Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RA 3155/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RA 16/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 1998 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 10. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1995 und unter Ände- rung der Bescheide vom 6. September 1996 und 27. November 2001 verur- teilt, die Altersrente ab 1. August 1994 neu festzustellen und dabei die Zeit vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 als glaubhaft gemachte Beitragszeit zu berücksichtigen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen den Be- scheid vom 27. November 2001 abgewiesen. Die Beklagte trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe von Altersrente.
Die Klägerin ist am 12. Juli 1934 geboren worden und seit Februar 1963 verheiratet. Vom 1. September 1949 bis zum 5. Juli 1952 besuchte sie ausweislich des Abschlusszeugnisses vom 5. Juli 1952 die Kreisberufsschule Liebenwerda. Von September 1952 bis Dezember 1960 arbeitete sie nach ihren Angaben bei einem privaten Transportunternehmer in Bad Liebenwerda als Schreibkraft bei einem Verdienst von monatlich zirka 258,- M beziehungsweise jährlich zirka 3100,- M. Anschließend war die Klägerin vom 1. Januar 1961 bis zum 31. März 1963 beim Rat des Kreises Liebenwerda und, nach einer Zeit der "Familienversicherung" bei ihrem Ehemann, vom 1. September 1964 bis zum 2. Oktober 1990 im Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR bzw dessen Vorgänger-Institutionen tätig. Vom 1. März 1971 bis 30. Juni 1990 gehörte sie der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (FZAV) an.
Im Mai 1994 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr ab 1. August 1994 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren. Ihr waren hierauf die vom Träger der Zusatzversorgung nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festgestellten Daten durch bestandskräftig gewordenen "Überführungsbescheid" vom 16. September 1994 bekannt gegeben worden. In dem Bescheid wurde die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 30. Juni 1990 - mit Ausnahme der Zeit der Familienversicherung 1963/64 - als nachgewiesene Zeit der Zugehörigkeit zur FZAV festgestellt. Ein von der Klägerin angestrengtes Überprüfungsverfahren blieb erfolglos (Bescheid vom 27. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 1997; das anschließende Klageverfahren wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 1998 - L 16 RA 27/98 - abgeschlossen).
Auf der Grundlage des Überführungsbescheides vom 16. September 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 10. Oktober 1994 ab 1. August 1994 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs-Sechstes Buch (SGB VI). Die Anerkennung der Zeiten vom 1. September 1949 bis zum 5. Juli 1952 und vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 als Beitragszeiten wurde abgelehnt. Für den zweiten Zeitraum sei weder der Verlust der Beitragsunterlagen noch die Beitragszahlung nachgewiesen. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Für die Zeit der Tätigkeit bei einem privaten Fuhrunternehmen müsse ihre eidesstattliche Versicherung vom 18. April 1994 akzeptiert werden, auf die Bezug genommen wird.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. April 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Zeit des Besuchs der Berufsschule könne weder als Beitragszeit noch als Anrechnungszeit anerkannt werden. Die geltend gemachte Beschäftigung bei einem privaten Fuhrbetrieb könne nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden, weil die Entrichtung von Beiträgen nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden sei. Die abgegebene eidesstattliche Versicherung belege das nicht hinreichend, zumal die Klägerin selbst angegeben habe, dass ihr ein Arbeitsbuch bzw ein Sozialversicherungsausweis nicht ausgehändigt worden sei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin weiter die Anerkennung der von der Beklagten abgelehnten Beitragszeiten geltend gemacht. Den Namen des Fuhrunternehmers erinnere sie mit "Jäger". Nachdem dieser die DDR verlassen habe, habe sie die Tätigkeit beim Rat des Kreises Elsterwerda aufgenommen. Die Beklagte verkenne, dass in der DDR Arbeitspflicht bestanden habe. Ferner hat sie sich gegen die sogenannte "Systementscheidung" gewandt und beansprucht, eine Vergleichsberechnung nach dem Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) sowie Vertrauensschutz für den ihr nach DDR-Recht zustehenden Zahlbetrag zu erhalten.
Durch Bescheid vom 6. September 1996 erkannte die Beklagte einen Anspruch auf Altersrente nach Art. 2 RÜG ab dem 1. August 1994 an und gewährte von Beginn an einen Übergangszuschlag nach § 319b SGB VI. Die Rente nach Art. 2 RÜG wurde auf der Grundlage von 39 anrechenbaren Arbeitsjahren und dem Renten-Mindestbetrag für 39 Arbeitsjahre berechnet. Nicht berücksichtigt wurde bei dieser Berechnung die Zeit vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960.
