L 16 B 5/03 SF ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 11 SF 20/03 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 5/03 SF ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers vom 22./25.04.2003 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 09.04.2003 wird zurückgewiesen. Über die Kosten des Verfahrens vor den Sozialgerichten entscheidet das zuständige Amtsgericht als Insolvenzgericht.

Gründe:

I. Der Kläger ist Arzt und seit 1985 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Nach Steuerrückständen hat das Finanzamt gegen den Kläger ein Insolvenzverfahren eingeleitet, das durch Beschluss des Amtgerichts Köln vom 01.07.2002 eröffnet worden ist. Der Insolvenzverwalter hat einen Beschluss der Gläubigerversammlung (Beklagte zu 1) über die Fortführung bzw. Schließung der Arztpraxis herbeigeführt, wonach die Praxis zum 08.02.2003 bzw. zum 31.03.2003 zu schließen sei (Beschluss vom 29.01.2003). Am 28.03.2003 hat der Insolvenzverwalter unter Hinzuziehung der Beklagten zu 2) - Gerichtsvollzieherin - die Kassenarztpraxis geschlossen und die Schlösser zur Praxis ausgetauscht. Seitdem kann der Kläger weder den von der Kassenärztlichen Vereinigung angeordneten Notdienst verrichten noch gesetzlich Krankenversicherte behandeln.

Dagegen hat sich der Kläger mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das örtlich zuständige Sozialgericht - SG - (Köln) gewandt. Er hat das SG für zuständig gehalten, weil die Sozialgerichte über Vertragsarztangelegenheiten im Sinne des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zu entscheiden hätten; im SGB V seien die Zulassungsfragen abschließend geregelt; dieses Gesetz solle auch die ausreichende, qualifizierte und zweckmäßige Versorgung der Krankenversicherten rechtfertigen. Daher fielen alle Maßnahmen, die in dieses Recht eingriffen, in die Zuständigkeit der Sozialgerichte.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu untersagen, den Kassenarztsitz des Klägers zuschließen und die rechtswidrige Schließung des Kassenarztsitzes am 28.03.2003 aufzuheben.

Der als Vertreter der Gläubigerversammlung bezeichnete Insolvenzverwalter hat darauf hingewiesen,dass er nicht die Gläubigerversammlung vertrete. Vielmehr sei er selbständige Amtsperson und führe den Beschluss der Gläubigerversammlung aus. Das gleiche gelte für die Beklagte zu 2) als Gerichtsvollzieherin. Das SG sei im übrigen nicht zuständig. Wenn überhaupt, könne nur das Insolvenzgericht angerufen werden; das habe der Kläger auch schon im Rahmen einer Erinnerung getan (Amtsgericht Köln - Az. 71 IN 25/2002).

Die Beklagte zu 2) hat sich nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 09.04.2003 hat das SG den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Köln verwiesen, weil der Rechtsstreit nicht zu den ihn § 51 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Streitigkeiten gehöre. Der am 25.04.2003 beim SG eingegangenen Beschwerde vom 22.04.2003 hat das Gericht nicht abgeholfen.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des SG Köln vom 09.04.2003 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

Der Insolvenzverwalter hat erneut darauf hingewiesen, dass er nicht die Gläubigerversammlung vertrete. Die Beschlüsse der Gläubigerversammlung seien nicht anfechtbar. Allein das Insolvenzgericht könne gemäß §§ 2, 3, 78 Abs. 1 der Insolvenzordnung einen Beschluss der Gläubigerversammlung aufheben.

