L 30 AL 112/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AL 180/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 112/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. April 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anspruchsdauer von Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994.

Der am. 1944 geborene, seit Dezember 1996 (wieder-)verheiratete Kläger ist von Beruf Architekt und war vom 01. Mai 1976 bis zum 30. April 1990 bei dem Klinikum der R-W T Hochschule (RWTH) in A beschäftigt. In der Zeit vom 01. Mai 1990 bis zum 31. März 1991 war er u. a. als Geschäftsführer bei einem Unternehmen in F (T C). Anschließend war er arbeitslos und bezog vom 16. April 1991 bis zum 31. März 1992 Leistungen aus der französischen Arbeitslosenversicherung. Vom 01. April 1992 bis zum 30. September 1994 war er als Architekt bei dem Architektenbüro H in M beschäftigt.

Der Kläger meldete sich am 26. August 1994 bei dem Arbeitsamt A arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994. In die Lohnsteuerkarte des Klägers war ab 01. Juli 1994 die Steuerklasse I mit 1,5 Kinderfreibeträgen eingetragen. In dem Antragsformular erklärte er u. a., ausländische Sozialleistungen nicht zu beziehen. Das Arbeitsamt A bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 26. Oktober 1994 Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994 für 364 Wochentage (Bemessungsentgelt 1.650 DM wöchentlich; Leistungsgruppe A; erhöhter Leistungssatz; AFG-LeistungsVO 1994). Nach den Zahlungsnachweisen Nr. 1 vom 02. Januar 1995 und Nr. 1 vom 02. Februar 1995 bezog der Kläger in dem Zeitraum vom 01. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember 1995 Arbeitslosengeld in Höhe von 601,80 DM wöchentlich und vom 02. bis 07. Januar 1995 in Höhe von 577,80 DM wöchentlich. Am 07. Januar 1995 bestand ein Restanspruch von 279 Wochentagen.

Vom 09. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 war der Kläger als Abteilungsleiter Planung der L Bauingenieur GmbH und Co. Hochbau KG in B beschäftigt. Am 20. Mai 1996 meldete er sich bei dem Arbeitsamt A arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab 01. Juli 1996. In die Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 1996 war zu Beginn des Jahres die Steuerklasse I ohne Kinderfreibetrag eingetragen.

Mit Alg-Bewilligungsverfügungen vom 29. Mai 1996, 10. und 13. Juni 1996 (Änderungsbescheid vom 12. Juni 1996) bewilligte das Arbeitsamt A dem Kläger Arbeitslosengeld für 487 Wochentage ab 01. Juli 1996 (Bemessungsentgelt 1.590 DM wöchentlich; Leistungsgruppe A; Leistungssatz 67 v. H.; AFG-LeistungsVO 1996; Zahlungsnachweis Nr. 3 vom 07. Februar 1997).

Mit Veränderungsmitteilung vom 23. Juni 1997 zeigte der Kläger dem Arbeitsamt A seinen Wohnsitzwechsel zum 01. Juli 1997 nach G/B an; bereits am 27. Juni 1997 meldete er sich beim Arbeitsamt P arbeitslos.

Der Kläger bezog Arbeitslosengeld vom 01. Juli 1996 bis zum 15. November 1997; an diesem Tage betrug der Restleistungsanspruch 55 Wochentage (Zahlungsnachweis Nr. 3 vom 17. November 1997).

In der Zeit vom 17. November 1997 bis zum 10. Juli 1998 befand der Kläger sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, für die er Unterhaltsgeld bezog. In der Zeit vom 11. Juli 1998 bis zum 04. August 1998 bezog der Kläger antragsgemäß Anschlussunterhaltsgeld und vom 05. August 1998 bis zum 08. Oktober 1998 Arbeitslosengeld. Mit Ablauf des 08. Oktober 1998 war sein Anspruch auf Arbeitslosengeld erschöpft. Ab 09. Oktober 1998 bezog der Kläger (Anschluss-) Arbeitslosenhilfe.