Durch Urteil vom 19. Januar 1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Die von der Klägerin beanstandete sogenannte Systementscheidung sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verfassungsgemäß. Aber auch die Anerkennung der geltend gemachten Beitragszeiten sei nicht möglich. Im Besonderen sei eine beitragspflichtige Beschäftigung von 1952 bis 1960 nicht glaubhaft gemacht. Auf § 307c SGB VI könne sich die Klägerin insoweit nicht berufen, weil er nur für Bestandsrenten gelte. Aber auch aus § 286b SGB VI könne sie keine Rechte herleiten. Der Nachweis dieser Zeit scheide aus, weil sie weder in einen Sozialversicherungsausweis eingetragen sei, noch andere beweiskräftige Unterlagen hätten vorgelegt werden können. Die Glaubhaftmachung sei ebenfalls nicht gelungen. Zwar habe die Klägerin die vom Gesetz zugelassene eidesstattliche Versicherung abgegeben. Diese Erklärung enthalte abgesehen vom jährlichen Bruttoeinkommen aber keine genaueren Angaben über das Beschäftigungsverhältnis. Der Name des Fuhrunternehmers sei nicht genannt worden und der Hinweis der Klägerin, dass alle Zeugen verstorben seien, gebe keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen. Da eine eidesstattliche Versicherung nur angefordert werden solle, wenn sie geeignet erscheine, die Wahrheit zu finden und letzte Zweifel auszuräumen, könne im vorliegenden Fall angesichts des völligen Mangels weiterer Hinweise nicht von einem Ausräumen letzter Zweifel durch die eidesstattliche Versicherung ausgegangen werden. Darin werde auch der Grund zu sehen sein, dass die Beklagte keine eidesstattliche Versicherung angefordert habe.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2001 die Rente unter Berücksichtigung 2. AAÜG-Änderungsgesetzes neu berechnet. Sie hat ferner die Zeit vom 1. September 1949 bis zum 5. Juli 1952 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung anerkannt und sich verpflichtet, die Altersrente entsprechend von Beginn an neu festzustellen. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. Auf Grund eines mit der Beklagten geschlossenen Teilvergleichs vom 12. März 2003 wendet sich die Klägerin ferner nicht mehr gegen die Rentenanpassungsentscheidungen zum 1. Juli 2000, 1. Juli 2001 und 1. Juli 2002. Mit der Berufung macht sie noch die Zeit vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 als Beitragszeit rentensteigernd geltend. Ferner wendet sie sich gegen die sogenannte "Systementscheidung" und gegen die Art der Dynamisierung des Ausgangsbetrags für die Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 1998 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1995 sowie die Rentenbescheide vom 6. September 1996 und vom 27. November 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Altersrente ab 1. August 1994 zu gewähren und bei der Neuberechnung die Ansprüche der Klägerin auf Rente aus der Sozialversicherung, überführt in die gesetzliche Rentenversicherung und auf Rente aus dem Zusatzversorgungssystem in der Höhe, wie diese Ansprüche in der DDR erworben wurden und wie sie nach dem Beitritt anzupassen waren und weiterhin anzupassen sind, insbesondere also ohne die durch die Systementscheidung vermittelte Liquidierung der zusätzlichen bzw. der Gesamtversorgungsansprüche zugrunde zu legen sowie die mit den eidesstattlichen Versicherungen vom 18. April 1994 und vom 14. Februar 2000 belegte Zeit vom 1. September 1952 bis 31. Dezember 1960 als Beitragszeit zu berücksichtigen sowie bei der Vergleichsberechnung gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG den für den besitzgeschützten Betrag maßgebenden Ausgangsbetrag bereits ab 1. Juli 1990 zu dynamisieren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2001 abzuweisen.
Sie trägt vor: Die noch geltend gemachte Beitragszeit sei weiterhin nicht glaubhaft gemacht, im Übrigen entsprächen die angefochtenen Bescheide dem geltenden Recht.
Der Senat hat aus der beim Bundesministerium für Landwirtschaft verwahrten Personalakte der Klägerin den Personalbogen zu den Akten genommen.
Die Gerichtsakten des hiesigen Rechtsstreits und des Rechtsstreits L 16 An 27/98 (S 15 An 3618/97) sowie die Renten- und die Zusatzversorgungsakte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2001, der gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist und über den der Senat kraft Klage zu entscheiden hatte, sind nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen sind die Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2001 nicht begründet.
Die von der Klägerin geltend gemachte Beschäftigung in der Zeit vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 ist als Beitragszeit glaubhaft gemacht. Ausgehend davon hat die Klägerin einen Anspruch auf Neufeststellung der nach dem SGB VI berechneten Altersrente wie auch der auf der Grundlage des Art. 2 RÜG berechnete Rente für die Zeit ab 1. August 1994. Das schließt eine neue Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG ein.
