L 10 V 41/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 31 V 128/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 V 41/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.09.2001 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1920 geborene Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Versorgung nach einer Minderung (MdE) von mindestens 25 vom Hundert (v.H.) nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Während seines Dienstes in der Deutschen Wehrmacht fuhr der Kläger 1943 auf eine Mine und erlitt - nach den Angaben des Dr. Rxxxxx in seinem Gutachten vom 19.08.1949 - eine Comotio und eine Kopfwunde am rechten Hinterkopf und an der linken Augebraue. 1944 erfolgten eine Granatsplitterverwundung des linken Mittelfingers und ein Schussbruch des rechten Oberarmes; kurz zuvor erlitt der Kläger noch eine Granatsplitterverwundung des rechten Zeigefingers. 1945 kam es zu einer weiteren Verwundung durch Granatsplitter am linken Oberschenkel und an der Hüfte.

Mit auf der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 beruhendem Bescheid vom 10.09.1949 erkannte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz als Schädigungsfolgen

1. Leichte Verkrümmung des rechten Oberarmes nach Schussbruch, leichte Behinderung der Unterarmdrehbewegung. (Pronation)

2. Verlust des linken Mittelfingers, empfindlicher Narbe

3. Stecksplitternarben am rechten Zeigefinger und im Bereich des hohen linken Oberschenkels, keine Funktionsstörungen

4. Narben am Kopf und abgeheilte leichte Gehirnerschütterung

an. Im Bescheid wurde ausgeführt, dass Rente nicht gewährt werde, weil die Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. gemindert sei. In seinem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Gutachten hatte Dr. Rxxxxx den Gesundheitsschädigungen zu 1. eine MdE um 20 v.H. und den übrigen Schädigungsfolgen eine von 0 v.H. zugemessen.

Im Juni 1963 beantragte der Kläger beim Beklagten die Zahlung von Versorgungsgrundrente und machte geltend, durch die Schädigungsfolgen besonders beruflich betroffen sein. Nach Untersuchung des Klägers erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 10.08.1964 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 08.12.1965 die Gesundheitsstörungen:

1. Leichte Verkrümmung des rechten Oberarmes nach Schussbruch mit leichtem Knorpel-Knochenverschleiß im Schultergelenk und unwesentlicher Behinderung der Unterarmdrehbewegung

2. Verlust des linken Mittelfingers mit empfindlicher Narbe

3. Stecksplitter in den Weichteilen des linken Ober- und Unterschenkels. Zwei kleine Splitter in den Rückenweichteilen, ein Splitter am linken Beckenkamm und im linken Gesäß, Splitternarben am rechten Zeigefinger

als Schädigungsfolgen an und lehnte eine Rentenzahlung ab, da die MdE unter 25 v.H. liege. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.12.1965).

1989 machte der Kläger eine Verschlimmerung im Wesentlichen wegen granatsplitterbedingter Schmerzen im ganzen linken Bein geltend. In seinem auf Veranlassung des Beklagten erstelltem Gutachten vom 14.02.1990 gelangte Regierungsmedizinalrat Wxxxxx zu dem Ergebnis, dass Beschwerden des Klägers glaubhaft seien, die MdE aber weiterhin mit 20 v.H. ausreichend beurteilt sei. In dem auf den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 19.06.1990 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf geführten Rechtsstreit (S 37 V 75/90) wurde der Kläger von dem Orthopäden Dr. Vxxxx untersucht. Dieser führte in seinem Gutachten (21.05.1991 und 11.12.1991) aus, dass die schädigungs bedingten Veränderungen im Bereich des rechten Oberarmes nach Schussbruch nebst geringer Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogengelenkes mit einer MdE von 15 v.H. zu bewerten seien, dass der Verlust des linken Mittelfingers eine MdE um 10 v.H. bedinge und dass insgesamt unter Berücksichtigung der reizlos eingelagerten Weichteilstecksplitter, die keine messbare MdE hervorriefen, eine Gesamt-MdE von 20 v.H. angemessen sei. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.05.1992 nahm der Kläger die Klage zurück und beantragte die Überprüfung des Bescheides vom 10.08.1964 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Mit Bescheid vom 18.08.1992 hielt der Beklagte an seiner Entscheidung fest. Im anschließenden Rechstreit - S 31 V 253/95 SG Düsseldorf - wurden von Amts wegen Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr. Rixxxxx (02.03.1994) und dem Chirurgen Dr. Skxxxxxxx (14.12.1993) eingeholt. Dr. Rxxxxxx vermochte auf organneurologischem Sektor keine Regelwidrigkeiten, insbesondere peripheren Nervenstörungen im Bereich des linken Beines, festzustellen. Dr. Skxxxxxxx schätzte die schädigungsbedingte MdE mit 10 ein, da er keine Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit mehr feststellen konnte und nur den Verlust des Mittelfingers mit einer MdE von 10 v.H. bewertete. Der auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Arzt für Allgemeinmedizin/Sportmedizin Dr. Wxxxxxxxxx (Gutachten vom 20.12.1994 und 22.02.1995) gab hingegen eine MdE um 30 v.H. an. Der Schussbruch sei in Fehlstellung verheilt, und es bestünden erhebliche Schmerzen im Bereich des Oberarmes, so dass dafür eine MdE von 25 v.H. angemessen sei. Der Verlust des linken Mittelfingers bedinge u.a. wegen beständiger Schmerzen im Zeigefingergrundgelenk eine MdE um 15 v.H.; zudem sei eine MdE um 10 v.H. gerechtfertigt wegen der von den zahlreichen Weichteilstecksplittern im Bereich des linken Oberschenkels, des linken Kniegelenks, des linken Unterschenkels, der linken Lende und der linken Beckenseite ausgehenden Schmerzen. Das SG hat den Beklagten verurteilt (Urteil vom 28.09.1995), dem Kläger unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit Versorgung nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren; es ist dabei von einer medizinischen MdE um 20 v.H. ausgegangen. Auf die Berufung des Beklagten wurde das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, weil das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die Voraussetzungen für eine erneute Sachprüfung iSd § 44 SGB X als nicht erfüllt ansah (Urteil vom 11.07.1996).