Bereits mit Schreiben vom 27. März 1998 (Eingang bei dem Arbeitsamt P - Dienststelle Z - lt. Eingangsstempel am 31. März 1997 - richtig wohl: 31. März 1998) beantragte der Kläger die Überprüfung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes. Mit Schreiben vom 14. April 1998 teilte das Arbeitsamt P dem Kläger mit, seine Restanspruchsdauer auf Arbeitslosengeld betrage 55 Tage.

Am 29. Juli 1998 und 06. August 1998 beantragte er (erneut) die Überprüfung der Anspruchsdauer seines Arbeitslosengeldes ab 1994. Durch Bescheid - ohne Datum - (lt. Kläger: 17. August 1998) teilte das Arbeitsamt P dem Kläger mit, die bewilligte Anspruchsdauer sei korrekt. Aufgrund einer Beschäftigungszeit vom 01. April 1992 bis zum 30. September 1994 bei dem Architekturbüro H sei ein Grundanspruch von 364 Werktagen ab 01. Oktober 1994 durch das Arbeitsamt A bewilligt worden. Der Kläger habe keine weiteren Beschäftigungszeiten nachgewiesen, weshalb die Bewilligung nicht zu beanstanden sei (913 Kalendertage beitragspflichtige Beschäftigung = 364 Werktage Anspruch auf Arbeitslosengeld).

Der Kläger legte hiergegen am 04. September 1998 Widerspruch unter Hinweis auf seine Beschäftigungsverhältnisse vom 01. Mai 1976 bis zum 30. September 1994 ein und übersandte mit einem weiteren Schriftsatz vom 22. September 1998 u. a. Verdienstbescheinigungen für die Zeit seiner Tätigkeit in F bei der Firma T C von November 1990 bis März 1991 und weitere Unterlagen. Mit einem weiteren Schriftsatz (Eingang bei der Beklagten am 29. Januar 1999) legte der Kläger u. a. im Einzelnen seine Beschäftigungs- und Arbeitslosigkeitszeiten dar und macht einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld von 246 Wochentagen ab 09. Oktober 1998 geltend.

Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1999 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Er habe innerhalb der Rahmenfrist vom 01. April 1992 bis 30. September 1994 insgesamt 913 Tage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden und somit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 364 Tagen erworben. Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld sei vom Arbeitsamt A korrekt festgesetzt worden. Wegen der Einzelheiten des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1999 wird auf Blatt 93 bis 97 der Leistungsakten der Beklagten verwiesen.

Der Kläger hat am 15. März 1999 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt hat.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Potsdam am 18. April 2002 hat sich die Beklagte im Wege eines Teilanerkenntnisses dahingehend verpflichtet, dem Kläger ab 01. Oktober 1994 Arbeitslosengeld für eine Anspruchsdauer von 375 Tagen und ab 09. Oktober 1998 für noch 13 Tage Arbeitslosengeld zu gewähren.

Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und sodann beantragt,

den Bescheid vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1999 in der Gestalt des Anerkenntnisses vom 18. April 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 26. Oktober 1994 in der Gestalt des Anerkenntnisses vom 18. April 2002 abzuändern und ihm ab 01. Oktober 1994 Arbeitslosengeld für die Dauer von 635 Tagen zu gewähren und ihm ab 22. Oktober 1998 Arbeitslosengeld für noch 207 Tage zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Klägers ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 572 Tagen nach Beendigung der Beschäftigung beim Klinikum der RWTH zum 30. April 1990 nicht entstanden sei, da die Voraussetzungen des seinerzeit geltenden § 106 AFG nicht erfüllt gewesen seien. Der Kläger habe in Deutschland einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erstmals ab 01. Oktober 1994 erworben. Zu berücksichtigen sei hierbei jedoch, dass der Kläger bereits in F einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01. April 1991 erworben gehabt habe. Diese Zeit des Leistungsbezugs sei auf die deutsche Anspruchsdauer anzurechnen. Nach Art. 12 der EWG-VO 1408/71 bestünde aber ein Kumulationsverbot, wonach Beschäftigungszeiten, die bereits bei einer Leistung in einem anderen Land berücksichtigt worden seien, nicht nochmals heranzuziehen seien. Aus dem Arbeitslosengeldbezug in F bis 31. März 1992 habe der Kläger keinen Mitnahmeanspruch nach Art. 69 der EWG-VO 1408/71. Dies ergebe sich aus der Bescheinigung vom 25. August 2002 (E 301), wozu im Einzelnen auf Bl. 84 bis 86 der Gerichtsakten verwiesen wird. Der Mitnahmeanspruch sei durch die Arbeitsaufnahme des Klägers ab 01. April 1992 erloschen.

