L 16 RJ 42/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 Ar 5577/90 Ju
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 42/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Mai 1991 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1936 geborene Kläger wohnt in Bosnien-Herzegowina und bezieht dort seit 31.12.1986 eine Invalidenrente. Er hat keinen Beruf erlernt und war in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit vom 04.06.1968 bis 22.07.1974 mit Unterbrechungen als Einschaler versicherungspflichtig tätig.

Der Kläger stellte am 01.09.1986 in Jugoslawien Antrag auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Dem Rentenantrag wurde ein ärztliches Gutachten des Orthopäden Dr. P. vom 13.10. 1986 beigefügt. Der Gutachter stellte nach Untersuchung des Klägers die Diagnose einer dekompensierten Psychoneurosis (phobisch-obszessiv). Er nahm Bezug auf einen Entlassungsbericht des Zentrums für mentale Gesundheit in Z. über eine stationäre Behandlung vom 25.06. bis 03.07.1986. Die auf Verlangen der Rentenkommission erfolgte Behandlung habe der Kläger wegen des Preises der Hospitalisierung abgebrochen. Während der dortigen Beobachtung sei eine ausgeprägte Niedergedrücktheit und Depressivität mit ausgeprägt tief fixierten phobisch-obszessiven Störungen vorhanden gewesen, was ihn für Leben und Arbeit unfähig mache.

Vorgelegt wurden außerdem fortlaufende kurze fachärztliche Berichte des Neuropsychiaters Dr. B. für die Zeit vom Februar 1983 bis November 1984 mit der Diagnose einer Psychoneurosis sowie des Zentrums für mentale Gesundheit in Z. für die Zeit vom Oktober 1982 bis Juli 1986 mit derselben Diagnose. In einem ausführlicheren Bericht vom 18.11.1986 teilt das Zentrum mit, der Kläger sei mehrere Male in einem dekompensierten psychomotorischen Zustand dort gewesen und stehe ansonsten in ständigem Kontakt mit dem Therapeuten. Er könne sich auf einer relativ verträglichen Ebene halten, sei aber nicht in der Lage, irgendwelche Arbeiten anzunehmen und selbständig zu verrichten. Es handele sich um eine schwerste Form von Psychoneurose mit Charakterveränderungen. Dr. B. stellte am 06.03.1986 die Diagnose einer Neurosis nuklearis (obszessiv-phobisches Bild mit Charakterveränderung) mit irreversiblen Veränderungen. Die zur letzten stationären Aufnahme am 25.06.1986 führende Vorbegutachtung durch den Facharzt für Klinikpsychologie Prof. Dr. N. vom 22.05.1986 erbrachte eine Anxiosität, depressive Tendenzen, in den Antworten des Prüflings Elemente des Psychotischen, ziemlich bizarre Antworten, Kritiklosigkeit. Der soziale Kontakt mit dem Prüfling sei schwer aufrecht zu erhalten, er sei "bewusstseinsklar, schlechter orientiert zeitlich, depressiver Laune, anxiös, psychomotorisch verlangsamt, unsicher, unselbständig", komme sehr schwer in der Testsituation zurecht, die intellektuellen Fähigkeiten seien in der Kategorie der Grenzwerte mit der bedeutenden Minderung der Effizienz, was psychisch bedingt sei. Der Kläger selber berichtete, bei ihm seien 1977 Ängste aufgetreten, die ihn etwas erschütterten. Seither werde er vom Psychiater behandelt. Er könne sich nicht davon befreien, dürfe nicht alleine im Haus sein und ohne Licht schlafen; wenn er einschlafe, habe er schreckliche Träume. Wegen der Angst dürfte er nicht alleine aus dem Haus gehen, am häufigsten verbringe er die Zeit verschlossen im Haus und fühle sich zu keinerlei Arbeit fähig.

