begründet, dass die Bearbeitung des Widerspruchs durch die Beklagte anderthalb Jahre in Anspruch genommen hat. Für den Kläger waren über den reinen Zeitablauf hinaus keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Beklagte von der Beitragsforderung absehen wird. Vielmehr wurden von dem Kläger in der Zwischenzeit Unterlagen zur Neuberechnung angefordert. Dass deren Prüfung einige Zeit in Anspruch nehmen wird, hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, somit die Beklagte den geltend gemachten Anspruch weiter verfolgen wird.

Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass den Betriebsprüfungen vom 12.05.1992 und 24.04.1995 nicht der vom Kläger geltend gemachte Vertrauensschutz zukommt und er sich deswegen nicht auf die Verwirkung der Beitragsforderungen, die bei ihrer Feststellung nicht verjährt waren (vgl. § 25 Abs. 1 SGB IV), berufen kann. Denn Betriebsprüfungen haben nur eine Kontrollfunktion, nämlich einerseits Beitragsausfälle zu verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor zu bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Sie sollen jedoch nicht eine Schutzfunktion gegenüber Arbeitgebern erfüllen oder diesen gar "Entlastung" erteilen (so zuletzt BSG in den Urteilen vom 14.07.2004, Az.: B 12 KR 10/03 R; B 12 KR 7/03 R; B 12 KR 7/04 R). Dessen ungeachtet kann allein eine Unterlassung der Einzugsstelle kein Verwirkungshandeln begründen, sondern nur dann, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten durfte, wofür es vorliegend keine Anhaltspunkte gibt (so auch Urteil des Senats vom 03.02.2004 - L 11 KR 1160/04).

Nach alledem ist deshalb die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 VwGO beruht.

Bei der Streitwertfestsetzung hat sich der Senat auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 3, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) gestützt. Bei dem Rechtsstreit geht es um eine bezifferte Forderung. Diese bestimmt das wirtschaftliche Interesse.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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