Das Sozialgericht Potsdam hat durch Urteil vom 18. April 2002 die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, über das Teilanerkenntnis hinaus habe der Kläger keinen weiteren (Rest-)Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Rahmenfrist nach § 106 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) umfasse den Zeitraum vom 01. Oktober 1987 bis zum 30. September 1997. In dieser Zeit habe der Kläger ausgehend von seinen Beschäftigungen und seinem Lebensalter zum Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit am 01. Oktober 1994 (50 Jahre) einen Höchstanspruch von 676 Tagen gehabt. Hiervon seien 301 Tage (01. April 1991 bis 16. April 1992) abzuziehen gewesen, weil er in Frankreich in dieser Zeit Arbeitslosengeld bezogen habe. Somit habe er ab 01. Oktober 1994 einen Restanspruch von noch 375 Tagen gehabt. Diese Rechtsfolge ergebe sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach französischem Recht und der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach deutschem Recht (des AFG) seien Ansprüche gleicher Art.

Gegen das dem Kläger am 29. Mai 2002 zugestellte Urteil hat er am 28. Juni 2002 Berufung eingelegt und für 635 Wochentage Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994 geltend gemacht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 18. April 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 17. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes A vom 26. Oktober 1994 und den Änderungsbescheid des Arbeitsamtes A vom 12. Juni 1996 in der Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 18. April 2002 teilweise zurückzunehmen und ihm Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 1994 für 635 Tage unter Verrechnung der von der Beklagten bezogenen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf ihre Verwaltungsentscheidungen und das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die Leistungsakten der Beklagten (Kundennummer ) ebenso verwiesen wie auf die weiteren Gerichtsakten des Sozialgerichts Potsdam (S 15 AL 329/00 ER und S 15 AL 95/01). Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Potsdam hat die zulässige Klage - unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses der Beklagten - im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sind in diesem Umfang nicht zu beanstanden und insoweit rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von mehr als 375 Wochentagen ab 01. Oktober 1994. In diesem Umfang ist dem Kläger auch Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses gewährt worden.

Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X). Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Beklagte ist bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. Oktober 1994 unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses im Ergebnis weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt.

Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich gemäß § 106 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Verlängerung des Versicherungsschutzes bei Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit vom 27. Juni 1987 (BGBl. I S. 1542) nach der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der Rahmenfrist. Gemäß § 104 Abs. 2 AFG geht die Rahmenfrist dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind oder nach § 105 AFG als erfüllt gelten. Sie beträgt drei Jahre und reicht nicht in eine vorausgegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 104 Abs. 3 AFG). Hiernach umfasste die Rahmenfrist für den Anspruch des Klägers ab 01. Oktober 1994 die Zeit vom 01. Oktober 1991 bis zum 30. September 1994.

Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 104 Abs. 1 AFG erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Durch die Arbeitslosmeldung und Antragstellung des Klägers am 26. August 1994 zum 01. Oktober 1994 war daher eine Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld entstanden, denn der Kläger stand in der Zeit vom 01. April 1992 bis zum 30. September 1994 in einer Beschäftigung bei dem Architektenbüro H in München. Auch die übrigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994 waren erfüllt. Der Kläger stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und war arbeitslos im Sinne des § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG.

Die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs regelt § 106 AFG.

