L 10 V 5/96

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 10 V 143/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 V 5/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11. Januar 1996 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Versorgungsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) als Teilversorgung.

Der 1923 geborene Kläger ist rumänischer Staatsangehöriger und lebt in C in Rumänien.

Am 02.05.1991 beantragte er die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen der Folgen von Verletzungen am linken Fuß, Rücken und Kopf, die er sich im Dienste der Deutschen Wehrmacht im Januar 1945 bei Straßenkämpfen in Budapest zugezogen habe.

Der Kläger übersandte eine Bescheinigung des Ärztlichen Direktors des Klinischen M Krankenhauses in C vom 11.07.1991, in der zahlreiche Narben in der Rückgratgegend und am linken Fußgelenk sowie ein radiologisch nachgewiesener metallischer Körper im linken Fußgelenk beschrieben worden sind.

Ermittlungen des Beklagten beim Bundesarchiv - Zentralnachweis stelle - Aachen, bei der Deutschen Dienststelle Berlin und dem Krankenbuchlager Berlin blieben weitestgehend erfolglos.

Das Rumänische Justizministerium teilte im Juni 1992 dem Beklagten auf Anfrage über den Kläger mit: "Im Jahre 1942 wurde er zur Spezialisierung nach Deutschland geschickt und nach dem Abschluß in 1944 wurde er in die Deutsche Armee SS eingezogen und an die Front nach Budapest gegen die sowjetischen Kräfte geschickt." Von Oktober 1944 bis Dezember 1955 sei er in Gefangenschaft gewesen. Nach seiner Befreiung sei er den rumänischen Behörden übergeben und festgenommen worden. Im Juli 1951 sei er dann entlassen worden.

Nach Auswertung der vom Kläger übersandten Röntgenaufnahmen der linken unteren Extremität durch den Arzt für Radiologie Dr. T und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen versorgungsärztlichen Stellungnahme von Oberregierungsmedizinalrat S lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 17.03.1994 die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Zur Begründung führte er aus, es sei zwar glaubhaft gemacht, daß der Kläger als Soldat der Deutschen Wehr macht am 07.01.1945 in Budapest bei Straßenkämpfen am linken Fuß, Rücken und Kopf verletzt worden sei. Die als Schädigungsfolgen gemäß § 1 BVG anzuerkennenden Gesundheitsstörungen Narbenbildungen am Rücken und am linken Fuß, Splitter im linksseitigen Sprungbein, bedingten jedoch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 25 vom Hundert (v.H.).

Auf seinen hiergegen erhobenen Widerspruch wurde der Kläger im Juni 1994 von dem Arzt für Chirurgie Privatdozent Dr. F, Versorgungsamt L , begutachtet.

Gestützt auf dessen Gutachten vom 01.07.1994 und die dazu ergangene versorgungsärztliche Stellungnahme der Ärztin S wies der Beklagte den Widerspruch durch den als Einschreibesendung am 19.10.1994 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 10.10.1994 zurück. In dessen Gründen ist ausgeführt worden, bei der versorgungsärztlichen Untersuchung seien folgende Schädigungsfolgen festgestellt worden: Narbenbildungen am Rücken und am linken Fuß, Splitter im linksseitigen Sprungbein, drei Minisplitter im Bereich der vorderen Schädelkalotte. Die MdE hierfür betrage 10 v.H ... Die weiteren geklagten Beschwer den seien auf die alters- und schicksalsbedingt entstandenen degenerativen Veränderungen der Hüftgelenke und der Wirbelsäule zu rückzuführen.

Zur Begründung seiner am 14.11.1994 beim Sozialgericht (SG) Münster erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die röntgenologisch nachgewiesenen Veränderungen zwischen dem 2. und 3. Lendenwirbelkörper seien auf die während der russischen Gefangenschaft erlittenen Mißhandlungen, Stürze und Belastungen zurückzuführen. Er habe im Lager 7126/2 in Nikolaew schwere Zementsäcke auf dem Rücken tragen müssen. Im Frühjahr 1947 sei er von einem 3 m hohen Baugerüst gestürzt. Er habe deswegen drei Monate im Lagerkrankenhaus verbringen müssen.

