L 4 RA 68/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 5435/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RA 68/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. September 1965 bis zum 31. Oktober 1968 und vom 1. Februar 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG zu bewerten sind.

Der am. 1942 geborene Kläger erwarb am 24. Juli 1965 an der Ingenieurschule für Maschinenbau W. die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur (Ausbildungsgang: Technologie des Maschinenbaus) zu führen. Vom 1. September 1965 bis zum 30. Juni 1990 war er als Ingenieur beschäftigt, nämlich erstens – hier streitig – vom 1. September 1965 bis zum 31. Oktober 1968 als Export-Sachbear-beiter beim "Deutschen Innen- und Außenhandel, Maschinen-Export", zweitens – hier unstreitig – vom 1. November 1968 bis zum 31. Januar 1976 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bauakademie der DDR und drittens – hier wiederum streitig – vom 1. Februar 1976 bis zum 30. Juni 1990 als "Fachgebietsleiter Produktion" beim Staatlichen Kunsthandel der DDR. Am 26. März 1990 schloss der Kläger allerdings mit dem Staatlichen Kunsthandel der DDR einen Änderungsvertrag, wonach er mit Wirkung vom 1. März 1990 als "amt. Werkstattleiter M." eingesetzt war. Am 20. Juli 1990 schloss der Kläger schließlich einen Änderungsvertrag mit der neu gegründeten A.-UNION-GmbH B., in die der Staatliche Kunsthandel der DDR überführt worden war, wonach er ab dem 1. Juli 1990 als Leiter der Werkstatt für Keramik M. tätig sein sollte.

Am 8. Dezember 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Mit Feststellungsbescheid vom 29. August 2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 1. September 1965 bis zum 31. Oktober 1968 und vom 1. Februar 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG ab, weil die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Beschäftigung sei insoweit nicht im Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems - volkseigener Produktionsbetrieb – erfolgt. Dagegen wurde die Beschäftigungszeit vom 1. November 1968 bis zum 31. Januar 1976 als nachgewiesene Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem (technische Intelligenz) anerkannt. In seinem hiergegen eingelegten Widerspruch vertrat der Kläger die Auffassung, auch im Hinblick auf die nicht anerkannten Zeiträume zum Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zu gehören. Seit dem 1. Februar 1976 sei er als Fachgebietsleiter in der Produktionsdirektion des Staatlichen Kunsthandels tätig und in dieser Eigenschaft für die Produktion in den ihm unterstellten Werkstätten verantwortlich gewesen. Mit Bescheid vom 20. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für den Kläger habe bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 in Bezug auf die beiden fraglichen Zeiträume keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes bestanden. Er sei weder in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen noch habe er einen Anspruch auf eine Versorgungszusage gehabt, denn beide Beschäftigungsstellen hätten nicht zum Geltungsbereich der Versorgungsordnung vom 17. August 1950 gehört.

Mit der am 20. August 2002 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung hat er Bezug genommen auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Mit Urteil vom 11. November 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Der Arbeitgeber des Klägers am Stichtag 30. Juni 1990 habe nicht zu dem Kreis von Betrieben gehört, die in die Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen gewesen seien. Entscheidend sei, ob die industrielle Produktion dem Arbeitgeber des Klägers insgesamt das Gepräge gegeben habe, ob diese also als überwiegend und vorherrschend anzusehen gewesen sei. Der Staatliche Kunsthandel der DDR sei jedoch kein Produktionsbetrieb gewesen, denn die industrielle Produktion von Sachgütern sei hierfür nicht prägend gewesen. Ebenso wenig komme eine Gleichstellung mit einem volkseigenen Produktionsbetrieb in Betracht, wofür der Wortlaut der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Altersversorgung der technischen Intelligenz maßgeblich sei.

Gegen das ihm am 27. November 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Dezember 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Der Staatliche Kunsthandel der DDR sei einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichzustellen. Die dort durchgeführte Produktion sei als industrielle Produktion einzuordnen, die dem Staatlichen Kunsthandel seine Prägung gegeben habe. Dies werde durch den "Beschäftigtengruppenkatalog für den staatlich geleiteten Kulturbereich der DDR" und seine konkrete Tätigkeit als Leiter der Keramikwerkstatt M. bestätigt. Welchem Ministerium der staatliche Kunsthandel unterstellt war, sei unerheblich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiträume vom 1. September 1965 bis zum 31. Oktober 1968 und vom 1. Februar 1976 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der techni- schen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil für zutreffend. Der Anspruch des Klägers scheitere daran, dass er weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb oder einer gleichgestellten Einrichtung gearbeitet habe. Der Staatliche Kunsthandel der DDR sei kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne der genannten Vorschriften gewesen. Es fehle am Merkmal der Produktion im Bereich der Industrie oder des Bauwesens.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen, denn der Kläger hat im Hinblick auf die beiden fraglichen Zeiträume keinen Anspruch auf Feststellung seiner Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.