§ 106 Abs. 1 AFG lautet: Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt 156 Tage. Die Anspruchsdauer verlängert sich nach Maßgabe der Dauer der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung innerhalb der auf sieben Jahre erweiterten Rahmenfrist und des Lebensjahres, das der Arbeitslose bei Entstehung des Anspruchs vollendet hat. Sie beträgt

-

I nach einer die I I I

I Betragspflicht I und nach I I

I begründenden I Vollendung des I ... Tage I

I Beschäftigung von I ... Lebensjahres I I

I insgesamt I I I

I mindestens I I I

I ... Kalendertagen I I I

I-I-I-I

I 480 I I 208 I

I 600 I I 260 I

I 720 I I 312 I

I 840 I 42. I 364 I

I 960 I 42. I 416 I

I 1.080 I 42. I 468 I

I 1.200 I 44. I 520 I

I 1.320 I 44. I 572 I

I 1.440 I 49. I 624 I

I 1.560 I 49. I 676 I

I 1.680 I 54. I 728 I

I 1.800 I 54. I 780 I

I 1.920 I 54. I 832 I

-

§ 106 Abs. 2 AFG lautet: Hat der Arbeitslose die Anwartschaftszeit durch Beschäftigungszeiten von weniger als dreihundertsechzig Kalendertagen erfüllt (§ 104 Abs. 1 Satz 4 AFG), so begründen Beschäftigungszeiten innerhalb der Rahmenfrist von insgesamt mindestens

1. hundertachtzig Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 78 Tagen und

2. zweihundertvierzig Kalendertagen eine Anspruchsdauer von 104 Tagen.

§ 106 Abs. 3 AFG bestimmt: § 104 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 und Abs. 3 AFG gilt entsprechend. Die Dauer des Anspruchs verlängert sich um die Dauer des nach § 125 Abs. 1 AFG erloschenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn nach der Entstehung des erloschenen Anspruchs noch nicht sieben Jahre verstrichen sind; sie verlängert sich längstens bis zu der dem Lebensalter des Arbeitslosen zugeordneten Höchstdauer.

Der Kläger hatte danach ab 01. Oktober 1994 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von mehr als 375 Wochentagen.

Der Kläger hatte gemäß § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG in der auf 7 Jahre erweiterten Rahmenfrist vom 01. Oktober 1987 bis zum 30. September 1994 Beschäftigungszeiten im Geltungsbereich des AFG bei dem Klinikum des RWTH in A vom 01. Oktober 1987 bis zum 30. April 1990 und als Architekt bei der Firma H in München vom 01. April 1992 bis zum 30. September 1994 zurückgelegt. In die vorgenannte Rahmenfrist fällt auch die Beschäftigung des Klägers als Geschäftsführer eines Unternehmens (T C) in F vom 01. Mai 1990 bis zum 31. März 1991. Sie ist nach Art. 67 der EWG-VO 1408/71 zu berücksichtigen.

Nach Art. 67 Abs. 1 der EWG-VO 1408/71 berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist, soweit erforderlich, die Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, die als Arbeitnehmer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, als handelte es sich um Versicherungszeiten, die nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind; für Beschäftigungszeiten gilt dies jedoch unter der Voraussetzung, dass sie als Versicherungszeiten gegolten hätten, wenn sie nach den eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären.

Gemäß Art. 67 Abs. 3 der EWG-VO 1408/71 gelten die Absätze 1 und 2 außer in den in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) und Buchstabe b) Ziffer ii) genannten Fällen nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor

- im Falle des Absatzes 1 Versicherungszeiten,

- im Falle des Absatzes 2 Beschäftigungszeiten nach Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistung beantragt werden.

Zwar haben die Voraussetzungen von Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) und Buchstabe b) Ziffer ii) der EWG-VO 1408/71 nicht vorgelegen.

Die in Frankreich verbrachte Beschäftigungszeit des Klägers (01. Mai 1990 bis 31. März 1991) ist vorliegend aber dennoch gemäß Art. 67 Abs. 1 und 3 EWG-VO 1408/71 zu berücksichtigen, denn der Kläger hatte unmittelbar vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit in Deutschland am 01. Oktober 1994 bis zum 30. September 1994 Versicherungszeiten in Deutschland aufgrund seiner Tätigkeit als Architekt bei der Fa. H, d. h. nach dem AFG zurückgelegt, nach dessen Regelungen er dann auch ab 01. Oktober 1994 Arbeitslosengeld beantragt hatte. Zuständig ist hiernach also der Staat, in welchem der Arbeitslose seine letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit ausgeübt hatte, hier also im Hinblick auf den Antrag auf Arbeitslosengeld für die Zeit ab 01. Oktober 1994 Deutschland. Art. 67 Abs. 3 EWG-VO 1408/71 begründet eine Alleinzuständigkeit des zuständigen Staates, hier Deutschlands, das an den Arbeitslosen, hier den Kläger, Leistungen unter Einbeziehung der in anderen Mitgliedsstaaten, hier F, zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten zu gewähren hat; (vgl. Eichenhofer, in Fuchs (Hg), Europäisches Sozialrecht, Art. 67 Rz. 15 ff. unter Hinweis auf Art. 13 EWG-VO 1408/71).