Eine Aufforderung vom 30.12.1987, sich einer Untersuchung in Regensburg zu unterziehen, lehnte der Kläger ohne Begründung ab. Auf weitere Aufforderung vom Mai 1988 teilte der Kläger mit, er könne nicht zur Untersuchung anreisen. Er fügte einen fachärztlichen Befund des Neuropsychiaters Dr. B. vom 02.06.1988 bei, wonach der Kläger wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes mit manifester Anxiösität und Beunruhigung derzeit nicht reisefähig sei.

Nach Auswertung der übersandten Unterlagen durch den sozialärztlichen Dienst der Beklagten (Stellungnahme vom 06.07. 1988) teilte die Beklagte dem Kläger mit, die vorgelegten medizinischen Unterlagen reichten zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht aus. Eine Einschätzung des Restleistungsvermögens ohne Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland sei nicht möglich. Das Rentenverfahren werde solange ausgesetzt, bis vom Kläger ein ärztliches Gutachten vorgelegt werde, dass er wieder reisefähig sei und zugleich ein Termin genannt werde, wann er der Vorladung zur Untersuchung Folge leisten könne. Um entsprechende Mitteilung werde gebeten (Schreiben vom 19.07.1988). Mit im übrigen gleichlautendem Schreiben vom 13.03.1989 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ansonsten müsse der Rentenantrag wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt werden.

Der Kläger wies erneut auf seine Reiseunfähigkeit hin (Schreiben vom 27.03.1989) und legte eine Bescheinigung des Neuropsychiaters Dr. B. vom 12.01.1989 vor, wonach er wegen eines chronischen, dekompensierten neurotischen Zustandes mit phobisch-obszessiver Form und mit Charakterveränderungen nicht zur Untersuchung anreisen könne.

Mit Bescheid vom 11.07.1989 lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 01.09.1986 mit der Begründung ab, der Kläger habe den Aufforderungen vom 30.12.1987 und Mai 1988 zu einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge geleistet. Auf die Folgen dieser fehlenden Mitwirkung sei er schriftlich hingewiesen worden.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 11.09. 1989). Er habe alle nötigen Unterlagen über seine Erkrankung vorgelegt und sein Nichterscheinen mit einer Reiseunfähigkeit entschuldigt. Auf Hinweise der Beklagten, es sei weiterhin eine Untersuchung in Deutschland erforderlich (Schreiben vom 23.10. 1989 und 11.01.1990), teilte der Kläger jeweils mit, er sei weiterhin reiseunfähig (Schreiben vom 09.11.1989 und 25.01. 1990). Er legte hierzu ärztliche Bescheinigungen vor, wonach er wegen Anfällen von Anxiosität und kritikloser Haltung gegenüber seinem sozialen Status (Dr. B. vom 08.11.1989) bzw. wegen der ausgeprägten Abhängigkeit vom Arzt, der Angst vor Krankheiten und wegen des unkritischen Bezugs zu seinem sozialen Status (Internist Dr. K. vom 24.01.1990) nicht reisefähig sei. Der sozialärztliche Dienst der Beklagten hielt eine Untersuchung in Deutschland weiterhin für erforderlich. Eine Reiseunfähigkeit sei nicht anzunehmen (Stellungnahmen vom 17.10.1989, 18.12.1989 und 02.03.1990). Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers wegen weiterhin fehlender Mitwirkung zurück (Widerspruchsbescheid vom 05.04.1990).

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 26.06.1990 - dem Sozialgericht Landshut (SG) zugegangen am 03.07.1990 - Klage. Seine Erwerbsunfähigkeit sei durch medizinische Unterlagen belegt. Zu einer Untersuchung in Deutschland könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen. Er legte hierzu eine Bescheinigung des medizinischen Zentrums in M. vom 29.08.1990 vor, wonach der Kläger unter einer Neurosis nuklearis gran gravis leide und nicht reisefähig sei.

