L 11 KR 3450/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 1574/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3450/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei Rentenantragsstellern sind Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach de Mindesteinnahmen-Grenze des § 240 Abs. 4 S. 1 SGB V zu berechnen. Eine Unfallrente stellt keine Rente i.S.d. § 240 Abs. 4 S. 5 SGB V dar.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Beitragshöhe seit 01.03.2001 streitig.

Der am 04.11.1966 geborene Kläger besuchte vom 26.08.1991 bis 19.06.1992 ein einjähriges Berufskolleg Fachhochschulreife in F. Mit Schreiben vom 04.02.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Krankenversicherung der Studenten (KVdS) bis zu zehn Jahre nach Erwerb der Zugangsvoraussetzung möglich sei, die Begrenzung auf das 14. Fachsemester jedoch bestehen bleibe. Für den Kläger sei dieser Zehn-Jahres-Zeitraum bis zum 19.06.2002 möglich, es bleibe daher bei der bisherigen Beitragshöhe.

Nachdem sich der Kläger am 30.03.2001 bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied ab 01.03.2001 angemeldet hatte, bestätigte die Beklagte die freiwillige Versicherung ab 01.03.2001 ohne Krankengeldanspruch und berechnete dafür zunächst einen monatlichen Gesamtbeitrag von 167,26 DM - 85,52 EUR - (Bescheid vom 03.04.2001). Unter Berücksichtigung eines Praktikumentgelts für die Zeit vom 01.08. bis 30.09.2001 und einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 13.08.2001 den Beitrag neu mit insgesamt 355,41 DM (181,72 EUR), ab 01.09.2001 betrage der Gesamtbeitrag 222,50 DM (Mindestbeitrag für freiwillige Mitglieder). Mit weiterem Bescheid vom 08.10.2001 korrigierte die Beklagte die Beitragseinstufung und forderte ab 01.08.2001 einen Gesamtbeitrag von 222,50 DM (113,76 EUR). Ab 01.01.2002 betrug der Gesamtbeitrag monatlich 116,46 EUR (227,77 DM).

Ab 25.10.2001 besuchte der Kläger die Fachschule Betriebswirtschaft an der Kaufmännischen Schule S. N. die er am 23.07.2002 mit dem Berufsabschluss Staatlich geprüfter Betriebswirt abschloss. Im Anschluss daran war er arbeitslos ohne Leistungsbezug.

Mit Schreiben vom 20.10.2002 übersandte der Kläger der Beklagten den ausgefüllten Einkommensfragebogen (Verletztenrente ab 01.07.2002 = 305,73 EUR monatlich) und teilte der Beklagten mit, er habe beim Sozialamt einen Antrag auf Übernahme der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gestellt, der von der Beklagten unterstützt werden sollte.

Mit Bescheid vom 27.12.2002 hob die Beklagte den Beitragssatz ab 1. Januar 2003 auf 13,9% an, so dass sich ein Gesamtbeitrag von 123,76 EUR, fällig ab 17.02.2003, ergab. Die Verletztenrente des Klägers betrug ab 01.07.2003 308,91 EUR. Am 08.10.2003 beantragte der Kläger gemäß § 44 SGB X die Herabsetzung der Mindestbemessungsgrundlage auf das tatsächliche Einkommen und die Rückerstattung zuviel bezahlter Beiträge plus Zinsen ab 01.03.2001 (Beginn der freiwilligen Versicherung). Auch für freiwillig versicherte Mitglieder (Rentenbezieher) sei nach § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V nur das tatsächliche, gegebenenfalls unter dem Mindestbeitrag liegende, Einkommen maßgebend, so dass als Einkommen nur die Verletztenrente als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Daraus ergebe sich eine Überzahlung von 2.184,30 EUR. Auch für die Zukunft werde ein neuer Beitragsbescheid für 2003 in Höhe von 48,19 EUR beantragt.