Im Mai 1997 stellte der Kläger einen weiteren Feststellungsantrag, den der Beklagte mit auf § 44 SGB X gestütztem Bescheid vom 04.06.1997 ablehnte. In dem auf den Widerspruch des Klägers von dem Beklagten veranlassten Gutachten vom 14.07.1997 führte der Neurologe und Psychiater Dr. Wxxxxxx aus, dass die Schädigungsfolgen wie bisher mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten seien, von der die angegebenen Schmerzen im Bereich der Narben, insbesondere im rechten Oberarm, im linken Bein und im Bereich des Zeigefingers der linken Hand, umfasst würden. Der Beklagte wies den Widerspruch darauf hin mit auf § 44 SGB X gestütztem Widerspruchsbescheid vom 15.08.1997 zurück. Im anschließenden Klageverfahren (S 31 V 358/87 SG Düsseldorf) erklärte der Kläger am 16.01.1998, er habe keinen Antrag nach § 44 SGB X stellen wollen. Es gehe ihm vielmehr darum, dass sich die anerkannten Schädigungsfolgen verschlechtert hätten. Außerdem mache er geltend, dass zusätzlich ein Zustand nach Kopfverletzung mit Narben am Kopf und seit dem Krieg vorhandenen Kopfschmerzen bestehe. Er bitte den Beklagten über den Antrag gemäß § 48 SGB X neu zu entscheiden. Die anhängige Klage nehme er zurück.

Am 19.02.1998 reichte der Kläger beim Beklagten einen weiteren schriftlichen Antrag ein, in dem er eine Verschlimmerung "Kopf, re Arm, li Hand, li Bein" geltend machte und als darauf beruhende Beschwerden "Gleichgewichts-Störungen, verstärkte Schmerzen re. Oberarm, Schmerzen li. Zeigefinger infolge fehlenden Mittelfingers, verstärkte Schmerzen li Bein" angab. Der Beklagte zog Befund- und Behandlungsunterlagen bei, unter deren Auswertung die Internistin Dr. Kxxxxx in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 11.11.1998 zu dem Ergebnis gelangte, dass die bisher anerkannten Schädigungsfolgen nicht höher zu bewerten seien. Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen seien auf eine vertebro-basiläre Insuffizienz, aber nicht auf eine 1943 erlittene Kopfplatzwunde zurückzuführen. Mit auf § 48 SGB X gestütztem Bescheid vom 25.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.1999 lehnte der Beklagte eine höhere Leistung ab. Es sei keine wesentliche Änderung eingetreten; die mit Bescheid vom 10.08.1964 anerkannten Schädigungsfolgen bestünden unverändert weiter; aus keinem der klinischen Befundberichte ergebe sich eine erhöhte Schmerzsymptomatik. Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen seien keine Folgen der Kopfverletzung aus dem Jahr 1943.