Der Bescheid der Beklagten vom 29. August 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2002 ist rechtmäßig.

Nach § 8 Abs. 2, 3 Satz 1 und 4 Nr. 1 AAÜG ist die Beklagte als Versorgungsträger grundsätzlich für die Feststellung versorgungsspezifischer Daten zuständig. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, denn er wird von dem Anwendungsbereich des AAÜG, wie er sich aus § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes ergibt, nicht erfasst, was bereits das Sozialgericht mit zutreffenden Gründen unter Bezugnahme auf die einschlägige und auch den Senat überzeugende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeführt hat. Auf die Begründung des ausführlichen erstinstanzlichen Urteils wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, hat der Kläger am 30. Juni 1990 nicht die Voraussetzungen für eine Versorgungsanwartschaft in der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) erfüllt. Für diese Beurteilung kommt es nicht allein darauf an, ob er zu diesem Zeitpunkt ingenieurspezifische Tätigkeiten ausgeübt hat, was zu seinen Gunsten unterstellt werden kann. Vielmehr sah § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (VO/AVItech, GBl. DDR S. 844) i.V.m. § 1 Abs. 1 der zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR S. 487) vor, dass der Anspruch von drei persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen abhing: Das System war eingerichtet für Personen, die (a) berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und (b) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar

(c) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (und nicht im Bereich Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft und anderen Sektoren; vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 41/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6).

Die letzte Voraussetzung (c) erfüllt der Kläger nicht. Der Staatliche Kunsthandel der DDR war kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung, was das Sozialgericht eingehend und überzeugend dargelegt hat. Auch nach dem Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 waren volkseigene Produktionsbetriebe nur solche in den beiden Wirtschaftsbranchen Industrie und Bauwesen (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, a.a.O. sowie Beschluss des erkennenden Senats vom 15. Dezember 2003, L 5 RA 30/03). Dass der Kläger zuletzt bei keinem volkseigenen Betrieb des Bauwesens beschäftigt war, ist offensichtlich und wird auch nicht behauptet. Er war aber auch nicht in einem VEB der Indus-trie tätig. Diese mussten nämlich organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet und vorrangig auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein; dem betrieblichen Anwendungsbereich der AVItech unterlagen als Produktionsbetriebe somit nur solche VEB, die vorwiegend industrielle Fertigung von Sachgütern betrieben (vgl. BSG, a.a.O.). Auch wenn, wie der Kläger vorträgt, im Bereich des Staatlichen Kunsthandels der DDR Kunstgegenstände gefertigt wurden, so spricht alles gegen eine vorwiegend industrielle Form der Herstellung; die Fertigung von Handelsgut gab dem Staatlichen Kunsthandel jedenfalls nicht das Gepräge, was in der Natur eines Handel treibenden Betriebs (im Gegensatz zu einem Fertigungsbetrieb) liegt.

Der Staatliche Kunsthandel der DDR war den volkseigenen Produktionsbetrieben entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht im Sinne von § 1 Abs. 2 der zweiten Durchführungsbestimmung gleichgestellt. Für eine erweiternde Auslegung lassen Wortlaut und Systematik der Regelung keinen Spielraum; der Staatliche Kunsthandel der DDR ist schlechthin nicht subsumierbar unter die nach § 1 Abs. 2 der zweiten Durchführungsbestimmung gleichgestellten Einrichtungen. Auch insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten "Beschäftigtengruppenkatalog für den staatlich geleiteten Kulturbereich der DDR" ergibt sich nichts anderes. Vor allem lässt sich daraus nicht ableiten, dass der Staatliche Kunsthandel der DDR überwiegend von industrieller Produktion geprägt war. Der Hauptzweck des "Beschäftigungsgruppenkataloges" dürfte eher darin bestanden haben, die besonderen Bedingungen des Kulturbereichs in terminologische Übereinstimmung zu bringen mit dem Bereich industrieller Produktion, um Widersprüche zu beseitigen. Soweit der Kläger schließlich ab dem 1. März 1990 tatsächlich im Bereich der Produktion tätig war, indem er die Werkstatt für Keramik in M. leitete, ist dies unerheblich. Denn nach wie vor kommt es entscheidend darauf an, ob der Staatliche Kunsthandel der DDR überwiegend von der Produktion geprägt war, was aus den gegebenen Gründen zu verneinen ist.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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