Mit Bescheid vom 03.11.2003 lehnte die Beklagte eine Reduzierung der Beitragsbemessungsgrundlage ab und wies darauf hin, dass für die Bemessung der freiwilligen Versicherung der § 240 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gelte, wonach als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße (2003: 26,44 EUR) anzusetzen sei. Die Beiträge für die freiwillige Versicherung des Klägers seien richtigerweise aus dieser gesetzlichen "Mindeststufe" berechnet worden. Die Rechtsgrundlage des § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V beziehe sich auf die Beitragszahlung bei Schülern einer Fachschule oder Berufsfachschule. Da der Kläger nicht zu diesem Personenkreis gehöre, finde diese Rechtsquelle keine Anwendung.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch legte der Kläger u.a. eine Kopie des bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg gestellten Rentenantrages vom 09.05.2003 nebst Anlage B (Berufsausbildung, Beschäftigungsübersicht) vor und machte geltend, er sei als Rentenantragsteller mit einem niedrigeren Beitrag versichert. Er verfüge monatlich nur über ein Einkommen von 308,91 EUR (Verletztenrente). Mit der Schaffung des § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V sei in erster Linie für Kleinrentner eine Sonderregelung geschaffen worden, nach der die Beiträge auch bei Unterschreiten der Mindestbemessungsgrundlage nach den tatsächlichen Einkünften zu erheben seien. Auch werde ein ermäßigter Beitragssatz nach § 243 Abs. 1 SGB V beantragt, da er keinen Anspruch auf Krankengeld habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V gelte als beitragspflichtige Einnahmen in der freiwilligen Krankenversicherung für den Kalendertag mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße. Durch die Fiktion eines beitragspflichtigen Mindesteinkommens solle ein vertretbarer Ausgleich von Leistung und Gegenleistung bei freiwilligen Mitgliedern erreicht und verhindert werden, dass diese sich zu unangemessenen niedrigen Beiträgen versichern könnten. Die Bemessung der Beiträge nach einem unterhalb der Grenze des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V liegenden Einkommen sei unzulässig. Dies habe bis 31.12.1999 auch für Rentner gegolten, die die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nicht erfüllt hätten und aufgrund der Einkommenshöhe auch nicht hätten familienversichert sein können, selbst wenn die Rente unter der Mindesteinnahmegrenze gelegen habe. Diese beitragsrechtliche Gleichstellung von freiwillig Versicherten mit Rentenbezug mit den sonstigen freiwillig Versicherten sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Gleichwohl habe der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V die allgemeine Geltung der Mindesteinnahmegrenze für bestimmte freiwillig versicherte Bezieher einer geringen Rente außer Kraft gesetzt. Dieser Personenkreis solle statt der Zahlung von Mindestbeiträgen künftig nur noch einkommensproportionale Beiträge entrichten. Die Anwendung der Neuregelung für freiwillige Mitglieder setze voraus, dass ein Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung gegeben, die Rente beantragt worden und eine bestimmte Vorversicherungszeit erfüllt sei. Der