Mit Klage vom 19.03.1999 hat der Kläger auf zunehmende Beschwerden am linken Bein, möglicherweise auf schädigungsbedingten Durchblutungsstörungen beruhend, Schmerzen aufgrund multipler Splitter im gesamten linken Bein, eine nach seiner Auffassung schädigungsbedingte chronische Sehnenscheiden entzündung sowie die bereits früher unterschiedliche Bewertung seiner Schädigungsfolgen hingewiesen. Er hat weiter vorgetragen, er habe 1943 nach seinem Unfall drei Tage im Koma gelegen; aufgenommen worden sei nur eine Commotio cerebri, nicht aber seine Kopfwunden. Er könne seitdem nur noch ganz starke Gerüche wahrnehmen; viel auffälliger aber sei, dass sich seitdem bis zum heutigen Tag beim Essen in unregelmäßigen Abständen ein Krampf einstelle, bei dem er sich auch schon die Zunge schwer verletzt habe.

Das SG Düsseldorf hat zunächst ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. Vxxx (21.10.2000) eingeholt. Dieser hat angegeben, dass neben den bereits mit Bescheid vom 10.08.1964 festgestellten Schädigungsfolgen auch die Gesundheitsstörungen "Posttraumatische Arthrose des linken Zeigefingergrundgelenkes mit endgradiger Einschränkung des Faustschlusses diesen Finger betreffend, Weichteilstecksplitter am rechten Oberschenkel, endgradige Einschränkung der Streck- und Beugefähigkeit des rechten Ellenbogengelenkes" schädigungsbedingt seien. Diese führten nicht zu wesentlichen Funktionsstörungen und könnten eine Änderung der bisherigen MdE nicht begründen.

Am 08.12.2000 hat das SG den Neurologen und Psychiater Dr. Vxxxxxx zum Sachverständigen ernannt zu den Beweisfragen, ob neben den mit Bescheid vom 10.08.1964 festgestellten Behinderungen weitere schädigungsbedingte Behinderungen vorliegen, ob in den als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsschäden eine wesentliche Änderung eingetreten und wie hoch die durch Schädigungsfolgen bedingte MdE seit Mai 1997 sei. Der Kläger hat im Januar 2001 mitgeteilt, dass er aufgrund einer Herzerkrankung nicht in der Lage sei, Untersuchungstermine zu befolgen, und um eine Entscheidung nach Aktenlage bitte. Das SG hat daraufhin die Akten von Dr. Vxxxxxx zurückgefordert.

Mit Urteil vom 06.09.2001 hat es den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25.11.1998 und des Widerspruchsbescheides vom 02.03.1999 verurteilt, als weitere Schädigungsfolgen nach dem BVG "Posttraumatische Arthrose des linken Zeigefingergrundgelenkes mit endgradiger Einschränkung des Faustschlusses diesen Finger betreffend, Weichteilstecksplitter am rechten Oberschenkel, endgradige Einschränkung der Streck- und Beugefähigkeit des rechten Ellenbogengelenkes" festzustellen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Urteil lautet:

"Tatbestand

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - um Rentenleistungen.

Der Kläger ist 1920 geboren. Er ist kriegsbeschädigt. Laut Bescheid vom 10.08.1964 waren beim Kläger als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz anerkannt:

1. leichte Verkrümmung des rechten Oberarmes nach Schussbruch mit leichtem Knorpel-Knochenverschleiß im Schultergelenk und unwesentlicher Behinderung der Unterarmdrehbewegung.

2. Verlust des linken Mittelfingers mit empfindlicher Narbe.

3. Stecksplitter in den Weichteilen des linken Ober- und Unterschenkels. Zwei kleine Splitter in den Rückenweichteilen, ein Splitter am linken Beckenkamm und im linken Gesäß, Splitternarben am rechten Zeigefinger, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG als Folge einer Verwundung im Mai 1944 und März 1945.

Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade (MdE mindestens 25 von Hundert) wurde mit dem Bescheid nicht festgestellt.

Im Februar 1998 stellte der Kläger einen Änderungsantrag, mit dem er vortrug, er leide an Gleichgewichtsstörungen, verstärkten Schmerzen im rechten Oberarm, Schmerzen im linken Zeigefinger infolge des Fehlens des Mittelfingers und verstärkten Schmerzen im linken Bein.

Der Beklagte ließ den Kläger daraufhin amtsärztlich von der Internistin Frau Dr. Kxxxxx begutachten.

Dem Gutachten folgend erteilte der Beklagte unter dem 25.11.1998 einen Bescheid, wonach der Antrag des Klägers auf Rentenleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz abgelehnt wurde. Zur Begründung gab der Beklagte an, in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers habe sich eine wesentliche Änderung im Sinne des S 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X - nicht ergeben.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 02. März 1999 als sachlich unbegründet zurückwies.

