S 19 RJ 141/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 RJ 141/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Übernahme des hälftigen Beitrages zur gesetzlichen Pflegeversicherung beanspruchen kann.

Die am 00.00.1943 geborene Klägerin war von 1957 an überwiegend als Arbeiterin bis zum 11.07.1995 versicherungspflichtig beschäftigt. Es folgten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit, seit dem 01.02.2001 bezieht sie von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und ab dem 01.01.2003 eine Hinterbliebenenrente. Sie ist seit dem 01.12.1995 in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Bis zum 31.03.2004 erhob die Beklagte auf die Rente der Klägerin den halben Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 0,85% und übernahm selbst die Zahlung der anderen Beitragshälfte.

Ab dem 01.04.2004 erhob die Beklagte entsprechend der gesetzlichen Neufassung des §59 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) und anderer Gesetze vom 27.12.2003 den vollen Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 1,7%, worüber sie unter dem 08.03.2004 einen Bescheid erteilte.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, die Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages führe zu einer faktischen Kürzung ihrer Rente und stelle eine Verletzung des Eigentumsschutzes und in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensgrundsatz dar. Die Tatsache, dass andere Versichertengruppen weiterhin lediglich den halben Pflegeversicherungsbeitrag zu leisten hätten, lasse zudem erhebliche Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz aufkommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und verwies auf den Inhalt der gesetzlichen Neuregelung des §59 Abs. 1 SGB XI. Als Sozialleistungsträger sei sie verpflichtet, die geltenden Gesetze zu beachten und auszuführen.

Am 06.09.2004 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur weiteren Begründung führt sie im Wesentlichen aus, hinsichtlich der Verpflichtung der Rentenversicherungsträger, Beiträge oder Zuschüsse für die Pflegeversicherung der Rentner zu leisten, bestehe eine geschützte Rechtsposition der Versicherten, die dem Schutzbereich des Art. 14 Grundgesetz (GG) zuzuordnen sei. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinem Urteil vom 16.07.1985 (BVerfGE 69,272,299ff) eine solche geschützte Rechtsposition für den Bereich der Krankenversicherung der Rentner bejaht, dieser Fall sei mit dem vorliegenden vergleichbar. Sie habe bis zum Beginn ihrer Rente durch regelmäßige Beiträge die gesetzliche Rentenversicherung finanziert und zur Bewältigung der Lasten der Pflegeversicherung beigetragen. In der Erwartung, sie werde im Alter von den Vorzügen der Pflegeversicherung profitieren und es werde insoweit eine Äquivalenz eigener Leistungen eintreten, habe sie diese Belastung während ihrer Erwerbsphase hingenommen. Die Neuregelung des §59 SGB XI stelle einen enteignenden Eingriff dar, denn durch die Anordnung der vollständigen, ersatz- und überganglosen Streichung der bisherigen Regelung, habe der Gesetzgeber entsprechendes Eigentum vernichtet und nicht nur in seinem Inhalt und mit seinen Schranken neu definiert. Dieser Eingriff sei auch nicht aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die von dem Gesetzgeber genannten Ziele der Stabilisierung der finanziellen Grundlage der Sozialversicherung und die Herstellung von Generationengerechtigkeit könnten ihr Eigentumsrecht nicht auf verhältnismäßige Art und Weise beschränken. Die Beitragsstabilisierung sei ein rein politisches Ziel und diene nicht der Allgemeinheit, sondern einseitig der Entlastung der Erwerbstätigen und Arbeitgeber. Aufgrund der von ihr erbrachten Vorleistungen habe sie ein Anrecht darauf, dass die Sozialversicherung – trotz der bestehenden finanziellen Probleme - für ihre Begünstigung in der Pflegeversicherung einstehe. Die Argumentation des Gesetzgebers, die heutige Rentnergeneration habe sich nicht sehr lange an den Aufwendungen beteiligt und mangels Finanzierbarkeit sei deren Belastung nunmehr ähnlich jener der Aktiven auszugestalten, die durch Verzicht auf einen Feiertag zur Finanzierung der Pflegeversicherung beigetragen hätten, überzeuge nicht. Bei Einführung der Pflegeversicherung habe der Gesetzgeber Rentenbezieher und auch die damals bereits Pflegebedürftigen in die