Kläger habe während der Zeit seiner freiwilligen Krankenversicherung keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen, die Unfallrente der Berufsgenossenschaft sei keine gesetzliche Rente. Ab 09.05.2003 bestehe eine Versicherung als Rentenantragsteller, wobei nach der Satzung der Beklagten die Beitragsbemessung wie bei freiwilligen Mitgliedern durchgeführt werde (§ 19 Abs. 3), wonach als beitragspflichtige Einnahmen kalendertäglich mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße gelte. Die Beitragsberechnung werde auf der Grundlage des auf den Kalendertag entfallenden Teils der beitragspflichtigen Einnahmen durchgeführt. Die niedrigste Bemessungsstufe sei stets der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße und die höchste Bemessungsstufe sei stets ein Dreihundertsechzigstel der Jahresbeitragsbemessungsgrenze.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) mit der Begründung, wegen der Frage eines Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sei zur Zeit vor dem SG ein Klageverfahren anhängig (S 3 RJ 983/04). Die Feststellung der Beklagten, dass eine Unfallrente der Berufsgenossenschaft keine gesetzliche Rente sein solle, sei falsch. Tatsache sei, dass die Rente nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs VII geleistet werde, sodass es sich eindeutig um eine gesetzliche Rente handle, die der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gleichzustellen sei. Die Beklagte hätte ihn auf die Möglichkeit eines günstigeren Beitrags durch Rentenantragstellung aufmerksam machen müssen. Er sei schon immer bei der Beklagten krankenversichert, zuletzt ab 01.03.1994 bis Februar 2001 als Student und ab 01.03.2001 fortlaufend als freiwilliges Mitglied bzw. Rentenantragsteller. Da bei ihm alle Voraussetzungen des § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V erfüllt seien, habe er Anspruch auf Herabsetzung der Beiträge proportional zum Einkommen, die Rückerstattung überzahlter Beiträge plus Verzinsung sowie den ermäßigten Beitragssatz, da kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Die Regelung der Beklagten in § 20 der Satzung habe gegenüber der Gesetzesregelung in § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V zurückzustehen. Es sei nicht möglich, dass die Beklagte mit einer Satzungsregelung das Gesetz aushebele.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers handle es sich bei der bezogenen Unfallrente der Berufsgenossenschaft nicht um eine gesetzliche Rente, denn dieser Schlussfolgerung stehe bereits die begriffliche Bestimmung (Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung) entgegen. Im Übrigen finde sich auch in § 228 SGB V die abschließende Aufzählung, wonach als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung Renten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung einschließlich der Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung gelten würden. Sowohl bei der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder als auch bei Rentenantragstellung werde die Kasse verpflichtet, die Beitragsbemessung jeweils durch die Satzung zu regeln. Dies sei vor dem Hintergrund eines vertretbaren Ausgleichs von Leistung und Gegenleistung geschehen.