Hiergegen richtet sich die am 30. März 1999 beim Landesversorgungsamt ein gegangene Klage, mit der der Kläger vorträgt, es müßten weitere Behinderungen anerkannt werden und die MdE müsse mindestens auf 50 von Hundert festgesetzt werden.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt:

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.1998 und des Widerspruchsbescheides vom 02.03.1999 zu verurteilen, weitere Behinderungen als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz festzustellen und Rente nach einer MdE um mindestens 30 von Hundert zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zur Sachverhaltsermittlung ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. Vxxx eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Ihre Inhalte waren Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung."

"Entscheidungsgründe

Das Gericht kann vorliegend auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, denn der Kläger wurde mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen. Der Kläger hat im übrigen ausdrücklich darum gebeten, ihn von einer Verpflichtung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu entbinden.

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide insoweit beschwert, als die Behinderungen erweiternd zu bezeichnen sind. Im übrigen ist die Klage unbegründet.

Das Gericht verweist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen nach denen hier die MdE zu bilden ist und nach denen Schädigungsfolgen festgestellt werden auf die insoweit zutreffenden Ausführungen in angefochtenen Bescheiden.

Nach Maßgabe dieser Vorschriften ist beim Kläger der Behinderungskatalog in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange zu erweitern. Die Kammer folgert dies aus dem schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Vise, der in seinem Gutachten ausführlich geschildert hat, wie die Schädigungsfolgen nun zu bezeichnen sind.

Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und auf Erhöhung der MdE auch hier nimmt das Gericht Bezug auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Vxxx, der in seinem Gutachten ausführlich dargelegt hat, dass weitere Behinderungen, die im mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit der Schädigung stehen nicht vorliegen. Auch sind die beim Kläger festgestellten Behinderungen weiterhin mit einer MdE von unter 25 von Hundert zu bewerten. Die gesamte Behinderung des Klägers ist nämlich nicht so gravierend wie beispielsweise der Verlust eines Auges. Erst eine solche Behinderung würde eine MdE von 25 rechtfertigen und daher eine Rentenzahlung auslösen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG."

Gegen das am 17.10.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.10.2001 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

Der Beklagte hat das Urteil mit Bescheid vom 09.11.2001 umgesetzt.

Der Kläger trägt u.a. vor, in dem Urteil seien verschiedene Daten und Abläufe falsch dargestellt; er sei nie von einer Internistin Dr. Kxxxxx un tersucht worden; auch habe er nie einen Antrag auf eine 50%tige Kb.-Rente gestellt; er habe den Eindruck, dass er sich beim Lesen in einem anderen Verfahren befinde. Selbstverständlich sei die Erblindung oder der Totalverlust eines Auges gravierend; dennoch werde ein Vergleich zwischen Kartoffeln und Rüben gezogen. Als Kläger erwarte er von einem Sozialgericht, dass es vorgetragene Fakten zur Kenntnis nehme.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.09.2001 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.1999 und des Bescheides vom 09.11.2001 zu verurteilen, ihm unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.09.2001 zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten, der auch im Wesentlichen die Unterlagen aus den o.a. Gerichtakten enthält, die im Verlauf des Rechtsstreits in ersten Instanz in Verlust geraten sind. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im tenorierten Umfang begründet.

I.

Das beklagte Land ist ungeachtet der Auflösung des Landesversorgungsamtes (Art. 1 § 3 Satz 2 des gem. Art. 37 Abs. 2 zum 01.01.2001 in Kraft getretenen 2. ModernG ( GVBI. NRW S. 412 ff. )) und Übertragung von dessen Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster prozessfähig. Der Gesetzgeber hat den Bedenken, die der Senat im Urteil vom 31.01.2001 - L 10 VS 28/00 - (NVWBI. 10/2001 S. 401 ff.) hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Landes geäußert hat, Rechnung getragen. Durch das Sechste Gesetz zur Änderung des SGG vom 17.08.2001 (BGBl. I 2144 ff) ist § 71 Abs. 5 SGG mit Wirkung ab dem 02.01.2002 dahin geändert worden, dass nunmehr nicht nur ein Landesversorgungsamt, sondern auch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, befugt ist, das Land zu vertreten (hierzu Stellungnahme des Bundesrates zum 6. SGG-ÄndG (BT-Drucks. 132/01 S. 7)). Danach wird das Land nunmehr ordnungsgemäß von der Bezirksregierung Münster vertreten. Allerdings gilt dies nur solange, wie Struktur und Gefüge der Abteilung 10 im Hinblick auf die zu wahrende fachliche und personelle Qualität der Versorgungsverwaltung nicht unerheblich verändert werden (BSG vom 12.06.2001 - B 9 V 5/00 R -) bzw. ungeachtet der Bezeichnung der prozessführenden Behörde gewährleistet ist, dass die Prozessführung in den Händen fachkompetenter Mitarbeiter im Sinn des § 4 des Errichtungsgesetzes liegt (Senatsurteil vom 31.01.2001, aaO). Der Senat sieht derzeit keinen Anlass, dies zu bezweifeln.