Vorliegend ist daher im Rahmen der Feststellung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes iSd § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG der in F zurückgelegte Beschäftigungszeitraum zu berücksichtigen, denn der Zeitraum vom 01. Mai 1990 bis zum 31. März 1991 fällt in die auf 7 Jahre verlängerte Rahmenfrist. In dieser Zeit ging der Kläger einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in F nach, was zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist.

Die Berücksichtigung der in F verbrachten Versicherungszeit im Rahmen von § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG ist nicht nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71 ausgeschlossen. § 12 Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71 regelt, dass ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherung aufgrund der EWG-VO 1408/71 weder erworben noch aufrechterhalten werden kann. Nach der vom Senat diesbezüglich für überzeugend gehaltenen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08. Juli 1992 – C-102/91 – in SozR 3-6050 Art. 71 Nr. 3) sind in den Fällen des Art. 67 der EWG-VO 1408/71 für die Berechnung des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit und die französischen Versicherungszeiten zu berücksichtigen. Die somit zu berücksichtigenden Zeiträume nach § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG umfassen mehr als 1920 Kalendertage (§ 106 Abs. 1 Satz 3 AFG), so dass dem Kläger unter Beachtung seines Lebensalters am 01. Oktober 1994 (= 50 Jahre) eine Anspruchsdauer von 676 Tagen (Höchstanspruch nach § 106 Abs. 3 letzter Halbsatz AFG) zugestanden hätte. Von dieser Anspruchsdauer sind die Tage abzuziehen, für die der Kläger Leistungen aus der französischen Arbeitslosenversicherung bezogen hat (vgl. EuGH in SozR 3-6050 Art. 71 Nr. 3 S. 24).

In der Zeit vom 16. April 1991 bis zum 13. März 1992 bezog der Kläger - zwischen den Beteiligten nicht umstritten - in F von dem dortigen Sozialleistungsträger, wie sich aus Blatt 107 und Blatt 108 der Gerichtsakten ergibt, Arbeitslosengeld nach französischem Recht. Dieser Zeitraum umfasst 301 Tage (= Tage, für die er in Frankreich Leistungen bezogen hatte - 16. April 1991 bis 31. März 1992 = 351 Kalendertage x 6 Wochentage: 7 Wochentage = 300,85 &8776; 301 Wochen-/Anspruchstage), den auch die Beteiligten - unstreitig - (Schriftsätze des Klägers vom 16. Oktober 2001 bzw. der Beklagten vom 07. September 2001) ihrer Berechnung zu Grunde legen.

Es handelte sich bei dem französischen Arbeitslosengeld auch um eine gleichartige Leistung iSd § 12 Abs. 1 Satz 1 der EWG-VO 1408/71. Hierfür ist eine völlige Gleichheit der Berechnungsgrundlagen und der Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erforderlich. Der EuGH (a.a.O.) führt hierzu überzeugend aus, dass angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen den nationalen Systemen der sozialen Sicherheit die Forderung, dass die Berechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung völlig gleich sein müssten, dazu führen würde, dass die Anwendung des Kumulierungsverbots des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 EWG-VO eingeschränkt würde und dem Sinn dieses Verbots widerspräche.

Dass bei der Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 01. Oktober 1994 zunächst 11 Wochentage unberücksichtigt geblieben sind, hat bereits das Sozialgericht Potsdam in der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2002 erkannt. Die Beklagte hat hierzu ein - vom Kläger angenommenes - Teilanerkenntnis über einen weiteren Arbeitslosengeldanspruch für 13 Tage abgegeben; die Umrechnung von 11 Tagen auf 13 Tage folgt aus § 427 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) in der ab dem 01. Januar 1998 gültigen Fassung.