Wegen seines Lebenslaufes habe er nicht studieren dürfen. Er habe deshalb ungelernte Arbeiten, nämlich Verwaltungsarbeit, verrichten müssen, die mit seinem eingeschränkten körperlichen Leistungsvermögen verträglich gewesen, jedoch im Vergleich zu körperlicher Arbeit erheblich schlechter entlohnt worden seien. So habe er zu nächst in einer Musikhochschule und danach bis Ende 1953 in einer Versicherung gearbeitet. Nachdem er sich in Abendkursen für die Buchhaltung qualifiziert gehabt hätte, sei er von 1954 bis 1958 als Buchhalter beschäftigt gewesen. Aus politischen Gründen sei er entlassen worden. Es sei erneut der Verdacht, Angehöriger der Waffen-SS gewesen zu sein, vom Staatssicherheitsdienst überprüft worden. Einer bevorstehenden Inhaftierung habe er sich durch Wohnungswechsel entzogen. In seinem neuen Wohnort habe er im August 1960 zunächst in einer Zuckerfabrik Arbeit gefunden, die er nach sechs Monaten wegen körperlicher Überforderung habe aufgeben müssen. Anschließend sei er als Dorfschreiber beschäftigt gewesen. Danach habe er bis 1985 in zwei Fabriken als Buchhalter bzw. Buchhalterrevisor gearbeitet.

Der Kläger hat beantragt,

unter Abänderung des Bescheides vom 17.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.10.1994 den Beklagten zu verurteilen, Teilversorgungsrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, ein Gutachten von Amts wegen einzuholen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides gestützt.

Das SG Münster hat mit Urteil vom 11.01.1996 die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Privatdozent Dr. F gestützt. Weitere Schädigungsfolgen, so heißt es in den Entscheidungsgründen, könnten nicht festgestellt werden. Die geltend gemachten Veränderungen an der Wirbelsäule und den Hüftgelenken könnten nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit auf schädigende Einflüsse der Gefangenschaft zurückgeführt werden. Der in der Klagebegründung erstmalig angegebene Sturz von einem Baugerüst sei hinsichtlich der Gesundheitsstörungen nicht präzise genug, um daraus eine konkrete Schädigung ableiten zu können. Zudem sei dieses Ereignis auch nicht bewiesen. Eines Beweises hätte es aber bedurft, weil der Kläger im gesamten Verwaltungsverfahren ein solches Ereignis mit keinem Wort erwähnt habe.

Gegen das ihm am 20.01.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.01.1996 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, die Feststellungen in dem Gutachten von Dr. F seien unvollständig. Er habe die körperlichen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule und des Hüftgelenkes, die auf die russische Kriegsgefangenschaft zurückzuführen seien, nicht berücksichtigt. Aus den von ihm, dem Kläger, dem SG überreichten Röntgenaufnahmen von Dr. H ergebe sich eine Fraktur des 3. Lendenwirbelkörpers mit Skoliose und schwerer sekundärer Spondylarthrose, deren Folgen eine MdE von 50 v.H. bedingten. Diese Gesundheitsstörungen seien auf den Sturz vom Baugerüst während der russischen Kriegsgefangenschaft zurückzuführen. Daß er, der Kläger, zunächst nur die Folgen der Schußverletzung geltend gemacht habe, dürfe ihm nicht entgegengehalten werden. Nur diese seien ihm als medizinischen Laien erkennbar gewesen. Im übrigen habe er nicht gewußt, daß eine Schädigung durch die Kriegsgefangenschaft der durch militärische Dienstverrichtung gleichgestellt werde. Die Zeugen für die Mißhandlungen und den Sturz während der Kriegsgefangenschaft seien inzwischen verstorben. Im übrigen habe er niemals der Waffen-SS angehört.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11. Januar 1996 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1994 zu verurteilen, ab 01. Mai 1991 Teilversorgung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. W einzuholen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. A vom 29.09.1996 und das chirurgische Gutachten von Dr. K vom 27.09.1996, beide Knappschafts-Krankenhaus D , eingeholt. Die Sachverständigen haben in ihren Gutachten aufgrund ambulanter Untersuchungen des Klägers im Juli 1996 im wesentlichen ausgeführt, daß weitere auf die bei den Straßenkämpfen in Budapest erlittenen Verletzungen zu rückzuführende Gesundheitsstörungen als die bereits anerkannten nicht vorlägen. Bei den degenerativen Wirbelsäulen- und Hüftgelenksveränderungen handele es sich um schädigungsunabhängige Leiden. Die Überprüfung der Hüftgelenksbeweglichkeit habe einen altersentsprechenden Befund ergeben. Die Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule belegten eine Kyphose der Brustwirbelsäule und für die Lendenwirbelsäule eine dazu gegengerichtete skoliotische Veränderung. Lediglich bei der Neigung zur linken Seite habe der Kläger deutliche Schmerzen geäußert. Die anerkannten Schädigungsfolgen bedingten eine MdE von 10 v.H ...