Das SG holte daraufhin ein Aktenlage-Gutachten des Arbeitsmediziners Dr. K. vom 26.10.1990 mit ergänzender Stellungnahme vom 07.05.1991 ein. Dieser führte aus, beim Kläger liege als einzig relevante Erkrankung eine dekompensierte Psychoneurosis vor, die einen erheblichen leistungsmindernden Krankheitswert aber erst erhalte, wenn zusätzliche Ereignisse wie zerebrale Durchblutungsstörungen oder ähnliche Veränderungen hinzukämen. Solche seien nicht belegt. Die Erkrankung liege bereits seit 1977 vor. Es sei aber unwahrscheinlich, dass der Kläger bereits seit 1977 nicht mehr erwerbstätig sei, da er sonst sicherlich wesentlich früher einen Rentenantrag gestellt hätte. Eine Verschlimmerung des psychischen Gesundheitszustandes werde nicht belegt. Körperliche Gesundheitsstörungen lägen bei ihm nicht vor. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Arbeiten mit einigen qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. In Betracht kämen Lager- und Versandarbeiten, Straßenbauarbeiten, einfachere gröbere Werkarbeiten, Hof- und Aufräumungsarbeiten ohne Zeit- und Leistungsdruck u.ä. Tätigkeiten. Er könne sich aber nur auf einfachere als die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten umstellen, da er nur hierfür die psychische und wahrscheinlich die geistige Konzentration besitze.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 08.05.1991 (abgesandt am 11.06.1991) mit der Begründung ab, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, auf den er verweisbar sei, noch vollschichtig erwerbstätig sein.

Mit Schreiben vom 23.08.1991 - beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingegangen am 28.08.1991 - hat der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er sei wegen seiner Erkrankung zu keiner Arbeit fähig.

Auf Anfrage des Senats hat der Kläger mitgeteilt, er sei mit einer Untersuchung in Deutschland nicht einverstanden und eine ärztliche Bescheinigung des Dr. B. vom 04.12.1991 beigefügt. Dieser bescheinigt eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit Regression auf psychotischer Ebene nebst einer sichtbaren Ängstlichkeit und pathologischen Interpretations- und Verfolgungsideen, die den Kläger trotz regelmäßiger Therapie zu einer völligen sozialen Isolation führe.

Mit Beschluss vom 25.11.1992 hat der Senat das Verfahren wegen der bürgerkriegsbedingten Unterbrechung des Postverkehrs ausgesetzt und auf Antrag des Klägers am 28.01.2000 wieder aufgenommen.

Am 14.02.2000 hat der Kläger bei der Beklagten über den bosnischen Rentenversicherungsträger Antrag auf Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte nach Vollendung des 63.Lebensjahres gestellt. Die Beklagte hat den Antrag wegen nicht erfüllter Wartezeit von 35 Jahren abgelehnt (Bescheid vom 26.06.2000) und dem Kläger zwischenzeitlich Regelaltersrente ab 01.08.2001 bewilligt (Bescheid vom 12.12.2001).

Der Senat hat eine Begutachtung des Klägers in Bosnien-Herzegowina durch Prof. Dr. K. vom Klinischen Universitätszentrum in S. in Auftrag gegeben (Beweisanordnung vom 19.06. 2000). Der Kläger hat eine Untersuchung in S. mit dem Hinweis abgelehnt, er sei nicht reisefähig. Von einem zunächst beabsichtigten Hausbesuch, mit dem sich der Kläger einverstanden erklärt hatte, hat der Sachverständige mit der Begründung Abstand genommen, eine Untersuchung des Klägers in seiner Wohnung sei zur Abgabe eines präzisen und fachlich begründeten Befundes und einer Beurteilung unmöglich (Schreiben vom 24.10.2001).

Daraufhin hat der Senat die Psychiaterin Dr. M. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dr. M. kommt in ihrem Gutachten vom 19.12.2002 zu dem Ergebnis, beim Kläger habe zwischen dem 01.09.1986 (Tag der Rentenantragstellung) und dem 31.07.2001 (Tag vor Beginn der Regelaltersrente) eine seit 1977 psychiatrisch behandelte Neurose mit depressiver Symptomatik und Angstsymptomatik vorgelegen. Der Kläger sei von 1982 bis 1988 engmaschig ambulant sowie vom 25.06. bis 13.07.1986 stationär psychiatrisch betreut worden. Die Behandlung sei über Jahre mit denselben Antidepressiva erfolgt. Die Befunde seien mit Ausnahme des Entlassungsberichts über den stationären Aufenthalt 1986 knapp und ohne ausreichende Befundbeschreibung. Die im Bericht vom 04.12.1991 angegebene paranoide Symptomatik mit Beeinträchtigungs- und Verfolgungsideen, die den Patienten in völlige Isolation führe, hält die Sachverständige für zweifelhaft, da weder früher noch später eine paranoide Symptomatik mitgeteilt worden sei. Allerdings lägen keine Angaben über Behandlungen des Klägers nach 1991 vor. Dr. M. bestätigt die Leistungseinschätzung im Gutachten des Dr. K. vom 26.10.1990, führt aber dazu aus, dass sich Kernneurosen z.B. in Schwellensituationen des Lebens auch ohne weitere Ereignisse in den klinisch in Erscheinung tretenden Symptomen eigendynamisch verschlechtern könnten. Zusätzliche Erkrankungen seien dazu - entgegen der Ansicht des Vorgutachters - nicht erforderlich. Für die Begründung einer gravierenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben oder einer Reiseunfähigkeit reichten die vorliegenden ärztlichen Unterlagen aber nicht aus. Körperlich leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck und Nachtschicht, ohne Arbeit am Fließband oder im Akkord und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, habe der Kläger noch vollschichtig verrichten können. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit habe nicht vorgelegen. Allerdings verneint Dr. M. eine Umstellungsfähigkeit für andere als die bisher ausgeübte Tätigkeit, weil davon auszugehen sei, dass der Kläger bei erhöhten Anforderungen von außen, z.B. einer Einarbeitung in neue Tätigkeitsbereiche, zu psychischen Dekompensationen neige und nicht mehr die notwendige Energie und geistige Konzentration für eine Umstellung aufbringen könne (ergänzende Stellungnahme vom 06.09.2002).

Demgegenüber hält der sozialärztliche Dienst der Beklagten - Nervenarzt Dr. L. - die vorliegenden ärztlichen Unterlagen für nicht ausreichend, um die psychische Leistungs- sowie Umstellungsfähigkeit zu beurteilen. Allein aus der Diagnose ergebe sich nicht, dass der Kläger bei erhöhten Anforderungen von außen zu psychischen Dekompensationen neige (18.11.2002).

Der Senat hat den Kläger unter Hinweis darauf, dass der Sachverständigen Dr. M. nur Unterlagen für die Zeit bis Dezember 1991 vorlagen, gebeten, ärztliche Unterlagen für die Zeit zwischen Dezember 1991 und Juli 2001 vorzulegen (Schreiben vom 23.01.2003). Der Kläger hat hierauf nicht reagiert.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.05.1991 und den Bescheid der Beklagten vom 11.07.1989 i.d.G.d. Widerspruchsbescheides vom 05.04.1990 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und die Prozessakte des Sozialgerichts Landshut beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht Landshut hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.07.1989 i.d.G.d. Widerspruchsbescheides vom 05.04.1990, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente wegen fehlender Mitwirkung des Klägers an der Sachverhaltsermittlung versagt hat, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die erfolgte Versagung der Rente war, worauf die Beklagte im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen hat, § 66 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I). Kommt danach derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind (Abs. 1 Satz 1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da der Kläger sich einer zur Beurteilung seiner Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erforderlichen Untersuchung (§ 62 SGB I) nicht unterzogen hat.

Tatbestandsvoraussetzung für die vom Kläger am 01.09.1986 beantragte Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist der Eintritt einer auf Krankheit oder Behinderung beruhenden Erwerbsminderung (§ 1246 Abs.2 Satz 1, § 1247 Abs.2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung - RVO - i.V.m. § 300 Abs.2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -, für Versicherungsfälle nach dem 31.12.1991 § 43 Abs.2 Satz 1, § 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung bzw. § 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Hierzu ist eine ärztliche Untersuchung in Deutschland erforderlich (§ 62 Abs 1 SGB I), denn die vom Kläger im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens eingereichten Unterlagen reichen aufgrund fehlender Befunddokumentation für eine abschließende Beurteilung seines medizinischen Leistungsvermögens nicht aus.

Nach Angaben der Sachverständigen Dr. K. und Dr. M. wird das medizinische Leistungsvermögen des Klägers durch eine Neurose beeinträchtigt. Wesentliche weitere Gesundheitsstörungen liegen nicht vor. In den zahlreichen vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen werden lediglich im Bericht des Internisten Dr. K. vom 24.01.1990 außerpsychiatrische Diagnosen genannt (Diabetes mellitus Typ II b, Hypertensio arterialis essenzialis Grad II, Prohypertonikum comb.), denen sich mangels Angabe der hierzu erhobenen Befunde keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Leistungsminderung des Klägers entnehmen lassen.

Hinsichtlich der Diagnose einer Neurose kommen beide Gutachter übereinstimmend zu der Ansicht, dass die - nur bis 1991 vorliegenden - medizinischen Unterlagen aus Jugoslawien für die Annahme einer gravierenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben nicht ausreichen. Allerdings enthalten die Unterlagen nur äußerst dürftige Befundangaben, so dass - worauf der sozialärztliche Dienst der Beklagten wiederholt zutreffend hingewiesen hat - ohne ambulante ärztliche Untersuchung nicht abschließend beurteilt werden kann, wie schwerwiegend die durch die Neurose verursachten Leistungseinschränkungen beim Kläger tatsächlich sind.

Eine solche Untersuchung erübrigt sich nicht etwa deshalb, weil die Sachverständige Dr. M. ausführt, der Kläger könne sich nicht auf eine andere als die bisher ausgeübte Tätigkeit (als Landwirt) umstellen. Zwar wäre eine solche Feststellung geeignet, eine Erwerbsunfähigkeit zu begründen, da der Kläger die körperlich nicht nur leichten Arbeiten eines Landwirts nicht mehr verrichten kann. Die diesbezüglichen Ausführungen der Sachverständigen Dr. M. sind aber nicht überzeugend. Der sozialärztliche Dienst der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 29.07.2002 zu Recht darauf hingewiesen, dass die wenigen vorliegenden medizinischen Befunde für eine abschließende Beurteilung der Umstellungsfähigkeit nicht ausreichen. Es liegen weder testpsychologische Befunde noch ausführliche psychiatrische Befunde oder anamnestische Angaben des Klägers vor, die die von Dr. M. getroffene Beurteilung der Umstellungsfähigkeit begründen könnten. Dementsprechend formuliert die Sachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 06.09.2002, die Auswertung der vorhandenen ärztlichen Unterlagen spreche dafür , dass eine Neurose mit depressiver Symptomatik und Angstsymptomatik, verbunden mit zeitweisem sozialen Rückzug vorliege und aufgrund dieser Gesundheitsstörung sei davon auszugehen , dass der Kläger bei erhöhten Anforderungen von außen zu psychischen Dekompensationen neige. Konkrete Befunde, die diese Annahme stützen oder - was erforderlich wäre - geeignet wären, das Vorliegen einer Neurose und einer Neigung zu psychischen Dekompensationen nachzuweisen, nennt die Sachverständige nicht. Soweit sie darauf hinweist, Dr. K. sei in seinem Gutachten zu einem vergleichbaren Ergebnis gekommen, ist dem entgegen zu halten, dass Dr. K. noch eine Umstellungsfähigkeit auf einfachere als die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten (bekannt war eine Tätigkeit als Bauarbeiter) angenommen und geeignete Verweisungstätigkeiten benannt hat.

Der Kläger war bisher aus medizinischen Gründen nicht gehindert, der Mitwirkungspflicht nach § 62 SGB I nachzukommen. Er hat als einzigen Hinderungsgrund seine Reiseunfähigkeit angegeben. Frau Dr. M. bestätigt jedoch in ihrem Gutachten die vom sozialärztlichen Dienst der Beklagten mehrfach vertretene Ansicht, dass die vom Kläger eingereichten ärztlichen Unterlagen, insbesondere die Bescheinigungen des Neuropsychiaters Dr. B. vom 12.01.1989 und 08.11.1989 sowie des Internisten Dr. K. vom 24.01.1990 nicht geeignet sind, eine Reiseunfähigkeit des Klägers zu begründen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens aus medizinischen Gründen gehindert gewesen wäre, dem Untersuchungsverlangen nachzukommen. Zwar hat er sowohl gegenüber dem SG als auch gegenüber dem Senat angegeben, weiterhin nicht reisefähig zu sein, zuletzt mit Schreiben vom 03.06.2000, mit dem er es abgelehnt hat, sich einer Untersuchung in S. zu unterziehen. Hierzu führt Dr. M. jedoch unter Hinweis auf die häufigen Arztbesuche des Klägers in verschiedenen Orten überzeugend aus, dass eine Reiseunfähigkeit nicht nachvollziehbar und eine Dynamik in der Erkrankung i.S. einer wesentlichen Verschlechterung, die zu einem späteren Zeitpunkt Reiseunfähigkeit begründen würde, aus dem Krankheitsverlauf nicht ersichtlich ist. Für die Zeit ab 1991 liegen auch hier keine Unterlagen vor, die weiteren Aufschluss über die Reisefähigkeit des Klägers geben könnten.

Die Mitwirkungspflicht wurde auch nicht durch § 65 Abs.1 oder 2 SGB I ausgeschlossen. Die Anreise nach Deutschland zur Durchführung einer medizinischen Untersuchung stünde in angemessenem Verhältnis zu der vom Kläger unter Hinweis auf seine dauernde Unfähigkeit zur Ausübung einer Berufstätigkeit beantragten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente (Abs.1 Nr.1) und wäre dem Kläger auch zuzumuten (Abs.1 Nr.2). Die für eine Leistungsbeurteilung erforderlichen Befunde konnten nicht mit geringerem Aufwand durch die Beklagte selbst beschafft werden. Eine Untersuchung des Klägers in seiner Heimat kam wegen der vom Kläger stets eingewandten Reiseunfähigkeit nicht in Betracht. Eine Untersuchung in der Wohnung war, wie der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. K. mitgeteilt hat, zur Beurteilung der im Vordergrund stehenden nervenärztlichen Beschwerden nicht geeignet (Abs.1 Nr.3). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei der beabsichtigten psychiatrischen Begutachtung ein Schaden für Leben oder Gesundheit zu befürchten war (Abs.2 Nr.1), diese Begutachtung mit erheblichen Schmerzen verbunden gewesen wäre oder einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Klägers bedeutet hätte (Abs.2 Nr.2 und 3).

Das nach § 66 Abs.1 Satz 1 SGB I der Beklagten eingeräumte Ermessen ("kann der Leistungsträger") hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (zur beschränkten Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen vgl. Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 7. Auflage, § 54 Rdnr.29). Insbesondere war keine für den Kläger weniger belastende Verwaltungsentscheidung möglich. Alternativ zu der vorläufigen Versagung der beantragten Rentenleistung nach § 66 Abs.1 SGB I, die bei Nachholung der Mitwirkung auch zur rückwirkenden Leistungserbringung führen kann (§ 67 SGB I), hätte die Beklagte den Rentenantrag vom 01.09.1986 aufgrund der unzureichenden medizinischen Befunde nur wegen fehlenden Nachweises einer rentenrechtlich erheblichen Erwerbsminderung i.S. einer Beweislastentscheidung endgültig versagen können. Auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung ist der Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides und nochmals vor Erlass des Widerspruchsbescheides ausdrücklich hingewiesen worden (§ 66 Abs.3 SGB I).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 SGG), sind nicht gegeben.

Rechtskraft
Aus
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