Pflegeversicherung einbezogen, diese politische Entscheidung sei seit über einem Jahrzehnt wirksam. Die entsprechenden Regelungen für einen Belastungsausgleich hätte man bereits bei der Einrichtung des neuen Versicherungssystems treffen müssen. Von denen die im Jahre 1995 bereits verrentet waren, sei ein solcher Ausgleich jedenfalls mit größerer Berechtigung zu fordern gewesen, als von denen, die erst jetzt in Rente gingen und somit immerhin noch über mehr als zehn Erwerbsjahre Beiträge aufgebracht hätten. Die Neuregelung habe auf die Rentner begrenzt bleiben müssen, die nicht oder nur kurz Beiträge entrichtet hätten. Im übrigen habe auch sie während ihres Erwerbslebens auf einen Feiertag verzichten müssen. Auch der Hinweis des Gesetzgebers auf den Ausgleich durch eine rasche Weitergabe einer Beitragsentlastung in der gesetzlichen Krankenversicherung durch das GKG- Modernisierungsgesetz rechtfertige den Eingriff nicht. Hier sei von einer Prämisse ausgegangen worden, die bislang nicht eingetreten und die auch für die Zukunft nicht absehbar sei. Außerdem habe die jetzige Rentnergeneration einen höheren generativen Beitrag zur solidarischen Pflegeversicherung erbracht als die derzeit erwerbstätige Generation, deren Kinderzahl stetig sinke. In seinem Urteil vom 03.04.2001 (AZ. 1 BvR 1629/94) habe das BVerfG ausgeführt, neben dem Geldbetrag sei auch der generative Beitrag von Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung auf der Beitragsseite zu berücksichtigen. Die Neuregelung führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Versicherten, die weiterhin den hälftigen Beitrag zu leisten hätten und eine sachliche Rechtfertigung dieser Belastungsdifferenzierung bestehe nicht. Auch wenn die heutige Rentnergeneration nur gering zur Finanzierung der Pflegeversicherung beigetragen habe, so dürfe nicht übersehen werden, dass auch andere Personengruppen in den Genuss des Versicherungsschutzes kämen, die ebenfalls keine Beiträge geleistet hätten, wie z.B. Familienversicherte oder jüngere Pflegebedürftige, die nach kurzer Zahlung Leistungen erhielten. In den Einzelheiten der Argumentation bezieht sich die Klägerin auf eine rechtsgutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. I zur Verfassungsmäßigkeit der Belastung der Rentner mit dem vollen Pflegeversicherungsbeitrag durch die Gesetzesänderungen. Diesbezüglich wird auf Bl. 16 bis 45 der Gerichtsakte verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 08.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 aufzuheben und die ab dem 01.04.2004 von der Beklagten von der Rente der Klägerin einbehaltenen Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung zurückzuerstatten, soweit diese den halben Beitragssatz übersteigen sowie künftig nur noch Beiträge auf Basis des halben Beitragssatzes - gemäß den bis zum 31.03.2004 geltenden Regelungen - zu erheben und im Falle der Klageabweisung die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklage beantragt,

die Klage abzuweisen und für den Fall ihrer Verurteilung die Sprungrevision zuzulassen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Ausführungen der Klägerin zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Neuregelungen seien nicht überzeugend, ein Verstoß gegen Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG nicht erkennbar. Auch Art. 3 GG sei nicht verletzt, eine unterschiedliche Behandlung sei gerechtfertigt, denn die Arbeitnehmer hätten bei Einführung der Pflegeversicherung auf einen Feiertag zur Finanzierung der Pflegeversicherung verzichtet, dieses Sonderopfer werde ihnen zudem jährlich neu abverlangt. Zwischen Arbeitnehmern und Rentnern bestünden hinsichtlich der bisherigen Finanzierung der Pflegeversicherung nicht allein aus diesem Grund große Unterschiede, so dass es verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten sei, weiterhin die Beiträge zur Pflegeversicherung jeweils zur Hälfte vom Rentner und vom Rentenversicherungsträger tragen zu lassen. Sie verweist im übrigen auf ihren Widerspruchsbescheid vom 17.08.2004.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 nicht beschwert im Sinne des §54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme des halben Beitrages zur gesetzlichen Pflegeversicherung gegen die Beklagte und damit auch keinen Anspruch auf Erstattung der seit dem 01.04.2004 einbehaltenen hälftigen Beiträge.