Machen Versicherte glaubhaft, dass sie im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 9. Mai 1945 bis 31. Dezember 1991 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben und von diesem entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, sind die dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegenden Zeiträume als Beitragszeit anzuerkennen (§ 286b Satz 1 SGB VI, Art. 2 § 26 Abs. 3 Satz 1 RÜG). Als Mittel der Glaubhaftmachung können dabei auch Versicherungen an Eides statt zugelassen werden (§ 286b Satz 2 SGB VI, Art. 2 § 26 Abs. 3 Satz 3 RÜG). Eine Tatsache ist dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Die Angaben der Klägerin, dass sie vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 durchgehend als Schreibkraft für einen privaten Fuhrunternehmer tätig gewesen sei, lassen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass sie in dieser Zeit ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt hat und dass hiervon Beiträge zur Rentenversicherung der DDR abgezogen worden sind. Die Klägerin hat die Art der von ihr ausgeübten Tätigkeit, den Beginn und das Ende der Beschäftigung und den Arbeitslohn angeben können. Ferner hat sie zumindest eine Erinnerung an den Namen des Arbeitgebers, den sie mit "Jäger" angegeben hat. Damit hat sie das äußerliche Bild einer versicherungspflichtigen Tätigkeit im Sinne des im fraglichen Zeitraums in der DDR geltenden Rechts umschrieben: Nach § 3 Buchstabe a) in Verbindung mit § 5 der Verordnung über die Sozialpflichtversicherung vom 28. Januar 1947 (- VSV -, Arbeit und Sozialfürsorge 1947, S. 92; abgelöst zum 1. Januar 1962 durch die Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 21. Dezember 1961, GBl. II S. 533) unterlagen der Versicherungspflicht unter anderem alle mit einem Arbeitsvertrag gegen Entgelt in unselbständiger Arbeit stehenden ständig oder unständig Beschäftigten. Dass die Beschäftigung versicherungspflichtig war, lässt den weiteren Schluss zu, dass von ihrem Arbeitsentgelt auch Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden sind. Denn es ist keine Vorschrift des damals geltenden Rechts ersichtlich, aus der abgeleitet werden könnte, dass die Beschäftigung zwar versicherungspflichtig, aber beitragsfrei war.
Die Glaubhaftmachung kann auch ausschließlich auf die Angaben der Klägerin, im Besonderen der von ihr gegenüber der Beklagten als zuständiger Stelle (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB X, Art. 2 § 26 Abs. 3 Satz 4 RÜG) abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen gestützt werden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts beschränkt sich die mögliche Wirkung einer eidesstattlichen Versicherung nicht darauf, nur letzte Zweifel auszuräumen, welche - bei vorhandenen weiteren Beweismitteln - dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit entgegenstehen. Solch eine einschränkende Auslegung findet im Gesetz keine Stütze, zumal es auch sonst keine formalen Beweisregeln etwa dergestalt vorsieht, dass ein Beweismittel noch durch ein zweites gestützt werden müsste. Der etwaigen Gefahr des Missbrauchs eidesstattlicher Versicherungen wird - neben der strafrechtlichen Sanktion bei Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung - bereits dadurch vorgebeugt, dass die Glaubhaftmachung durch dieses Beweismittel nur in einer sehr geringen Zahl von Fällen vorgesehen ist. Diese Fälle aber zeichnen sich im Allgemeinen dadurch aus, dass sich der Anspruchsteller durch Zeitablauf oder besonders schwerwiegende zeitgeschichtliche Umstände in besonderer Beweisnot befindet (z.B. §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Fremdrentengesetz, 3 Abs. 1 Satz 1 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung). Die Möglichkeit der eidesstattlichen Versicherung soll dem Anspruchsteller dann aber gerade dazu verhelfen, notfalls auch allein durch seine eigenen Angaben noch den von ihm angestrebten sozialversicherungsrechtlichen Vorteil erlangen zu können. Für sogenannte Bestandsrenten aus der DDR (§ 307b SGB VI) sieht § 307c Abs. 2 Satz 1 SGB VI zudem ausdrücklich vor, dass bei fehlenden Unterlagen (zwingend) vom Vorbringen des Anspruchstellers auszugehen ist, es sei denn, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Vorbringen nicht zutrifft. Diese Beweisregel zeigt, dass der Gesetzgeber rentenrechtlich relevante Sachverhalte aus der früheren DDR dem Grunde nach eher großzügig behandelt wissen wollte (zu der Vorschrift siehe auch das Urteil des Senats vom 28. Oktober 2002 - L 16 RA 67/01 -).
Ungeachtet dessen kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass die von der Klägerin eidesstattlich versicherten Angaben auch deshalb glaubhaft sind, weil ausgesprochen naheliegende, der Lebenserfahrung allgemein entsprechende Umstände für die Darstellung der Klägerin sprechen. Derartige Umstände sind im Rahmen der Glaubhaftmachung ebenfalls zu berücksichtigen, denn bestimmte Beweismittel sind hierfür nicht vorgeschrieben (BVerfGE 38, 35 [39]; BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1). Für den Vortrag der Klägerin sprechende naheliegende Umstände der Lebenserfahrung sind die geschichtlich allgemein bekannten Verhältnisse in Deutschland zur fraglichen Zeit. Angesichts der Abwanderung zahlreicher Arbeitskräfte aus der DDR in die damalige Bundesrepublik und nach Berlin (West) vor dem Mauerbau und des damit verbundenen Arbeitskräftemangels in der DDR ist es zum einen unwahrscheinlich, dass eine nicht mehr der Schulpflicht unterliegende, arbeitsfähige und zudem unverheiratete Person wie die Klägerin über einen längeren Zeitraum keine regelmäßige Beschäftigung ausgeübt hätte. Zum anderen ist es ebenso wenig wahrscheinlich, dass angesichts der fortschreitenden, mehr oder weniger zwangsweisen Verstaatlichung der Wirtschaftsbetriebe in der DDR ein Privatbetrieb über einen längeren Zeitraum einen Arbeitnehmer hätte beschäftigen können, ohne von den gezahlten Entgelten die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen (zum Ganzen aus zeitgenössischer Sicht etwa Autorenkollektiv unter Leitung von Schlegel, Leitfaden des Arbeitsrechts, 1960, S. 148ff; Mampel, Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966, 181ff).