Mit Urteil vom 14.07.2004 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im Wesentlichen aus, die von der Beklagten vorgenommene Beitragsbemessung erweise sich als korrekt. Der Gesetzgeber habe in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V ein gewisses Äquivalent zwischen Mindestbeitrag und dem hierfür gegenüberstehenden Leistungsanspruch sichern wollen. Der Mindestbeitrag dürfe durch die Krankenkasse auch dann nicht unterschritten werden, wenn die beitragsrelevanten Einnahmen des Versicherten wesentlich unter dieser Grenze lägen oder Einkommen überhaupt nicht vorhanden sei. Zu Recht habe die Beklagte daher in der Zeit vom 01.03.2001 bis 08.05.2003 diese Mindestbeitragsbemessungsgrundlage angewandt, die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmetatbestände von dieser Regelung seien nicht erfüllt. Auch der Rentenbezug des Klägers erfülle keinen Ausnahmetatbestand von der Mindestbeitragsbemessung. Die Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V beziehe sich allein auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Renten der gesetzlichen Unfallversicherung seien damit nicht gemeint. Auch für die Zeit ab dem 09.05.2003 verbleibe es bei der von der Beklagten vorgenommenen Beitragsbemessung. Der Kläger sei ab diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Rentenantragstellung wieder pflichtversichert, jedoch bleibe zu beachten, dass die Frage, ob Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 (siehe Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000, BGBl. I S. 1300) bestehe, erst mit dem Abschluss des Rentenverfahrens, d.h. mit dem unanfechtbaren Rentenbescheid beantwortet werden könne. Denn erst dann sei klar, ob der Betroffene einen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfülle, was eine Tatbestandsvoraussetzung für den Eintritt der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sei. Da es jedoch dem Wesen des Versicherungsverhältnisses der Krankenversicherung widerspräche, wenn die Mitgliedschaft in der Schwebe bliebe, finde sich in § 189 SGB V eine notwendige Ergänzung der Rentnerkrankenversicherung. In dieser Vorschrift sei die Formalversicherung (fingierte Mitgliedschaft) geregelt, die zum Zuge komme, wenn der Rentenantragsteller letztlich die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Rente nicht erfülle. § 239 SGB V, der die Beitragsbemessung für Rentenantragsteller regele, gebe den Krankenkassen auf, die Beitragsbemessung durch Satzung zu regeln. Ferner werde die entsprechende Geltung des § 240 SGB V festgelegt. Die Satzungsregelung der Beklagten (§ 19 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1) begegne keinen Bedenken, da sie der in § 239 Satz 3 SGB V festgelegten entsprechenden Geltung des § 240 SGB V gerecht werde. Die in § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V geregelte Privilegierung werde damit nicht ausgehebelt, denn bei näherer Betrachtung unter Berücksichtigung der Gesetzessymptomatik komme trotz der Regelung in § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V ein Abweichen von der Mindestbeitragsbemessung nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V bei Rentenantragstellern, über deren Anspruch noch nicht entschieden worden sei, nicht in Betracht. Aus § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V könne nach Auffassung der Kammer nicht geschlossen werden, dass allein die Rentenantragstellung den freiwillig Versicherten von der Entrichtung von Mindestbeiträgen entbinde. Die Beitragspflicht von Versicherten sei, wie sich aus dem Versicherungsprinzip ohne Weiteres ergebe, als Regel anzusehen. Ferner sei zusätzlich als vom Gesetzgeber besonders verfügte Regelung anzusehen, dass gewisse Mindestbeiträge zu entrichten seien. Ausnahmen von § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V bedürften einer klar und eindeutig formulierten gesetzlichen Vorgabe. Diese könne in § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V nicht gesehen werden, so lange nicht klar entschieden sei, ob ein Rentenanspruch tatsächlich erfüllt sei. Der Gesetzgeber habe mit dieser Vorschrift Kleinrentner schützen wollen, der Schutz könne nicht auf Personen ausgedehnt werden, die eventuell Kleinrentner werden könnten. Der Kläger werde als möglicherweise zukünftiger "Kleinrentner" nicht schutzlos gestellt, da in § 239 SGB V ausdrücklich geregelt werde, dass sich die Beitragsbemessung durch die Satzung und damit hier die Mindestbeitragsbemessung allein auf den Zeitraum bis zum Beginn der Rente beziehe. Auch wenn der Kläger durch die von ihm zu entrichtenden Beiträge wirtschaftlich stark gefordert, wenn nicht gar überfordert werde, bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Erhebung von Mindestbeiträgen. Die Kammer schließe sich insoweit der Auffassung des Bundessozialgerichts an. Letztlich müsste der Kläger bei einer wirtschaftlichen Überforderung, die auch durch Unterstützung von Angehörigen nicht mehr ausgeglichen werden könnte, auf Sozialleistungen verwiesen werden.