Auf den Einwand des Klägers, das Gutachten von Dr. K enthalte keinerlei Ausführungen zu dem von ihm, dem Kläger, behaupteten Bruch des 3. Lendenwirbelkörpers und dessen ursächlichen Zusammenhang mit dem Sturz in russischer Kriegsgefangenschaft, hat der genannte Sachverständige einen fachradiologischen Befundbericht mit einer gutachtlichen Stellungnahme von Dr. H , ebenfalls Knapp schafts-Krankenhaus D , übersandt. Darin ist eine ausgeprägte linkskonvexe Torsionsskoliose der Lendenwirbelsäule mit Wirbeldrehgleiten L 3 nach links beschrieben worden. Es bestehe eine laterale Höhenminderung rechtsseitig des 3. und 4. Lendenwirbelkörpers. Ob diese traumatisch oder im Rahmen der Fehlhaltung bedingt sei, lasse sich aufgrund des Röntgenbildes nicht entscheiden.

Zur Klärung dieser Frage hat der Senat von Prof. Dr. W , Orthopädische Universitäts-Klinik M , ein Aktengutachten ein geholt. Der Sachverständige Prof. Dr. W hat in seinem Gutachten vom 03.06.1997 ausgeführt, aus den beigefügten Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzen der Wahrscheinlichkeit ein Bruch im Bereich des 3. und/oder 4. Lendenwirbelkörpers feststellen. Die röntgenmorphologischen Veränderungen entsprächen mit hoher Wahrscheinlichkeit verschleißbedingten Veränderungen und könnten demzufolge auch nicht mit den nach Aktenlage zu berücksichtigenden gefangenschaftsbedingten Verhältnissen in ursächlichem Zusammenhang gebracht werden.

Auf den gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellten Antrag des Klägers hat der Senat von dem Facharzt für Orthopädie Dr. G St. A , das weitere Aktengutachten vom 20.01.1998 eingeholt. Der Sachverständige Dr. G hat ausgeführt, unstreitig bestehe eine Deformierung des 3. und - geringgradiger - auch des 4. Lendenwirbelkörpers. Die Deformierung des 3. Lendenwirbelkörpers sei gegenüber den anderen Lendenwirbelkörpern so evident, daß eine degenerative Ursache ausscheide. Auch die Struktur spreche gegen eine degenerative Ursache der Verformung. Es zeigten sich auch gegenüber den Nachbarwirbeln frakturtypische Abstützreaktionen. Der Sachverständige hat seinem Gutachten eine Kopie aus der Fachzeitschrift "Orthopädische Praxis", 10/92, S. 724 übersandt, auf der Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäulen verschiedener Patienten abgebildet sind. Dazu hat der gerichtliche Sachverständige Dr. G ausgeführt, aus der daraus gezeigten Abbildung 4 ergebe sich ein Röntgenbefund, der mit dem des Klägers identisch sei. Für den auf der Fotokopie wiedergegebenen Röntgenbefund sei als eindeutige Ursache eine Fraktur nachgewiesen. Im Falle des Klägers sprächen außerdem der geschilderte Unfallhergang sowie die Behandlungsdauer für eine Wirbelfraktur. Die durch den Wirbelsäulenschaden bedingte MdE schätze er, der Sachverständige, auf 30 v.H ...