Dass die Klägerin keine Angaben zu Arbeitsunterbrechungen (z.B. Krankheiten, Urlaube) gemacht hat, ist im Rahmen der Glaubhaftmachung ebenso wenig von Bedeutung wie genaue Angaben zum Verdienst beziehungsweise zur Höhe der Abzüge vom Verdienst. Soweit diese Umstände für die Rentenberechnung überhaupt von Bedeutung sind, wird dem mit der Glaubhaftmachung verbundenen geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit schon dadurch Rechnung getragen, dass die Rente nicht auf der Grundlage des tatsächlichen Verdienstes, sondern nach typisierten Durchschnittseinkünften berechnet wird (s. § 256b Abs. 2 SGB VI).
Ebenso wenig scheitert die Glaubhaftmachung daran, dass der Klägerin nach ihren eigenen Angaben für die Beschäftigung vor 1961 kein "Arbeitsbuch" ausgehändigt worden war. Zwar war das Arbeitsbuch in der DDR grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass ein Arbeitnehmer überhaupt von einem Arbeitgeber beschäftigt werden durfte (Autorenkollektiv a.a.O. S. 170). Die Klägerin hat indessen nicht bestritten, das ein Arbeitsbuch existiert hat, sondern lediglich, dass es ihr bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgehändigt worden sei. Der weitergehendere Schluss, dass ein Arbeitsverhältnis gar nicht bestanden haben könne, kann aus ihren Angaben deshalb nicht gezogen werden. Auch der Umstand, dass der vorliegende, im Januar 1961 ausgestellte Versicherungsausweis der Sozialversicherung die Nummer 1 trägt, lässt nicht den Rückschluss zu, dass in der Zeit vorher überhaupt kein Versicherungsverhältnis in der Sozialversicherung bestanden hat. Es handelt sich um eine bloße Ordnungsziffer, die ebenso gut zutreffend wie unzutreffend sein kann. Der begrenzte Aussagewert solcher Ordnungsziffern wird auch vom aktuellen Gesetzgeber anerkannt. So sieht § 1 Abs. 1 Satz 1 der Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung (VKVV; vom 30. März 2001, BGBl. I S. 455) zwar vor, dass jeder Versicherte nur einmal eine Versicherungsnummer erhält, die ihm aus Anlass der erstmaligen versicherungspflichtigen Beschäftigung erteilt wird. Gleichwohl ist aber ausdrücklich auch das Verfahren für den Fall geregelt, dass für ein und dieselbe Person mehrere Versicherungsnummern vergeben worden sind (§ 3 Abs. 2 VKVV). Welcher Grund dazu geführt hat, ist unbeachtlich.
Keinen Erfolg konnte die Klägerin dagegen mit ihrem weitergehenden Begehren haben. Die Beklagte hat die Rentenleistungen auf der Grundlage des geltenden Rechts - von den bisher nicht berücksichtigten rentenrechtlichen Zeiten abgesehen - zutreffend berechnet und die Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG ordnungsgemäß durchgeführt. Die von der Klägerin mit ihrem Klageantrag offenkundig monierte sogenannte Systementscheidung, die verschiedenen Leistungen der Altersversorgung der DDR in eine einheitliche, nach dem SGB VI berechnete Rente zu überführen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu beanstanden (Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 - BVerfGE 100, 1ff). Der Senat sieht keinen Grund, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen.
Für die von der Klägerin gewünschte Anpassung des besitzgeschützten Betrags im Rahmen der Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG bereits zum 1. Juli 1990 gibt es keine rechtliche Grundlage. Die Vorschriften über die Dynamisierung (§ 4 Abs. 4 Satz 3 bis 6 AAÜG) beziehen sich auf den besitzgeschützten Betrag. Dieser errechnet sich zum Stichtag 1. Juli 1990. Ausgehend von diesem Stichtag kann sich die vorgesehene "jährliche" Dynamisierung des besitzgeschützten Betrags nicht schon am Stichtag selbst auswirken, sondern erst für Zeiten ab 1. Januar 1992. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist darin nicht zu sehen (BSG SozR 3-8570 § 4 Nrn. 3 und 4).
Dass die angefochtenen Bescheide in anderer Weise rechtswidrig wären, ist nicht ersichtlich. Indem die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden Rentenhöchstbeträge festgesetzt hat, hat sie im Besonderen nicht gegen das Gebot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen. Danach darf ein die Rentenhöhe endgültig bewilligender Bescheid erst ergehen, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist und die Rentenhöhe endgültig feststeht (BSG, Urteile vom 14. Mai 1996 - 4 RA 95/94 - und vom 29. Oktober 2002 - B 4 RA 22/02 R -). Dies war hier der Fall, weil der Überführungsbescheid vom 16. September 1994 bestandskräftig geworden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe von Altersrente.