Hiergegen richtet sich die am 02.08.2004 eingelegte Berufung des Klägers. Er hält daran fest, dass seine Krankenversicherungsbeiträge proportional zum Einkommen, d.h. unterhalb des Mindestbeitrages nach § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V zu berechnen und die überzahlten Beiträge plus Verzinsung zu erstatten seien. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Kaufmännische Schule S. N. sei eine Fachschule im Sinne von § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V. Damit greife für diese Zeit die Beitragsbemessung nach § 236 und § 245 Abs. 1 SGB V und nicht der Mindestbeitrag nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Er habe den Fachschulbesuch bei der Beklagten nicht angezeigt, da er nicht habe damit rechnen können, dass sich dadurch der Beitrag senke, zumal ihm zuvor der Studententarif gestrichen worden sei. Wegen der aktuellen Rechtsprechung über die Krankenversicherungsbeiträge bei Kleinstrentnern, die kleiner als der Mindestbeitrag nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V sein könnten, sei § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V in entsprechender Weise auszulegen, d.h. einkommensproportionale Beiträge würden bereits für Rentenantragsteller gelten. Diese Beitragsregelung müsse auch dann gelten, wenn lediglich eine Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls von der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen werde. Es mache keinen Unterschied, ob ein Mitglied zum Ende seines Erwerbslebens Kleinstrentner sei oder ein Mitglied der Beklagten bereits im Alter von 21 Jahren durch einen Arbeitsunfall aus dem Erwerbsleben praktisch ausscheide und damit natürlich auch nur kleine Rentenansprüche vorweisen könne. Seine Altersrente würde laut Rentenauskunft der LVA monatlich 123,74 EUR betragen. Er sei seit seinem Arbeitsunfall im Jahr 1987 durch seine Eltern unterstützt worden. Nachdem er durch den Arbeitsunfall seinen Beruf als Schornsteinfeger nicht mehr habe ausüben können, sei er durch die finanzielle Unterstützung seiner Eltern in die Lage versetzt worden, sich beruflich neu zu orientieren. Seine Anträge auf Leistungen des Arbeitsamtes, auf Sozialhilfe bzw. die Gewährung von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz seien abgelehnt worden. Selbst die Unterstützung nur allein für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sei abgelehnt worden. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass die Beitragsbemessung von Rentenantragstellern wie bei freiwilligen Mitgliedern festgelegt werde, dann hätte er dies in § 240 SGB V mit einem eigenen Absatz festgelegt. Nach dem Willen des Gesetzgebers hätten die Rentenantragsteller vom Mindestbeitrag befreit werden sollen, da sie ohnehin den Beitrag allein zu entrichten hätten (§ 250 Abs. 2 SGB V). Der Kläger hat u.a. eine Schulbescheinigung der Fachschule für Betriebswirtschaft, eine Rentenauskunft der LVA Baden-Württemberg vom Juli 2002, die Rentenanpassung der Württembergischen Bau-BG ab 1. Juli 2003, Ablehnungsbescheide des Arbeitsamtes F. bezüglich Arbeitslosengeld zum 01.10.2001, des Landratsamtes F. bezüglich Sozialhilfe und bezüglich der Gewährung von Leistungen nach den Bestimmungen des Grundsicherungsgesetzes beigefügt. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass beim SG zwei Rentenverfahren anhängig seien, und zwar zum einen wegen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (S 3 RJ 983/04) und zum anderen wegen der Einstufung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die BG (S 4 U 1957/04), Auszüge aus der Satzung der Beklagten (§§ 18, 19, 20) und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04.08.1981 - 8/8a RK 6/80 sowie die Bescheide der Beklagten vom 23.12.2003 (Beitrag ab 1. Januar 2004) und vom 18.01.2005 (Beitrag ab 01.01.2005) vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung am 23.08.2005 hat sich die Beklagte in einem Teilvergleich verpflichtet zu überprüfen, ob die Beitragsberechnung für die Zeit des Fachschulbesuches vom 25.10.2001 bis 23.07.2002 nach § 240 Abs. 4 Satz 4 SGB V zu erfolgen hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Juli 2004 aufzuheben, den Bescheid vom 3. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2004 sowie die Bescheide vom 23. Dezember 2003 und 18. Januar 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 3. April 2001, 13. August 2001, 08. Oktober 2001 und 27. Dezember 2002 zurückzunehmen und die Beiträge proportional zum Einkommen, d.h. unterhalb des Mindestbeitrages nach § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V, nach den tatsächlichen Einnahmen festzusetzen und zuviel entrichtete Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und auch statthaft, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat in der Sache einen Überprüfungsantrag der bestandskräftigen Bescheide seit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft (01.03.2001) nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) gestellt. Die Beklagte hat auch eine sachliche Überprüfung vorgenommen.

