L 10 B 472/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 221/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 472/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 11.08.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Antragsteller (Ast) an einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit teilnehmen muss.

Der 1957 geborene Ast (Betriebswirt und Bankkaufmann) bezieht seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld II. Mit Schreiben vom 21.04.2005 gab der Antragsgegner (Ag) dem Ast die Möglichkeit, das Projekt "Ü 45" am 28.04.2005 kennen zu lernen. Er sei für die Teilnahme an diesem Projekt vorgesehen. Dieses Schreiben war mit einer Rechtsfolgenbelehrung dahingehend versehen, dass das Arbeitslosengeld II abgesenkt werden könne, wenn sich der Ast ohne wichtigen Grund weigere, an der Trainingsmaßnahme teilzunehmen.

Mit Schreiben vom 02.05.2005 gewährte der Ag dem Ast als Leistung zur Eingliederung die Teilnahme an der Trainings- und Qualifizierungsmaßnahme bei der b. Bildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH für die Zeit vom 09.05.2005 bis 10.02.2006, wobei der Ast neben Arbeitslosengeld II Fahrtkosten und eventuelle anfallende Kosten für Arbeitskleidung und notwendige Eignungsuntersuchungen erstattet bekäme. Er müsse alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken. Eine Rechtsbehelfsbelehrung lag diesem Schreiben nicht bei.

Der Ast legte gegen das Schreiben vom 02.05.2005 Widerspruch ein. Es handele sich um eine nachteilige, sehr belastende und schon hinderliche Maßnahme, durch die seine aktive Arbeitssuche eingeschränkt werde. Der Maßnahmeträger habe seine "Hausaufgaben" nicht ordnungsgemäß erledigt, wolle Unterschriften von ihm, die er nicht leisten könne, und die Ausbildung selbst, die Ausbildungsräumlichkeiten und Ausbildungsmittel seien mangelhaft. Die Maßnahme sei nicht für ihn geeignet, eine anderweitige, von ihm vorher besuchte Trainingsmaßnahme sei vorzuziehen.

Der Maßnahmeträger konnte auf Nachfrage des Ag die Vorwürfe des Ast nicht bestätigen.

Mit weiterem Schreiben vom 01.06.2005 stellte der Ag fest, der Ast nehme seit 09.05.2005 an der Maßnahme teil und wies diesen erneut auf die Rechtsfolgen eines Abbruches dieser Maßnahme ohne wichtigen Grund hin und den Widerspruch des Ast mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2005 zurück. Mit Schreiben vom 02.05.2005 sei der Ast verbindlich zur Trainingsmaßnahme angemeldet worden. Die Schreiben vom 21.04.2005 und 02.05.2005 enthielten jeweils nur einen Vorschlag bzw ein Angebot an den Ast. Hierin sei kein Verwaltungsakt zu sehen. Durch diese Schreiben werde allein die Förderung verbindlich zugesagt. Rechtsfolgen durch eine Nichtteilnahme an der Maßnahme würden erst nach weiterer Prüfung durch einen entsprechenden Verwaltungsakt eintreten.

Hiergegen hat der Ast Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und gleichzeitig Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Er sehe gesundheitliche Probleme bei einem ab 12.09.2005 im Rahmen der Maßnahme anstehenden Praktikum (Schichtbetrieb). Auch wolle er mit seinem 15-jährigen Sohn die Sommerferienzeit verbringen. Dies sei ihm verwehrt worden. Durch die Maßnahme werde zudem sein aktives Bewerbungsmanagement beeinträchtigt.

Mit Beschluss vom 11.08.2005 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Unabhängig davon, ob die Schreiben vom 21.04.2005 und 02.05.2005 als Verwaltungsakt zu qualifizieren seien, sei der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz statthaft. Im Rahmen der hierbei erforderlichen summarischen Überprüfung erweise sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen. Eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Ast und des Ag sowie der Allgemeinheit ergebe jedoch, dass es dem Ast zuzumuten sei, an der Maßnahme weiter teilzunehmen. Eventuell auftretende gesundheitliche Probleme während eines Praktikums seien im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu berücksichtigen. Die Absicht, mit seinem 15-jährigen Sohn einen Teil der Schulferien zu verbringen, müsse er auf den Abend oder das Wochenende außerhalb der Unterrichtszeiten verschieben. Inwieweit das aktive Bewerbungsmanagement des Ast durch diese Maßnahme beeinträchtigt sei, sei nicht erkennbar.

Hiergegen hat der Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte des Sozialgerichts Würzburg S 16 AS 191/05 und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.

Unterstellt, in dem Schreiben vom 02.05.2005 handele es sich um einen Verwaltungsakt, was aufgrund der konkreten Formulierung in diesem Schreiben ("müsse ausschöpfen und ... mitwirken") wie auch im Widerspruchsbescheid ("Mit ... Schreiben vom 02.05.2005 wurden Sie verbindlich zur Trainingsmaßnahme angemeldet") durchaus begründbar ist (vgl hierzu Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 10 Rdnr 30), so hätten Widerspruch und Klage hiergegen gemäß § 86 a Abs 1 SGG aufschiebende Wirkung, ein Fall des § 39 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - liegt nicht vor (vgl Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rdnr 16). Die sofortige Vollziehung ist nicht angeordnet worden. Wegen der dann bereits bestehenden aufschiebenden Wirkung - es handelt sich dann um eine reine Anfechtungsklage - besteht aber kein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, ein solcher Antrag ist nicht zulässig und somit abzulehnen.

Handelt es sich jedoch, wie der Ag meint, nicht um einen Verwaltungsakt - für diese Auffassung spräche, die konkrete Formulierung des Ag im Schreiben vom 02.05.2005 außer Acht lassend, die Tatsache, dass keine verbindliche Regelung getroffen wurde, dieses Schreiben einen bloßen Vorschlag bzw ein Angebot darstellt und Rechtsfolgen erst aufgrund eines noch zu erlassenden Verwaltungsaktes gemäß § 31 SGB II eintreten werden - so liegt keine Entscheidung des Ag vor, gegen die der Ast Widerspruch einlegen oder Klage erheben könnte.

Gemäß § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nämlich nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). An einem solchen streitigen Rechtsverhältnis fehlt es hier, wenn der Ag ein bloßes Angebot unterbreitet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist somit auch unter Berücksichtigung dieser Alternative abzulehnen.

Unabhängig hiervon ist er aber auch abzulehnen, wenn das Vorliegen eines streitigen Rechtsverhältnisses unterstellt wird.

Eine Regelungsanordnung im Sinne des § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist), als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers einerseits sowie der öffentlichen Interessen oder Interessen anderer Personen andererseits zu prüfen, ob es dem Antragsteller zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Dabei sind Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft zu machen (§§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG, 920 Abs 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Vorliegend sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Feststellungsklage bei unterstelltem streitigen Rechtsverhältnis) offen. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des SG gemäß § 142 Abs 2 Satz 2 SGG Bezug genommen. Es ist daher Interessenabwägung vorzunehmen. Auch diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen.

Nach alledem ist die Beschwerde des Ast gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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