Dazu hat der Sachverständige Prof. Dr. W in seiner ergänzenden Stellungnahme dargelegt, solche keilförmigen Deformierungen, wie sie beim Kläger am 3. Lendenwirbelkörper bestünden, fänden sich gelegentlich bei schweren Lumbalskoliosen, vor allem auch in höherem Alter. Daß diese keilförmigen Deformierungen eine Frakturfolge seien, lasse sich nach wie vor nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Die von Dr. G zitierte Literaturstelle sei bezogen auf den vorliegenden Fall nicht repräsentativ, da die in der dortigen Abbildung zur Darstellung gekommene röntgenologische Ablichtung deutlich weniger degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule zeige als beim Kläger. Es könne daher von einem identischen Rötngenbefund nicht ausgegangen werden. Eine keilförmige Deformierung sei bei einer degenerativen Lumbalskoliose natürlich bei begleitender Osteoporose, die bei dem Kläger auch vorliege, eher zu erwarten, als beim Fehlen dieser zusätzlichen Begleiterkrankung. Die Bemessung mit 30 v.H. sei unter Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", Ausgabe 1996, bei fehlenden Nervenwurzelreizzeichen als großzügig zu bezeichnen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Sach- und Streitstandes im einzelnen nimmt der Senat auf den Inhalt der den Beteiligten bekannten Gutachten der obengenannten Sachverständigen und der über den Kläger geführten Beschädigtenakten Bezug.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Münster ist zu lässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger durch den Bescheid vom 17.03.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.1994 nicht beschwert ist, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem BVG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bejahung eines Anspruchs auf Gewährung von Teilversorgung lassen sich unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers und des Ergebnisses der Ermittlungen nicht feststellen, § 64 Abs. 1 Satz 1, § 64 e Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 und 2, § 30 Abs. 1 und 2, § 31 Abs. 1 BVG.

Gemäß § 1 Abs. 1 BVG wird auf Antrag Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung gewährt, die u.a. durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung herbeigeführt worden ist. Einer Schädigung im Sinne des Abs. 1 stehen Schädigungen gleich, die durch eine Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden sind, § 1 Abs. 2 b BVG.

Der Versorgungsanspruch setzt voraus, daß durch schädigende Einwirkungen eine gesundheitliche (Primär-)Schädigung eingetreten ist und Gesundheitsstörungen vorliegen, die als deren Folgen zu bewerten sind. Militärischer bzw. militärähnlicher Dienst und Kriegsgefangenschaft, schädigende Einwirkungen, (Primär-)Schädigung und Schädigungsfolgen müssen mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender, Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1986 - Az.: 9 a RV 2/84 in SozR 3850, § 51 Nr. 9). Lediglich für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen (Primär-)Schädigung und Schädigungsfolgen genügt Wahrscheinlichkeit, § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG.

Weitere Voraussetzung für die Gewährung der Versorgungsrente ist, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Schädigungsfolgen um wenigstens 25 v.H. gemindert ist, § 31 BVG.

Das SG hat in seinen Entscheidungsgründen zutreffend ausgeführt, daß die anerkannten Schädigungsfolgen keine höhere MdE als 10 v.H. bedingen und sich weitere als die bereits anerkannten Schädigungsfolgen nicht feststellen lassen.

Die auf die bei den Straßenkämpfen in Budapest erlittenen Verletzungen wesentlich ursächlich zurückzuführenden Narbenbildungen am Rücken und am linken Fuß, der Splitter im linksseitigen Sprungbein und die drei Splitter im Bereich der vorderen Schädelkalotte schränken den Kläger nicht in einem höheren Ausmaß als um 10 v.H. in seiner Erwerbsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben ein.

Der Senat folgt insoweit den überzeugenden gutachtlichen Ausführungen der Sachverständigen Dr. A und Dr. K.