Die Beklagte hat zu Recht ihre bisherigen Feststellungen über die Einbehaltung des Beitrages zur Pflegeversicherung mit Wirkung zum 01.04.2004 gemäß §48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aufgehoben und der Klägerin mit den angefochtenen Bescheiden den vollen Beitragssatz von zur Zeit 1,7 % abverlangt. Denn dies entspricht dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift des §59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI n. F. Danach sind die Beiträge aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung von dem Mitglied allein zu tragen. Die bis zum 31.03.2004 geltende Regelung des §59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. §249 a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), wonach die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Rentnerinnen und Rentner den halben Pflegeversicherungsbeitrag aus ihrer Rente aufzubringen hatten, während die andere Beitragshälfte von den Rentenversicherungsträgern übernommen wurde, ist ersatz- und übergangslos gestrichen worden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Neuregelung des §59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nicht gegen das Grundgesetz. Aus diesem Grund bedarf es einer Aussetzung des Verfahrens und der Einholung einer Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der streitigen Regelung nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht.

I. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor, denn schon der Schutzbereich dieses Grundrechts ist nicht eröffnet.

1.Wie das BVerfG für die rentenversicherungsrechtliche Position, aus der sich ergibt, dass die Rentenversicherungsträger ihren Versicherten Beiträge oder Zuschüsse für die Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner zu leisten haben, entschieden hat, setzt der Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen eine "vermögenswerte Rechtsposition voraus, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann kommt bei gesetzlichen Eingriffen in sozialversicherungsrechtliche Positionen zwar ein Schutz durch andere Grundrechte, nicht aber aus Art. 14 GG in Betracht. Ein darüber hinausgehender Schutz durch die Eigentumsgarantie würde ihrer Aufgabe im Gesamtgefüge der Verfassung nicht mehr gerecht" (BVerfGE 69,272,298ff). Entgegen der in der Klageschrift unter Bezugnahme auf das Gutachten des Prof. Dr. I geäußerten Auffassung sind diese Voraussetzungen für die rentenversicherungsrechtliche Position aus §59 Abs. 1 a. F. i. V. m. §249a SGB V nicht erfüllt. Es liegt zwar eine nicht unerhebliche Eigenleistung der Klägerin vor, denn sie hat nach der Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahre 1995 noch Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung entrichtet und damit nicht nur die Rentenansprüche, sondern auch den Versicherungsschutz für die Möglichkeit des Eintritts der Pflegebedürftigkeit mitfinanziert. Für die Klägerin ist der Leistungsfall in der Rentenversicherung erst zum 01.02.2001 eingetreten, seit diesem Zeitpunkt bezieht sie eine Rente wegen Erwerbsminderung. Zwar hat die Klägerin aktiv - also als Erwerbstätige – nur bis zum 11.07.1995 Beiträge entrichtet, doch wurden bis zum Rentenfall aus den von ihr erworbenen Ansprüchen auf Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld Beiträge entrichtet, welche als Äquivalent eigener Leistungen anzusehen sind. Allerdings ist zur Überzeugung der Kammer das Merkmal der "Existenzsicherung" hier nicht erfüllt. Nach der Entscheidung des BVerfG (aaO) ist objektiv festzustellen, ob eine öffentlich-rechtliche Leistung ihrer Zielsetzung nach der Existenzsicherung der Berechtigten zu dienen bestimmt ist. Außer Betracht bleibt danach, ob der Grundrechtsträger nach seinem Vermögensstand individuell