Die Klägerin ist am 12. Juli 1934 geboren worden und seit Februar 1963 verheiratet. Vom 1. September 1949 bis zum 5. Juli 1952 besuchte sie ausweislich des Abschlusszeugnisses vom 5. Juli 1952 die Kreisberufsschule Liebenwerda. Von September 1952 bis Dezember 1960 arbeitete sie nach ihren Angaben bei einem privaten Transportunternehmer in Bad Liebenwerda als Schreibkraft bei einem Verdienst von monatlich zirka 258,- M beziehungsweise jährlich zirka 3100,- M. Anschließend war die Klägerin vom 1. Januar 1961 bis zum 31. März 1963 beim Rat des Kreises Liebenwerda und, nach einer Zeit der "Familienversicherung" bei ihrem Ehemann, vom 1. September 1964 bis zum 2. Oktober 1990 im Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR bzw dessen Vorgänger-Institutionen tätig. Vom 1. März 1971 bis 30. Juni 1990 gehörte sie der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (FZAV) an.
Im Mai 1994 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr ab 1. August 1994 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren. Ihr waren hierauf die vom Träger der Zusatzversorgung nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festgestellten Daten durch bestandskräftig gewordenen "Überführungsbescheid" vom 16. September 1994 bekannt gegeben worden. In dem Bescheid wurde die Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 30. Juni 1990 - mit Ausnahme der Zeit der Familienversicherung 1963/64 - als nachgewiesene Zeit der Zugehörigkeit zur FZAV festgestellt. Ein von der Klägerin angestrengtes Überprüfungsverfahren blieb erfolglos (Bescheid vom 27. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 1997; das anschließende Klageverfahren wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 1998 - L 16 RA 27/98 - abgeschlossen).
Auf der Grundlage des Überführungsbescheides vom 16. September 1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 10. Oktober 1994 ab 1. August 1994 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs-Sechstes Buch (SGB VI). Die Anerkennung der Zeiten vom 1. September 1949 bis zum 5. Juli 1952 und vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 als Beitragszeiten wurde abgelehnt. Für den zweiten Zeitraum sei weder der Verlust der Beitragsunterlagen noch die Beitragszahlung nachgewiesen. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Für die Zeit der Tätigkeit bei einem privaten Fuhrunternehmen müsse ihre eidesstattliche Versicherung vom 18. April 1994 akzeptiert werden, auf die Bezug genommen wird.
Durch Widerspruchsbescheid vom 25. April 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Zeit des Besuchs der Berufsschule könne weder als Beitragszeit noch als Anrechnungszeit anerkannt werden. Die geltend gemachte Beschäftigung bei einem privaten Fuhrbetrieb könne nicht als Beitragszeit berücksichtigt werden, weil die Entrichtung von Beiträgen nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden sei. Die abgegebene eidesstattliche Versicherung belege das nicht hinreichend, zumal die Klägerin selbst angegeben habe, dass ihr ein Arbeitsbuch bzw ein Sozialversicherungsausweis nicht ausgehändigt worden sei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin weiter die Anerkennung der von der Beklagten abgelehnten Beitragszeiten geltend gemacht. Den Namen des Fuhrunternehmers erinnere sie mit "Jäger". Nachdem dieser die DDR verlassen habe, habe sie die Tätigkeit beim Rat des Kreises Elsterwerda aufgenommen. Die Beklagte verkenne, dass in der DDR Arbeitspflicht bestanden habe. Ferner hat sie sich gegen die sogenannte "Systementscheidung" gewandt und beansprucht, eine Vergleichsberechnung nach dem Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) sowie Vertrauensschutz für den ihr nach DDR-Recht zustehenden Zahlbetrag zu erhalten.
Durch Bescheid vom 6. September 1996 erkannte die Beklagte einen Anspruch auf Altersrente nach Art. 2 RÜG ab dem 1. August 1994 an und gewährte von Beginn an einen Übergangszuschlag nach § 319b SGB VI. Die Rente nach Art. 2 RÜG wurde auf der Grundlage von 39 anrechenbaren Arbeitsjahren und dem Renten-Mindestbetrag für 39 Arbeitsjahre berechnet. Nicht berücksichtigt wurde bei dieser Berechnung die Zeit vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960.
