L 2 B 36/05 U

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 U 191/03
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 B 36/05 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der stationäre Aufenthalt eines Versicherten anlässlich einer Begutachtung in einem Krankenhaus ist ab dem 1.1.2004 nach dem sog. Fallpauschalensystem zu entschädigen, soweit kein Vergütungsvertrag mit dem Krankenhausträger abgeschlossen wurde.

2. Die Entschädigung nach dem Fallpauschalensystem erfasst alle allgemeinen Krankenhausleistungen, so dass Sachleistungen nicht gesondert abgerechnet werden können.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 20.1.2005 -S 2 U 191/03- wird die Entschädigung der Antragstellerin für die stationäre Unterbringung des Klägers A P am 02.06.2004 im Rahmen der Begutachtung durch Prof Dr W auf

794,42 Euro
(in Worten: siebenhundertvierundneunzig Euro, zweiundvierzig Cent)

festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Entschädigung der Antragstellerin anlässlich eines stationären Aufenthalts des Klägers A P am 02.06.2004 in den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B im Rahmen einer Begutachtung durch Prof Dr W , u.a. zur Durchführung von Provokationstests.

Hierfür rechnete die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.07.2004 wie folgt ab:

04Z64Z 1.523,72 Euro
IS-H Ab. Kurzlieger./. 731,11 Euro
DRG Systemzuschlag 0,27 Euro
Systemzuschlag nach §§ 91, 139 a SGB V 0,32 Euro
QS-Zuschlag 2004 1,22 Euro.
794,42 Euro

Außerdem wurden mit Schreiben vom 02.08.2004 Sachleistungen (EKG etc.) in Höhe von 527,09 Euro abgerechnet. Diese Kosten wurden in Höhe von 270,89 Euro erstattet.

Zuletzt wurden mit Schreiben vom 17.02.2005 Laborleistungen (Blutbild etc.) in Höhe von 52,99 Euro berechnet. Diese Kosten wurden in voller Höhe an die Antragstellerin überwiesen.

Durch Beschluss vom 20.01.2005 setzte das Sozialgericht die Entschädigung der Antragstellerin anlässlich der stationären Unterbringung des Klägers A P aufgrund einer Begutachtung auf 409,97 Euro fest. Das Sozialgericht legte bei der Berechnung der Entschädigung den von der Antragstellerin mitgeteilten Basisfallwert in Höhe von 3.416,42 Euro zu Grunde. Außerdem wurde auf Grund einer Berechnung des Antragsgegners ein Relativgewicht für stationäre Begutachtungen ermittelt. Hierfür wurde die Bewertungsrelation (bei Hautabteilung) der konkreten Fallpauschale durch die mittlere Verweildauer dividiert (im konkreten Fall: 0,446 durch 3,8). Aus dieser Berechnung ergab sich eine Entschädigung in Höhe von 409,97 Euro anlässlich einer eintägigen stationären Begutachtung.

Gegen diesen am 28.01.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 15.02.2005 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Berechnung der Entschädigung sei nach dem DRG-Fallpauschalenkatalog vorzunehmen. Eine andere Abrechnungsmöglichkeit sei nicht vorgesehen. Die Empfehlung des Antragsgegners entbehre einer gesetzlichen Grundlage.

Mit Schreiben vom 09.05.2005 ist die Antragstellerin aufgefordert worden dazu Stellung zu nehmen, ob neben der Fallpauschale Sachleistungen abgerechnet werden können. Trotz mehrfacher schriftlicher als auch telefonischer Erinnerung hat die Antragstellerin das Schreiben des Gerichts nicht beantwortet.

II.

Die nach § 16 Abs 2 S 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG in der Fassung vom 27.4.2001, BGBl Teil I, Seite 751) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet. Die Entschädigung für die Aufwendungen der Antragstellerin anlässlich der stationären Begutachtung des Klägers A P am 02.06.2005 im Rahmen der Begutachtung durch Prof Dr W ist auf 470,54 Euro festzusetzen.

Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung des Sachverständigen bzw. der davon abgeleiteten Entschädigung des Krankenhausträgers ist nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen zu beurteilen, da der Gutachtensauftrag vor dem 01.07.2004, nämlich am 20.04.2004, erteilt wurde (§ 24, 25 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten [Vergütungs- und Entschädigungsgesetz - JVEG], verkündet als Artikel 2 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004, BGBl Teil I, Seite 718, 776).