Hiernach ergibt sich folgende Berechnung der Dauer des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld ab 01. Oktober 1994:

Der Kläger hatte am 01. Oktober 1994 - wie bereits ausgeführt - einen Gesamtanspruch von 676 Anspruchstagen abzüglich 301 Tage (zur Berechnung vgl.o.), insgesamt 375 Wochentage.

Der Kläger bezog in dem Zeitraum vom 01. Oktober 1994 bis zum 07. Januar 1995 für 85 Wochentage Arbeitslosengeld. Am 09. Januar 1995 betrug sein Restanspruch somit noch 290 Wochentage Arbeitslosengeld.

Da der Kläger in der Zeit vom 09. Januar 1995 bis zum 30. Juni 1996 wieder einer Beschäftigung bei der L Bauingenieur GmbH und Co. Hochbau KG/B nachgegangen war, erwarb er einen neuen Arbeitslosengeldanspruch ab 01. Juli 1996 nach §§ 100 ff. AFG. Die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes wiederum nach § 106 AFG betrug bei der vorgenannten Beschäftigungszeit, die 539 Kalendertage umfasste, 208 Wochentage. Diese 208 Wochentage waren um den Restanspruch von 290 Wochentagen zu erhöhen, so dass dem Kläger für 498 Wochentage ab 01. Juli 1996 Arbeitslosengeld zugestanden hat. Er bezog vom 01. Juli 1996 bis zum 15. November 1997 für 432 Wochentage Arbeitslosengeld, so dass am 15. November 1997 ein Restanspruch von 66 Wochentagen bestand.

Nachdem der Kläger Unterhaltsgeld in der Zeit vom 17. November 1997 bis zum 10. Juli 1998 bezog, beanspruchte er ab 11. Juli 1998 Anschlussunterhaltsgeld. Nach § 156 Abs. 2 SGB III in der hier ab 01. Januar 1998 anzuwendenden Fassung beträgt die Dauer des Anschlussunterhaltsgeldes drei Monate. Nach § 156 Abs. 2 Satz 2 SGB III mindert sie sich um die Anzahl von Tagen, für die der Arbeitnehmer im Anschluss an eine abgeschlossene Maßnahme mit Bezug von Unterhaltsgeld einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen kann. Der Anspruch auf Anschlussunterhaltsgeld von insgesamt 90 Kalendertagen war deswegen um die Restanspruchsdauer des Arbeitslosengeldes von 77 Kalendertagen (Restanspruchsdauer nach dem AFG 66 Wochentage/Umrechnung nach § 427 Abs. 4 SGB III von Wochentagen auf Kalendertage: 66 Wochentage x 7: 6 = 77 Kalendertage) zu mindern.

Nach den Zahlungsanweisungen der Beklagten bezog der Kläger Anschlussunterhaltsgeld vom 11. August 1998 bis zum 04. August 1998 für 13 Kalendertage und Arbeitslosengeld für 77 Kalendertage vom 05. August 1998 bis zum 08. Oktober 1998. Insgesamt ist hierzu aber festzustellen, dass er für 90 Tage Leistungen von der Beklagten bezogen hat. Unerheblich ist deswegen, ob die Leistung als Anschlussunterhaltsgeld für einen Zeitraum von insgesamt 90 Tagen hätte gezahlt werden müssen oder wie hier geschehen als Arbeitslosengeld. Dass dies keine weitergehende rechtliche Bedeutung hat, folgt aus § 157 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, denn auf das Unterhaltsgeld sind hinsichtlich der Höhe die Vorschriften über das Arbeitslosengeld anzuwenden. Daraus folgt, dass es hinsichtlich der jeweiligen Höhe keinen Unterschied zwischen Leistungen als Unterhaltsgeld, Arbeitslosengeld oder Anschlussunterhaltsgeld gibt.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtsstreit im Hinblick auf die Anwendung von Art. 67 der EWG-VO 1471 im Rahmen des § 106 Abs. 1 Satz 2 AFG grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) hat.
Rechtskraft
Aus
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