Die Narben am Rücken sind auf der Unterlage gut verschieblich. Wesentliche Sensibilitätsstörungen bestehen nicht. Auch die Narben in Höhe des linken oberen Sprunggelenks, über dem linken Fußrand und am Fußrücken sind reizlos; die beiden letztgenannten Narben sind kaum sichtbar. Der im Sprungbein nachgewiesene Splitter hat nicht mit Wahrscheinlichkeit zu weiteren, die Funktionsfähigkeit der linken unteren Extremität beeinträchtigenden, Folgen geführt. Die vom Kläger geklagte Großzehenheber- und Senkerschwäche und Großzehenlähmung sowie Fußheber- bzw. Senkerschwäche oder gar Lähmung ließen sich - wie sich aus den in den Gutachten von Dr. A und Dr. K geschilderten Beweglichkeitsüberprüfungen ergibt - nicht objektivieren. Zwar sprachen die Ergebnisse der elektromyographischen Untersuchung für eine ältere peripher-neurogene Schädigung im Bereich des Nervus peronaeus, wobei sich gutachtlich nicht klären ließ, ob es sich um eine Folge der Fußverletzung oder einer späteren Wurzelschädigung bei L 5 handelt. Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung - insbesondere nicht in dem Ausmaß, wie es der Kläger bei der Untersuchung dargestellt hat - wird im übrigen durch die festgestellten Reste der neurogenen Schädigung nicht bedingt. Dafür spricht auch, daß der Sachverständige Dr. K die Umfangmaße der unteren Extremitäten als nahezu seitengleich und die Fußsohlenbeschwielung als seitengleich beschrieben hat. Hinweise für destruierende Knochenveränderungen oder das altersübliche Maß überschreitende arthrotische Veränderungen sind nicht festgestellt worden.

Die bei der versorgungsärztlichen Untersuchung im Juni 1994 in der Kopfkalotte festgestellten Miniverschattungen von Stecknadelspitzengröße, die "einem Splitter entsprechen könnten", so Privatdozent Dr. F (Bl. 103 Beschädigtenakten) und als Schädigungsfolge anerkannt worden sind, haben zu keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung geführt. Die von dem Vorgutachter angefertigten Röntgenaufnahmen haben keinen Hinweis für Knochenveränderungen oder Umwandlungsprozesse ergeben. Auch bei der von dem Sachverständigen Dr. A durchgeführten elektroencephalographischen Untersuchung hat sich kein krankhafter Befund gefunden.

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme lassen sich weitere Schädigungsfolgen nicht feststellen.

Insbesondere hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, daß es sich bei den Gesundheitsstörungen an der Lendenwirbelsäule um Folgen der Kriegsgefangenschaft handelt. Denn schon das behauptete schädigende Ereignis - Sturz von einem Baugerüst -, das der Kläger in erster Linie für seine Beschwerden verantwortlich macht, ist nicht mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel aus schließender, Wahrscheinlichkeit erwiesen. Dieses Nachweises bedurfte es aber, denn allein die zum schädigenden Ereignis gemach ten Angaben des Klägers reichen zur Glaubhaftmachung nicht aus, § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung. Der Kläger hat nämlich erstmalig im Klageverfahren von dem Sturz berichtet. In seinen zahlreichen und ausführlichen an den Beklagten gerichteten Schriftsätzen im Verwaltungsverfahren ist ein Unfall in der Kriegsgefangenschaft nicht erwähnt worden.

Ehemalige Mitgefangene, die den Sturz bezeugen könnten, sind - wie der Kläger vorgetragen hat - inzwischen verstorben.

