L 11 B 343/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 50 SO 153/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 343/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen Ziffern 1 und 2 des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 11.05.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B. , R. , für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsstellerin (ASt) bezog unstreitig im Zeitraum vom 16.04.2004 bis zum 31.12.2004 Leistungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom Antragsgegner (Ag). Bis zu diesem Zeitpunkt wohnte sie in einer Wohnung in K. , wofür sie Miete in Höhe von 576,74 EUR entrichten musste. Der Ag übernahm mit Bescheid vom 06.05.2004 die Unterkunftskosten in voller Höhe zuletzt bis zum 31.10.2004. Seit dem 01.11.2004 anerkannte der Ag nur noch die als angemessen angesehenen Unterkunftskosten in Höhe von 312,00 EUR.

Den eigenen Angaben der ASt folgend, unterzeichnete diese am 15.12.2004 einen Mietvertrag über eine Wohnung in der F.straße in R ... Bei Unterzeichnung des Mietvertrages wurden ihr sämtliche Wohnungsschlüssel ausgehändigt. Auch die Übergabe der Wohnung fand an diesem Tage statt. Umgezogen ist die ASt in die neue Wohnung am 27.12.2004. Am 05.01.2005 erfolgte lediglich noch die Ummeldung bei der Meldebehörde.

Am 30.12.2004 teilte der Bevollmächtigte der ASt dem Ag mit, dass die ASt eine neue Mietwohnung habe und beantragte die Übernahme der Mietkaution in Höhe von 580,00 EUR.

Mit Bescheid vom 01.02.2005 lehnte der Ag die Übernahme der Mietkaution ab. Der Mietvertrag sei von ihm nicht genehmigt und ihm auch nicht vorgelegt worden. Kenntnis vom Umzug habe der Ag erst nachträglich erhalten und sei deshalb seit dem 01.01.2005 nicht mehr zuständig.

Hiergegen erhob die ASt Widerspruch, über den - soweit aus den Akten ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist.

Mit einem am 20.04.2005 beim Sozialgericht München (SG) eingegangenen Schreiben beantragte die ASt, den Ag durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, die Mietkaution in Höhe von 580,00 EUR an sie auszubezahlen.

Sie habe einen Entwurf des Mietvertrages der Stadt R. vorgelegt, die den Mietvertrag anerkannt habe. Sie habe bereits am 01.01.2005 in der neuen Wohnung in R. gewohnt. Der Ag sei für die Bewilligung der geforderten Leistung zuständig. Die Agentur für Arbeit R. habe ihr in der Zwischenzeit mit Bescheid vom 10.01.2005 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligt. Die Übernahme der Mietkaution nach § 22 Abs 3 Satz 2 SGB II müsse im Übrigen in jedem Falle zugesichert werden. Der für ihr Mietverhältnis zuständige Makler habe im Auftrag des Vermieters mit Schreiben vom 16.02.2005 erneut die Mietkaution bis spätestens 25.02.2005 angefordert.

In der Akte des SG findet sich ein Antrag der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit und Soziales im Landkreis R. vom 05.05.2005, mit dem die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung begehrt wird.

Mit Beschluss vom 11.05.2005 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Bei der Übernahme der Mietkaution handle es sich um einen sozialhilferechtlichen Bedarf, für den der Leistungsträger nach § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG, in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung, örtlich zuständig ist, in dessen Zuständigkeitsbereich die um Hilfe nachfragende Person sich zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Mietkaution tatsächlich aufhalte. Ein Anspruch auf Gewährung der Mietkaution bestehe aber regelmäßig nicht, wenn die Zahlungsverpflichtung vertraglich begründet worden sei, bevor der Sozialhilfeträger zugestimmt habe.

Hiergegen wendet sich die ASt mit ihrer beim SG am 04.07.2005 eingegangenen Beschwerde.

Sie beantragt, den Beschluss des SG vom 11.05.2005 aufzuheben und den Ag durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, die Mietkaution in Höhe von 580,00 EUR an sie auszubezahlen und ihr für die Beschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt B. , R. , beizuordnen.