Grundlage für die Entschädigung der Antragstellerin bildet demnach das ZSEG. Nach § 8 Abs 1 Nr 1 ZSEG werden dem Sachverständigen die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens aufgewendeten Kosten einschließlich der notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte etc. erstattet.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind dem Sachverständigen danach grundsätzlich die Kosten zu ersetzen, die ihm das Krankenhaus wegen der Aufnahme eines Gutachtenpatienten in Rechnung stellt. In der Regel rechnet dabei der Krankenhausträger nach Abschluss des Krankenhausaufenthaltes anlässlich der stationären Begutachtung direkt mit der Staatskasse ab (vgl. hierzu LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Juni 1976 - L 3 U 127/74 -).

In der Vergangenheit wurden die Krankenhauskosten bei gerichtlich angeordneten Krankenhausaufenthalten pro Aufenthaltstag nach dem jeweils geltenden Pflegesatz (=Basispflege- und Abteilungspflegesatz) abgerechnet (LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Januar 1978 - L 16 S 36/77 -; a.A. Bayerisches LSG, Beschluss vom 06. November 1990 - L 14 Ar 37/87 Ko -; vgl. auch Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum JVEG, 23. Auflage, § 12 Rz. 12.8).

Die gebildeten Pflegesätze beruhten ursprünglich auf Verhandlungen zwischen den Sozialleistungsträgern (vgl. § 18 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) in der Fassung vom 10. April 1991,BGBl. Teil I, Seite 886). Diese Regelungsweise wurde durch die Bundespflegesatzverordnung (BPflV) ersetzt und sollte eine für alle Benutzer des Krankenhauses gleiche Vergütung der teil- und vollstationären Leistung darstellen und die wirtschaftliche Betriebsführung eines Krankenhauses ermöglichen (§ 17 Abs 1, 2 KHG). Auf Grund dessen sah auch die Rechtsprechung diese Werte als leistungsgerecht (billig) an und legte sie ihrer Abrechnung zu Grunde (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).

Diese bisherige Abrechnungsmöglichkeit entfällt, da aufgrund von § 3 Abs 1, 3 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz, KHEntgG, vom 23.April 2002, BGBl. Teil I, Seite 1412, 1422) und § 17 b Abs 6 KHG ab dem 01. Januar 2004 grundsätzlich alle Krankenhäuser verpflichtet sind, nach dem sog. Fallpauschalensystem abzurechnen.

Auch dieses System beruht - zumindest in Teilen - auf Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen (Sozialleistungsträgern) und den Krankenhäusern. Einer Vereinbarung unterliegt insbesondere der sog. Basisfallwert, den die Krankenhäuser als krankenhausindividuellen Basisfaktor ihrer Berechnung zu Grunde zu legen haben (vgl. § 3 Abs. 4 KHEntgG). Die Einzelheiten des Abrechnungssystems, z B die Fallpauschalen selbst, ergeben sich wie zuvor die Pflegesätze aus der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (Fallpauschalenverordnung 2004 KFPV 2004 vom 13. Oktober 2003, BGBl. Teil I Seite 1995).

Das Fallpauschalensystem erfasst alle allgemeinen Krankenhausleistungen mit Ausnahmen von Leistungen psychiatrischer Krankenhäuser und Fachabteilungen und damit grundsätzlich auch stationäre Aufenthalte im Rahmen gerichtlich angeordneter Begutachtungen.