Durch Urteil vom 19. Januar 1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Die von der Klägerin beanstandete sogenannte Systementscheidung sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verfassungsgemäß. Aber auch die Anerkennung der geltend gemachten Beitragszeiten sei nicht möglich. Im Besonderen sei eine beitragspflichtige Beschäftigung von 1952 bis 1960 nicht glaubhaft gemacht. Auf § 307c SGB VI könne sich die Klägerin insoweit nicht berufen, weil er nur für Bestandsrenten gelte. Aber auch aus § 286b SGB VI könne sie keine Rechte herleiten. Der Nachweis dieser Zeit scheide aus, weil sie weder in einen Sozialversicherungsausweis eingetragen sei, noch andere beweiskräftige Unterlagen hätten vorgelegt werden können. Die Glaubhaftmachung sei ebenfalls nicht gelungen. Zwar habe die Klägerin die vom Gesetz zugelassene eidesstattliche Versicherung abgegeben. Diese Erklärung enthalte abgesehen vom jährlichen Bruttoeinkommen aber keine genaueren Angaben über das Beschäftigungsverhältnis. Der Name des Fuhrunternehmers sei nicht genannt worden und der Hinweis der Klägerin, dass alle Zeugen verstorben seien, gebe keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen. Da eine eidesstattliche Versicherung nur angefordert werden solle, wenn sie geeignet erscheine, die Wahrheit zu finden und letzte Zweifel auszuräumen, könne im vorliegenden Fall angesichts des völligen Mangels weiterer Hinweise nicht von einem Ausräumen letzter Zweifel durch die eidesstattliche Versicherung ausgegangen werden. Darin werde auch der Grund zu sehen sein, dass die Beklagte keine eidesstattliche Versicherung angefordert habe.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2001 die Rente unter Berücksichtigung 2. AAÜG-Änderungsgesetzes neu berechnet. Sie hat ferner die Zeit vom 1. September 1949 bis zum 5. Juli 1952 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung anerkannt und sich verpflichtet, die Altersrente entsprechend von Beginn an neu festzustellen. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. Auf Grund eines mit der Beklagten geschlossenen Teilvergleichs vom 12. März 2003 wendet sich die Klägerin ferner nicht mehr gegen die Rentenanpassungsentscheidungen zum 1. Juli 2000, 1. Juli 2001 und 1. Juli 2002. Mit der Berufung macht sie noch die Zeit vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 als Beitragszeit rentensteigernd geltend. Ferner wendet sie sich gegen die sogenannte "Systementscheidung" und gegen die Art der Dynamisierung des Ausgangsbetrags für die Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 1998 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 1995 sowie die Rentenbescheide vom 6. September 1996 und vom 27. November 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine höhere Altersrente ab 1. August 1994 zu gewähren und bei der Neuberechnung die Ansprüche der Klägerin auf Rente aus der Sozialversicherung, überführt in die gesetzliche Rentenversicherung und auf Rente aus dem Zusatzversorgungssystem in der Höhe, wie diese Ansprüche in der DDR erworben wurden und wie sie nach dem Beitritt anzupassen waren und weiterhin anzupassen sind, insbesondere also ohne die durch die Systementscheidung vermittelte Liquidierung der zusätzlichen bzw. der Gesamtversorgungsansprüche zugrunde zu legen sowie die mit den eidesstattlichen Versicherungen vom 18. April 1994 und vom 14. Februar 2000 belegte Zeit vom 1. September 1952 bis 31. Dezember 1960 als Beitragszeit zu berücksichtigen sowie bei der Vergleichsberechnung gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG den für den besitzgeschützten Betrag maßgebenden Ausgangsbetrag bereits ab 1. Juli 1990 zu dynamisieren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2001 abzuweisen.
Sie trägt vor: Die noch geltend gemachte Beitragszeit sei weiterhin nicht glaubhaft gemacht, im Übrigen entsprächen die angefochtenen Bescheide dem geltenden Recht.
Der Senat hat aus der beim Bundesministerium für Landwirtschaft verwahrten Personalakte der Klägerin den Personalbogen zu den Akten genommen.
Die Gerichtsakten des hiesigen Rechtsstreits und des Rechtsstreits L 16 An 27/98 (S 15 An 3618/97) sowie die Renten- und die Zusatzversorgungsakte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2001, der gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist und über den der Senat kraft Klage zu entscheiden hatte, sind nur in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen sind die Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 27. November 2001 nicht begründet.
Die von der Klägerin geltend gemachte Beschäftigung in der Zeit vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 ist als Beitragszeit glaubhaft gemacht. Ausgehend davon hat die Klägerin einen Anspruch auf Neufeststellung der nach dem SGB VI berechneten Altersrente wie auch der auf der Grundlage des Art. 2 RÜG berechnete Rente für die Zeit ab 1. August 1994. Das schließt eine neue Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG ein.