Auch läßt sich aus dem an der Wirbelsäule erhobenen Befund nicht zwingend auf einen während der Kriegsgefangenschaft erlittenen Sturz schließen. Daß der Kläger nämlich eine Fraktur des 3. Lendenwirbelkörpers erlitten hat, ist angesichts der unterschiedlichen gutachtlichen Auffassungen der gerichtlichen Sachverständigen nicht mit an Sicherheit grenzender, ernste vernünftige Zweifel ausschließender, Wahrscheinlichkeit erwiesen. Dem für einen Lendenwirbelkörperbruch sprechenden Hauptargument des Sachverständigen Dr. G , die Deformierung des 3. Lendenwirbelkörpers sei gegenüber denen der anderen Lendenwirbelkörper evident, stehen die von Prof.Dr. W vorgetragenen Argumente entgegen. Danach finden sich derartige keilförmige Deformierungen gelegentlich auch bei schweren Lumbalskoliosen, vor allem bei alten Menschen. Bei dem Kläger kommt noch hinzu, daß bei ihm eine Osteoporose besteht, so daß eine keilförmige Deformierung eines Wirbels eher zu erwarten ist als bei deren Fehlen. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W kann auch von einem identischen Röntgenbefund des Klägers mit dem in der vom Sachverständigen Dr. G überreichten Abbildung nicht ausgegangen wer den, weil die auf der Ablichtung dargestellten übrigen Bereiche der Wirbelsäule deutlich weniger degenerative Veränderungen zeigen als sie beim Kläger bestehen. Das bedeutet, die keilförmige Veränderung des Wirbelkörpers auf der Abbildung hebt sich noch deutlicher von der übrigen Wirbelsäulenbeschaffenheit ab als es beim Kläger der Fall ist, so daß eher an ein Trauma als an eine degenerative Entwicklung als Ursache zu denken ist.

Selbst wenn ein Bruch nachgewiesen wäre, ergäbe sich daraus nicht zwingend, daß der Kläger sich diesen bei dem behaupteten Unfall in der Kriegsgefangenschaft zugezogen hätte. Denn es sind weder der Sturz vom Baugerüst noch der behauptete dreimonatige Aufenthalt im Lagerkrankenhaus nachgewiesen.

Der Einholung eines weiteren Gutachtens -wie vom Kläger beantragt- bedurfte es deshalb nicht.

Es läßt sich auch nicht feststellen, daß die Wirbelsäulenveränderungen mit den vom Kläger angegebenen Belastungen - Tragen von schweren Zementsäcken - im Kriegsgefangenenlager 7126/2 in Nikolaew in ursächlichem Zusammenhang zu bringen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1993 - Az.: 9/9a RV 41/92 - in SozR 3-3200 § 81 Nr. 9) ist Versorgung bei einer nicht auf einem plötzlichen Ereignis beruhenden Krankheit u.a. nur dann zu gewähren, wenn diese nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit zu entschädigen wäre.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Ziffer 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Erkrankung ursächlich waren oder sein können) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vom 20.06.1968 (BGBl. I S. 3329) i.d. Fassung vom 18.12.1992 (BGBl.I S. 2343) sind im vorliegenden Fall schon deshalb nicht gegeben, weil der Belastungszeitraum für die Verursachung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu kurz war. Nach den bei der Beurteilung einer Berufs krankheit zu berücksichtigenden Ausführungen in dem "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung" (herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung) zu der Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist ein Belastungszeitraum von ungefähr zehn Jahren zu fordern. Der Kläger war nach seinen eigenen Angaben je doch lediglich von Juni 1946 bis Juli 1947 der behaupteten Belastung ausgesetzt.

Auch ein besonderes berufliches Betroffensein, das zu einer Höherbewertung der durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingten MdE von 10 v.H. führen könnte, ist im vorliegenden Fall zu verneinen.

Nach § 30 Abs. 2 BVG ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Be schädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers waren nicht die anerkannten Schädigungsfolgen wesentlich ursächlich dafür, daß er nicht studiert hat, daß er nicht - besser bezahlte - körperlich schwere Tätigkeiten verrichten konnte und aus Arbeitsverhältnissen entlassen worden ist, sondern seine politische Vergangenheit, nämlich der Umstand, daß er der Deutschen Wehrmacht angehört hatte.

Auch im Hinblick auf die Art der Schädigungsfolgen und das durch sie verursachte Ausmaß der Beeinträchtigung ist eine durch die Schädigungsfolgen verursachte berufliche Betroffenheit nicht wahrscheinlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein Anlaß, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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