mehr oder weniger auf den Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Leistung angewiesen ist. Es ist nicht das Bedürfnis des Einzelnen, sondern der Umstand entscheidend, dass eine Position der großen Mehrzahl der Staatsbürger zur existentiellen Sicherung dient. Der Fortfall dieser sozialversicherungsrechtlichen Position muss die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie wesentlich berühren. Mit Eintritt des Versicherungsfalles wird der Klägerin auch nach der gesetzlichen Neuregelung des §59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI weiterhin die Möglichkeit zu einem ihren Einkommensverhältnissen entsprechenden Pflegeversicherungsschutz gegeben. So wird sie nicht auf eine anderweitige Absicherung verwiesen, bspw. eine private Pflegeversicherung, deren Beiträge in fortgeschrittenem Lebensalter wesentlich höher wären. Außerdem ist die zusätzliche Belastung in Höhe von 0,85 % der Rentenleistung als relativ gering anzusehen. Zwar verringert sich der Zahlbetrag der Rente, jedoch nicht in dem Maße, wie dies bei einer vollen Beitragstragungslast der Rentnerinnen und Rentner im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung der Fall gewesen wäre. Im Jahre 2004 lag der durchschnittliche allgemeine Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen bei 14,3%. Die Rentnerinnen und Rentner wären hier um mehr als das 8-fache belastet worden. Damit wird auch die Funktion der Versichertenrente, das früher erzielte Einkommen zu ersetzen, nicht wesentlich beeinträchtigt. Schließlich hat eine Leistung nach der Rechtsprechung des BVerfG nur dann einen existenzsichernden Charakter, wenn sich "eine wesentliche, durch lange Zeiträume gewährte Leistung so verfestigt hat, dass die Versicherten sie zu ihrer existentiellen Versorgung rechnen können" (vgl. BVerfG aaO). In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass die gesetzliche Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner zum damaligen Zeitpunkt bereits seit über 40 Jahren bestand und das BVerfG daher im Ergebnis feststellte, dass sich die Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung nicht darin erschöpft, den Rentnerinnen und Rentner ein den jeweils erbrachten Beiträgen entsprechendes Lohnersatzeinkommen zur Verfügung zu stellen, sondern eben auch ein entsprechender Krankenversicherungsschutz gewährleistet sein muss. Die gesetzliche Pflegeversicherung hingegen besteht erst seit ca. 10 Jahren und war überdies im Hinblick auf die Finanzierbarkeit von Beginn an kontroversen Diskussionen ausgesetzt. Eine der Rechtsprechung des BVerfG entsprechende Verfestigung ist hier somit nicht anzunehmen. 2.Überdies wäre - selbst wenn man der Auffassung Klägerin folgen und eine Eröffnung des Schutzbereiches annehmen würde - ein Eingriff verhältnismäßig. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht dem Gesetzgeber die Befugnis, den Inhalt und die Schranken eigentumsrechtlich geschützter Positionen zu beschränken, zu kürzen oder umzugestalten, wenn dies durch Gründe des öffentlichen Interesses und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (BVerfG, Beschluss vom 28.04.1999, AZ.: 1 BvL 32/95, BVerfGE 100,1,37). Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Für den Bereich der Rentenversicherung hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass das Rentenversicherungsverhältnis nicht auf dem reinen Versicherungsprinzip beruht, sondern auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleiches. Grundsätzlich sind Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse anzupassen im Hinblick auf den sozialen Bezug des Rentenversicherungsrechts zulässig (vgl. BSG Urteil von 24.02.1999, AZ.: B5 RJ 28/98R, Urteil von 18.04.1999, AZ.: 4 RA 36/94 ). Die Beschränkungen müssen dem Wohle der Allgemeinheit dienen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Der Gesetzgeber hat mit dem 2.SGB VI ÄndG unvertretbar steigenden Beiträgen in der Rentenversicherung entgegenwirken wollen, da längere Rentenlaufzeiten von einem immer kleiner werdenden Anteil von Aktiven finanziert werden müssen. Mit langfristigen Maßnahmen sollten die Finanzierungsgrundlagen gesichert und damit die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung aufrechterhalten werden (vgl. BT-Drucks. 