II.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Verfahrensmangel im Sinn dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (Senatsurteile vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 - und 23.01.2002 - L 10 SB 150/01 -; Urteil des 6. Senats des LSG NW vom 11.07.1995 - L 6 Vs 67/95 -; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage 1998, § 159 Rdn. 3 mwN; Zeihe, SGG, § 159 Rdn. 2a, 8a ). Gleichermaßen kommt eine Zurückverweisung bei Verstößen gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung (Zeihe, aaO Rdn. 8d) oder bei unzureichender Begründung (vgl. Senatsurteile vom 05.09.2001 und 23.01.2002, aaO, Urteil des 7. Senats LSG NW vom 14.05.1998 - L 7 SB 146/97 -) der angefochtenen Entscheidung in Betracht.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die angefochtene Entscheidung ist auf zuheben, weil

1. der Tatbestand nicht den Mindestanforderungen des § 136 Abs. 2 SGG genügt,

2. die Entscheidungsgründe nicht den Mindestanforderungen der §§ 136 Abs. 1, 202 SGG iVm § 313 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) genügen, insbesondere keine zureichende Beweiswürdigung enthalten,

3. das SG sich zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen.

Zu 1. Der Tatbestand beurkundet das schriftliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Auflage, § 313a Rdn. 11). Er beweist, dass wiedergegebene Tatsachen vorgetragen und nicht wiedergegebene nicht vorgetragen worden sind (BGH, NJW 1983, 885; Meyer-Ladewig, aaO § 136 Rdn. 6). Nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG kann die Darstellung des Tatbestandes durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zur Sitzungsniederschrift erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. Als Mindestanforderung verlangt § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG, dass die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben sind. Bezugnahmen dürfen keine Unklarheiten zur Folge haben; der Tatbestand muss noch in sich verständlich sein (Meyer-Ladewig, § 136 Rdn. 6c). Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinn des § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG sind die des § 282 Abs. 2 ZPO. Dabei handelt es sich um jegliche zur Begründung des Sachantrags oder zur Verteidigung gegen diesen vorgebrachte tatsächliche und rechtliche Behauptungen, Einwendungen, Bestreiten, Einreden und Beweisanträge, nicht aber um allgemeine Rechtsausführungen (Zöller/Greger, ZPO, 22. Auflage, § 282 Rdn. 2 ff).

Den Mindestanforderungen des § 136 Abs. 2 SGG genügt der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils nicht.

Er ist unvollständig, weil das SG das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mitgeteilt hat (hierzu Meyer-Ladewig, aaO Rdn. 6). Es hat lediglich dargelegt, dass eine Beweisaufnahme durchgeführt und hierzu ein Gutachten des Sachverständigen V ... eingeholt worden ist. Zwar soll der Tatbestand nur eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes enthalten. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist aber in jedem Fall (knapp) mitzuteilen, da ansonsten die Verständlichkeit leidet (Senatsurteile vom 05.09.2001 und 23.01.2002, aaO). Der in den Entscheidungsgründen des Urteils enthaltene Passus, dass Dr. Vxxx in seinem Gutachten ausführlich dargelegt habe, "dass weitere Behinderungen, die im mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit der Schädigung stehen, nicht vorliegen" behebt diesen Mangel erkenntlich nicht. Er ist im übrigen auch inhaltlich unzutreffend, weil sich Dr. V ... - aufgrund seiner fachspezifischen Ausrichtung folgerichtig - nicht oder ggf. nur am Rande zu den von dem Kläger in seinem Antrag vom 19.02.1998 geltend gemachten Beschwerden - Gleichgewichtsstörungen, ver stärkte Schmerzen im rechten Oberarm, Schmerzen im linken Zeigefinger, Schmerzen im linken Bein - äußert.

Der Tatbestand ist ferner deswegen unvollständig, weil das SG nicht deutlich gemacht hat, dass der Kläger sich sowohl gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme gewandt (z.B. Schriftsatz vom 03.01.2001) als auch nachfolgend weitere Schädigungsfolgen insbesondere auf neurologischem Gebiet behauptet hat (z.B. Schriftsatz vom 21.08.2001). Dabei handelt es sich um Angriffsmittel im Sinn des § 282 Abs. 2 ZPO, die im Tatbestand zu dokumentieren sind. Diese sind auch rechtserheblich, weil deswegen eine weitere Beweisaufnahme geboten ist oder in den Entscheidungsgründen dargelegt werden muss, warum hierauf verzichtet werden konnte.