Nach der Vorschrift des § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Diese Voraussetzungen liegen auch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Bescheide vom 03.04.2001, 13.08.2001, 08.10.2001 und 27.12.2002 zurückzunehmen, denn diese Bescheide waren nicht rechtswidrig, auch sind Beiträge aufgrund dieser Bescheide nicht zu Unrecht erhoben worden.

Das SG hat unter Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlage zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte in der Zeit vom 01.03.2001 bis 08.05.2003 und auch für die Zeit ab 09.05.2003 (Rentenantragstellung) zu Recht die Beiträge nach der Mindesteinnahmen-Grenze des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V berechnet hat, weil die Unfallrente keine Rente im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V darstellt und auch bei Rentenantragsstellern ein Abweichen von der Mindestbeitragsbemessung nicht in Betracht kommt. Der Senat teilt in vollem Umfang die insoweit in den Gründen des angefochtenen Urteils dargestellte Auffassung des SG und nimmt hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Was den Zeitraum bis 08.05.2003 angeht, weist auch der Senat darauf hin, dass sich die Regelung des § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V allein auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Hierzu gehören gemäß § 228 SGB V Renten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung, nicht dagegen Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, nach Versorgungs- oder Entschädigungsrecht oder Renten aus privater Versicherung (vgl. Peters in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 228 SGB V Rdnr. 3). Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich.

Auch ab 09.05.2003 ist entgegen der Auffassung des Klägers § 240 Abs. 4 Satz 5 SGB V in seinem Fall nicht einschlägig, denn danach ist der allgemeine Mindestbetrag beitragspflichtiger Einnahmen nicht anzuwenden auf freiwillige Mitglieder, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben sowie eine bestimmte Vorversicherungszeit aufweisen. Diese Vorschrift ist mit Wirkung vom 01.01.2000 eingefügt worden und bewirkt, dass freiwillig versicherte Rentner (in erster Linie Kleinrentner), die mit ihren Einnahmen die Grenze der beitragsfreien Familienversicherung überschreiten, einkommensproportionale Beiträge zu zahlen haben. Bisher galt die Mindesteinnahmenregelung des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V auch für diesen Personenkreis. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/1245 Seite 97/98) war dies eine Reaktion auf die Folgen des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG), durch welches seit dem 01.01.1993 die für die beitragsgünstige Pflichtversicherung der Rentner maßgebliche Vorversicherungszeit nur noch mit Zeiten einer Pflichtversicherung oder einer daraus abgeleiteten Familienversicherung erfüllt werden konnte. Für die Beitragsberechnung freiwillig versicherter Kleinrentner wurde an die frühere - nach dem Gesundheitsreformgesetz (GRG) gültige - Vorversicherungsregelung angeknüpft, um Härten für diejenigen zu vermeiden, die langjährig (9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbszeitraums) der gesetzlichen Krankenversicherung angehört hatten, nachdem das BSG entschieden hatte, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, wenn Beiträge nach den Mindesteinnahmen von einem Drittel der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V) auch von einer Rentnerin zu entrichten seien, die mit ihrer Rente die Gesamteinkommensgrenze von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße knapp übersteige, deswegen aus der Familienversicherung ausscheide und sich mangels Zugangs zur KVdR freiwillig versichere (vgl. Urteil vom 06.11.1997 - 12 RK 61/96 -). Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.03.2000 (BVerfGE Bd. 102, Seite 68) gelten indes - da der Gesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist für eine Neuregelung verstreichen ließ und keine Änderung vornahm - ab 01.04.2002 wieder die Regelungen des Gesundheitsreformgesetzes, wonach wieder alle Zeiten einer Mitgliedschaft bei einer Kasse zu berücksichtigen sind.