15/1830, S. 1 und 9). Das Mittel der Tragung der vollen Beitragslast zur Pflegeversicherung durch die Rentnerinnen und Rentner ist geeignet und erforderlich, um die Finanzierungsgrundlage zu sichern und damit die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Rentenversicherungssystems aufrechtzuerhalten. Nach Überzeugung der Kammer ist der von dem Gesetzgeber eingeschlagene Weg insbesondere der geringstmögliche Einriff, also das schonenste Mittel zur Zielerreichung. Dabei ist in diesem Zusammenhang insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist. Es ist ihm überlassen, wie er den geänderten Verhältnissen entgegentritt, ob durch Kürzungen auf der einen oder Einsparungen auf der anderen Seite. Eine Beitragsbelastung der Rentnerinnen und Rentner in Höhe von zusätzlich 0,85% ist gerade im Hinblick auf die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden anderweitigen Alternativen, wie z. B. kein Versicherungsschutz oder erhöhte Beiträge, als minimal anzusehen. Das Mittel ist auch angemessen, denn eine Abwägung der für die Klägerin mit der Neuregelung entstehenden Nachteile im Verhältnis zu dem verfolgten Zweck fällt zu ihren Ungunsten aus. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung hat sie nicht automatisch aufgrund ihrer bereits erbrachten Vorleistungen ein Anrecht darauf, dass die Sozialversicherung nunmehr für ihre Begünstigung in der Pflegeversicherung einsteht, sie also keinen Beitragsänderungen mehr unterliegt. Die Klägerin ist Mitglied einer Solidargemeinschaft und erwirbt als solches nicht nur Rechte, sondern trägt auch gemeinsam mit den anderen Versicherten ihre Risiken (BVerfGE 58,81,123). Dazu gehört auch, dass sich die Versicherung den geänderten Verhältnissen anpasst. Das Wesen einer Solidargemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass deren Mitglieder gemeinsam für das Ganze einstehen. Dabei haben alle die gleichen Rechte und Pflichten. Dass diese nicht immer gleichartig und gerecht ausgeprägt sein können, ist ein Naturgesetz einer jeden Art von Gemeinschaft. Daher war es bei Einführung der Pflegeversicherung auch richtig, keine Differenzierung zwischen denjenigen, die keine oder nur kurze Zeit Beiträge zur Pflegeversicherung entrichtet hatten, und denjenigen, die noch mehrere Jahre Beiträge entrichten würden, vorzunehmen, sondern alle in die Gemeinschaft einzubeziehen. Aus diesem Grunde kann auch die Argumentation der Klägerin, sie werde doppelt belastet, da sie bereits in ihrer Erwerbsphase auf einen Feiertag verzichtet habe und nun noch einmal belastet werde, nicht überzeugen. Andere Mitglieder der Solidargemeinschaft werden, sofern sie erst 1995 oder später in das Erwerbsleben eingetreten sind, wesentlich länger als die Klägerin mit Beiträgen zur Pflegeversicherung für die Solidargemeinschaft belastet. Sie haben entweder auf einen gesetzlichen Feiertag zur Finanzierung der Pflegeversicherung verzichtet oder tragen den vollen Beitrag (z.B. in Sachsen). Sie haben daher ein erhebliches Interesse daran, dass sie bei Eintritt des Versicherungsfalles noch in den Genuss der Pflegeversicherung gelangen. Die gesetzgeberischen Ziele der Generationengerechtigkeit und Stabilisierung der finanziellen Grundlage schützen und wahren daher