Er beantragt,

die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Die Beklagte zu 2) hat sich nicht geäußert. II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1.Zur Entscheidung über die Beschwerde des Klägers ist der erkennende Senat gemäß Abschnitt A I., Seite 18, des Geschäftsverteilungsplans für das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 18.12.2002, zu letzt geändert durch Präsidiumsbeschluss 2/2003 vom 14.03.2002, berufen. Denn bei der zur Entscheidung anstehenden Rechtssache handelt es sich um eine Angelegenheit, für die kein anderer Senat nach dem Sachzusammenhang zuständig ist. Insbesondere handelt es sich nicht um eine dem 10. oder 11. Senat zugewiesene Streitsache des Vertragsarztrechts. Zutreffend hat das SG gemäß § 17 a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - durch die für sonstige Streitsachen zuständige 11. Kammer entschieden, dass für den vorliegenden Rechtsstreit nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet, sondern das Amtsgericht Köln als Insolvenzgericht das zur Entscheidung berufene Gericht ist. Dies ergibt sich aus den §§ 1 - 3, 58, 78, 80 der Insolvenzordnung - InsO - sowie im Gegenschluss aus § 51 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - , wie schon das SG zu Recht betont hat.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Dieser steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58 InsO). Die Gläubigerversammlung als besondere Selbstverwaltungsinstitution zur Interessenwahrnehmung der Gläubiger und als Organ der Arbeitsteilung im Insolvenzverfahren wird seinerseits auch durch das Insolvenzgericht - eingeschränkt - beaufsichtigt (78 InsO). Maßnahmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens,hier etwa der Beschluss der Gläubigerversammlung, den Geschäftsbetrieb des Klägers einzustellen (§ 157 InsO) bzw. Maßnahmen des Insolvenzverwalters zur Übernahme und Sicherung der Insolvenzmasse (§§ 148 ff. InsO) sind gemäß der spezialgesetzlichen Zuweisung allein der Kontrolle des Insolvenzgerichts unterworfen. Überschreitet ein am Insolvenzverfahren beteiligtes Organ seine ihm zugewiesenen Rechte, kann dies allein durch Eingreifen des Insolvenzgerichts im allgemeinen öffentlichen Interesse korrigiert werden.

Demgegenüber enthält § 51 SGG keine Vorschrift, die das nach der InsO vorgeschriebene Handeln des Gläubigerausschusses oder des Insolvenzverwalters der sozialgerichtlichen Kontrolle unterstellt. Denn § 51 SGG er fasst nur sozialrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, wozu auch das Vertragsarztrecht und Angelegenheiten der Vertragsärzte gehören. Dabei handelt es ich um Streitigkeiten etwa der vertragsärztlichen Versorgung, der Zulassung, der Entziehung der Zulassung, Wirtschaftlichkeitsprüfungen und ähnliches (vgl. dazu auch § 12 Abs. 3 SGG) oder aber um Angelegenheiten der Vertragsärzte usw. im Bereich der vertragsärztlichen Selbstverwaltung. Wesentlich ist dabei immer, dass es sich um Streitigkeiten zwischen den am System der vertragsärztlichen Versorgung (§§ 72 ff. SGB V) beteiligten Stellen und Personen um die zwischen ihnen bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen handelt. Ein im Interesse der Bewältigung gesamtwirtschaftlicher Probleme nach einem Vermögensverfall von Staats wegen eingesetztes besonderes Insolvenzorgan gehört jedoch keinesfalls zum Kreis der von § 51 SGG erfassten Personen. Dessen Handeln unterliegt nicht der Kontrolle der Sozialgerichte, weil es nicht an einem öffentlichrechtlichen Streit um die besondere Ausgestaltung des ärztlichen Versorgungssystems beteiligt ist. Sein Handeln bleibt allein den allgemeinen Vorschriften wie der InsO sowie der dort genannten Verweisungsregelungen, etwa der Zivilprozessordnung - ZPO - unterworfen.

Sollten im vorliegenden Fall entsprechend der Auffassung des Klägers, der sich auf Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10.05.2000 - B 6 KA 67/98 R - in: BSGE 86, 121 ff.) stützt, die Maßnahmen des Gläubigerausschusses oder des Insolvenzverwalters und der von ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben herangezogenen Gerichtsvollzieherin rechtswidrig sein und einen auch den Insolvenzorganen nicht zustehenden Eingriff in die Rechte des Schuldners oder Dritter darstellen (Eingriff in die Zulassungshoheit der Zulassungs- und Berufungsausschüsse nach §§ 96, 97 SGB V), hat darüber das Insolvenzgericht im Rahmen der ihm zustehenden Möglichkeiten zu entscheiden.

Angesichts der Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ist den Sozialgerichten auch verwehrt, darüber zu entscheiden, ob die Klage der zutreffende Rechtsbehelf ist, ob bei Identität des Streitgegenstandes bereits Rechtshängigkeit wegen des beim Insolvenzgericht eingeleiteten Erinnerungsverfahrens eingetreten ist (vgl. den Antrag des vom Kläger beauftragten Rechtsanwaltes ... vom 01.04.2003) und ob sich der Kläger gegen den nicht parteifähigen Gläubigerausschuss bzw. die vom Insolvenzverwalter herangezogene Gerichtsvollzieherin wenden kann (statt gegen den Insolvenzverwalter) und er ggf. seine Klage umstellen muss, und ob dem Kläger das Recht zusteht, den Eingriff in Rechtspositionen Dritter zu rügen (Klage- oder Antragsbefugnis). All dies obliegt der dem Insolvenzgericht zustehenden Entscheidung zur weiteren Zulässigkeit der Anträge und zur Sache.
Rechtskraft
Aus
Saved