Machen Versicherte glaubhaft, dass sie im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 9. Mai 1945 bis 31. Dezember 1991 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben und von diesem entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, sind die dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde liegenden Zeiträume als Beitragszeit anzuerkennen (§ 286b Satz 1 SGB VI, Art. 2 § 26 Abs. 3 Satz 1 RÜG). Als Mittel der Glaubhaftmachung können dabei auch Versicherungen an Eides statt zugelassen werden (§ 286b Satz 2 SGB VI, Art. 2 § 26 Abs. 3 Satz 3 RÜG). Eine Tatsache ist dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Die Angaben der Klägerin, dass sie vom 1. September 1952 bis zum 31. Dezember 1960 durchgehend als Schreibkraft für einen privaten Fuhrunternehmer tätig gewesen sei, lassen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Schluss zu, dass sie in dieser Zeit ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erzielt hat und dass hiervon Beiträge zur Rentenversicherung der DDR abgezogen worden sind. Die Klägerin hat die Art der von ihr ausgeübten Tätigkeit, den Beginn und das Ende der Beschäftigung und den Arbeitslohn angeben können. Ferner hat sie zumindest eine Erinnerung an den Namen des Arbeitgebers, den sie mit "Jäger" angegeben hat. Damit hat sie das äußerliche Bild einer versicherungspflichtigen Tätigkeit im Sinne des im fraglichen Zeitraums in der DDR geltenden Rechts umschrieben: Nach § 3 Buchstabe a) in Verbindung mit § 5 der Verordnung über die Sozialpflichtversicherung vom 28. Januar 1947 (- VSV -, Arbeit und Sozialfürsorge 1947, S. 92; abgelöst zum 1. Januar 1962 durch die Verordnung über die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 21. Dezember 1961, GBl. II S. 533) unterlagen der Versicherungspflicht unter anderem alle mit einem Arbeitsvertrag gegen Entgelt in unselbständiger Arbeit stehenden ständig oder unständig Beschäftigten. Dass die Beschäftigung versicherungspflichtig war, lässt den weiteren Schluss zu, dass von ihrem Arbeitsentgelt auch Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden sind. Denn es ist keine Vorschrift des damals geltenden Rechts ersichtlich, aus der abgeleitet werden könnte, dass die Beschäftigung zwar versicherungspflichtig, aber beitragsfrei war.
Die Glaubhaftmachung kann auch ausschließlich auf die Angaben der Klägerin, im Besonderen der von ihr gegenüber der Beklagten als zuständiger Stelle (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB X, Art. 2 § 26 Abs. 3 Satz 4 RÜG) abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen gestützt werden. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts beschränkt sich die mögliche Wirkung einer eidesstattlichen Versicherung nicht darauf, nur letzte Zweifel auszuräumen, welche - bei vorhandenen weiteren Beweismitteln - dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit entgegenstehen. Solch eine einschränkende Auslegung findet im Gesetz keine Stütze, zumal es auch sonst keine formalen Beweisregeln etwa dergestalt vorsieht, dass ein Beweismittel noch durch ein zweites gestützt werden müsste. Der etwaigen Gefahr des Missbrauchs eidesstattlicher Versicherungen wird - neben der strafrechtlichen Sanktion bei Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung - bereits dadurch vorgebeugt, dass die Glaubhaftmachung durch dieses Beweismittel nur in einer sehr geringen Zahl von Fällen vorgesehen ist. Diese Fälle aber zeichnen sich im Allgemeinen dadurch aus, dass sich der Anspruchsteller durch Zeitablauf oder besonders schwerwiegende zeitgeschichtliche Umstände in besonderer Beweisnot befindet (z.B. §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Fremdrentengesetz, 3 Abs. 1 Satz 1 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung). Die Möglichkeit der eidesstattlichen Versicherung soll dem Anspruchsteller dann aber gerade dazu verhelfen, notfalls auch allein durch seine eigenen Angaben noch den von ihm angestrebten sozialversicherungsrechtlichen Vorteil erlangen zu können. Für sogenannte Bestandsrenten aus der DDR (§ 307b SGB VI) sieht § 307c Abs. 2 Satz 1 SGB VI zudem ausdrücklich vor, dass bei fehlenden Unterlagen (zwingend) vom Vorbringen des Anspruchstellers auszugehen ist, es sei denn, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieses Vorbringen nicht zutrifft. Diese Beweisregel zeigt, dass der Gesetzgeber rentenrechtlich relevante Sachverhalte aus der früheren DDR dem Grunde nach eher großzügig behandelt wissen wollte (zu der Vorschrift siehe auch das Urteil des Senats vom 28. Oktober 2002 - L 16 RA 67/01 -).
Ungeachtet dessen kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass die von der Klägerin eidesstattlich versicherten Angaben auch deshalb glaubhaft sind, weil ausgesprochen naheliegende, der Lebenserfahrung allgemein entsprechende Umstände für die Darstellung der Klägerin sprechen. Derartige Umstände sind im Rahmen der Glaubhaftmachung ebenfalls zu berücksichtigen, denn bestimmte Beweismittel sind hierfür nicht vorgeschrieben (BVerfGE 38, 35 [39]; BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1). Für den Vortrag der Klägerin sprechende naheliegende Umstände der Lebenserfahrung sind die geschichtlich allgemein bekannten Verhältnisse in Deutschland zur fraglichen Zeit. Angesichts der Abwanderung zahlreicher Arbeitskräfte aus der DDR in die damalige Bundesrepublik und nach Berlin (West) vor dem Mauerbau und des damit verbundenen Arbeitskräftemangels in der DDR ist es zum einen unwahrscheinlich, dass eine nicht mehr der Schulpflicht unterliegende, arbeitsfähige und zudem unverheiratete Person wie die Klägerin über einen längeren Zeitraum keine regelmäßige Beschäftigung ausgeübt hätte. Zum anderen ist es ebenso wenig wahrscheinlich, dass angesichts der fortschreitenden, mehr oder weniger zwangsweisen Verstaatlichung der Wirtschaftsbetriebe in der DDR ein Privatbetrieb über einen längeren Zeitraum einen Arbeitnehmer hätte beschäftigen können, ohne von den gezahlten Entgelten die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen (zum Ganzen aus zeitgenössischer Sicht etwa Autorenkollektiv unter Leitung von Schlegel, Leitfaden des Arbeitsrechts, 1960, S. 148ff; Mampel, Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966, 181ff).