die Interessen der übrigen Mitglieder der Solidargemeinschaft. Diese Interessen überwiegen das Einzelinteresse der Klägerin, gerade vor dem Hintergrund, dass die zusätzliche Beitragsbelastung von 0,85% im Hinblick auf die Rentengesamtleistung als relativ gering anzusehen ist. Das von dem Gesetzgeber genannte Ausgleichskriterium einer raschen Beitragsentlastung in der gesetzlichen Krankenversicherung durch das GKG- Modernisierungsgesetz (vgl. BT Drucks 15/1830 S. 9) ist zwar, wie die Klägerin zu Recht ausführt, noch nicht eingetreten und auch für die Zukunft nicht absehbar. Nach Auffassung der Kammer ist aber auch ohne diese Entlastungsmaßnahme das Ziel der Funktionsfähigkeit wesentlich höher zu bewerten. II. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Dieser setzt voraus, dass für die (un-)gleiche Behandlung von Sachverhalten und die Auswahl der Anknüpfungskriterien, bezogen auf die Eigenarten des in Rede stehenden Sachbereichs und unter besonderer Berücksichtigung von Sinn und Zweck der betreffenden Regelung, vernünftige, einleuchtende Gründe bestehen (BVerfGE 79, 224, 236). Bei der von der Klägerin zum Vergleich gestellten Lebenssachverhalte - der pflichtversicherten Rentnerinnen und Rentner auf der einen und der übrigen Versicherten auf der anderen Seite - handelt es sich schon nicht um vergleichbare Sachverhalte i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG, denn beide Gruppen sind von erheblichen Unterschieden geprägt. So stehen die übrigen Versicherten in der Regel voll im Erwerbsleben oder beziehen Erwerbsersatzeinkommen in der Form von Arbeitslosen-/Krankengeld, während die Rentnerinnen und Rentner ihre Erwerbsphase bereits abgeschlossen haben. Damit einhergehend werden die Einkommen dieser beiden Versichertengruppen sozialversicherungsrechtlich unterschiedlich verbeitragt. Während auf Erwerbseinkommen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung zu entrichten sind, entfallen diese bei einer Rente. Ein Vergleichspaar könnte nur innerhalb einer von der Klägerin benannten Gruppen gebildet werden. Bei der Gruppe der Rentnerinnen und Rentnern ist dies nicht möglich, denn die Verpflichtung zur vollen Beitragstragung trifft alle gleich und nicht nur eine Gruppe von Rentnern. Mangels Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte kann daher dahin stehen, ob - wie von der Klägerin vorgetragen - sachliche Rechtfertigungsgründe fehlen.

III. Die Regelung des §59 Abs. 1 SGB XI n.F. verstößt schließlich nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Neuregelung des §59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI bewirkte im Zeitpunkt ihres Erlasses eine volle Beitragstragung der Rentnerinnen und Rentner zur gesetzlichen Pflegeversicherung mit Wirkung für die Zukunft. Sie greift also in einen noch nicht abgewickelten Sachverhalt mit Wirkung für die Zukunft ein und stellt daher einen Fall der unechten Rückwirkung dar (vgl. BVerfGE 103, 392, 403). Eine solche Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig und genügt dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (BVerfGE aaO). Eine Abwägung fällt hier zugunsten der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Regelung aus. Wie bereits im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 14 GG dargestellt, sind die gesetzgeberischen Ziele im Hinblick auf den Schutz der Solidargemeinschaft höher als das Einzelinteresse der Klägerin einzustufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.

Das Gericht hat die Sprungrevision gemäß §161 Abs. 1 und 2 SGG zugelassen, denn die Sache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von §161 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage liegt noch nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved