L 6 RJ 430/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 453/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 430/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Leistung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der am 1949 geborene Kläger, der keine Berufsausbildung aufzuweisen hat, war in seinem Arbeitsleben seit April 1966 als Hilfsarbeiter, Fabrikarbeiter und (vom 15.10.1981 bis 30.09. 1998) als Beton-Facharbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Hierbei hat es sich nach der Auskunft der Firma K. B. gegenüber der Beklagten um eine ungelernte Arbeit gehandelt, für die eine Einarbeitung von maximal zwei Monaten genügt hatte.

Den ersten auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag des Klägers vom 14.10.1998 hat die Beklagte mit Bescheid vom 07.01.1999 und Widerspruchsbescheid vom 20.05.1999 abgelehnt, weil der Kläger noch vollschichtig zu arbeiten in der Lage sei und nicht wenigstens Berufsunfähigkeit vorliege.

Am 03.09.1999 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Zahlung einer Rente bei der Beklagten. Diese holte das von dem Arzt für Chirurgie/Sozialmedizin Dr.M. am 29.12.1999 erstattete Gutachten ein und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.01.2000 und Widerspruchsbescheid vom 19.04.2000 ab, weil der Kläger trotz seiner Gesundheitsstörungen (wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Abnutzungserscheinungen und Bandscheibenschaden sowohl im Hals- als auch im Lendenwirbelsäulenbereich, Seitenausbiegung der Wirbelsäule und beginnende Abnutzungserscheinungen am linken Kniegelenk) noch in der Lage sei, Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben mit der Begründung, er sei nicht in der Lage, eine Arbeit von wirtschaftlichem Wert auszuüben. Im Vordergrund der gesundheitlichen Probleme stehe ein langjähriges Lendenwirbelsäulensyndrom, wobei bereits ein Diskusprolaps L 5/S 1 festgestellt worden sei.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers sowie das von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr.Z. am 06.07.2001 erstattete Gutachten eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger seit Oktober 1998 noch leichte Tätigkeiten vollschichtig und gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne Bücken und ohne Zwangshaltung, im Wechsel zwischen Gehen und Stehen, überwiegend im Sitzen, verrichten könne. In der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2001 wies das Sozialgericht sodann den Kläger darauf hin, dass bei ihm kein Berufsschutz bestehe und er auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht sodann das von dem Orthopäden Dr.H. am 10.10.2001 erstattete Gutachten eingeholt, der den Kläger noch für in der Lage erachtete, leichte Arbeiten unter Vermeidung von Zwangshaltungen und schwerem Heben, verbunden mit einem häufigen Wechsel der Körperposition halb- bis untervollschichtig bzw. unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Die noch mögliche Gehstrecke solle mehr als 500 m nicht überschreiten.

Nachdem die Beklagte hierzu eine Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr.L. vom 22.01.2001 vorgelegt hatte, nach dessen Auffassung das Gutachten des Dr.H. eine nicht nachvollziehbare sozialmedizinische Beurteilung aufweise, holte das Sozialgericht das von dem Arzt für Neurologie Dr.P. am 15.02.2002 erstattete weitere Gutachten ein. Dieser führte aus, der Kläger sei noch in der Lage, regelmäßig leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen und ohne Zwangshaltung in geschlossenen Räumen vollschichtig zu verrichten. Eine wesentliche Besserung sei durch ärztliche Behandlung möglich. Beschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte seien nicht gegeben.

Mit Urteil vom 24.05.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich der Auffassung von Dr.Z. und Dr.P./Dr.S. angeschlossen, wonach der Kläger noch vollschichtig arbeitsleistungsfähig sei. Bei einer Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe damit weder Erwerbs- noch Berufsfähigkeit. Dr.H. habe im Wesentlichen die gleichen Diagnosen gestellt wie die übrigen Sachverständigen. In seinem Gutachten mache er allgemeine Ausführungen zur Bedeutung und Funktion des chronischen Schmerzes, jedoch nicht, inwieweit diese zu sozialmedizinisch maßgebenden Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger führten.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, die dieser trotz Aufforderung durch den Senat nicht begründet hat.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat das von der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin Dr.M. am 17.02.2003 erstattete Gutachten eingeholt. Diese stellte ein chronisches Schmerzsyndrom der Hals- und Lendenwirbelsäule mit sensiblem Defizit L 5 links sowie eine reaktive Depression geringer Ausprägung fest. Seit September 1999 könne der Kläger unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses noch acht Stunden täglich leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten verrichten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne Zwangshaltungen. Er sei in der Lage, vor Arbeitsbeginn mehr als 500 m zu einem öffentlichen Verkehrsmittel und dann von diesem mehr als 500 m zum Arbeitsplatz in angemessener Geschwindigkeit zu Fuß zurückzulegen. Es bestehe begründete Aussicht, dass eine Besserung des Gesundheitszustandes und damit eine teilweise Besserung der qualitativen Leistungseinschränkungen eintrete, da die zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen noch nicht ausgeschöpft seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.05.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 20.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2000 aufzuheben und dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit im gesetzlichen Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Akten des Gerichts sowie der beigezogenen Klageakten des Sozialgerichts Landshut und der Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache erweist sie sich als unbegründet.

Der Kläger ist nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - gültig bis 31.12. 2000 und vorliegend noch anwendbar im Hinblick auf den im Jahre 1999 gestellten Antrag - weil er nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist bzw. war, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630,-- DM übersteigt. Seit Antragstellung war er aber auch nicht wenigstens berufsunfähig, weil seine Erwerbsfähigkeit noch nicht infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte (ab 01.01.2001: unter sechs Stunden) derjenigen eines körperlich oder geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (§ 43 Abs.2 Satz 1 SGB VI in der bis 31.12.2000 gültigen Fassung bzw. - ab 01.01.2001 - §§ 43 Abs.2, 240 Abs.2 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, BGBl I S.1824).

Hinsichtlich der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen und deren Auswirkungen auf seine Erwerbsfähigkeit sowie des im Rahmen des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas maßgeblichen Berufs des Klägers und der daraus zu ziehenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen war (§ 153 Abs.2 SGG). Insbesondere hat das Sozialgericht die Unverwertbarkeit der Schlussfolgerungen im Gutachten des auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen Dr.H. dargestellt, der das von ihm angenommene zeitlich eingeschränkte Leistungsvermögen nicht schlüssig zu begründen vermochte. Das Ergebnis der Beweisaufnahme im Verfahren 1. Instanz wird nunmehr durch die vom Senat gehörte Sachverständige Dr.M. bestätigt, die insbesondere gegenüber dem Orthopäden die für die Beurteilung einer Schmerzkrankheit erforderliche Fachkompetenz besitzt. Als Ergebnis ihrer Untersuchung beschreibt die Sachverständige beim Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom der Hals- und Lendenwirbelsäule mit sensiblen Defiziten L 5/S 1 links und eine reaktive Depression geringer Ausprägung bei chronischen Schmerzen. Zwar wird der Kläger durch diese Schmerzen subjektiv in seinem Erleben beeinträchtigt, eine Rolle spielt dabei jedoch auch, dass er subjektiv diese Schmerzen überbewertet, die Ausdruck für gewisse Entschädigungswünsche sind. Der umschriebene Schmerz zeigt keine Generalisierungstendenzen und hat noch nicht zu psychischen Begleitsymptomen - etwa einer belangvollen Depressivität - geführt, was bei chronischen Schmerzpatienten häufig der Fall ist. Trotz eines gewissen Vermeidungsverhaltens, körperliche Belastungen betreffend, kommt der Kläger mit den wesentlichen Anforderungen des Alltags zurecht. Die Sachverständige betont, dass es bei der Beurteilung der sozialmedizinischen Leistungsfähigkeit nicht entscheidend ist, ob der Schmerz zu einem Umbau von Hirnarealen geführt hat, es ist vielmehr wesentlich, ob sich Störungen aus der emotionalen Ebene, im Antriebsverhalten, in den sozialkommunikativen Bezügen und in der Kognition ergeben haben. Beim Kläger besteht keine schwerwiegende Störung des Affektes und des Antriebsverhaltens und auch keine schwergradige Beeinträchtigung der Teilnahmemöglichkeit an Aktivitäten des täglichen Lebens. Es sind nach Auffassung der Sachverständigen die zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen bisher nicht ausgeschöpft, weshalb ein Behandlungsversuch mit einem präzyklischen Antidepressivum durchgeführt werden könnte. Es besteht deshalb die Notwendigkeit der Durchführung einer ambulanten Psychotherapie mit verhaltenstherapeutischer Ausrichtung. Insgesamt ist der Kläger aber seit Antragstellung noch für fähig zu erachten, acht Stunden täglich leichte und gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Nicht mehr möglich sind Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit sowie Zeitdruck, Nachtschicht, schweres Heben und Tragen sowie Zwangshaltungen.

Nachdem das Sozialgericht auch zu Recht von einer Verweisbarkeit des Klägers auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen ist - er hat nach der Auskunft seines letzten Arbeitgebers K. B. GmbH gegenüber die Beklagte ungelernte Tätigkeiten ausgeübt - , besteht kein Anspruch auf Rente gegenüber der Beklagten. Es bestand auch keinerlei Veranlassung, weitere Gutachten von Amtswegen einzuholen, da der Sachverhalt umfassend aufgeklärt ist.

Die Berufung gegen das zutreffende Urteil des Sozialgerichts Landshut war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterlegen des Klägers und Berufungsklägers auch im Berufungsverfahren.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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