Vorliegend war der Kläger aufgrund seiner Rentenantragstellung ab 09.05.2003 wieder pflichtversichert. Da gemäß § 189 SGB V auch Rentenantragsteller, welche, wie der Kläger, die für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) geforderte Vorversicherungszeit erfüllt haben, als Mitglieder gelten, bei diesem Personenkreis aber gerade die Basiseinnahme der Rente nicht vorhanden ist, wird die Beitragsbemessung gemäß § 239 SGB V für die Zeit der Rentenantragstellung bis zum Beginn durch die Satzung geregelt, wobei § 240 SGB V entsprechend gilt. Die äußeren Rahmenbedingungen des § 240 für Satzungsregelungen über die Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder gelten mithin auch für diejenige von Rentenantragstellern. Dies bedeutet, dass sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V) und u. a. auch, dass die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von freiwilligen Mitgliedern in Höhe des 90. Teils der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 SGB V) und gegebenenfalls die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von freiwillig versicherten Selbstständigen in Höhe des 40. Teils der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 ff.) auch für Rentenantragsteller gelten und die Satzung auch Beitragsklassen vorsehen kann (§ 240 Abs. 5 SGB V).

Die Beklagte hat von dieser Satzungsautonomie in rechtskonformer Weise Gebrauch gemacht. Nach § 19 Abs. 1 der Satzung gehören zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden könnten (Einnahmen zum Lebensunterhalt) ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung bis zum kalendertäglichen Betrage der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung; als beitragspflichtige Einnahmen gilt kalendertäglich mindestens der 90. Teil der monatlichen Bezugsgröße, soweit Abs. 2 Buchstabe c) und Buchstabe g) nichts anderes vorsehen (hier nicht einschlägig). Gemäß § 19 Abs. 3 der Satzung wird die Beitragsbemessung für Rentenantragsteller wie bei freiwilligen Mitgliedern durchgeführt.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf § 240 Abs. 4 Satz 5 berufen, denn danach ist neben der Rentenantragstellung Voraussetzung, dass ein Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung "erfüllt wird". Gerade diese Frage ist aber bei Rentenantragstellern und auch beim Kläger noch nicht geklärt. Es besteht ein Schwebezustand. In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat der Auffassung, dass allein die Rentenantragstellung den freiwillig Versicherten nicht von der Entrichtung von Mindestbeiträgen entbindet. Das Mitglied hätte es sonst in der Hand, allein durch Stellung eines möglicherweise völlig aussichtslosen Rentenantrags - bei Ausschöpfung aller Rechtsmittel über einen längeren Zeitraum - einen günstigeren Krankenversicherungsschutz zu erreichen. § 240 Abs. 4 Satz 5 ist eine Sonderregelung für Rentner, d. h. für Rentenbezieher, mit der die Mindesteinnahmenregelung, die zu Mindestbeiträgen freiwillig Versicherter sogar dann führt, wenn sie überhaupt keine Einnahmen haben, durchbrochen wird. Nach der Gesetzesbegründung sollten Kleinrentner im Hinblick auf die Folgen des GSG entlastet werden. Abgesehen davon, dass dieses gewollte Ziel zwischenzeitlich aufgrund der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überholt und gegenstandslos geworden ist, enthält die Gesetzesbegründung keinen Hinweis darauf, dass diese Sonderregelung auch für Rentenantragsteller gelten soll. Da bei Rentenantragstellern gerade noch nicht feststeht, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt sind, hätte es aber eines solchen Hinweises und auch einer entsprechenden Gesetzesformulierung bedurft.

Wie für das SG bestehen auch für den Senat insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Rechtsprechung, der der Senat folgt, die gesetzliche Beitragsbemessung nach Mindesteinnahmen in der freiwilligen Versicherung für Mitglieder, die nur unter dieser Grenze liegende oder überhaupt keine Einkünfte haben, ausnahmslos für verfassungsgemäß gehalten (vgl. BSGE 52, 32; BSGE 70, 13; BSG SozR 3 - 2500 3 240 Nr. 7; BSG SozR 3 - 1300 § 40 Nr. 2 Seite 21 f.; Urteil vom 06.11.1997 - 12 RK 61/96 -).

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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