Krankenhausaufenthalte zu rein diagnostischen Zwecken sind im deutschen DRG-System abgebildet und können daher zur Vergütung ohne weiteres herangezogen werden. Zur Entschädigung stationärer Begutachtungen nach dem DRG-System ist bei der Aufnahme von Gutachtenpatienten diesen ein ICD-10 (Diagnosecode) zuzuweisen. Dieser entspricht nach den vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEKgGmbH) erstellten Bestimmungen der Deutschen Kodierrichtlinien der Diagnose "Untersuchung und Begutachtung aus sonstigen Gründen (hier: Anforderung eines Expertengutachtens = ICD-10-Code Z04.8). Der Fallpauschalenkatalog sieht zwar keine eigene allgemeine Pauschale für den stationären Krankenhausaufenthalt als Folge stationärer Begutachtungen vor (vgl. Anlage zu 1 § 1 Abs 1 Satz 1 iVm § 9 Abs 1 Satz 1 KFPV 2004). Auch für die im vorliegenden Fall durchgeführte Therapie (Provokationstest) ist im Fallpauschalenkatalog keine entsprechende Verschlüsselung vorgesehen, so dass die Ergebnisfindung im Sinne der DRG-Fallpauschale ausschließlich auf Basis der vorgenannten Diagnose mit dem og. Code zu erfolgen hat. Mittels des durch die Bundesregierung zertifizierten "Groupers" ergibt sich die DRG Z64Z (= andere Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen). Im System sind darüber hinaus bei kurzen Verweildauern Kurzliegerabschläge vorgesehen. Auf diese Weise kann eine sachgemäße und gesetzeskonforme Möglichkeit der Abrechnung von stationären Gutachtensleistungen erfolgen. An diese Vorgaben hat sich die Antragstellerin in ihrer Endabrechnung vom 12.07.2004 gehalten.

Die von dem Antragsgegner vorgeschlagene Regelung beruht demgegenüber auf keiner gesetzlichen Grundlage. § 8 Abs 1 ZSEG lässt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut ("werden ersetzt") für die von dem Antragsgegner vorgesehene Berechnung kein Raum. Soweit daher der Antragsgegner auf den durch das Krankenhauses ermittelten Basisfallwert zurückgreift und für die weitere Berechnung ein sog. Relativgewicht zur Bewertung der Gutachtensleistung bildet, steht dies mit den gesetzlichen Vorgaben nicht in Einklang.

Gleiches gilt für die von der 1. Kammer des Sozialgericht (SG) Dresden (S 1 SB 30/02 und S 1 SB 70/02) der Entschädigung für eine stationäre Begutachtung zu Grunde gelegte "Empfehlung des ständigen Ausschusses BG-NT". Diese Empfehlung sieht eine Möglichkeit für die Vergütung für stationäre Begutachtungen Arbeitsunfallverletzter/Berufserkrankter vor und beruht auf einem zwischen den Berufsgenossenschaften und der Deutschen Krankenhausgesellschaft erarbeiteten Entwurf über eine Vergütungsempfehlung für die stationäre Begutachtung. Danach berechnet das Krankenhaus je Abrechnungstag einen Betrag in Höhe von 110,00 Euro. Die genannte Empfehlung ist nicht rechtsverbindlich und kann daher auf eine stationäre Begutachtung im Rahmen von Gerichtsverfahren nicht übertragen werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Aufwand für eine gerichtlich angeordnete Begutachtung erfahrungsgemäß wesentlich umfangreicher ist als im Rahmen von Gutachten, die im Verwaltungsverfahren eingeholt werden.

Entgegen der Auffassung des SG Dresden kann aufgrund der vorstehenden Ausführungen auch nicht auf die Regelung des § 612 Abs 2 BGB zurückgegriffen werden, weil die Höhe der Leistung nach dem DRG-System klar bestimmt ist.

Allerdings wird der Antragsgegner bei der Auszahlung zu berücksichtigen haben, dass Sachleistungen nicht gesondert abgerechnet werden können (vgl. dazu BSG vom 24. September 2003 - B 8 KN 2/02 KR R -). Mit der Fallpauschale werden nämlich die gesamten Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet (§ 17 Abs 2a Satz 10 KHG).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass von der festgesetzten Entschädigung in Höhe von 794,42 Euro die mit Rechnung vom 02.08.2004 und 17.02.2005 berechneten Leistungen (Sach- und Laborleistungen) in Höhe von insgesamt 323,88 Euro (270,89 Euro plus 52,99 Euro) aufgrund der bestehenden Aufrechnungslage abzuziehen sind mit der Folge, dass nur noch 470,54 Euro an die Antragstellerin auszuzahlen sind.

Das Verfahren über die Beschwerde ist nach § 16 Abs 5 S 1 ZSEG gebührenfrei.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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