Dass die Klägerin keine Angaben zu Arbeitsunterbrechungen (z.B. Krankheiten, Urlaube) gemacht hat, ist im Rahmen der Glaubhaftmachung ebenso wenig von Bedeutung wie genaue Angaben zum Verdienst beziehungsweise zur Höhe der Abzüge vom Verdienst. Soweit diese Umstände für die Rentenberechnung überhaupt von Bedeutung sind, wird dem mit der Glaubhaftmachung verbundenen geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit schon dadurch Rechnung getragen, dass die Rente nicht auf der Grundlage des tatsächlichen Verdienstes, sondern nach typisierten Durchschnittseinkünften berechnet wird (s. § 256b Abs. 2 SGB VI).
Ebenso wenig scheitert die Glaubhaftmachung daran, dass der Klägerin nach ihren eigenen Angaben für die Beschäftigung vor 1961 kein "Arbeitsbuch" ausgehändigt worden war. Zwar war das Arbeitsbuch in der DDR grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass ein Arbeitnehmer überhaupt von einem Arbeitgeber beschäftigt werden durfte (Autorenkollektiv a.a.O. S. 170). Die Klägerin hat indessen nicht bestritten, das ein Arbeitsbuch existiert hat, sondern lediglich, dass es ihr bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgehändigt worden sei. Der weitergehendere Schluss, dass ein Arbeitsverhältnis gar nicht bestanden haben könne, kann aus ihren Angaben deshalb nicht gezogen werden. Auch der Umstand, dass der vorliegende, im Januar 1961 ausgestellte Versicherungsausweis der Sozialversicherung die Nummer 1 trägt, lässt nicht den Rückschluss zu, dass in der Zeit vorher überhaupt kein Versicherungsverhältnis in der Sozialversicherung bestanden hat. Es handelt sich um eine bloße Ordnungsziffer, die ebenso gut zutreffend wie unzutreffend sein kann. Der begrenzte Aussagewert solcher Ordnungsziffern wird auch vom aktuellen Gesetzgeber anerkannt. So sieht § 1 Abs. 1 Satz 1 der Versicherungsnummern-, Kontoführungs- und Versicherungsverlaufsverordnung (VKVV; vom 30. März 2001, BGBl. I S. 455) zwar vor, dass jeder Versicherte nur einmal eine Versicherungsnummer erhält, die ihm aus Anlass der erstmaligen versicherungspflichtigen Beschäftigung erteilt wird. Gleichwohl ist aber ausdrücklich auch das Verfahren für den Fall geregelt, dass für ein und dieselbe Person mehrere Versicherungsnummern vergeben worden sind (§ 3 Abs. 2 VKVV). Welcher Grund dazu geführt hat, ist unbeachtlich.
Keinen Erfolg konnte die Klägerin dagegen mit ihrem weitergehenden Begehren haben. Die Beklagte hat die Rentenleistungen auf der Grundlage des geltenden Rechts - von den bisher nicht berücksichtigten rentenrechtlichen Zeiten abgesehen - zutreffend berechnet und die Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG ordnungsgemäß durchgeführt. Die von der Klägerin mit ihrem Klageantrag offenkundig monierte sogenannte Systementscheidung, die verschiedenen Leistungen der Altersversorgung der DDR in eine einheitliche, nach dem SGB VI berechnete Rente zu überführen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu beanstanden (Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 - BVerfGE 100, 1ff). Der Senat sieht keinen Grund, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen.
Für die von der Klägerin gewünschte Anpassung des besitzgeschützten Betrags im Rahmen der Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG bereits zum 1. Juli 1990 gibt es keine rechtliche Grundlage. Die Vorschriften über die Dynamisierung (§ 4 Abs. 4 Satz 3 bis 6 AAÜG) beziehen sich auf den besitzgeschützten Betrag. Dieser errechnet sich zum Stichtag 1. Juli 1990. Ausgehend von diesem Stichtag kann sich die vorgesehene "jährliche" Dynamisierung des besitzgeschützten Betrags nicht schon am Stichtag selbst auswirken, sondern erst für Zeiten ab 1. Januar 1992. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist darin nicht zu sehen (BSG SozR 3-8570 § 4 Nrn. 3 und 4).
Dass die angefochtenen Bescheide in anderer Weise rechtswidrig wären, ist nicht ersichtlich. Indem die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden Rentenhöchstbeträge festgesetzt hat, hat sie im Besonderen nicht gegen das Gebot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen. Danach darf ein die Rentenhöhe endgültig bewilligender Bescheid erst ergehen, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist und die Rentenhöhe endgültig feststeht (BSG, Urteile vom 14. Mai 1996 - 4 RA 95/94 - und vom 29. Oktober 2002 - B 4 RA 22/02 R -). Dies war hier der Fall, weil der Überführungsbescheid vom 16. September 1994 bestandskräftig geworden war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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