Nach § 5 des Mietvertrages sei die Mietkaution bei Wohnungs- und Schlüsselübergabe, also noch im Jahre 2004, zu leisten gewesen. Auf Grund der besonderen Situation der ASt sei der Solltatbestand des § 3 Abs 1 Satz 6 der Regelsatzverordnung zu § 22 BSHG erfüllt, der Ag sei deshalb verpflichtet, die Zustimmung zur Übernahme der Kaution nachträglich zu erteilen. Die Bewilligung der Mietkaution könne insbesondere deshalb erfolgen, weil sie auch der Höhe nach angemessen sei. Die Mietkaution erreiche im Falle der ASt nicht die angemessenen Unterkunftskosten für zwei Monate. Der ASt könne im Übrigen nicht zum Nachteil gereichen, wenn ihr Prozessbevollmächtigter von einem förmlichen Antrag auf Zustimmung zur Mietkaution Abstand genommen habe, weil nach den ihm vorliegenden Unterlagen und Äußerungen offensichtlich gewesen sei, dass der Ag die Zustimmung verweigern würde.

Der Ag beantragt, den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Es fehle an einer vorherigen Zustimmung zur Übernahme der Mietkaution gemäß § 3 Abs 1 Satz 5 der Regelsatzverordnung zu § 22 BSHG. Eine solche Zustimmung sei weder von ihm noch von der Stadt R. erteilt worden. Das Schreiben der Stadt R. vom 16.12.2004 bestätige keinesfalls die Zustimmung zum Umzug der ASt in die neue Wohnung in R ... Auch habe der Prozessbevollmächtigte der ASt mit seinem Schreiben an die Stadt R. vom 15.12.2004 keine solche Zustimmung erbeten. Bereits in einem Beschluss vom 23.11.2004 sei das Verwaltungsgericht München zu dem Ergebnis gekommen, dass der ASt eine weitere Übernahme ihre sozialhilferechtlich nicht angemessenen Unterkunftskosten für die frühere Wohnung in K. nicht zugebilligt werden könne, weil die Ast trotz Vorhandenseins preisgünstiger und damit angemessener Wohnung keine ausreichenden Anstrengungen unternommen habe, eine angemessene Wohnung zu finden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde der ASt ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Auszahlung der Mietkaution in Höhe von 580,00 EUR an die ASt zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79,69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialhilfegerichtsprozess, 4. Auflage 2005, RdNr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die ASt Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung -ZPO-; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage 2005, § 86b RdNr 41).

Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu im Einzelnen BVerfGE vom 12.05.2005 NDV - RD 2005, 59) zeigt sich, dass der ASt kein Anordnungsgrund und im Übrigen auch kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere also auch noch im Beschwerdeverfahren, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Der Senat hält die Sache in diesem Sinne für nicht eilbedürftig. Die ASt hat es versäumt, Anhaltspunkte hierfür geltend zu machen. Die Mietkaution ist am 15.12.2004 fällig und die Zahlungsverpflichtung der ASt ist dem Ag noch im Dezember 2004 gemäß § 5 Abs 1 BSHG bekannt geworden. Der geltend gemachte Bedarf betrifft mithin einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum. Der Einzug der ASt in die Wohnung ist bereits erfolgt. Es ist weder dem Sachvortrag der ASt noch den Akten zu entnehmen, weshalb eine Entscheidung über die Bewilligung der Mietkaution nicht in zumutbarer Weise in einem Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden könnte. Die ASt hat sich zwar vor dem SG auf ein Schreiben vom 16.02.2005 des für ihre Wohnung zuständigen Maklers berufen. Aus dem Zeitablauf zeigt sich aber, dass hieraus aktuell keine Folgen herzuleiten sind. Darüber hinaus ist trotz Hinweises auf die Zweifel an der Eilbedürftigkeit nichts vorgetragen.

Jedenfalls steht der ASt aber kein Anordnungsanspruch zur Seite.