Diese Mängel werden auch nicht dadurch geheilt, dass das SG hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Prozess- und Verwaltungsvorgänge Bezug genommen hat. Hierdurch hat das SG nämlich allen falls erreicht, dass der gesamte Akteninhalt Gegenstand der Entscheidung geworden ist (vgl. BGH NJW 1992, 2148; a.A. Schumann, NJW 1993, 2.786). Hievon losgelöst ist dem Gericht aber auferlegt, das Ergebnis der Beweisaufnahme nach Maßgabe der § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG jedenfalls in gedrängter Form im Tatbestand zu dokumentieren. Der hiermit verbundenen Beurkundungs- und Darstellungsfunktion genügt ein solcher Tatbestand nicht, der sich - wie hier - auf die Mitteilung, beschränkt, dass eine Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten durchgeführt worden ist, und der das erhebliche Beteiligtenvorbringen nur unzureichend wiedergibt.

Zu 2. Das Sozialgerichtsgesetz sagt über die Entscheidungsgründe nichts. Das Urteil bzw. der Gerichtsbescheid muss sie nur enthalten (§ 136 Abs. 1 SGG). Deswegen ist über § 202 SGG die Regelung des § 313 Abs. 3 ZPO maßgebend. Die Beteiligten sollen Kenntnis erhalten, von welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Gericht ausgegangen ist (Meyer-Ladewig, aaO § 136 Rdn. 7c). Eine kurze Begründung für jeden einzelnen für den Urteilsausspruch rechtlich erheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist geboten und ausreichend (BSG, SozR 1500 § 136 Nr. 10; Bayer. LSG in NZS 1996, 48). Es ist verfahrensfehlerhaft, wenn in keiner Weise erkennbar ist, welche Gründe für die richterliche Überzeugung maßgebend waren (BGHZ 39, 333 ff.). Hierzu sind die entscheidungserheblichen Erwägungen des Gerichts in den Entscheidungsgründen kurz zu formulieren (BSGE 76, 233; Meyer-Ladewig, aaO § 136 Rdn. 7; Baumbach/Hartmann, ZPO, 56. Auflage, § 313 Rdn. 14). Das Gericht muss sich dabei zwar nicht mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, insbesondere wenn es offensichtlich unerheblich ist oder wenn sich aus dem Urteil zweifelsfrei ergibt, dass das Gericht das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für unerheblich hält. Mindestinhalt ist aber eine ausreichende Angabe der angewandten Rechtsnormen, der für erfüllt oder nicht erfüllt gehaltenen Tatbestandsmerkmale und der dafür ausschlaggebenden tatsächlichen oder rechtlichen Gründe (BSG, SozR 1500 § 136 Nr. 10; LSG NRW vom 30.10.1997 - L 7 Vs 41/97 -, vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 - und vom 23.01.2002 - L10 SB 150/01 -; Meyer-Ladewig, aaO § 136 Rdn. 7a; Baumbach/Hartmann, aaO § 313 Rdn. 14 ff).

Diesen Anforderungen genügen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht.

Das SG hat zwar durch seine Bezugnahme auf die Entscheidungen des Beklagten vom 25.11.1998 und 02.03.1999 zu erkennen gegeben, dass es § 48 SGB X i.V.m. § 1 BVG als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren sieht. Soweit allerdings weitere Schädigungsfolgen "festgestellt" werden, lassen Urteilstenor und im übrigen auch die Entscheidungsgründe jedoch auch die Vermutung zu, dass § 48 SGB X nicht zur Anwendung gelangen soll. Eine Darlegung und Prüfung jedenfalls, ob und inwieweit welche Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, enthält das Urteil nicht.

Wesentlicher Teil der Entscheidungsgründe ist ferner die Beweiswürdigung. Ein grober Verfahrensfehler liegt vor, wenn eine Beweiswürdigung völlig fehlt (BGHZ 39, 333, 337, BFH NVwZ-RR 1995, 329; Meyer-Ladewig, aa0 § 136 Rdn. 7f) oder wenn den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher Tatsachen und Erwägungen das Gericht zu seinen Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Folgerungen gekommen ist (BGH vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 -; BFHE 86, 219; Meyer-Ladewig, aaO Rdn. 7f). Das SG hat nach § 202 SGG iVm § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen. Von einer eigenen Bewertung ist es auch dann nicht enthoben, wenn es ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Denn die Aufgabe des Sachverständigen ist darauf beschränkt, dem Richter aufgrund seines Erfahrungswissens die Kenntnis von Tatsachen zu verschaffen, zu denen dieser wegen seiner fehlenden - beispielsweise medizinischen Sachkunde - nicht kommen kann. Dem Richter obliegt es sodann, aufgrund seiner juristischen Kenntnisse zu entscheiden, ob die ihm vom Sachverständigen vermittelten Tatsachen den gesetzlichen Tatbestand erfüllen (BSG vom 24.06.1981 - 9 RVs 2/81 -). Die Ergebnisse des Sachverständigen dürfen zudem nicht ohne weiteres übernommen werden; auch sachverständige Äußerungen sind eigenverantwortlich darauf hin zu untersuchen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein vom erkennenden Gericht zu beantwortenden Fragen zu bieten vermögen (BGH vom 07.03.2001 aaO).

Das SG hat die erhobenen Beweise nur unzureichend und nicht nachvollziehbar gewürdigt. Aufgabe des Gerichts ist die Prüfung, ob der Sachverständige von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und diesen vollständig berücksichtigt hat. Sodann sind die medizinischen Befunderhebungen des Sachverständigen - soweit möglich - zu überprüfen. Das wird gerade im orthopädischen Bereich anhand von Messdaten eher möglich sein als vergleichsweise bei inneren Erkrankungen oder neurologisch-psychiatrischen Beeinträchtigungen. In einem nächsten Schritt ist zu klären, welche Funktionsbeeinträchtigungen mit den vom Sachverständigen festgestellten Normabweichungen einhergehen. Aufgabe des Sachverständigen ist es, diese aus medizinischer Sicht unter Berücksichtigung von Anamnese und Befund zu beschreiben. Wiederum hat das Gericht die Äußerungen des Sachverständigen auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Stimmigkeit zu überprüfen und dies im Urteil nachvollziehbar zu begründen. Sodann hat das Gericht zu klären, ob sich die Meinungsäußerungen und Bewertungen des Sachverständigen auf der Grundlage der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) bewegen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in dem darauf hin ergehenden Urteil zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); das Urteil muss jedoch erkennen lassen, dass das Gericht die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muss die tragenden Gründe für die der Entscheidung zugrundeliegenden Überzeugung in der Begründung nachvollziehbar darlegen (BGH vom 07.03.2001 aaO).

An alldem fehlt es. Stattdessen hat sich das SG in den Entscheidungsgründen auf die apodiktische Aussage beschränkt, dass weitere Schädigungsfolgen nicht vorliegen und dass "die bei dem Kläger festgestellten Behinderungen weiterhin mit einer MdE von unter 25 von Hundert zu bewerten" sind. Es fehlen jegliche nachvollziehbare Ausführung dazu, wie es zu diesem Ergebnis gelangt ist (hierzu LSG NRW vom 30.10.1997 - L 7 Vs 41/97 -). Lediglich der Hinweis auf die Feststellungen des Sachverständigen ist keine Beweiswürdigung. Die fehlende Beweiswürdigung lässt sich auch nicht dadurch ersetzen, dass das SG darauf verweist, der Sachverständige habe ausführliche Feststellungen getroffen. Hiermit hat das SG allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigende, untergeordnete Teilfragen angesprochen. Derartige Formulierungen sind für sich nicht einmal geeignet, das Ergebnis der Beweisaufnahme zusammenzufassen.

Zu 3. Das SG hat den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt.

a) Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Vxxx ist zwar zu entnehmen, dass die bei dem Kläger vorliegenden Schädigungsfolgen trotz Erweiterung der Leidensbezeichnung weiterhin keine MdE in rentenberechtigender Höhe bedingen. Diese Beurteilung mag zutreffend sein, nachvollziehbar ist sie in dieser Form aber nicht.

Nach der zusammenfassenden Feststellung des Beklagten in seinem Bescheid vom 09.11.2001 liegen bei dem Kläger - unter Berücksichtigung der vom SG angenommenen weiteren Schädigungsfolgen - zumindest folgende Schädigungsfolgen vor:

1. Leichte Verkrümmung des rechten Oberarmes nach Schussbruch mit leichtem Knorpel-Knochenverschleiss im Schultergelenk und unwesentlicher Behinderung der Unterarmdrehbewegung,

2. Verlust des linken Mittelfingers mit empfindlicher Narbe,

3. Stecksplitter in den Weichteilen des linken Ober- und Unterschenkels, zwei kleine Stecksplitter in den Rückenweichteilen, ein Splitter am linken Beckenkamm und im linken Gesäß, Splitternarben am rechten Zeigefinger,

4. posttraumatische Arthrose des linken Zeigefingergrundgelenkes mit endgradiger Einschränkung des Faustschlusses diesen Finger betreffend,

5. Weichteilstecksplitter am rechten Oberschenkel,

6. endgradige Einschränkung der Streck- und Beugfähigkeit des rechten Ellenbogengelenkes.