Dabei geht der Senat bei insoweit ausreichender summarischer Überprüfung der Rechtslage zugunsten der ASt davon aus, dass der Ag für die hier geltend gemachte Übernahme die Fälligkeit der Mietkaution örtlich zuständig ist. Hierfür spricht die Fälligkeit der Mietkaution bereits am 15.12.2004, also zu einem Zeitpunkt, in dem sich die ASt tatsächlich noch im Zuständigkeitsbereich des Ag gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 BSHG aufhielt, und die Kenntniserlangung des Ag im Dezember 2004 (siehe dazu bereits oben).

Die ASt hat aber jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf Auszahlung der Mietkaution, weil sie die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht geschaffen hat. Gemäß § 12 BSHG iVm § 3 Abs 1 Satz 5 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des BSHG (= Regelsatzverordnung) vom 20.07.1962 (BGBl I S 515), zuletzt geändert durch Artikel 29 des Gesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I S 2190) können Wohnungsbeschaffungskosten und Mietkautionen nur bei vorheriger Zustimmung übernommen werden. Satz 6 dieser Vorschrift bestimmt, dass eine Zustimmung immer dann erteilt werden soll, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

Diese Voraussetzungen sind im Falle der ASt nicht erfüllt.

§ 3 Abs 1 Satz 6 Regelsatzverordnung greift nicht, weil der Umzug der ASt durch den damaligen Träger der Sozialhilfe nicht veranlasst worden ist - solches wurde substanziiert auch nicht dargetan -, und seitens der ASt ebenfalls nicht dargetan ist, dass ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht hätte gefunden werden können. Hierfür spricht die Tatsache, dass der Ag ab dem 01.11.2004 der ASt nur noch die angemessenen Unterkunftskos- ten für einen Einpersonenhaushalt erstattete und ein hiergegen gerichtetes Eilverfahren zum Verwaltungsgericht München offensichtlich erfolglos geblieben ist.

Vor diesem Hintergrund verweigert der Ag zu Recht diese Zustimmung im Nachhinein, die die ASt vor Abschluss des Mietvertrages nicht eingeholt hatte. Mit ihrem eigenen Schreiben vom 12.08.2005 stellt die ASt nunmehr zweifelsfrei fest, dass sie bereits zum 15.12.2004 den Mietvertrag unterzeichnet hat, ihr an diesem Tag sämtliche Schlüssel ausgehändigt wurden und sie die Wohnung in R. ebenfalls an diesem Tage übernommen hat. Sie hat sich deshalb, ausweislich der Akten, um eine vorherige Zustimmung gemäß § 3 Abs 1 Satz 5 Regelsatzverordnung schon gar nicht bemüht und die Anmietung der neuen Wohnung von der Anfrage ihres Prozessbevollmächtigten bei der Stadt R. vom 15.12.2004 nicht abhängig gemacht. Im Übrigen teilte die Stadt R. dem Vertreter der ASt, entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 12.04.2005, eben nicht mit, dass der Mietvertrag von ihr anerkannt werde. In diesem Schreiben wird wunschgemäß nur bestätigt, dass die Stadt R. eine Bruttokaltmiete in Höhe von 306,52 EUR sowie pauschalierte Heizkosten in Höhe von 0,80 EUR je Quadratmeter Wohnraum als angemessene Kosten für die Unterkunft übernehmen werde, soweit die sozialhilferechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Soweit die ASt einen Anspruch nach § 34 Abs 1 SGB XII in Erwägung zieht, bleibt ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Ag insoweit offensichtlich nicht passiv legitimiert ist (im Übrigen dazu auch Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16.Aufl 2002, § 15a RdNr 7).

Die Entscheidung des Ag, die nachträgliche Zustimmung zur Mietkaution zu verweigern und die Mietkaution im Übrigen nicht zu übernehmen, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mithin rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde hat nach alledem insgesamt keinen Erfolg.

2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für dieses Beschwerdeverfahren ist ebenfalls abzulehnen.

Aus den oben unter Nr 1 angeführten Gründen ergibt sich, dass das Beschwerdeverfahren, für das die ASt PKH beantragt hat, von Anfang an keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73a SGG iVm §§ 114 ff ZPO hatte. Auf die Frage der Mutwilligkeit und der subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die PKH kommt es nach alledem nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Verfahren der PKH ist kostenfrei.

4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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