Diese Schädigungsfolgen mögen unter Berücksichtigung der Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit mit einer MdE von unter 25 v.H. zu bewerten sein; nachvollziehbar wird dies aber nur, wenn entsprechend den Vorgaben der AHP zunächst die MdE für jede einzelne Schädigungsfolge unter Berücksichtigung der Nr. 18 Abs. 4 AHP (Zusammenfassung nach Funktionssystemen) ermittelt und sodann die Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der Nr. 19 Abs. 3 gebildet wird. Bei diesem gebotenen Vorgehen bietet sich dann auch eine Auseinandersetzung mit den differierenden Beurteilungen in den vorausgegangen Streitverfahren an.

b) Das SG selber hat eine weitere Sachaufklärung auf neurologischem Sektor für erforderlich gehalten und eine entsprechende Beweisanordnung auch erlassen. Dies war schon im Hinblick auf die wiederholten Schmerzangaben des Klägers sachgerecht und geboten; dies gilt auch im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers bereits im Termin vom 16.01.1998 (S 31 V 358/87), in dem er einen Zustand nach Kopfverletzung geltend gemacht hat, und in seinem - späteren - Schriftsatz vom 21.08.2001, mit dem er eine Beeinträchtigung des Geruchsinnes, vor allem aber Krämpfe vorgetragen hat.

Einer solchen Sachaufklärung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte seine hier angegriffene Entscheidung auf § 48 SGB X gestützt hat, aber eine danach erforderliche wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers seit Erlass des letzten bindenden Bescheides zumindest hinsichtlich der Kopfverletzung und ihrer Folgen nicht wahrscheinlich sein dürfte, weil diese - wenn das Vorbringen des Klägers zutrifft - vermutlich schon vor Erlass des letzten bindenden Bescheides vorgelegen haben. Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 25.11.1998 nämlich zumindest insoweit - sachgerecht auf den vorausgehenden Antrag des Klägers eingehend - die gerichtlich überprüfbare Feststellung getroffen, dass keine Folgen der Kopfverletzung aus dem Jahr 1943 bestehen.

Die notwendige Sachaufklärung durfte das SG auch nicht einstellen, weil der Kläger sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sah, "Untersuchungstermine zu befolgen", und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten hat. Denn es stellt einen erheblichen Verfahrensmangel dar, wenn das Gericht nicht alle für die Entscheidung erheblichen Beweise erschöpft (vgl. OLG Frankfurt, VersR 1984, 168).

aa) Das Vorbringen des Klägers ist zunächst dahin zu verstehen, dass er entweder dauerhaft zu solchen Untersuchungen nicht in der Lage oder/und dazu nicht gewillt ist. Wenn es sich um eine allein willentlich bestimmte Verweigerung handelt, steht nicht sicher fest, ob der Kläger sich deren Konsequenzen bewusst ist. Daraus folgt in Anwendung des § 106 SGG eine entsprechende richterliche Hinweispflicht, die sich zumindest bei einem unvertretenen Kläger nicht nur auf den Hinweis beschränken darf "Das Gericht weist darauf hin, dass Sie vorliegend beweispflichtig sind" (Verfügung vom 27.06.2001). Vielmehr sind auch in kurzer Form die möglichen Konsequenzen aus der gesehenen Beweispflichtigkeit darzulegen, um so dem Kläger die Möglichkeit zu geben, sich sachgerecht entscheiden zu können.

Soweit gesundheitliche Gründe einer ärztlichen Untersuchung dauerhaft entgegenstehen, ist zu klären, ob und inwieweit ggf. ein solche Untersuchung in der Wohnung des Klägers möglich ist.

bb) Selbst wenn sicher feststeht, dass eine körperliche Untersuchung des Klägers - gleich aus welchen Gründen - nicht in Betracht kommt, ist der medizinische Sachverhalt weiter aufzuklären, da der Kläger ersichtlich nicht auf den geltend gemachten Anspruch verzichtet hat. Dazu sind Befundberichte beizuziehen. Ferner ist ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigen gutachten - nach Aktenlage - einzuholen. Das SG wird zudem die ggf. nach dem Schwerbehindertengesetz über den Kläger geführten Akte beiziehen, den Sachverständigen V ... zu der von dem Kläger geschilderten Schmerzsymptomatik ergänzend befragen und ggf. auch die Ehefrau des Klägers (zu der Frage von Krämpfen) anhören müssen.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das SG bei ordnungsgemäßer Beweisaufnahme und Beweiswürdigung eine andere Entscheidung getroffen hätte.

Die trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG nicht zwingend vorgeschriebene Zurückverweisung ist angesichts der Kürze des Berufungsverfahrens und im Hinblick darauf, dass den Beteiligten eine weitere Tatsacheninstanz erhalten bleiben soll, geboten.

Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved